r• vor dem Hewerbegerkcht. Di« Tragödien des Alltag» spielen sich auch hier Tag für Tag ad. Der Kampf des Daseins mit all seinen kleinen Nöten tritt einem hier entgegen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen da einander gegenüber, manchmal als Feinde, manchmal in gleichem Maß« Opfer der mißlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Nicht immer ist es böser Wille, der verhindert, den vertraglich festgelegten Verpflichtungen nachzukommen, und mitunter ist es schwer zu sagen, wer in höherem Maße der schuldige Teil ist. Die unredliche Angestellte. Sie war als K ü ch« n m a m s e l l in einem Spielklub engagiert und tlagt« nun auf 4� Mark Gehalt und Zeugnis. Die Arbeit- geberin verteidigt sich: die Entlassung sei mit Recht erfolgt, denn die Klägerin habe sich unredlich gezeigt und Lebensmittel mit noch Hause genommen. Diese bestreitet es aufs Entschiedenst«. Zeugen treten auf, frühere Mitangestellte der Klägerin. Es kommt zu ftür- mischen Auseinandersetzungen. Gegenseitige Beschuldigungen werden lgut. Der Mann der Klägerin,«in Hühne von Gestalt, mischt sich ein— ein sehr temperamentvoller Herr. Er zeiht die Zeugin der Lüge. Es sieht fast so aus, als wolle er handgreiflich werden, der Richter mahnt zur Ruhe. Der Zank dauert auch fort, als das Gericht sich zur Beratung zurückgezogen hat. Zurückgekehrt, redet der Richter der Klägerin zu, die Klag« zurückzunehmen, da sonst noch die G e r i ch t s k o st e n von ihr zu zahlen sein würden. Langes Schnxznken, dann plötzlich ist ein Ausweg gefunden: die Belastungszeugin soll wegen Meineids angezeigt werden. So will sich die Klägerin schadlos halten! Der erkrankte Zahntechniker. t' Drei Tage hatte der junge Mann für seinen neuen Ehes gearbeitet, als er ernftluh erkrankte. Nun fordert er sein Gehalt. Der Chef verteidigt sich:«rkönne doch nichts dafür, daß der junge Mann er- knznkt sei, ja. wenn er wenigstens längere Zeit hindurch gearbeitet hätte: aber so, kaum angetreten, schon zu erkranken, das war nicht programmäßig. Der Richter redet auch hier gut zu: Es ist eben Arbeitgeberpech. Ein Vergleich kommt nicht zustande. Der junge Mann ist mittel- und stellungslos. Eb will sein Geld haben. Das Urleil bestimmt Ratenzahlung. Ariistenelend. Das A r t i st» n« l e n b ist größer als je zuvor. Dorietö und T Hemer gehen Pleite, die Direktoren können ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, können unter Umständen kaum ihre eigen« Fa- n'j.ie ernähren. Schauspieler und Artisten hungern. Auch in diesem Falle war es so. In einer Provinzstadt hatte der Schau- spiest r D. ein Darietö gepachtet und konnte seinen Leuten nicht zahlen. Der Artist wartete geduldig auf Geld und ließ schließlich die Arbeit stehen. Nun klagte er. Der Direktor beteuert, er wolle ja zahlen, er könne aber nicht: auch augenblicklich mache er schlechte Geschäfte. Für die Tantiemen, für verschiedene Auslagen und sein« sllnfköpsige Familie blieben ihm nur 13 Mark täglich. Der Artist verlangt 150 Mark monatlich. Der Richter schlägt!Q0 Mark, 50 Mark vor, der Direktor bittet um ein Gerichtsurteil, möge der Artist piönden. Das Gericht spricht dem Kläger die geforderte Summe zu. Ob er je etwas erhalten wird? Das Erholungsheim. Ein christliches Erholungsheim in der Näh: von Berlin . Die Klägerin klagt auf Lohn und Zeugnis. Beides wurde ihr versogt. Di« Leiterin des Erholungsheims, eine fromm« Schwester, erklärt, die Klägerin habe selbst ihre Papiere zurückgefordert. Sie fei nie pünktlich aufgestanden und auch das Frühstück sei nie zur Zeil fertig gewesen. Di« Klägerin bestreitet dies. Zeugen von beiden Seiten treten auf. Wer Recht hat. ist schwer zu sagen.
Goethe als Kronzeuge für die Gastwirte. Der Prooinzialoerband Groh-Berlin des Deutschen Gast- w i r t e v e r b a n d e s hielt am gestrigen Mittwoch in der„Neuen Welt" eine P r o t e st v e r s a m m l u» g gegen den Schankstätten- gefetzentwurs ab. Daß die beiden Referenten, die Gastwirtsinteressen - vertretend, sich sachlich gegen di: Vorlage und das Gemeinde- bestiinmungsrecht wandte», das konnte mo» erwarten. Weniger aber: daß sie unter Hinweis auf künftige Wahlen den Gastwirten, empfahlen, die Kandidatenlisten genau zu prüfen, und zwar solle die Stellung der Kandidaten zu dcn Fragen des Gastwirtsgewerbes von Entscheidung sei», ob die Liste dein Gewerbe genehm sei oder nicht. Wenn jeder Berussstand eine eigene Partei in Deutschland ausmachte, würde etwas Schönes dabei herauskommen. Interessant mar der Hinweis des einen Referenten, daß alle großen deutschen Männer Freunde eines guten Tropfens gewesen seien.„Goethe hätte täglich zwei Flajchen Wein getrunken." Wenn das noch nicht zieht, zieht gar nichts mehr. Also werde jeder Deutscher ein Goethe und trinke täglich seine zwei Flaschen Wein— womit die Frage des Gemeindebestimmungsrechtes dann restlos geklärt erscheint. Licht und Schatten im Krankenhaus Moabit. >/ Das Krankenhaus Moabit , das vor einigen Jahren noch einen unschönen Eindruck macht«, hat durch Neubauten begrüßenswerte Erweiterungen und Verbesserungen erfahren. Noch in der Jnflations- zeit bestand ein großer Teil des Krankenhauses aus Baracken, di« nicht nur baufällig, sondern auch sonst keineswegs geeignet waren, Freude bei de» Kranken zu erwecken. Roch langen Verhandlungen wurde dann mit dem Bau je eines Pavillons für die T u b e r k u- lose-, chirurgische und Geburt? hilseabteilung be- gönnen. Sie sind jetzt vollendet worden. Sie wurden nach modernen i hygienischen Gesichtspunkten eingerichtet. Im Jahre 1925 wurde der ! große westliche Pavillon errichtet, ein schmuckes Gebäude, das einen freundlichen Eindruck macht. Dazu kommt ein R ö n t g e n i n st i t u t, das, wie Verwaltungsdirektor Burghardt gestern der Presse, die zur Besichtigung des Krankenhauses geladen war, erklärte, das beste der Welt fei. Der schöne Eindruck, den diese Erneuerungen hinterlassen, wird fast verwischt von den zehn alten Baracken, die noch vorhanden sind und die, gelinde gesagt, keineswegs mehr geeignet sind als Krankenstationen. Die Baracken weisen eine ganz primitive Einrichtung auf: der Reinigungsraum neben dem Klosett und dicht daneben die Küche. Die Wände sind morsch und feucht. Zudem sind die Räumlichkeiten viel zu eng. Daß in einer Baracke wegen Raummangels die Beratungsstelle für Geschlechtstranke und eine Station für Lungenkranke zusammen untergebracht werden mußten, ist ein auf die Dauer unerträglicher Zustand. Es sollten umgehend Mittel für den Bau eines östlichen medizinischen Pavillons, eines Kurmittelhauses und eines Ambulatoriums bereitgestellt werden. Man kann nur die Erwartung aussprechen, daß der Magistrat in diesem Falle das Notwendige veranlasien wird. Abgewertet statt aufgewertet. Mit einer zeitgemäßen Prozeßmaterie beschäftigte sich gestern j die große Potsdamer Strafkammer unter Dorsig des Landgsrichts- direktor» Dr. H e l l w i g. Durch Urteil des Luckenwalder Schössen- gerichts wurde der 77jährige Landwirt und Gastwirt Wilhelm Arndt aus Welsickendorf wegen schwerer Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrüge zu sechs Monaten De- fängnis oerurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte B«- ! ruf un g eingelegt. Auf seinem Grundstück waren zwei Bortriegs- Hypotheken eingetragen, welche 1922 zurückgezahlt wurden. Im � vorigen Jahre beantragten die beiden Hypothekengläubiger die Aus- wertung. Für die Rückwirkung der Ansprüche kommt bekanntlich die Zeit vom 15. Juni 1922 bis 24. Februar 1924 in Betracht. Unter Vorlegung von Rückzahlquittungen beantragte der Angeklagte auf dem Amtsgericht Jüterbog den Auiwertungsantrag der Hypo- chekengläubiger zurückzuweisen, da die Hypotheken bereits von ihm
vor dem Stichtermin, den 1kl. Juni 1922. und zwar am 28. Mai 1922 zurückgezahlt worden feien. Die Gegenpartei bestritt das energisch, vielmehr sei die Rückzahlung am 28. Oktober 1922 erfolgt. Alz man sich nun die Quittungen über das zurückgezahlte Hypo- thekenkapital näher ansah, entdeckte man, daß an der römischen X eine Rasur vorgenommen war. Aus der Zehn(Oktober) war eine arabische Ziffer 5(Mai) gemacht worden. Um sich der Aufwertungsverpslichtung zu entziehen, hatte der Angeklagte diese Fälschungen vorgenommen. Die Strafkammer kam zur Verwerfung der Berufung. In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, daß die Strafe hart sein müsie, damit sie dem Angeklagten, der oersucht hat, durch gemeinen Betrug sich seinen Aufwertungspflichte» zu entziehen, auch hart treffe.
Renovierung ües öranöenburger Tors. In etwa 14 Tagen werden Gerüste das Brandenburger Tor vollkommen verkleiden. Seit langem erscheint eine R e n o- v i e ru ng des mehr als 130 Jahre alten Tores als unbedingt not- wendig. Die Gerüste werden unter möglichster Rücksichtnahme auf den an dieser Stelle außerordentlich starken und nur schwer ab- zulenkenden Verkehr angebracht werden. Die Durchfahrten erhalten etwa in einer Höhe von VA Metern Schutzdächer, unter denen sich die Ein- und Ausfahrt nach und von den Linden ungestört voll- ziehen kann. Sollten die Arbeiten so weit fortgeschritten sein, daß auch die unteren Teile der Durchfahrten renoviert werden müssen, so wäre allerdings mit vorübergehender Sperrung des einen oder anderen Torbogens zu rechnen. Allerdings sollen diese Renvoi«- rungsarbeiten dann möglichst in den verkehrsarmen Mar- gen- und Abend st unden vorgenommen werden. Der Um- fang der Renovierung läßt sich erst im Verlauf der Arbeiten selbst feststellen. Die bisherigen Untersuchungen durch Sachverständige lassen eine Vaudauer von rund 6 Monaten erwarten. Man rechnet damit, daß etwa 35 Eisenbahnwaggons mit neuen Sandsteinen notwendig sind, um die verwitterten Teile des Torsimses und der Durchsahrtwände zu-ersetzen. Die Verwitterung ist nicht an allen Teilen des Tores gleichmäßig aufgetreten, da man beim Bau Sandsteine aus verschiedenen Brüchen und von ungleicher Qualität verwendet hat. Die Quadriga , deren innere Eisenkonstruktion völlig oerrostet ist, da durch di« Schußlächer aus der Revolutions - zeit Regenwasser eingedrungen war, wird an Ort und Stelle repa- riert werden. Selbst bei größter Beschleunigung der Renovierungs- arbeiten ist nicht damit zu rechnen, daß sie noch in diesem Jahre zu End« geführt werden.
Bach» Todestag erlebre im Rundfunk ein würdiges Gedenken. Bachs Musik, die zu den Grundlagen unserer ganzen deutschen Musikenttoicklung gehört, wirkt noch immer auf alle Hörer durch die Klarhest ihre? Aufbaus wie durch die Tiefe der Empfindung. Mit Recht sagte das Essay Oskar L o e r k e s, dos als Einleitung des Abends vcn Hermann Kasok verlesen wurde, daß Bachs Musik Weltanschauung sei. Der musik-religiösc Leipziger Thomas-Kantor, der in einer eng bürgerlichen Welt Werke schuf, die Zeit und Raum umspannen, in einer so unerhörten Füll«, wi« wir es kaum zu fassen vermögen, ist der Prediger eines positiven, nach Erfüllung strebenden Lebens, in feinen Liedern und Kantaten wie in in seinen In- strumentalkompo�itionen. Di« Fuge, das Zusammenströmen der ein- zelnen Stimmen zum Ganzen, kann bei ihm als Symbol genommen werden. Professor Walter Fischer bot einige Orgelwerke, di« sicher auch den Beifall mancher Funkhörer gefunden haben, die den modernen Orgelkompositionen wenig Verständnis entgegenbringen können. Hilde Ellger erwies sich als eine Sängerin, die sich in die Musik Bachs wohl hineinzufinden versteht. Das Brandenburgische Konzert Nr. 3 schloß den wohlgelungenen Abend.—„Die volks- wirtschaftliche Bedeutung der Tuberkulose" lautete das Dortragsthema Dr. Franz von M a i l a t h s. Ein übersichtlicher, auf erschreckende Zahlen gestützter Bericht beleuchtete hier wieder einmal die verheerende Furchtbarkeit dieser Bolksseuchc, deren Be- kämpfung zu den vornehmsten Aufgaben jede» Staates zu zählen hat. Gut, nur mit einer überflüssigen pathetischen Einleitung plauderte Professor Dr. Brandt über den Zusammenhang von„Licht und Leben". » Die aufgeregten Herrschaften in Elaßens Leibblättchen, der „Deutschen Zeitung", sind über den Rundfunk aus dem treudeutschen Häuschen geraten.' Was ist passiert? Am letzten Montag sprach Maximilian Horden die einleitenden Wort« zum Shaw- Abend. Die» hat die nationalistischen Gossenkavaliere dermaßen in Harnisch gebracht, daß sie„entsetzt vom Rundfunkprogrannn zurück- geprallt sind"(I). Die Leitung der Rundfunkstunde wird einer „Geschmacklosigkeit" geziehen und gefragt, wie sie es„wagen" könne, Harden, dem man mit Zlbscheu begegne, dem Publikum vorzusetzen. Un, scheint da» entsetzte Zurückprallen der schwarzweißroten Herren für di« Rundfunkleitung— intellektuell wi« literarisch—«in Kompliment, das sie ermuntern sollte. Vss kuncltunkproxi-amm. Donnerstag, den 29. Juli. AuOer dem üblichen Tagesprogramm: 12 Uhr mittags: Die Viertelstnnde für den Landwirt. 4 30 Uhr nachm.: Georg Bamberger:„Schnarren aus dem Volksleben"(In Berliner Mundart). 5—6.30 Uhr abends: Nachraittagskonxert der Berliner Funkknpelle. Leitung: Konzertmeistor Franz v. Szpa- nowski. Anschließend: Ratschläge fürs Haus, Theater- und Film- dienst. 7 Uhr abends: Hans-Bredow-Sohule(Bildungskurse). Abteilung Technik. Reg.-Bat a. D. G. Quarg:„Die neueste wirtschaftliche und technische Entwicklung des Omnibusverkehrs unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Verhältnisse". 7.25 Uhr abends: Katharina Müller:„Vorbildung und Aussichten der Frau im kaufmännischen Berufe". 7.55 Uhr abends: Generalmajor Rochus Schmidt :„Eine Afrika-Rundfahrt".(1, Teil). 8.30 Uhr abends:„Nach Feierabend". Mitwirkende: Mitglieder der vereinigten Finkeschen Mandolinenchöre„Sempre vivo",„Symphonie",„Heimatklänge",„Santa Lucia". Leitung: Wilhelm Finke. Angela Sax, Sopran. Am Flügel: Ben Geysal. 1. Keler-BÄla; Lustspielouvertüre. 2. a) Mascagni : Lied der Lola:„O süßa Lilie", aus der Oper„Cavalleria rustioana", b) Kienzl : Lied der Blanohefleur„Komm mit nach La Reo!", aus der Oper„Der Kuh reigen ", o) G. Gounod: Lied der Sieb ei, aus der Oper„Margarethe". 3. a) Kahut: Romanze F-Dur, b) Siede: Indischer Brautrug. 4. a) Stolz: Nichts als der Duft der Rosen blieb(Kurt Robitsohak), b) Felix Holländer : Wenn die Rosen bluhn, e) Hans May : Wie lange wirst du mich Heben?(Fritz Rottar), d) H. Nicholl»: Es sagen die Rosen(R. Billo). 5. a) Henze: Am Mühlengrund, b) Vollstidt: Lustige Brüder. Walzer. 6. a) Willi Kollo ; Wiener Märehen, b) Stolz; Ein Garterl vom blähenden Wein(Kurt Robitschek ), o) PadiUa: Valencia . 7. a) Blankenburg ; Invente temporis. b) Teike : In Treue fest, Marsch. Anschließend: Dritte Bekanntgabe der neuesten Tagesnachrichton. Zeitansage. Wetterdienst, Sportnachrichten. Theater- und Filmdienst. 10.80 bis 12 Uhr abends; Tanzmusik. Kapelle Kermbach.(Leitung: Kapellmeister Otto Kermbach ). Königswusterhausen, Donnerstag, den 29. Juli. 3—3.80 Uhr nachm.: Professor Dr. Amsel und Oberschullehrer Westennann: Einheitskurzschrift. 3.30—4 Uhr nachm.: Ministerialrat Dr. Richter: Die Entwicklung der Jugendbewegung bis zur Gegenwart 4—4 30 Uhr nachm.: Blindenlehrer Werner Schmidt: Blindenschrift nnd Blindenliteratur. 4 30—5 Uhr nachm.: Mitteilungen des Zentralinsritutes. 5— 5.30 Uhr nachm.; Mizi Donner: Praktische und sohöne Dinge zur Unterstützung der Behaglichkeit 8.30 Uhr abends: Uebertragung aus Berlin .
die rotgestempelten ,6rounen'. Der Re'.chsbcnkpräsidenk Dr. Schacht vor Gericht. Wegen Beleidigung des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht hatte sich der Angestellte P r e u s ch k a t vor dem Schöffengericht Schöneberg zu oerantworten. Nachdem Dr. Schacht im Reichsbank- direktorium die bekannte, durch das Wolffsche Telegraphenbureau verbreitete Rede gehalten hatte, in der er von der Unsinnigkeit der Aufwertungsansprüche für die alten Tausendmarkscheine gesprochen und darauf hingewiesen hatte, daß es sich dabei um 128 Milliarden im Nominalwert handele, hatte der Angeklagte, der Leiter einer Meldestelle der sogenannten Reichsbankgläubiger ist, an Dr. Schacht eine offene Postkarte geschrieben. Darin hieß es:„Im großen und ganzen soll Dr. Schacht als Reichsbankpräsident nicht übelgenommen werden, daß er den Standpunkt der ihm anvertrauten Reichsbank vertritt, wenn es sein muß, mit erdreisteten Lügen." Es war darauf Strafantrag gestellt worden, und die Staats- anwaltfchaft hatte öffentlich« Beleidigungsklage erhoben. Der An- geklagte erbot sich in der gestrigen Verhandlung durch R.-A. Dr. Herold, den Wahrheitsbeweis dafür zu erbringen, daß Dr. Schacht falsche Zahlen angegeben und die öffentliche Meinung irregeführt habe, um die Gläubiger von der Erhebung ihrer Ansprüche abzu- schrecken. Vom Gericht war als einziger Zeuge Reichs- bankpräfident Dr. Schacht geladen worden. Dieser machte zum ersten Male vor der Oeffentlichkeit nähere Angaben, welche Be- wandtnis es mit den noch im Umlauf befindlichen alten Tausend- markscheinen habe. Es haben davon vier Emissionen stattgefunden, die erste belief sich auf 520 Millionen Mark und ist bis auf 149 000 Mark in die Kasse der Reichsbank zurückgewandert. Die beiden nächsten Emissionen beliefen sich auf 937 Millionen und 500 M!l- lionen Mark: sie sind restlos eingezogen und vernichtet worden. Die vierte und letzte Emission hatte die Höhe von 136 Milliarden Mark, und die Ausgabe dieser Scheine erfolgte bis in die schwerste In- flationszeit. Der Druck erfolgte aus den alten Platten, und sämt- liche Scheine aus dieser Zeit tragen ebenfalls das Datum vom November 1910. In welchem Umfange dabei rot und grün ge- stempelte Noten gedruckt wurden, läßt sich nicht mehr feststellen. Von der letzten Serie sind 12 8 Milliarden im Nominalwert bisher nicht zur Reichsbank zurückgekehrt. Auf Antrag der Der- teidigung wurde dann der Redakteur Hans B a e r von der Zeit- schrift„Deutsche Wirtschaft" als Zeuge vernommen, der behaup- tete, daß die vom Reichsbankpräsidenten angegebenen Zahlen nicht stimmen könnten. Als Provinziallandtagsabgeordneter habe er die Erfahrung gemacht, daß weiteste Volkskreise aus der Rede des Reichsbankpräsidenten die Auffassung gewonnen hätten, daß es sich um die Auswertung der Ansprüche in Höhe von 128 Goldmilliarden handele. R.-A. Dr. Herold verlangte weitere Beweiserhebungen nach dieser Richtung bin und wollte durch Ladung des General- direktors Hoehne als sachverständigen Zeugen den Beweis führen. daß di« Zahlen des Reichsbankpräsidenten falsch seien. Staatsan- waltschaftsrat B u e r k l e verlangte die Ablehnung dieser Anträge. Er hielt den Wahrheitsbeweis für vollkommen mißlungen. Der Angeklagte habe sich nicht nur der formalen Beleidigung, sondern auch der verleumderischen Beleidigung schuldig gemacht. Wenn er auch selbst Besitzer einiger Tausendmarkscheine sein möge, so sei er in der Wahrnehmung seiner Interessen weit über das zulässige Maß hinausgegangen. Rur weil der Angeklagte eine unbedeutende Per- lönlichkeit sei, wolle er ihn der Milde des Gerichts empfehlen und von einer Gefängnisstrafe absehen. Das Gericht schloß sich dieser Auffassung an und verurteilte den Angeklagten wegen öffentlicher Beleidigung aus 88 185 und 186 zu 50 0 Mark Geldstrafe oder für je 10 Mark«inen Tag Gefängnis. Bei der Urteilsver- kündigung wurde der Borsitzende, als er anerkennendeWorte über den Reichsbankpräsidenten sprach, durch M u r- ren im Zuhörerraum unterbrochen. Landgerichtsdirektor Wengler drohte bei einer Wiederholung mit Räumung des Saales. Schon zu Beginn der Sitzung«ar eine größere Zahl von Schupo- beamten zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit vom Gericht aufgeboten worden._ Die Briefe brachten eS an den Tag. Auf nicht alltägliche Weife wurde ein Einbruch aufgeklärt, der Ende Oktober 1919 in Lichtenberg verübt wurde. Damals überraschte ein Bezirksoorsteher bei der Heimkehr in seiner Woh- nung in der Doxhagener Straße zwei Einbrecher, die damit be- schäftigt waren, Silberzeug und Wäsche zusammenzupacken. Er er- hob kurz entschlossen seinen Regenschirm, und die Verbrecher er- griffen schleunigst die Flucht, weil sie den Schirm für ein angelegtes Gewehr hielten. Beide entkamen damals unerkannt. Später müssen die beiden aber ihren Irrtum eingesehen haben und die frühere Freundschaft verwandelte sich in Feindschaft, die auch auf die beiden Frauen übergriff. Sie beschimpften sich gegenseitig in Briefen und jede warf der anderen vor, daß nur durch die Feigheit ihres Mannes der Beutezug mißglückt sei. Kürzlich fanden nun bei der Durchsuchung eines Hehlernestes die Beamten der Dienststelle B. 8 diesen„liebevollen" Briefwechsel und erfuhren aus den Unterschriften die Namen der beiden Einbrecher. Es sind ein Reinhold B o e s e und ein Karl Schale, die inzwischen aus ihren früheren Woh- nungen verzogen waren und sich in der Weddinggegend nieder- gelassen hatten. Hier wurden sie bald ermittelt und festgenommen. Als man ihnen die Briefe ihrer Frauen vorwies, gestanden sie den Einbruch ein. In Anbetracht des gemeinsamen Pech» begruben sie das Kriegsbeil.__ Frciba!>serLchte und Polizei. Zu unseren Mitteilungen über die Wannsceabwässer gibt das Polizeipräsidium bekannt, daß der Polizeipräsident sogleich nach Er- scheinen des Artikels über angebliche Verunreinigung des Wannsees eine Untersuchung eingeleitet hat. Die Untersuchung ist Sache der Abteilung I(Gesundheitspolizei). Von der Abteilung l. Schöneberg , der der in Betracht kommende Bezirkt untersteht, ist Bericht angefordert worden. Die Untersuchung ist zurzeit noch nicht beendet._ ✓ Toppelselbstmord und Selbstmordversuch. In einer Wohnung des Hauses Seestraße 61 ereignete sich kürzlich ein schwer» Familiendrama. Die 42jährige Frau und die IZjähriae T o ck t e r des Schachtmeistcrs Kühl vergifteten sich mit Gas. Angeblich weil der Stiesoatcr sich an seiner Tochter vergangen hatte. Dem Selbstmord der beiden sollen heftige Familienauftntte vorangegangen sein. Sonntag früh wurde die Wohnung gewaltsam geöffnet und Polizei und Aerzte benachrichtigt, die jedoch nur den Tod feststellen konnten. Am Dienstag ging die Mutter der Frau Kühl ilLdie Räume der Wcchnung, angeblich um die Blumen zu be- gießen. Sie unternahm ebenfalls einen Selbstmordversuch mit Gas, konnte jedoch gerettet werden. Die Polizei hat die beiden Leichen beschlagnahmt.
Sonntags- Sonderzug an die Ostsee . Am Sonntag, den 1. August, wird bei ausreichender Beteiligung außer dem Sonderzug nach Warnemünde ein weiterer Sonntags-Sonderzug 4. Klasse zu ermäßigten Fahrpreisen nach den Ostseebädern Swinemünde , A h l b e ck und Heringsdors verkehren. Der Zug fährt von Berlin . Stettiner Bahnhof um 6.30 vorm. ob und trifft in Swine- münde um 10.05,� in Ahlbeck um 10.24, in Heringsdorf um 10.30 ein. Die Rückfahrt erfolgt von Heringsdorf um 7.50 nachm., von Ahlbeck um 7.57, von Swinemünde Bad um 8.08: Ankunft in Berlin , Stet- tiner Bahnhof 12.00 nachts. Der Fahrpreis für die Hin- und Rück- fahrt beträgt nach Swinemünde 9 M., nach Ahlbeck und Herings- darf 9,20 M. Der Fahrlarlenoerkauf beginnt am Mittwoch, den 28. Juli, bei der Fahrkartenausgabe Stettiner Dahnhof, sowie bei den vier Ausgabestellen des MER-Bureaus: Potsdamer Bahnhof, Bahnhof Friedrichstrah«, Kaufhaus des Westens, Reisebureau Unter den Linden S7/S8.