Einzelbild herunterladen
 

Zwei übereinandergeftelltcn Betten für die Eltern zu einem Neben- einander reicht der Platz nicht einem kleinem Tisch, einem stuhl und einem kleinen eisernen Oefchen, an dem. wie mitgeteilt, vor wenigen Tagen durch Verbrühen mit Kaffee das jüngste Kind, ein zweijähriges Mädchen, den Tod fand. Als Schlafgelegen- hcit für vier Kinder dient ein Bett, das zur Nacht mitten im Raum aufgestellt wird. Das älteste Kind schläft bei Ler- wandten. Von diesen vier Kindern, die. eng zusammengepfercht, zusammen mit zwei erwachsenen Personen, in diesem licht- und lustlosen niedrigen Loch nächtigen, ist eins schwer tuberkulös. Der Mann ist Stiagenarbeiter, zurzeit arbeitslos und bezieht eine wöchentliche Unterstützung von ZI M. Seine Frau, schwer nerven krank, Hilst bei Feldarbeiten. Alle Bemühungen nach einer menschen würdigen Behausung waren bisher erfolglos. Das Wohnungsamt beharrt auf dem ehernen Gesetz derReihenfolge". Wo bleibt die segensreiche Institution eines Dringlichkeitsantraaes, oder besser ge- sagt, worin bcstehl eigentlich ein solcher? Welche Vorbedingungen sind hierbei zu erfüllen? Die Gesundheitspolizei hat es bisher überhaupt nicht der Mühe wert gefunden, die Sache in Augenschein zu nehmen Ist solch ein Fall, deren es natürlich hunderte gibt, nicht eine Ki-lturschande traurigster Art? Wie leer und hohl klingen da doch die schone» Worte von Volksgesundung und Menschenpssicht! Der Hausherr über diese Traurigkeit erklärte es für unmöglich, noch einen zweiten Winter in diesem Gelaß durchzumachen. Es wäre wohl doch an der Zeit, die Sache endlich mal vorzunehmen und schleunigst Abhilfe zu schaffen. SchWeres flutobusungiück in kaulsöorf. Lins Person gelötet. Drei Schwerverlehte. (Ein folgenschweres Autobusunglück ereignete sich gestern nach- mittag kurz vor Z Uhr in der D o r s st r a ß e zu K a u l s d o r f. Ein Fahrgast wurde dabei getötck, drei schwer und zwei weilere lelchl ver­letzt. wir erfahren dazu folgende Einzelheiten: Zu den gestrigen Rennen in Hoppegarten verkehrten wie ge- wohnlich eine große Anzahl von Kraftwagen der Kraftver- k e h r o g e s c l l s ch a s t in den Marken, um die Rennbahn- besucher nach dort z» bringen. Der Weg führt unter anderem über Kaulsdorf . Auch gestern wurde wieder eine größere Zahl von ge- schlossenen Wagen in den Verkehr gestellt, die sämtlich eine gute Be- setzung aufwiesen. Kurz vor 3 Uhr nachmittags passierte ein voll- besetzter Kraftwagen die Dorsstraße in Kaulsdors. Der Führer einer von hinten kommenden mit drei Personen befegten Kraft- droschke wollte den Autobus überholen, unterschätzte aber die Ent- sernung und prallte mit der rechten Hinterachse gegen die linke Vorderachse des Aulobus. Der Anprall war so heftig, daß dem Ehausfeur das Steuer aus der Hand geschleudert wurde und er die Führung über seinen Wagen verlor, wil voller Wucht stieß der Autobus gegen einen starken Ehanffeebaum. Die linke Seite in der ganzen Länge wurde völlig eingedrückt und zertrümmert. Der Fahr- gaste bemächtigte sich eine Panik. Zwischen dem Klirren der zer- trümmerten Fensterscheiben und dem Krachen persplittcrter Holzteile ertönten die Hilscruse der Verletzten. Ortseinwohner bemühten sich sofort um die verunglückten Personen. Der Bäckermeisier Hugo Dach aus der Straße 94 In Baumschnlcnmeg erlitt so schwere Kops- Verletzungen, daß er bereits mst dem Wege zum hubertuskronken- Haus verschied. Weitere vier Personen wurden in schwer verlegtem Zustande nach Anlegung eines Notverbandes durch den Kaulsdorfer Arzt in das dortige Krankenhaus übergeführt. Ihre Namen find: Kaufmann Paul W i l k c, Wilhelmstr. 16, Armverletzungen, Kauf­wann Paul G r ä f f. Ratiborstr. 40, Brüche und Nückenquetschungcn, Kellner Robert Reisig, Maiburger Str. 7, Beinoerletzungen. Zwei weitere Fährgäste, der Schmiedemeister Robert Briese neck, Weidenweg 44, und der bekannte Pianist Professor Leonid .Kreutzer , Luitpaldstr. 20, sowie der Chauffeur des Autobus kamen mit geringfügigen Verletzungen davon.und konnten nach An- legung von Notverbänden in ihre Wohnungs» entlassen werden. Der schwer beschädigte Autobus mußt: abgeschleppt werden. Das Berliner Rcttungsamt hatte zwei Wagen an die Unfallstelle geschickt. Die«chuld«n dem Unglückssall soll den Führer der Kraft- droschke treffen, dessen Name polizeilich festgestellt wurde. Das Unglück erinnert an das am Lützowufer, wo ein Privaikraftwogen e-nen vollbesetzten Autobus überholen wallte, dessen Vorderachse streifte und den Autobus zum Umstürzen brachte. Das Unglück in Kaulsdors wäre vielleicht noch folgenschwerer verlausen, wen» nicht der Baum, gegen den der Kraftwagen fuhr, das Umkippen ver- hindert hätte. VilS ? Gerüchte über öas �reiboü. Seine Verunreinigung der Ivannsecgcivässer. Eine große Berliner Tageszeitung bracht« unter der Ueberschrift Idyllisches aus der Großstobt" den Artikel eines Or. ins. Kuhberg, in dem Klage über die angebliche gesundheitsschädliche Verschmutzung des Wannsees durch die Gemeinde Wannsee geführt wurde, die den kleinen Wannsee als Abwässerungsbecken benutze, weil sie keine Rieselfelder liesitze.Eine dunkelbraune Brühe" soll sich vom kleinen in den großen Wannsee ergießen. DieEchmutzwasierschlangen" er- strecken sich fast bis zum Freibad Wannsee . Ein kommunistisches Späiabendblatt griff diesen Artikel auf Und forderte vom Polizei- Präsidenten die sofortig« Schließung des Freibades. Wir haben nun- mehr von der Direktion des Freibgdes eine Erklärung zu diesen An- grifsen erbeten, die uns gegeben wurde und die in präziser Form die Behauptungen des Blattes für durchaus unrichtig erklärt. Das Bezirksamt hat eigen« Gespanne für die tägliche Joncheabfuhr. DieSchmutzschlangen", die Herr Dr. K. ge- sichtet haben will, erklärt man in Wannsie« für ein Phantasiegebilde. Ein« gewisse verschieden« Färbung der Haoelgewässer rührt von den zahlreichen Wasserpflanzen wie Algen usw. her, deren Säfte das Wasser hier und da mit ihren Abscheidungen durchsetzen. Selbst wenn die Villenbesitzer am Wannsee ihr« Abwässer in den Wannsee schütten würden, so würde der Unrat, da das Wasser nicht rückwärts, sondern vorwärts läuft, sich in Richtung Potsdam fortbewegen, keineswegs jedoch das Freibad verunreinigen. Uebrigens sind keine Beschwerden der Freibadbelucher bei der Ver- waltung des Bades eingelaufen. Der Besuch des Bades am Dienstag war ebenso stark wie sonst. Das Bezirksamt Zehlendorf stellt auf Anfrage der Freibadverwaltung fest, daß die Behauptungen des Artikels jeder Begründung entbehren und auf freier Erfindung beruhen. Wie viele andere Villenorte hat allerdings der Ortsteil Wannsee des Bezirks Zshlendorf noch keine Kanalisation. Sie ist jedoch im Bau und wird zum größten Teil schon im nächsten Frühjahr in Betrieb genommen werden. Es besteht eine städtische Fäkalienabfuhr, deren Betrieb, so sagt das Bc- zirksamt, allen Anforderungen der modernen Hygiene entspricht. Nichts von diesen Abwässern gelangt in den kleinen oder großen Wannsee. Utn die Einleitung von Abfaltstosfen in ein Gewässer wie den Wannsee zu oerhindern, bedarf es keiner neuen Polfzeiverord- nnng, da die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen vollauf genügen würden, um gegen irgendwelche Verfehlungen der angedeuteten Art sogleich einzuschreiten. Die Verwaltung des an besonders günstiger Stelle gelegenen Freibades hat nicht den geringsten Grund,«ine Ver- fchmutzung seines Wassers oder gar«in« gesundheitliche Gefährdung seiqer Besucher durch die Nähe des Ortsteils Wannsee zu befürchten. Wenn das Bezirksamt am Schlüsse seiner Erklärung sagt, daß man keine amtlich« Berichtigung in die Press« gebracht habe, weil die Ui«<chtigk«it der Angaben zu offen zutage lögen, so muß man hier entschieden widersprechen. Die Aufklärung der Oefsent- lichkeit ist dringend notwendig. Vor allem der Blätter, denen e» nicht um Sensation oder Beunruhigung, sondern um

das Wohl der Bevölkerung zu tun ist. Die Polizei hat übrigens eine Untersuchung der Wannseeabwässer eingeleitet, deren Ergebnis zur Stunde noch nicht feststeht. Das schrvarzweißrote ,Note kreuz". Boykott von Republikanern. In einer Betrachtung des monarchistischen Paradeftandals des Roten Kreuzes am Wannsee , dem der neunjährige Schüler Jaennecke zum Opfer siel, und der mehr als seltsamen Borgänge bei der so- genanntenRote-Kreuz-Lotterie" übt derDemokratische Zeitungs- dienst" Kritik an der überwiegend antirepublitanischen Einstellung aller leitenden Instanzen des Roten Kreuzes. Eine besonders bedenkliche Rolle im Roten Kreuz spielen die streng nationalistischenVaterländischen Frauen- verein e", deren taktlos monarchistische Propaganda in der amt­lichen Wohlfahrtspflege einen öffentlichen Skandal darstellt. Der Demokratische Zeitungsdienst" geißelt die Heuchelei diesersozialen" Frauenoereine, in denen diegutsituierten" Frauen der Bourgeoisie eine mehr oder weniger autokratische Herrschaft ausüben. Die kindische Jagd nach Auszeichnungen ist vielfach der Grund für eine zur Schau getragene Wohlfahrtspose. Während die in aufopserndem Dienst stehenden Sanitäter geringe Aus- Zeichnungen erhalten, bemühen sich die führenden Damen von den Vaterländischen Frauenoereine» vor allem darum,höhere An- ertennungen" zu erhallen. Personen, die sich entschieden zur Republik bekennen, haben beimRoten Kreuz" eine unhallbare Position. Sie werden, wo es irgend angeht, regelrecht boykottiert. Diese üblen Intrigen einmal näher zu untersuchen, ist Pflicht des republikanischen Staates, der doch schließlich zum Roten Kreuz in einem gewissen Verhältnis steht. Jedenfalls kann von einer Un- Parteilichkeit dieser Institution nach ollem, was letzthin bekannt wurde, nicht gesprochen werden.

Sternöeuter und Diebin. verlauschte Rollen. Mit der Freilassung der Diebin und mit der schweren Verurteilung und sofortigen Verhaftung ihres Beraters endete ein Diebstahlsprozeß vor dem Schöffengericht Mitte. Der Fall wäre kaum erwähnenswert, wenn nicht der Astrologe und Gra- phologe August Konto dabei eine merkwürdige Rolle gespielt hätte. Landgcrichtsdirektcr Dr. Gayl nannte den vielfach mit Zuchthaus vorbestraften Sterndeuter einen Judas Ischariot . Helene B u tz war 4924 als zwanzigjährigesMädchen vom Lande" bei der Apothckenbesitzerin Frau K. in Stellung gekommen. Bold daraus verlobte sie sich und schickte nun ihren Eltern, die in einem Landstödtchen in Pommern leben, nach und nach eine ganze Schlafzimmereinrichtung und eine reiche W ä s ch e a u s- st a t t u n g zu. Dann kündigte sie den Dienst und brachte noch 500 Mark Bargeld mit nach Hause. Ihre Dienstherrin war so sorglos gewesen, die Kasseneinnahmen aus der Apotheke nachts im offenen Schreibtisch aufzubewahren. Erst nach dem Verschwinden ihrerHelene" merkte sie die Diebereien und erstattete Strafanzeige. Hslene befand sich noch immer in der Heimat. Dort tauchte eines Tages August K o n k o, der Sterndeuter, auf, um einen Dortrag über Astrologie und Horoskope zu hallen. Als er nach dem Vortrage bei einer Familie übernachtete, hörte er, daß man sich in dem Dorf den Kopf darüber zerbreche, wie Helene zu chrem Reichtum ge- konimen fei und warum sie so plötzlich ihre Stelle aufgegeben habe. Am nächsten Morgen erschien der Sterndeuter bei Helene und deren Eltern und eröffnete ihnen, daß er in der Nacht aus den verdunkellen Sternen ein drohendes Verhängnis für Helene erkannt habe. Helene gestand daraus dem Sternkundigen ihre Schuld ein. Auf ihre Bitten befragte der Sterndeuter nochmals die Sterne. Am nächsten Tage machte er dann Helene den Dorschlag, sie solle ihm Schuldscheine ausstellen, damit es aussehe, als ob er ihr D a r l e h e n g e g e b e n Hobe, mit denen sie sich die gute Etnrichtung gekauft habe. Natürlich machte der Astrologe das ZZ/sschM- nicht �ünssonst..sondern ließ sich Für die Hilfe zunächst einmal 20 0 Mark geben und später noch mehr. Schließlich kam aber doch die Terminoorladung und. Helene fuhr nach Berlin , um neue Hilfe bei den Sternen zu suchen. Als ihr Berater aber erkannte, daß Helene ihm nichts mehr geben konnte, vertauschte er seine Rolle und ging zu der B e st o h l e n e n. der er seine Hilfe anbot. Er erklärte, gegen Zahlung von 20 Mark könne er Helene ausliefern und verhaften lassen. Die Angeklagte, Helene Butz, gestand ihre Schuld ein und versprach, sich zu bessern. Ihr Rechtsanwalt bat. die Angeklagte nicht in die Strafanstalt zu schicken, eine Bewährungsfrist würde viel heilsamer wirken. Das Schöffen. gericht schloß sich diesem Antrage des Verteidigers am Helene Butz erhielt t> Monate Gefängnis. Das Gericht war aber der Meinung, daß der Strafzweck durch die zweimonatige. Unter- suchungshaft bereits erreicht sei und gab ihr für den Rest der Strafe Bewährungsfrist. Auf einem ganz anderen Stand- punkt stellte sich das Gericht aber gegenüber dem Sterndeuter Konko. Landgerichtsdirektor Dr. Gayl war der Meinung, daß er eine außer- gewöhnliche Gemütsroheit und Berkommenheit ge- zeigt habe. Konko wurde wegen Begünstigung zu 4 Jahr 6 Monaten Gefängnis verurteilt und wegen der Höhe der Straie sofort in Host genommen. Dagegen wurde der Hastbesehl bei der Mitangeklagten aufgehoben. Schlägerei als LonAfriedensbruch. Der Herr Oberwachkmeisler erklärt seineprivate" ZNeinung. Bor dem Großen Schöffengericht in Spandau hatten sich acht Reichsbannerleute und der sünfundzwanzigjährige Arbeiter Friedrich Behrend, der dem Reichsbanner nicht angehört, wegen Landfriedensbruchs zu verantworten. In der Nacht zum 30. Mai d. I. veranstalteten Rechts- oerbände ein Tanzvergnügen im Saale am Pferdemarkt in Döberitz, während einige Reichsbannerlcute sich im Lokal von Kuchenbäcker aushielten. Den ganzen Abend bereits wurden Reichs- bannerleute von Gruppen der Rechtsradikalen beschimpft und mit Waffen bedroht. Der Reich-bannermann Heinrich A ch i l g e r machte die Polizei darauf aufmerksam, die auch einige dieser Rechtstrupps auf der Straße nach Waffen durchsuchte. Gegen 3 Uhr nachts kamen ungefähr zehn Mann mit entrollter schwarzweißroter Fahne aus dem Tanzlotat. Es war die Ortsgruppe Staaten der Bismarckjugendbündler mit ihrem Führer, dem Wächter von den Zeppelinwerken, Johann W e s b i e. Als der Trupp angetreten war, machte der Oberwachtmeister Brandt den Führer daraus aufmerksam, daß er die Fahne einrollen sollte. Auf der Straße herrsche erregte Stimmung. Di« Abteilung setzte sich nach dem Metznerplatz in Bewegung, ohne sich um die Anordnung Brandts zu kümmern.' Eine Anzahl Neugieriger begleitete den Zug. Am Metznerplatz fiel plötzlich ein Schuß, und nun sahen Reichs- bannerleute, daß der Führer Wesbie einen Revolver und einen Totschläger in der Hand hiell. Achilger wollt« den Zug an- halten, um Polizei herbeizurufen, und die Ablieferung der Waffen fordern. Nun entstand eine allgemeine Rauferei. Behrend, der nichts mit dem Reichsbanner zu tun Halle, schlug mit einem Knüp- pel Wesbie zu Boden. Jetzt erschien Polizei und nahm die Waffen ab. Sämtliche Anwesenden aus dem Metznerplatz mußten zur Wache mitkommen. Die neun Angeklagten sahen mann vom 30. Mai bis 49. Juni in Untersuchungshaft. Bei der Verhandlung erklärte Dr. Brandt:Ich habe bis jetzt ständig die Wahrnehmung gemacht, daß nur rechtsstehende Vereine bei ihren Vergnügungen von Links st ehe» den gestört und angegriffen wurden, dagegen ist es umgekehrt nie der Fall gewesen." Rechtsanwalt Dr. Crohn widerlegte diese Behauptung. Erst im vorigen Jahre war ein Landsriedensbruchprozeß in Spandau gegen Rechtsradikal« verhandelt worden. Damals hatten diese eine Reichsbannerversamm- lung im alten Ratskeller stürmen wollen und aus dem Nachhause- weg« einzelne Reichsbannerleute überfallen und schwer mißhandell. Dr, Crohn bezeichnete eine solche leichtfertig« Aussage

eines Polizeibeamten als ungeheuerlich. Die Der4 Handlung dauerte sechs Stunden, es wurden 48 Zeugen vernommen. Bei den festgenommenen Reichsbannerleuten waren keine Waffen oder Totschläger gesunden worden. Außer dem Revolver und dem Totschläger bei Wesbie fand die Polizei noch eine Stahlrute bei dem Bismarckbündler Arno R e ch n i k. Der Staats- anwalt plädierte aui Landfriedensbruch. Der Rechtsbeistand da- gegen nannte das Ganze eine gegenseitige Holzerei, höchstens käme Körperverletzung in Frage, und die sei nur bei B e h- r e n d erwiesen. Das Gericht entschloß sich für Landfriedensbruch und verurteilte Behrend zu zehn Monaten Gefängnis, Zlchilger zu s i e b e n die beantragte Bewährungsfrist wurde hier abgelehnt, zwei weitere Reichsbannerleute zu sechs und drei Monaten mit Bewährungsfrist und zu einer Geldstrafe von je hun- dert Mark. Die anderen Angeklagten wurden freigesprochen. Di« erlittene Untersuchungshaft kam nicht in Anrechnung. Der Vor- sitzende rügte aber auch in scharfen Worten das Benehmen der Bismarckbündler, die den Anordnungen des Polizei- beamten nicht nachgekommen waren. Das �rrnenrecht". Der Begriff des Armenrechts sieht eine vorläufige Befreiung von den Kosten eines bürgerlichen Rechtsstreits wegen Armut vor, er bedeutet also, daß man sich erst ein Armutszeugnis ausstellen lassen muß, wenn man die Segnungen der bürgerlichen Justiz als armer Mensch genießen will. Der Arme aber, der nichts zu verlieren hat, wird selten von dieser sozialen Einrichtung Gebrauch machen, denn wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren. Auch ich zähle nunmehr zu diesen Abgestempelten, die diese offizielle Anerkenntnis der Armut einholten. Wenngleich Armut nicht schändet, so ist es doch eine eigenartige Sache im Gefühl, das bei jedem ehrlichen Menschen gleich ist. in welcher Schichtung er sich auch bewegt, daß er sich seine Hilflosigkeit dem Gesetz gegenüber öffentlich bescheinigen lassen soll. Schon gegen 9 Uhr morgens wandle ich die Straßen ad. um das Schild des Aemenoorstehers in meinem Bezirk zu suchen, das ich dann auch bald in einer versteckten Ouer- straße mit der AusschristWohlfahrtstommissoria t" finde. Gesegnet sei die Wohlfahrt! denke ich, und steige die Treppen hinaus. bis ich an einem Türschild den Vermerk lese, daß hier der Haus- besitzer Krause sein Amt als Armenkommissarius nur Dienstags und Freitags abend von 5 bis 7 Uhr übt. im übrigen aber nicht belastigt sein will.. Trotzdem klingele ich. ja. ich nehme m,r vor, unbeteiligter Zu- schauer zu bleiben, wenn der Hausbesitzer mit dem Wohlfahrten kommissar in Konflikt gerät.*.... Die Frau vom Haus öffnet. Sie ist blond und stark und dann ganz Würde, man merkt es, wie der Goldglanz des gewichtigen Amts ihres Mannes auch auf sie abgefärbt hat. Aber mein« verbindllchste Höflichkeit besiegt schnell die Falten zwischen den zornigen Augen. ja. sie ist so nett, mir zu sagen, welchen Weg ich einschlagen soll, der zum Ersolg führt. Erst zum W o h l f a h r t s a m t gehen, dort den Schein holen und übermorgen. Freitag, wiederkommen. Das wäre eigentlich genug für einen empfindsamen Menschen, wieder umzu- kehren. Aus halber Neugier und halb aus Genugtuung über meme schämige Lage, die ich spiele, trolle ich zur Bezirksoerwaltung. Wenn man den Vorgeschmack des Fegefeuers nach einem mo- dernen Vorwurf zeichnen wollte, so müßte man sich dos özaus eines Wohlfahrtsamts als Muster denken. Alle Armut und alles Elend der großen Stadt läuft in solchem Haus zusammen, damit es hier be- hördlich rubriziert, desinfiziert und mit falschen Etiketten oerziert wieder auf Seinesgleichen losgelassen wird. Der Schul- und Armen, arzt hat hier sein" Bureau, die Ferienverschickung der Kinder, das Standesamt, die Hundesteuer, ein St.llennachweis für Aufwarte- freuen usw. usw. Unten im Hinterhaus ist die Arbeitslosenfuriorge, wo es wie in einem Wespennest aus und ein schwirrt, darüber der Arbeitsnachweis für stellungslose weibliche Personen, die sich teils scheu, tells hcroussorhernd aus.den.Treppen herumdrücken. Wie ein In Ausbruch besindUches Biwack sieht das ganze- Gebäude aus. die Treppen und die offenen Korridore sind angefüllt mit alten und ge- b rechlichen Leuten, mit Müttern mir ihren Kindern, mit Biltsnchendeit jeglicher Art. Dazwischen der gewichtige Beamtenschrttt von Menschen. die aufrecht noch aus schwankender Planke balancieren, vielleicht aber morgen schon verzwcislungsvoll in den Strudel mit herabgerissen werden. Wenn man ein Riese wäre und letztes hinter sich weg würfe. so würde man mit Verachtung von hier hinweggehen, aber draußen steht noch nicht das neue Gebäude der Zukunft, das diese Einnch- tungen überflüssig macht........ Dort, wo der ärgste Zustrom der Menschen ist, gehöre ich auch hin. Durch mehrere Bureouräume voll angestaubter Aktenbündel werde ich geschickt, bis der Beamte für meinen Notbuchstaben gesunden ist. An mehreren Tischen wird unterhandelt, drei Gesuchsteller sind vor mir noch abzufertigen. Der ganze Vormittag geht darauf, miwer- weile habe ich Gelegenheit, die ganze Wohlsahrtssymphonie auf mich niederregnen zu lassen. Da ist eine H e i l s a r m e e s ch w e st e r, die in Sachen ihrer Schutzbefohlenen kommt. Auf die kardiale Art der Beamten, ihre Sachen kollegial zu behandeln, geht sie nicht ein: sie will nur, weil das, was sie will, geschehen muh. Zwei in ihrem He,m erkrankte Mädchen muß sie in ein Krankenhaus unterbringen. Das eme Mädchen. 16 Jahre alt. hat in Berlin wohnende Eltern. Nun liegt die Gefahr nahe, daß die Entlausen« wieder zu den Eltern zurück- gebracht wird, die die Verpflichtung für die Versorgung haben. 2lber das Mädchen würde hier sofort dem Laster der Straße zuruckoer- fallen, außerdem einen ständigen Anstcckungsherd sür die �amuie bedeuten. Dem Beamten gelingt es. zwei Freibetten in einem Krankenhaus zu besorgen, später hat er dann wegen des Zolles von anderer Seite noch eine Intervention, er ist aber tapfer genug, feine Maßnahme zu vertreten. Eine junge Frau, gesund und unter- nehmend, verlangt ein Armenattest sür ihre Ehescheidungsklage. Seit sechs Iahren ist sie oerheiratet, die Ehe ist linderlos, sie und ihr Mann waren seit langer Zeit arbeitslos. Sie wohnt bei den Eltern. seit zwei Wochen hat sie wieder Arbeit, 47 Mark die Woche. Nun will sie wieder von der lästigen Fessel srei sein, ihren Mann mit zu ernähren, der alles oertut. Der Beamte verlangt, daß der Mann das Armenattest beibringt, es stellt sich heraus, datz es schon bei den Akten liegt. Ich denke, der Fall wird nicht hoffnungslos sein und wünsche der jungen Frau im Stillen gutes Gelingen ihres Unter. nehmens.,..' m»,- Ein junger Mann kommt mttk seinem Kind wegen Veklei- dung Ihm wird vorgehalten, daß er bereits schon einmal Unter- stützu'ng bezogen hat.Ja," sagt er.das war. wie ich und meine Fräu im Krankenhaus lagen." Endlich bin auch ich an der Reihe. Meine erste Frage gibt der Befürchtung Ausdruck, daß das Armenattest mir den Stempel des Unterstützungsempfängers aufdrücken könnte. Der Beamte steht mich verwundert an:Wieso, das sieht ja aus. als ob Sic die ganz« neue Zeit verschlafen hätten! Jetzt reist alles auf Armenatteste, ganz andere Persönlichkeiten wie Sie. Wenn ein Erongrundbesitzer seinen Hypothekenauswertungsprozeh durchführen will, oder sonst Schmerzen hat, so kommt er und klagt auf Armenattest. Oder glauben Sie, solche Leute könnten den hohen Gerichtskostenvorschich auf- bringen?" Was ich glaube, verschweige ich ihm wohlweislich, �ch muß den Steuerausweis vorlegen. Zum Glück habe ich Steuern be- zahll: darum fasse ich mich in Geduld und wandere zum zzlnonzamt wegen des Ausweises. Freitag abends bin ich mit meinem vorde- arbeiteten Besuch beim Armenoorsteher. Diesmal öffnet nicht die Blonde, nur eine von den wartenden Frauen im Korridor. Der kleine, nicht vier Ouadratmeter umfassende Raum ist angefüllt mit armen wartenden Frauen mit ihren unruhigen Kindern aus dem Arme, die einmal zur Erde wollen und wieder herauf, die schon zu weinen anfangen und ängstlich beschwichtigt wer. den, damit der gestrenge Herr Armenvorsteher in der guten Stube vor seinem Schreibtisch nicht gestört wird. Der Teppich der guten Stube Ist hochgeschlagen, ich glaube, er ist Freitags immer hochge- schlagen. Zum Glück zeigt«in Mattsenster in dem kleinen Warte- verließ, wo xoir befangen stehen, aus einen Abortraum, sonst könnte