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Nr. 358 43.Jahrgang

Der Krieg.

3. Beilage des Vorwärts

Zur zwölften Wiederkehr des Kriegsausbruchs. Von Hermann Schüßinger.

Selbst wenn man als Infanterist oder Artillerist jahre: lang mitten im Alltag der Fronten, zwischen Schützenloch, Reserveſtellung und Sanitätsunterstand gestanden und den Wermutsbecher des Krieges täglich bis zur Neige getrunken hat, muß man gestehen: Die Erinnerung an die wahre Frage des Krieges verblaßt in uns von Jahr zu Jahr. Man kann den Krieg mit all seinen Schrecken und seelischen Nöten gar nicht mehr so faffen wie in den ersten Jahren der Nachkriegszeit; es ist, wie wenn der wieder an den All­tag gewöhnte Berstand einfach nicht mehr die Kraft hätte, die uns damals unter ungeheuerlichem seelischen Druck zu gemutete innere Belastung auszuhalten. Wir schauen auf den Krieg wie auf ein riesiges Zahlenkunststück, das von Billionen, Trillionen und Lichtjahrhunderten redet, und fapieren ihn nicht mehr. Selbst die Statistik des Blutjahr fünfts, die von insgesamt 11 Millionen Toten und etwa 25 Millionen Verwundeten redet, imponiert uns nicht allzu sehr. Man spricht mit vollendeter Sachlichkeit von den 1835 000 Todesfällen beim deutschen   Landheer, den 31 000 Toten der Marine, den 15 000 der Schutztruppe, den 170 000 Bermißten und registriert den Gesamtverlust der deutschen  Front an 2 055 000 Toten mie eine astronomische Zahl.

Warum? Weil wir von Jahr zu Jahr den inneren

Kontakt mit diesen zwei Millionen Toten in der

Mühle des Alltags immer mehr verlieren und ver= lieren müssen, darum bleiben die Formeln dieser Hunderttausende und Millionen in uns stumpf und leer! Damit haben wir aber auch den psycho­logischen Schlüssel zum Krieg, der einzig und allein mit dieser schrecklichen Bergeßlichkeit motiviert werden kann, den Schlüssel zu der Tatsache, daß nach jedem Krieg spätestens die nächste oder die übernächste Generation einen neuen Krieg inszeniert falls man nicht diesem Wetterst urz, der alle 30 bis 40 Jahre den Kontinent zerreißt, durch solid gebaute, vernünftig abgemessene und fundierte Stau= dämme das Handmerk legt.

Gerade der Tag des Kriegsbeginns ist ja eines der schlagendsten Argumente dafür, daß der Ausbruch" eines Krieges zwischen großen, durch die ,, Allgemeine Wehrpflicht  " gerüsteten Bölkern einer Unwetterkatastrophe gleichzusehen ist, die weder mit den Beschwörungsformeln der Kriegs­dienstverweigerung, noch durch den Aufruf zur proletarischen Revolution kommunistischer Observanz zu bändigen ist, son­dern mit elementarer Gewalt alles mit sich fortschwemmt und jeden inneren Widerstand mit explosiver Kraft zu Boden reißt.

Keiner, der diese August woche nach Ausspruch der Mobilmachung erlebt hat, wird die Stöße vergessen, die damals den Körper eines 70- Millionen- Boltes geschüttelt haben, die Massenpsychose, die sich durch die Straßen und Bläge, die Cafés und die Kasernen fraß. Wetterstürze kann man nicht mit dem Regenschirm auffangen; dazu bedarf es einer soliden und in jahrzehntelanger Arbeit aufgebauten Staudamm- Anlage und einer durch die öffentliche Meinung der Welt sanktionierten und vom Abwehrwillen des Prole­tariats getragenen Organisation gegen den Krieg.

Daß wir von dem Ziel einer im Völkerbund verankerten gewaltlosen Streitschlichtung und Friedenssicherung, die von der öffentlichen Meinung Europas   getragen und von der Völkerbund Ere= tutive" garantiert wird, noch weit entfernt find, wissen wir alle. Allein der Stand der Abrüstungsfrage, das Bestehen von Massenheeren von 500 000, 600 000, 700 000 und 800 000 Mann rings um das völlig abgerüstete Deutschland   und Desterreich herum und die Unmöglichkeit,

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über einen halbwegs vernünftigen Ausgleich des Rüstungs­standes der einstigen Sieger und der Besiegten zu disku­tieren, muß außerordentlich skeptisch stimmen.

Dazu kommt die erkleckliche Zahl der am Boden des friedlofen Kontinents emporgeschossenen Diktatoren in Moskau  , die seit Jahren Europa   mit starken Gesten, mit Rom  , Madrid  , Lissabon  , Athen  , Bukarest  , Warschau   und Kriegslärm und Kriegsgeschrei erfüllen und gar fein Inter­esse an einer militärpolitischen Entspannung des Kontinents und an einer raschen Verankerung des zwischenstaatlichen Rechtsgedankens haben.

"

Es sind also höchst düstere Aspekte, unter denen die Ar­beiterklasse des Kontinents in das zwölfte Jahr seit der blutigsten Katastrophe der modernen Geschichte ein­tritt tritt ringsum bis an die Zähne bewaffnete Sieger­staaten" und Prätorianergarden plärrender Diftatoren, im Osten die durch Sowjetrußland aufgeputschten für die Welt­revolution" marschbereiten Völker und im Zentrum Europas die mit Kleinkaliber und Meuchelmord arbeitende deutsche hat sich trotz aller Leichenfelder im Westen und Osten noch Konterrevolution. Kein Zweifel, der Moloch des Krieges lange nicht ausgerast; das Gespenst des Gastrieges" und des chemischen Krieges", denen ja tatsächlich nur eine be­schränkte Bedeutung zuzumessen ist, vermag selbst die im Weltkrieg ausgebluteten, geschweige denn die damals ,, neu­tralen" Völker nicht zu schrecken, und so ruft Genosse Deutsch   mit vollem Recht zur Abwehr dieser unverfenn­faschistischen Welle nach der Behrhaftigkeit" des neuen europäischen   Krieg mündenden,

bar in einen

Proletariats.

Kein Zweifel, das Geschlecht, das diesem Kriegent wachsen ist und in dem dort Geschauten den Inhalt seines Lebens betrachtet, wird sich den Frieden, nach dem es vier Jahre lang aus seinen Trichtern und Stollen heraus geschrien hat, nur erhalten fönnen, wenn es sich zur Abwehr des Krieges selbst auf die Schanzen stellt in Deutschland   durch sein Reichsbanner", in Desterreich durch seinen Schutzbund" und in Deutschland   durch sein ringsum durch die antifaschistischen Abwehrverbände des ,, Reichsbanner", in Desterreich durch seinen Schutzbund" und Proletariats. Wenn wir nicht die Kraft finden, in diesem militärischen und politischen Chaos Europas   uns selbst als lebendigen Schuhwall in Reih und Glied zu stellen gegen das System des Militarismus und des nationalisti­schen Größenwahns, für die Demokratie, den Sozialismus und das internationale Recht, dann wird eines Tages der selbe Wettersturz über das schutzlose Europa   von neuem her­einbrechen wie vor 12 Jahren.

Dagegen aber mehren wir uns; gegen die Wiederkehr jenes 1. August der die Welt in Flammen gesetzt hat. Nie­mals lag eine so drückend schwüle Luft über dem Land. Der Staub wirbelte durch die Straßen, ohne daß das erlösende Gewitter kam. Es war, als ob alles den Atem anhielt. Dann grollte es. Durch Deutschland  , durch Frankreich   ging ein stummer Schrei. Keiner wollte es glauben; man sah sich starr in die Augen es tann ja nicht sein, es kann nicht - fein! Totenstill reckt das Bolt sich auf Massenpsychose mit dem ersten Schrei.

und dann kam die

Und dann kam der Krieg, vier Jahre Krieg; der Krieg, den man heute gar nicht mehr richtig fassen kann, dieses vier einhalb Jahre lang Am- Tod- entlang- Balancieren, dieses viereinhalb Jahre lang Bor- Todesnot- Geschütteltwerden, diefes viereinhalb Jahre lang Fassungslos- im- Schlachthaus­Stehen, diese viereinhalbjährige Höllenqual! Die alten Sol­daten, die vier Jahre tiefsinnig den Drahtverhau als Dert­lichkeit ihrer etwaigen Himmelfahrt betrachteten, die Frauen und Kriegerwitwen, die vier Jahre um den vermißten Mann oder Sohn geschrien haben, sie kennen ihn, den Krieg. Dieſe Beſtie ist nicht durch Tränen und Jammerlaute zu be­schwören; nein, das Untier reagiert nur auf die harte Faust. Die ihm zu zeigen beim nächsten Kriegsausbruch", beim nächsten ,, 1. August"- das ist eines der schönsten Mensch­heitsziele!

Sonntag, 1. August 1926

Lassalle über die Justiz."

Eine zeitgemäße Erinnerung.

Bon Eduard Bernstein  .

Magdeburg   abspielt und leider in unserer deutschen Republik Der empörende Justizskandal, der sich augenblicklich in nicht vereinzelt dasteht, ruft die Erinnerung an das Urteil wach, das Ferdinand Lassalle   am 11. September 1860 in einem Brief an Karl Marx   über die preußische Justiz ausgesprochen hat. Das Stüd ist um so bemerkenswerter, als es aus einer Epoche in Lassalles Leben stammt, wo dieser nichts weniger als verbittert war, sondern in angesehenen Kreisen der In­tellektuellen Berlins   sich einen geachteten Namen erworben hatte und mit Personen von literarischem Einfluß freundschaft­lich verkehrte. Es nimmt Bezug auf einen vergeblichen Ber­such von Mary, den Redakteur der Berliner National­zeitung", der in seinem Blatt die infamierendsten Anschuldi­gungen gegen ihn veröffentlicht hatte, vor Gericht zur Ver­antwortung zu ziehen, und lautet:

,, Was das Schicksal Deines Prozesses anlangt, so wundert mich nur, daß Du Dich einigermaßen darüber gewundert zu haben. scheinst! Vielleicht erinnerſt Du Dich jetzt des Briefes, den ich Dir gleich anfänglich in bezug auf Deine Abficht, zu flagen, schrieb, und bist jetzt weniger verwundert über denselben als damals. Du schreibst, nun wüßtest Du, daß es von den Richtern abhängt bei uns, ob ein Individuum es überhaupt nur bis zum Prozesse recht getan, als ich in einem meiner Briefe sagte, daß Du zu bringen kann! Lieber! mas habe ich Dir neulich einmal Un schwarz siehst! Ich schlage reuig an meine Brust und nehme das gänzlich zurück. Die preußische Justiz wenigstens scheinst Du bisher in einem noch viel zu rosigem Lichte betrachtet zu haben! Da habe ich noch ganz andere Erfahrungen an diesen Burschen gemacht, noch ganz anders starke Beweise für diesen Sazz, und noch ganz anders starke Fälle überhaupt an ihnen erlebt, und zwar zu dreimal drei Dutzenden und in Straf- und besonders sogar in reinen Zivilprozessen, Dinge erlebt, über die wahrscheinlich Dein Justizrat, wenn er sie erführe, nicht nur die Hände, sondern wie mir dies selbst ergangen, auch die Beine sogar vor Verwunderung über dem Kopf zusammenschlagen würde!

Uf! Ich muß die Erinerung daran gewaltsam unterdrücken.

Denn wenn ich an diesen zehnjährigen täglichen Justizmord denfe, den ich erlebt habe, so zittert es mir wie Blutwellen vor den Augen, und es ist mir, als ob mich ein Wutstrom ersticken wollte. Nun, ich habe das alles lange bewältigt und niedergelebt, es iſt 3eit genug seitdem vergangen, um falt darüber zu werden, aber nie wölbt sich meine Lippe zu einem Lächeln tieferer Verachtung, ( Mehring: Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marg, Friedrich als wenn ich von Richter und Recht bei uns sprechen höre." Engels und Ferdinand Lassalle  . Vierter Band, Seite 269-270.) Die Erfahrungen, von denen Lassalle   hier spricht, beziehen sich Man glaube nicht, daß das nicht tief empfunden war. offenbar auf Richtersprüche in den vielen Prozessen, die er im Kampf um das Recht von Sophie v. Hazfeldt zu führen Rechte, an dem er damals arbeitete, an verschiedenen Stellen hatte, und man findet in seinem System der erworbenen­Gerichtserkenntnisse fritisch analysiert, die wahrscheinlich in jenem Rechtstampf gefällt wurden, und in der Tat den Rechts­begriffen derer, die sie gefällt haben, das denkbar schlechteste Zeugnis ausstellen.

Und was hat man in dieser Hinsicht nicht alles erlebt, seit Lassalle   nicht mehr unter den Lebenden weilt. Es sei nur an die Erkenntnisse der berüchtigten siebenten Deputation des Berliner   Stadtgerichts zur Zeit des Bismarckschen Kultur­tampfes und an die himmelschreienden, das elementarſte Rechtsgefühl mit Füßen tretenden Verurteilungen ersichtlich von Schuften denunzierter Personen im Attentats sommer 1878

erinnert.

Man wird vielleicht sagen, derartiges sei auch ander­

wärts passiert. Gewiß, Rechtsverbrecher im richterlichen Ge­

*) Der vorstehende Artikel war von mir geschrieben, ehe mir die Nummer des Vorwärts" mit dem Artikel Magdeburger Richter" zuging, dem ich selbstverständlich durchaus zustimme. Er berührt ein sehr ernstes Problem unseres politischen Lebens. Ed. B.

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