Sonntag 25. Juli 1926

Film und Drama.

Ein Gespräch mit Bernard Shaw  .

Aus der Film- Weltho

Dieses Gespräch wurde von dem Amerikaner Archi­ bald Henderson   aufgezeichnet und ist im Verlage G. fifcher, Berlin  , in den Tischgesprächen mit Bernard Shaw  " erschienen. Der nach folgende Abbrud erfolgt dank des besonderen Entgegen. tommens des Berlages.

Henderson: Sinb aber die amerikanischen   Filme allen ande ren überlegen?

Shaw( entschieden): Nein. Biele von ihnen sind voll von dümmster Urteilslosigkeit. Uebertriebene und sinnlos wiederholte Einfälle zur Charakterisierung, scheußlich geschminkte Gesichter, Nah­bilder, die das Gesicht eines Engels nicht ertragen könnte, Hundert. tausende von Dollars, die vergeudet werden, um Wirkungen zu ver derben, die ich oder irgendein fompetenter Regisseur schnell und gründlich sichern würde, und bestimmt mit nur zehn Cent Roften, ausdruckslofe überlichtete Gefichter vor unterbelichteten Hintergründen,

feiner nicht Herr geworden. Ueberall zeigen fich verheißungsvolle Ansätze, z. B. arische Bürgerfrauen, taufen Barchenthofen, ein arischer Schreier umarmt den zurückgekehrten Juden, die Familie des führenden, völkischen Abgeordneten ist restlos verjudet, ein jüdischer Großfinanzier in London   vernichtet beim Frühstück durch einen

Ein Film, wie Deutschland  ihn noch nie gesehen,

Beilage des Vorwärts

leinen Auftrag die Baluta eines ganzen Landes, die Bürger fingen bei der Austreibung der Juden das niederländische Dankgebet, das alles find entzückende Details, Ansäge zu einer imponierenden Gratestfomit, dazwischen aber gibt Breslauer fauftdide Rührung, 3. B. die Juden des Armenviertels wandern ohne Ziel durch die Schneenacht, vertrieben und ruhelos wie Ahasver, Breslauer wollte beides geben, Groteste und Sentimentalität, ein Kompromiß, das unmöglich ist, Warum findet er nicht den Mut zu dem be= freienden großen Lachen, das gerade hier am Plate wäre? Warum wird menschliche Dummheit ernst genommen? Eines hebt das andere auf.

Bettauers Roman St fein folhes Sprachkunstwert, deß ein Kle­ben an der Vorlage gerechtfertigt erichiene. Der Regiffeur brauchte vor dem Roman teine Ehrfurcht zu zeigen. So ist ein Film entstan­den, der in keiner Beziehung restlos befriedigt, dabei weiß Breslauer mie Atzente zu setzen sind. Prachtvoll, wenn ein jüdischer Kaufmann von einem weißhaarigen Arier auf der Tribüne des Reichstages fc­fort Auszahlung Paris   tauft, als die Sache anfängt brenzlich zu werden, man merkt sofort, wie der Hase läuft. Unzureichend ist das Schauspielermaterial. Riemann

gewöhnliche und dumme Zwischentitel, aufdringliche Verzeichniffe von läuft ab Dienstag, den 27. Juli, in der mirt wie ein nicht genug zu feiernber Star, eine Ausnahme macht

allen, die bei dem Film tätig waren, vom weiblichen Star herab bis zum Laufburschen des Presseagenten, find mur ein paar von den Unsinnigkeiten, die zu machen die amerikanischen   Filmfabriken ein Borrecht haben. Die Borniertheit unter Ihren Filmleuten wuchert üppig, aber Taft und Vernunft fehlen gänzlich. Hier schlug Chaplin  in die Kerbe; aber Harald Lloyd scheint bisher der einzige Rivale zu sein, der vernünftig genug ist, seinem Beispiel zu folgen. Nächstens werden wir vielleicht zehn Minuten bei Beginn jeder Vor­führung da fizzen müssen, um uns sagen zu lassen, wer den Film entwickelte, wer ihn firierte, wer ihn trodnete, wer das Zelluloid lieferte, wer die Chemikalien, und wer dem Autor die Haare schnitt. Ihre Filmleute wissen einfach nicht, wie man sich zu benehmen hat:

Alhambra

Kurfürstendamm   68

man nimmt sich dem Bublifum gegenüber bei jedem Schritt Frei. Der große Emelka- Südfilm

heiten heraus, einzig auf Grund von tollen Unternehmungen und von Berschwendung. Jeder amerikanische Filmafpirant sollte fünf Jahre nach Dänemart oder Schweden   geschickt werden, damit er zivilisiert wird, ehe er in ein Atelier in Los Angeles   eintritt.

Henderson: Nun! Da haben wir's. Und wie mancher amerikanische   Regiffeur überrascht und verlegt sein wird, wenn er Ihr unerbittliches Urteil liest! Aber zuviel Erfolg ist für niemanden gut selbst nicht für Sie. Und da wir von Rometen sprechen: Rönnen Ronversationsstüde dialettische Dramen" wie die Ihren erfolgreich verfilmt werden?

-

-

Shaw: Barrie sagt, daß das Filmdrama der Zukunft teine Bilder haben, sondern nur aus Zwischentiteln bestehen wird. Henderson: Ich bin neugierig, ob das Konversationsstüd nicht dem Berfall entgegengeht, seit ungezählte Massen das stumme Drama unterstützen und dafür schwärmen.

Das deutsche

Mutterherz

Eugen Neufeld   als jubenfressender Bundeskanzler. Auch die Massenszenen wirten tot, unb hin und wieder stellen die Schau­spieler Opernpose. Ein dankbarer Stoff wartet auf seine letzte ent­Scheibende Form, aber leider gab es von Lucian bis zur Gegenwart nur wenig große Könner und Menschen, die feine verlogene Senti­mentalität fannten und verstanden, daß Lachen befreit und vernich­tender wirkt als die schönste pathetische Rede. F. S.

„ Die Stadt der Millionen." ( UT. Kurfürstendamm.)

Mit dem Kulturfilm ist und bleibt es eine eigene Sache. Es wird energisch nach ihm verlangt und dennoch ist tein Geschäft mit ihm zu machen. Im UT. Kurfürstendamm   versucht man nun an­erfennenswerterweise auf die verschiedensten Arten, Fühlung mit dem Bulturfilmfreundlichen Publikum zu bekommen. So läßt man neuer­dings als Auftakt für den Film„ Die Stadt der Millionen" den Prof. Dr. Hermann Schmitz einen Vortrag halten über„ Die Geele Don Berlin". Der Redner betonte, daß nicht durch die Denkmäler der Vergangenheit Berlin   fein besonderes Gepräge erhalten habe. Innerhalb eines Menschenalters ist diese Stadt zu ihrer Ausdehnung gelangt. Das schnelle Wachstum Berlins   setzte mit der Gründerzeit ein und fand durch den Weltkrieg feine Unterbrechung. Die Stätten der Arbeit, der Zuftrom der werftätigen Menschen zu ihnen sind die

Shaw: Was das anbelangt, da ist das Publikum in der über Das Hohelied der deutschen Mutterliebe Rennzeichen Berlins. Der Rebner verwahrte sich gegen die Be­

wältigenden Mehrheit vollkommen befriedigt, wenn es überhaupt fein Drama gibt. Aber das stumme Drama hat solch eine Ueber­produktion an Schauspielen hervorgerufen, daß die Leute augen­blicklich unsichtbaren Stücken drahtlos zuhören. Das stumme Drama erschöpft jetzt schon die Hilfsquellen der Stille. Charlie Chaplin  und eine sehr geschickte Kollegin Edna Purviance  , Bill Hart und Alla Nazimova  , Douglas Fairbanks   und Mary Bidford, Harold Lloyd und Buster Keaton   haben alles mögliche an stummer Dramatik und an athletischen Kunststüden getan und alle nur möglichen Bariatio nen davon gespielt. Wer sie auf der Leinwand niederspielen will, tann ihnen in ihrem eigenen Spiel nicht überlegen fein; aber er wird ein Oscar Wilde   des Films sein, der Epigramm auf Epigramm vor den Zuschauern leuchten läßt und so Barries Prophezeiung von mehr Zwischentiteln als Bildern wahr macht.

Henderson: Wenn das richtig ist, warum ist dann feins von Ihren Stüden verfilmt worden, da Wiß und Epigramm doch Ihre vertrauten Waffen sind?

Shaw( mit tödlicher Entschloffenheit): Weil ich es nicht er. laubte. Ich wiederhole, daß ein Stück mit fortgelassenem Tert ein verwüstetes Stüd ist. Und alle Filme nach Stüden, die geschrieben wurden, damit man sie sowohl hört wie sieht, find langweilige Fehl­schläge, ausgenommen nur, wenn der Dialog so wertlos ist, daß er eher schadet als hilft: Natürlich ist diese Ausnahme hinsichtlich der Menge sehr groß, doch im Augenblid, wo man zum flaffischen Drama gelangt, ist die Fortlassung des Textes und die Darstellung

Motto: Nie war ein Herz der größten Liebe werter Als dies, das alle sieben Schwerter Des Schmerzes trug...,

Was Millionen von Mutterherzen bebend miterlebt haben, ist hier zu einer gewaltigen Symphonie der Empfindungen gestaltet

vom lächelden Idyll der Kindheits­jahre bis zur schlachtenlärmdurchdröhnten Eroica des söhnemordenden Krieges.

Regie: G. v. Bolvary  

( Regisseur der Königsgrenadiere)

hauptung:„ Das Tempo der Großstadt ist den Gemütskräften des deutschen   Lebens schädlich." Er verwies auf den liebevoll gepflegten Blinnenschmuck der Arbeiterviertel und das mit Treue und Fürsorge gehegte Tier- und Pflanzenleben in den Laubenkolonien. Für tief­finnige Betrachtungen sind einleitende Worte dieser Art bestimmt nicht geeignet, doch da die Kaiferzeit und Preußens Könige gewiffen­haft erwähnt wurden, hätte der Redner sich getroft die Zeit nehmen follen, die Tatsache auszusprechen, daß Berlin   jetzt die Reichshaupt­stadt der Republik   ist. Der Vortrag war dem bekannten Film so ziemlich angepaßt, der sich die Befriedigung von Sonderwünschen angelegen fein ließ und mehrere Szenen Friedericus Rer mibmet. Der freilich, was wohl als böser Regiefehler anzusprechen ist, dem Zuschauer faft nur die fönigliche Rüdanficht zeigt. 3mar fieht man den Präsidenten Ebert bei der Berfaffungsfeier und den Präsidenten v. Hindenburg   bei der Amtsübernahme, aber das sind nur Episoden, Don Berlins Bekenntnis zur Republik dringt durch diesen Film be­stimmt nichts ins Land. -g.

, Syrien  , das Land der tausend Moscheen." ( Urania.)

des bloßen Szenariums ziemlich dasselbe, als wenn man das Draht. Die ausgezeichnete Besetzung: Belt infolge der Kämpfe zwischen Drufen und Franzosen   den

sfelett, das dem Tonmodell eines Bildhauers Halt verleiht, als Statue anbiete. Und außerdem bedenken Sie die Wirkung auf die Theater­faffe. Beute sehen einen Macbeth"-Film. Sie bilden sich ein, daß fie Macbeth" gesehen haben und möchten ihn nicht noch einmal

fehen; und wenn nun Ihr Mr. Hackett oder sonst jemand berum. reift, um das Stück zu spielen, findet er leere Häufer. So ist es mit Dugenden von guten Stüden gegangen, deren Autoren die Erlaub. nis zur Berfilmung gaben. Mit meinen wird es nicht geschehen, so­lange ich dafür sorgen farm.

Die Filme der Woche.

„ Die Stadt ohne Juden  ." ( Alhambra.)

Ein Staat mit finfender Baluta weist eines Tages die Juden aus, weil er ihre Balutaspekulationen als Grund der sinkenden Währung erkennt. Als aber die Arier unter sich find, verschlimmert fich die Situation noch mehr. Reine Kredite werden gewährt, die Währung fintt ins Bodenlose, der arische Milliardär aus Amerita, der die Aktion unterſtügte, verlobt sich mit einer jüdischen Bantiers­

Margarete Kupfer, Ellen Kürti

Syrien, das in der Geschichte der Menschheit schon 3000 Jahre v. Chr. eine bedeutsame Rolle spielte, Syrien  , das in der letzten Europäern erhöhte Aufmerksamkeit abforderte, ist ein natur­gegebener, dantbarer Filmstoff. Er ist wirklich vielgestaltig. Man genießt landschaftliche Schönheiten von eindrucksstarkem Reiz, er­lebt in Baalbed( Heliopolis  ) Architektur von wahrhaft wuchtiger Kinderarbeit und der restlosen Ausbeutung des Tieres Morgen­ land   und Abendland leben nebeneinander und miteinander, prägen Städten oder Stadtteilen ihren Stempel auf. In der wichtigen

Vera Veronina, Helene von Bolvary   Birtung und gewahrt das geschäftige Leben des Orients mit seiner Julius Messaros, Carl W. Mayer

Heinz Rühmann  , Leon Epp  , M. Weydner afenstadt Beirut   sieht man unter anderem Frauen als Kohlen­

Ab Donnerstag, den 29. Juli, auch bischer Baufunft entzückt. Nach franzöſiſcher Manier ist der Film

Schauburg

trägerinnen, auf der Fahrt durchs Land grüßen uns Schlöffer, die trupig felbftherrliche Kreuzfahrer einst bauten, während Da mastus, das infolge feiner geographischen Lage immer als orien talische Stadt eine große Rolle spielte, durch die Denkmäler ara­mannigfach getönt. Das ist Krampf und weiter nichts, denn so erfaßt man felbft rein stimmungsgemäß den Orient nicht. Wenn man beispielsweise die blauen Töne des Tales des Kadisha farb­träftig betont, so wirkt das nahezu tindhaft. Der Orient ist auch ohne Anstrich tausendfacher Wunder voll. e. b.

tochter, und schließlich sieht man sich gezwungen, das Gefeß auf: Königgrätzer Straße( am Potsdamer Platz  ) in unserer legten Filmbeilage wird gesagt, daß in der als Beipro­

zuheben. Der erste zurückkehrende Jube wird mit ungeheurem Jubel von der ganzen Bevölkerung empfangen, Bertreter des Staates, der Oberbürgermeister mit germanisch- grauem Umhängebart und teusch errötende Ehrenjungfrauen begrüßen ihn offiziell.

Der Stoff ist dem gleichnamigen Roman von Hugo Bettauer  entnommen, der Regisseur und Bearbeiter R. Breslauer ist aber

In unserer Besprechung des Filmes Heimweh nach der Gaffe" gramm gezeigten Ufa  - Woche eine Aufnahme des ehemaligen Kron­prinzen enthalten sei. Wie uns die Kultur- Abteilung der Ufa   mitteilt, liegt hier eine Berwechselung vor. Die Abteilung Wochenschau der Ufa  - Film A.-G. legt Wert auf die Feststellung, daß fie bewußt eine gänzlich neutrale Berichterstattung pflegt und alles vermeidet, was irgendwie Anstoß erregen fönnte.

Dreusengold

KRZ

Edel- Cigarette Phänomen

Von Kennern bevorzugt