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Nr. 360 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 185

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Dienstag, den 3. August 1926

Ministerkonferenz über Magdeburg  .

Einmütigkeit der Minister.

Am Montag fand im preußischen Justizministerium in Gegenwart des preußischen Ministerpräsidenten Braun, des Innenministers und des Justizministers sowie der zu ständigen Referenten aus den einzelnen Ministerien eine Besprechung über den Fall Kölling statt, in deren Verlauf die ganze Entwicklung dieses Standals ein­gehend durchgesprochen wurde. Die Erörterung ergab völ lige Einmütigkeit der beteiligten Minister über die einzuleitenden Schritte. Die Art ihrer Durch führung wurde den weiteren Entscheidungen des Justiz ministers überlassen.

Das Ziel ist zunächst, den Berliner   Polizeibeamten sofort mieder die Möglichkeit zur aktiven Beteiligung an der Untersuchung in der Mordaffäre Schröder zu ver schaffen. Es bleibt also bei den letzten Anordnungen des preußischen Innenministers, die bereits vor ihrer Veröffents lichung die volle Billigung des Justizministers gefunden haben.

Das entbindet den preußischen Justizminister natürlich nicht im geringsten von der selbstverständlichen und durch Rölling indirekt hervorgerufenen Verpflichtung, auf dem Disziplinarwege vorzugehen und vor allem zu untersuchen, inwieweit der rebellierende Hüter unserer Justiz ben von ihm unterzeichneten Brief selbst geschrieben hat, oder ob ein Kollegium besonderer Magdeburger   Richter mit fchwarzweißroter Gesinnung diesen Brief veranlaßt bzw. ent­worfen hat.

Die Entscheidungen des Justizministeriums müssen rasch erfolgen. Es geht nicht an, daß ein Richter die Autorität des Staats so schwer angreift, ohne daß die Bertreter der Staats­autorität rasch und entscheidend darauf antworten.

Kölling verweigert die Akten! Auch dem Verteidiger- angeblich auf Antrag des Staatsanwalts.

Magdeburg  , 2. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Heute mittag erfuchte der Berteidiger von Haas, Rechtsanwalt Dr. Braun, den Untersuchungsrichter Rölling, ihn die Att en einsehen zu lassen, um vor der Entscheidung über seine Haftbeschwerde über die

Dr. Gürtner klagt in Berlin  . Gerichtliche Klärung der Begünstigungsaffäre Gürtner.

München  , 2. August.  ( WTB.) Wie die ,, Münchener Zeitung" erfährt, richtet sich die Klage des baherischen Justizministers Dr. Gürtner sowohl gegen den Vor wärts" als auch gegen den Reichstagsabge ordneten Dr. Levi. Die Klage ist in Berlin   an. hängig gemacht.

Nachdem Herr Dr. Gürtner Strafantrag gestellt hat, wird die Begünstigung der Hartung- Mörder vor einem Berliner   Gericht in vollem Umfange aufgeklärt werden können. Die schwächlichen und unlogischen Verteidigungsversuche des bayerischen Justizministeriums und der deutschnationalen bayerischen   Bresse sind bisher um die entscheidenden Punkte stillschweigend herumgegangen.

Darüber wird der Prozeß volle Klarheit bringen.

Potemkin- Verbot

In Stuttgart  . Stuttgart  , 2. Auguft.( WTB.) Bom Polizeipräsidium wird mitgeteilt: Nach der erneuten Zulassung des Filmstreifens Das Jahr 1905( Panzerfreuzer Potemkin)" durch die Filmprüfstelle Berlin   sollte derselbe auch in Stuttgart   zur Aufführung gebracht werden. Die an dem Filmstreifen vorgenommenen Aenderungen haben seine aufreizende und den Staat sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Wirtung nicht verringert. Das Polizeipräsidium hat des­halb die Borführung des Filmstreifens   im Polizeibereich Groß-­Stuttgart wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erneut verboten.

Der Stuttgarter   Polizeipräsident hat mit diesem Verbot einen Akt der politischen Zensur ausgeübt, der mit dem Geist der Reichsverfassung nicht vereinbar ist. Ein reaktionärer Borstoß mehr, der von vormärzlicher Gesinnung zeugt.

Das Attentat auf Primo de Rivera  . Eine amtliche Rundgebung besagt, daß die Art des Anschlages auf einen geistig minder: mertigen Menschen hinweise, der auf eigene Beranlassung ge­handelt habe.

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letzten Aenderungen der Lage orientiert zu sein. Kölling antwortete, daß niemand mehr, auch nicht der Verteidiger, die Aften zu sehen bekommen werde. Der Staats­anmalt habe beantragt oder angeordnet, daß dem Ber. teidiger die neuen Protokolle nicht zur Einsicht porgelegt werden sollen, weil zu befürchten sei, daß damit der Gang der Untersuchung gefährdet werde. Als Dr. Braun darauf erklärte, es sei ihm äußerst gleichgültig, was der Staatsanwalt be­antrage oder anordne, er müsse vielmehr vom Untersuchungs­richter selbst eine Erflärung erbitten, ob er ihm die Aften

geben wolle oder nicht, antwortete dieser, er wolle mit dem Staatsanwalt Rüdsprache nehmen und morgen ent­scheiden, ob die Einsicht in die Akten gestattet sei oder nicht. Es läßt sich also die interessante Feststellung machen: Der Untersuchungsrichter hat persönlich feine Bedenken, daß dem Ver. teidiger die Aften zugängig gemacht werden, aber der Staatsanwalt ist dagegen und dem Staatsanwalt fügt sich der Untersuchungsrichter. Diese Stellung nimmt derselbe Kölling ein, der noch am Freitag in den Zeitungen erklärte, daß niemand in der ganzen Welt außer dem Untersuchungsrichter etwas in der Untersuchung zu be stimmen habe!

Neue Belastung Schröders.

Magdeburg  , 2. August  .( Eigener Drahtbericht.) Der Tatbestand in der Magdeburger   Mordaffäre ist jetzt so flar und einwandfrei, daß die inzwischen erfolgte Verhaftung des Chauffeurs von Haas allgemeine Verwunderung hervorgerufen hat. Als neuefter Beweis dafür, daß Schröder als Mörder in Frage tommt, ist das Gutachten des Sachverständigen Dr. Metzger aus Stuttgart   anzusehen. Aus ihm ergibt sich, daß die Kugel im Kopfe Hellings ohne jeden zweifel aus Schröders Waffe stammt. Der Untersuchungsrichter hat das nicht nur bestritten, sondern auch nichts getan, um darüber eine Aufklärung herbeizuführen. Er be­zeichnete sich selbst als eine Art Sachverständiger. Im übrigen wird der Verdacht gegen Schröder durch einen Brief von ihm an seine Braut als berechtigt bestätigt. Schröder schreibt hier, er size gerade auf dem gleichen Stuhl, auf dem seine Mutter und der hier folgen Punkte und darüber die klein geschriebenen Worte im Juli" gesessen hätten. Auf Grund dieses Briefes ist die Ver­haftung der Braut des Schröder in Köln   zu erwarten.

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Französischer   Gewerkschaftsaufruf. Zum Abwehrkampf gegen die Inflationsfolgen. Gewerkschaftsbund erinnert in einem Manifest daran, daß er seit Paris  , 2. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Der französische  Jahren das Land auf die Gefahren aufmerksam macht, die es be­drohen und durchgreifende Maßnahmen erfordern. Ueber den Par­teien und politischen Kämpfen stehend, einzig und allein um das Wohl des Landes besorgt, habe er Lösungen vorgeschlagen, deren Wirksamkeit nie bestritten wurde, die aber nicht befolgt wurden, weil sie auf den Widerstand der besigenden Klassen stießen. Der Gewerkschaftsbund betont deshalb aufs neue in der sicheren Ueber zeugung, den Volkswillen auszusprechen, daß die Stabilisie rung das einzige Mittel fei, so rasch als möglich und mit einem Minimum von gefährlichen Rückwirkungen für die Arbeiterklasse und die allgemeine Wirtschaft einem Zustand ein Ende zu machen, der nicht länger dauern könne. Die Arbeiterklasse sei nicht gewillt, die Folgen der ständigen Entwertung der Währung zu tragen. Die Löhne sollen ihren Kaufwert behalten und periodisch der Teuerung angeglichen werden. Das Manifest protestiert gegen die Straflosigkeit, deren sich alle Franken- und Teuerungsspekulanten erfreuen, die aus der Aushungerung der Be völkerung Gewinne ziehen, und schließt mit den Sägen: Arbeiter! Die Kühnheit der befizenden Klasse steigt von Tag zu Tag. Sie hofft auf eure Untätigkeit. Auch sie hat ihre Verantwortung zu übernehmen. Wenn ihr beweist und zeigt, daß ihr euch dagegen auflehnt, können die ganzen Kräfte der sozialen Reaktion nichts gegen euch ausrichten."

Nationalversammlung am 10. August.

Paris  , 2. Auguft.( Eigener Drahtbericht) Der Ministerrat billigte die Poincaréschen Vorlagen über die Schaffung einer Tilgungskasse und die Erfezung des Tabakmonopols durch eine Nationale Tabakgesellschaft". Die Einberufung der National versammlung, welche die Tilgungskasse mit den verlangten Garantien umgeben soll, wird aller Voraussicht nach zum 10. August geschehen. Beide Rammern werden sich vorher über die Borlage aussprechen. Die Nationalversammlung wird in einer Bormittagssigung die Prozedur festlegen, in einer Nachmittags­fizung die Diskussion und die Abstimmung vornehmen.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

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Mussolinis Mobilmachung.

Rhetorik und Wirklichkeit.

Lugano  , Ende Juli. Mit hochtönenden Worten hat Mussolini   die Faschisten mobil gemacht. Es heißt darin, wie üblich, daß die Regie­für die Schlacht gegen die Wirtschaftsfrise" rung ,, feft am Steuer steht und ohne Unterbrechung und ohne Ruhe handelt". Der Welt soll eine weitere gewaltige Probe der faschistischen Zähigkeit und Kraft gegeben werden.

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Wo will man damit hinaus? Der faschistische Partei­Bekanntlich ist die Faschistische Partei ein geschworener Feind sekretär- der Mann heißt Turati gibt seinen Senf dazu. Bekanntlich ist die Faschistische Partei ein geschworener Feind jeder Rhetorit und jeder Demagogie. In diesem Sinne sprach unser Zarathustra( einer unserer Zarathustra, wir haben in Italien   deren ein gutes Dugend) die die folgenden Worte:

eich tier antrefft, das im Schatten gegen den Faschis ,, Faschisten, wenn ihr morgen eine Schlange oder ein mus murrt, der im Kampfe steht, erinnert euch daran, daß diefer ein Verräter und ein Feind des Vaterlandes ist, und daß man ihn als Verräter und Feind behandeln muß. Faschisten, Volt von Bari  ! Ich fürchte nicht das Bolt der Arbeiter, nicht die großen Wertmänner des Wohlstandes, der Entwicklung, der Lebens in unserem Vaterlande glauben. Macht der Nation; ich fürchte die nicht, die an die Schönheit des Lebens in unserem Vaterlande glauben. Nein, ich fürchte die falschen Liebhaber, die törichten heuchlerischen Intellet­tuellen.( Beifall.) Und wenn ich von Intellektuellen spreche, so meine ich nicht die Intelligenten, sondern die falschen Heuchler, die die Masse bilden, die mit ,, wenn" und aber", mit obwohl" und vielleicht" reden. Ich zweifle an diesen, die nie die Schönheit empfunden haben zu ringen, zu kämpfen, zu sterben und wenn nötig zu töten für die eigene Ueberzeugung."

Die falschen Heuchler" Turatis fönnte man vielleicht mit den sogenannten Pseudoliberalen" des verewigten Fari­ nacci   zur Aufzucht verwenden: das gibt sicher eine treffliche Raffe. Aber, wir wollen nicht murren, wie ein Weichtier, das nie die Schönheit empfunden hat, für die eigene Weber­zeugung zu töten, wir wollen der Wirklichkeit faschistisch ins Auge sehen. Mobilisiert, Pulver trocken, bereit, alle Grenzen zu überquellen. Also: die Wirklichkeit heißt Wirtschaftsbrise. Seit es Wirtschaftskrisen gegeben hat, ist noch jede Nation bestrebt gewesen, sie abzuschwächen. Und es iſt Regierungsflugheit, die Last der Krise so zu verteilen, daß sich nicht größeren Gruppen das Gefühl der unerträglichkeit, die Verzweiflung bemächtigt. In jedem demofra­tischen Lande hat dieselbe wirtschaftliche Freiheit, die die Krisen zeitigt, immerhin eine gewisse Wehrhaftigkeit der Gruppen gegen sie aufkommen lassen. Die Arbeiter haben ihre Organisationen, haben dank ihrer Organisationen auch gewisse gesetzliche Rechte. Sie können sich in einem beschränkten Maße verteidigen. So wird die Krise Sache des Durchhaltens und der technischen Organisation.

bewegung, feine Abwehrmacht der Arbeiter, die nicht In Italien   gibt es teine freie Arbeiter­direkt und offiziell von der Regierung abhinge. Dadurch kann es der Regierung in den Sinn tommen, als Kurpfuscher an dem Kranten herumzufurieren. So die Sache mit der ,, neunten Stunden", die, wie schon gesagt, auch die zehnte oder elfte sein kann.

Geschent erhalten. Um das Geschenk hat man freilich ein Die Unternehmer haben von der Regierung dieses rosenrotes Band gebunden, mit der Aufforderung an die Kapitalisten, hilfreich und gut" zu sein; die Kapitalisten finden das Band sehr niedlich, entlassen aber ein Neuntel ihrer Arbeiter in Erwartung der weiteren Entlassungen, die die Kriese heischt. Nun sagt sich die Regie­legen, so könnte das böses Blut machen. Also wird nun den rung: wenn wir alle Laften auf die Schultern der Arbeiter Reichen verboten, ins Ausland zu reifen, zur Sommerfrische. Wenn der Arbeiter eine Stunde mehr am Hochofen oder auf dem Bau stehen soll, so mag der Reiche dafür nach Fiuggi ins Bad gehen statt nach Vichy, nach Bia Reggio statt nach Ost­ ende  . So geht der Faschismus wie die Fleisch gewordene Ge­rechtigkeit und verteilt die Folgen der Krise.

Damit hat er offenbar eine Aufgabe übernommen, der die Regierung nicht gewachsen ist. So erklärt sich auch die fehen, als wäre sie ein ihr von der Oppofition untergeschobenes furchtbare Gereiztheit, mit der die Faschisten die Krise an­Rududsei. Es tommt vielen der Gedanke, ob man in der schweren Stunde nicht eine Einheitsfront nach französischem. Vorbild ins Leben rufen solle. Aber dieser Ausweg ist verstopft: man hat zuviel Haß anhäufen lassen, zuviel Rechtlosigkeit der einen und Zügellosigkeit der andern, hat zuviel rhetorischen Kram aufgetürmt, von der Nation, die eins ist im Faschismus, von der Gleichsetzung von Vaterland und Partei. Um eine heilige Union zu bilden, müssen in einer Nation mehrere Parteien bestehen. In Italien  - so predigt man uns seit Jahren gibt es nur Faschismus und Antination!

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er an die schöpferische Kraft der menschlichen Willensakte als Mussolini   ist insofern Blanquist geblieben, als vereinzelte Energieaufstände glaubt. Er glaubt nicht an das