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Nr. 35543. Jahrgang
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Ausgabe B Nr. 175
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Dolksblatt
30. Juli 1926
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Pilsudskis Verfassungstheorie.
Ministerpräsident Bartel über die neuzeitlich aufgefaßte Demokratie".
Warschau , 30. Juli. ( WTB.) Ministerpräsident Bartel wandte| lösung der egetutiven Gewalt von der gefeß sich im Senat gegen den Vorwurf, daß die jetzige Regierung lediglich die Früchte der Arbeit der vorangegangenen Regierungen ernten wolle, und sagte u. a.: Das Programm der jeßigen Regierung wird nicht durch Erklärungen, sondern durch Er füllungen bekannt werden. Dazu ist aber völlige Bewegungsfreiheit erforderlich.
In dieser Formel stedt auch die wahrste Umgrenzung des
großen Problems. Den Platz, den bisher eine Oligarchie der einflußreichsten Frattionsführer eingenommen hat, foll nunmehr, frei von überflüssigen Fesseln, die aufrichtigste demokratische Regierungsgewalt einnehmen. Die Bollmachten werden verlangt nicht im Namen der Autokratie, son ⚫tern im Namen einer neuzeitlich aufgefaßten Demo
fratie.
Für jeden selbständig benfenden Staatsbürger ist es offenfumbig, daß die Erneuerung der heutigen Verhältnisse nur durch eine 20s.
geberischen Gewalt denkbar ist. Erekutive bedeutet aber nicht nur die Regierung, sondern auch den ganzen Beamten apparat. Dieser Beamtenapparat ist aber viel zu oft zum Gegenstand Don Parteitompromissen gemacht worden. Ich betone nochmals, daß sowohl in der Armee wie auch in der sonstigen Stellenbeseßung politische Rüdsichten vollständig ausgeschaltet sind.
Bartel betonte von neuem die vollständige Friedfertigkeit der polnischen Außenpolitik. Niemand, der die polnischen Berhältnisse fenne, sagte der Redner, dürfe der polnischen Regierung irgendwelche Absichten zuschreiben, die sich gegen einen Frieden richteten, der der Grundforderung der Unverleglichkeit, der Sicher heit und der Autorität des polnischen Staates entspreche. Bei dieser Gelegenheit gab der Ministerpräsident der lebhaften Freude der polnischen Nation über die Bildung einer Regierung der hervorragendsten Persönlichkeiten in Frankreich
Ausdrud. Se
Schweres Eisenbahnunglück in Frankreich . gleiche Steuer und eine Erbschaftssteuer soll im nächsten Jahr
Vier Tote, vier Verlegte.
Paris , 30. Juli. ( T2) Heute vormittag entgleifte in voller Fahrt in der Nähe des Bahnhofs Noisy le Sec ein postzug. Die Lokomotive fowie acht Waggons sprangen aus den Schienen und ft ürzten um. Nach den bisherigen Feststellungen hat es dabei vier Tote und vier Berlegte gegeben. Der Berkehr auf der Linie ist sofort gesperrt worden. Die Ursachen des Unglüds find bisher noch unbekannt.
Abkürzung der Kammerdebatte vorbereitet.
Beginn möglichst beschleunigt.
Paris , 30. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Einstweilen steht noch nicht fest, ob die Beratung der Finanzvorlage im Plenum erst am Sonnabend vormittag oder schon am Freitag nach mittag beginnt. Der Beratung am Freitag steht die Geschäfts
der Kasse 3% Milliarden Franken zuführen. Zu diesem letzteren Bunft ist zu bemerken, daß für die Amortifierungskaffe schon seinerzeit mehr als 3 Milliarden Franken vorgesehen waren, die tatsächlich auch in der Form der sogenannten Loucheur Steuer in die Staatstaffe geflossen sind. Sie konnten aber für ihren ursprünglichen 3wed, der Amortisierung zu dienen, nicht verwendet werden, da fie für die Deckung des laufenden Defizits der Staatskasse verwendet werden mußten.
Paris , 30. Juli. ( WTB.) Der Vorstand der raditalen diesem begeben und ihn davon in Kenntnis gefeßt, daß der Vorstand ihm in einer Entschließung das Vertrauen erneuert hat.
Bartei, bessen Borsitzender Herriot ist, hat sich gestern abend zu
ordnung entgegen, die zwischen der Verabschiedung in der Einstellung des katholischen Gottesdienstes als Kampf
Kommission und der Beratung im Plenum eine Frist von 24 Stunden verlangt. Um die Debatte möglichst abzufürzen, wird die Regierung den Antrag stellen, für die Dauer der Beratung der Borlage das Recht, Abänderungsvorschläge einzubringen, zu unterbinden. Außerdem wollen mehrere Abgeordnete von der Kammer verlangen, daß die Anträge auf namentliche 2b stimmung von mindestens 50 in der Sigung anwesenden Ab. geordneten unterzeichnet sein müssen. Auch dies geschieht in der Absicht, die Debatte möglichst zu beschleunigen, da eine namentliche Abstimmung mindestens 1½ Stunden in Anspruch nimmt.
Frankreich und Belgien Hand in Hand. Paris , 30. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die Zusammenkunft zwischen den belgischen Ministern Bandervelde und Francqui und Briand und Poincaré scheint einer größeren diploma. tischen Aussprache zwischen Frankreich und Belgien zu gelten. Nach den Morgenblättern wird zuerst eine Besprechung zwischen Boincaré und Francqui stattfinden, wobei die beiden Staatsmänner die Möglichkeiten für die beiden Länder prüfen werden, ihre Finanzsanierung hand in hand vorzunehmen oder mindestens nicht durch entgegengesetzte Maßnahmen die Finanzjanierung des einen oder anderen Landes zu lähmen. Daran wird sich eine Besprechung zwischen Bandervelde und Briand anschließen, und 3mar über die Probleme, die durch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund im September in internationaler Beziehung
aufgeworfen werden tönnten.
Fast 2 Millionen Franken Mehreinnahme nötig. Paris , 30. Juli. ( EP.) Die Finanzfommission der Kammer hat die abgeänderte Faffung der Finanzprojette Poincarés ver öffentlicht. Sie stellt dabei fest, daß sie gezwungen sei, der Kammer Mehrausgaben im Betrage von 2 320 Mill Franken vorzuschlagen, die sich wie folgt verteilen: 670 Millionen Franken für die Erhöhung der Staatsbeamtengehälter, 1350 Mill. für die laufende Speisung der Staatstaffe, 300 Millionen Franken für Marotto. Die Kommission schlägt für die Deckung dieser Mehrausgaben verschiedene Steuern vor, darunter die Erhöhung der Monopolprodukte, insbesondere des Tabat preises( 944,5 Millionen Franken), Erhöhung der Wein und Alkoholsteuer( 250 Millionen), Schaffung einer, Abgabe auf Mineralwasser( 12 Millionen), Erhöhung der Eisenbahnfrachten( 500 Millionen), Erhöhung der Automobil. gebühren( 43 Millionen), Erhöhung der Schiffahrtsab gaben( 8,3 millonen), Erhöhung der Umsatzsteuer( 200 Millionen), Schaffung einer Exportabgabe( 140 Millionen), Erhöhung der 3olltarife( 160 Millionen), zusammen 2258 Millionen Franken.
Nächstes Jahr wird aus den gleichen Steuern eine Mehreinnahme von 5 693 Million Franten erwartet. Die 2 morti jierungstasse soll dieses Jahr durch eine besondere Besiz megielgener mit 200 Millionen Franten gespeist werden. Die
maßnahme.
Kirchengefeße in Kraft. Es handelt sich um die Ausführung Am Sonntag, den 31. August, treten in Merito die neuen der Berfaffung, die die Trennung von Kirche und Staat und die Unterordnung der Kirche unter den Staat verlangt. Als jede Aus ficht verschwunden war, daß die Regierung des Präsidenten Calles, dessen Name ſeit seiner Deutschlandreise hier bekannt ist, das Inkrafttreten der Geseze hinausschieben würde, ordneten die Bischöfe an, jegliche gottesdienstliche Handlung einzustellen. Soeben erklärt auch der Erzbischof Moray del Rio, die Geistlichen werden morgen aus den Kirchen zurückgezogen werden und der Gottesdienst aufhören.
Die Aufregung unter den gläubigen Ratholifen ist naturgemäß ungeheuer. Sie drängen, der kirchlichen Heilsgüter möglichst teilhaftig zu werden. Seit dem 1. Juli sollen in Mexiko- Stadt nicht weniger als einhunderttausend Firmungen vorgenommen worden fein. Der Erzbischof sei infolge der Ueberanstrengung zusammen gebrochen. Messen werden alle halbe Stunde gelesen.
Als Gegenmaßnahme gegen den Streit der Kirche hat die Regierung untersagt, daß katholische Laien die Kirchen nach dem 1. August übernehmen. Die Kirchen sind von den kommunalen Verwaltungen vorläufig in Obhut zu nehmen.
Uhlenhaut erledigt?
Eine Justizfronde.
Der Reichsjustizminister hat in einer Erklärung über die Aufgaben seines Amtes von einer Krise des Rechtsempfindens in Deutschland gesprochen. Dieser Ausdruck scheint uns nicht zuzutreffen. Es handelt sich nicht um eine Krise des Rechtsempfindens im deutschen Bolt, sondern um eine Krise des Vertrauens zum Rechtsempfinden in der Justiz. Diese VerBeiten der Morde, der Putschvorbereitungen und Butsche von trauenstrije hat ihre Wurzel darin, daß in den schrecklichen Gerichten Urteile gesprochen worden sind, die dem Rechtsempfinden des Volkes ins Gesicht geschlagen haben. anderer Ausgangspunkt der Vertrauenskrise ist die Tatsache, daß immer mehr die Justiz, gestützt auf die Unabhängigkeit der Richter, dem Staat gegenübertritt als selbständige, privilegierte Macht, die nicht gebunden ist an die politischen Lebensnotwendigkeiten des Staates und ihre Aeußerungen.
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Ein
Diese Tatsache hat sich so sehr zugespigt, daß die Justiz faft zu einer Partei im Staate geworden ist aber zu einer Gebiete des staatlichen Lebens in voller Unabhängigkeit, und Partei, die privilegiert ist, und auf einem der wichtigsten denn, daß die öffentliche Meinung laut ihre Stimme erhebt. -leider- völlig unkontrolliert souverän handelt es sei
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Der Fall Magdeburg hat wieder einmal die Blicke der Deffentlichkeit auf diese Zustände gelenkt. Der Ausgangspunkt ist ein gewöhnlicher Kriminalfall eine richterliche Behörde hat daraus eine Affäre gemacht, die in der Deffentlichkeit als Sensation und Standal wochenlang die Geister beschäftigt. Sie hat daraus aber auch einen Fall der Berwirrung und des Streites in der Verwaltung geschaffen, der den Glauben an die Nüglichkeit der Polizei wie der Rechtspflege auf das schwerste erschüttern muß. Und jezt sagen die Freunde dieser richterlichen Behörde laut, daß ihr Tun auf einen rein politischen Machtkampf gerichtet sei, auf einen Machtkampf, der der Restauration des Systems des Obrig= feitsstaates und der Privilegien gelten foll
führung die Absichten der Verteidigung des Angeklagten
Es ist kein Zufall, daß dieser Mißbrauch der unabhängigen Stellung der Justiz gerade in Magdeburg so stark hervortritt. In Magdeburg ist der Prozeß des Reichspräsidenten Ebert gegen eine perfide völkische Verleumdung geführt worden. In diesem Prozeß hat die Art und Weise der Verhandlungsunterstüßt, aus diesem Prozeß eine politische Aktion gegen den neuen Staat zu machen. In Magdeburg hat der Landgerichtsdirektor Bewersdorff jenes Urteil im Ebertprozeß verfaßt, das eine Beleidigung des Reichspräsidenten in sich schloß. Damals hat sich die Reichsregierung einmütig gegen fidenten war eine Verurteilung der politischen Justiz, die in dies Urteil erhoben- ihre Kundgebung an den Reichsprädiesem Prozesse gegen den neuen Staat geübt worden war. der Reichstagsabgeordnete Genoffe Landsberg in voller Gegen die Magdeburger Richter in diesem Prozeß hat Deffentlichkeit nicht unter dem Schutze der Immunität- schwere Anschuldigungen erhoben. Er hat ihnen vorgeworfen, daß sie planmäßig ihre richterliche Stellung mißbraucht hätten, um eine politische Aktion zu führen. Die beschuldigten Richter haben angesichts dieser Anschuldigungen nicht etwa Klage gegen Landsberg erhoben sie haben vielmehr ein Disziplinarverfahren gegen sich beantragt, das in aller Stille in Magdeburg erledigt worden ist. Es ist natürlich negativ ausgegangen.
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An diesem selben Gericht, an dem die Richter Be mersdorff und Schulze, die von Landsberg beschuldigten, amtieren, wird jegt der Magdeburger Kriminalfall untersucht. Er wird so untersucht, daß der mutmaßliche Mörder inzwischen gute Zeiten hat, andere Staatsbürger aber von der Allmacht der Untersuchungsbehörde wochenlang in Untersuchungshaft gehalten werden. Mit Hilfe der deutschnationalen Presse ist aus dieser Methode der Untersuchung eine Heze hervorgegangen, die sich gegen die Organe des
neuen Staates richtet.
haben den Bräsidenten Coolidge ersucht, gegen die Maßnahmen der parteipolitische Zusammenhalt gewiffer Magdeburger Richter, Katholische Vereinigungen der Bereinigten Staaten Es scheint, daß die politischen Zusammenhänge und der sozialistischen Regierung zu intervenieren. Coolidge hat jedoch erben Genosse Landsberg der Oeffentlichkeit gezeigt hat, tlärt, er tönne fich nicht in innermerikanische Angelegenheiten ein auch heute noch besteht und heute noch wirksam ist. Täglich mischen. Jedoch foll, nach den neuesten Meldungen, das diplomatische hört man von Beratungen und Beschlüssen eines Richter Korps in Merito erwägen, ob es nicht seine Bermittelung in dem follegiums, das unsere Rechtsordnung nicht kennt. Man hört Streit des merikanischen Staates mit der katholischen Kirche anbieten von politischen Entschließungen Magdeburger Richter, zu foll. denen sie kein Recht haben, und die ein disziplinarisches Vorgehen gegen fie begründen müßten. Das preußische Justizministerium ist diesen Dingen bisher noch nicht nachgegangen. Eines aber erkennt die Deffentlichkeit mit aller Deutlich feit: aus der Haltung und den Unternehmungen der Magde burger Untersuchungsbehörde spricht der Geist reaktionärer politischer Justiz in aller Nacktheit. Das Ziel solcher Justiz ist nicht, dem Rechte zu dienen, sondern die eigene privilegierte Stellung zu behaupten. Die Richter sind Organe des Staates - ein Kreis von reaktionären Richtern aber betrachtet fich als Macht gegen den heutigen Staat. Im Magdeburger Falle: die Aufklärung des Mordes, die Sühnung des Verbrechens tritt in den Hintergrund, im Vordergrund steht die Geltendmachung von richterlichen Prärogativen gegenüber anderen Berwaltungsorganen, gegenüber dem Staate, um den Preis, daß die Rechtspflege darunter leidet. Das ist nicht die Gesinnung, die allein das Privileg der Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter stüßen kann es ist vielmehr eine Gesinnung, die dies Privileg zu einer Gefahr nicht nur für die Rechtspflege, sondern für den Staat macht. Es ist eine Barteigesinnung, die sich dem Staate, dem neuen
Braunschweig , 30. April. ( Eigener Drahtbericht.) Die Stahl helmzeitung des Braunschweiger Landesverbandes des Stahlhelms gibt bekannt, daß der vielgenannte Landesverbandsführer Uhlenhaut wegen eines Duells zu drei Monaten Festung verurteilt worden ist und daß er während dieser Zeit durch einen Stahlhelmführer aus Wolfenbüttel vertreten wird. Wenn nicht alles trügt, ist diese Festungshaft für die Stahlhelmer der beste Ausweg, um Uhlenhaut los zu werden. Er dürfte zweifellos nicht wieder auf seinen Posten als Landesverbandsführer zurückkehren.
Faschistischer Ueberfall in New York . Der Mailänder Avanti" berichtet, daß der ehemalige sozialistische Abgeordnete Bacirca, der als erster zum Opfer des überfaschistischen" Gesetzes gegen die Emigranten gefallen ist und in New Yorf das Antifaschistenblatt Lavoratore Italiano" herausgibt, von mehreren italienischen Faschisten überfallen wurde, als er im New Yorker Metallarbeiterverbandshaus einen Bortrag hielt,
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