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Nr. 128.

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8. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Freitag, den 5. Juni 1891.

Expedition: Beuth- Straße 3.

Der evangelisch- Soziale höchſten Lebensfragen in feiner Gedantenwelt beschäftige. An- von jenen Halben, die den entscheidenden Schritt nicht

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Kongrek.

II.

demokratische Arbeiter, welcher sich schließlich doch mit den Diestellamp und Stöcker. Ganz zu geschweigen dererseits lasse sich nicht leugnen, daß auch die amtlichen Ver

treter der Kirche nicht immer die nöthige Vorsicht bewahrt, zu thun wagen und wie Buridan's   Esel zwischen dem und durch ihre Haltung zu der Auffassung beigetragen Heubündel der Glaubenslosigkeit und dem der Recht­haben, daß die Kirche in Dienste der Reichen stebe. gläubigkeit elendiglich darben. Es giebt nur ein Ent­Die Kirche würde den naturalistisch bedrängten Ar- weder- Oder, positiver Glaube oder positive Freiheit beitern den größten Dienst leisten und zu zweifelloser

Leiter der Versammlung wurde der bekannte starr­nackige Brotvertheuerer Landes- Dekonomierath Nobbe, zum Ehrenpräsidenten ernannte man Prof. Dr. Adolf Wagner  . Das erste auf der Tagesordnung stehende Thema: Ne­ligion und Sozialdemokratie", behandelte Prof. Dr. Her­mann Marburg. Es ist außerordentlich bezeichnend für die Verlegenheit unserer Gegner, daß sie, sobald sie ein­mal ernstlich auf die Erörterung der sozialen Frage ein­zugehen suchen, rettungslos in die Untiefen des Sozialis mus gerathen. Ein Zugeständniß nach dem andern, eine Anerkennung hier, ein Bekenntniß dort, dräuender und dräuender umwogt die Hochfluth den ach! zu kühnen Schwimmer, und er wäre verloren, wenn ihn nicht das jähe sacrificio del intelletto  , die Aufopferung des Ver­standes, diese Patent- Kortjacke der Gläubigkeit, ans Die Stellung der Sozialdemokratie zur Religion ist mann, ob Gerson oder Herzog, ob Rothschild   oder schützende Ufer trüge. Wahres und Falsches, Zutreffendes und Schiefes begegnet in holder Gemeinschaft uns in den zur Genüge bekannt, und es ist verwunderlich, daß Herr Stumm, ob Levysohn oder Pindter, ob Bamberger   oder Hermann nicht auf die abgedroschenen Einwürfe verzichtet, Kardorff, alle diese Repräsentanten der herrschenden Ausführungen Hermann's. Doch höre man ihn selbst: die hundertmal zurückgewiesen worden sind. Der Fort- Klaffen finden als solche bei uns die gleiche Kritik, die Die Sozialdemokratie ist keine rein wirthschaftliche Be- schritt der Aufklärung, das Wachsthum der wissenschaft- gleiche Beurtheilung, die gleiche Bewerthung. So gewiß wegung. Das beweisen die fortgesetzt aus den Reihen der lichen Erkenntniß und die Bersetzung der religiösen Dogmen es ist, daß das großbürgerliche Judenthum dank seiner Sozialdemokratie erschallenden Stimmen wilden Hasses gegen Kirche und gegen Religion. In einem fachlichen Gegensatz zur gehen Hand in Hand. Wir als Partei haben mit ganzen geschichtlichen Entwickelung die Technik der Er­Religion befinde fich die Sozialdemokratie nicht, denn sie be- Glaubensfragen nichts zu thun, und die absolute Duld- ploitation bis zum Gipfel der Vollendung zu führen tämpfe wesentlich nur das Christenthum und lasse das Juden- samkeit gegenüber jeglichem Bekenntniß versteht sich von gewußt hat, daß seine Finanzkunst bis zum Raffinement Bugegeben sei der deutschen   Sozial­demokratie, daß sie sich nicht von diplomatischen Rücksichten selbst bei einer Bewegung, die allein im sozialpolitischen ausgebildet ist, so fest steht es auch, daß die Juden­im Allgemeinen leiten läßt, sondern von Gedanken, welchen sie Boden wurzelnd nicht blos das Proletariat, sondern die Kapitalisten das sind was sie sind, kraft unserer Produktions­den Sieg zuschreibe. Sie stelle sich dar als die reife Frucht ganze Gesellschaft emanzipiren will. Was wir entschieden weise. Was vor siebenundvierzig Jahren Karl Marx  der wirthschaftlichen Bewegung der Vergangenheit, sie wolle zu bekämpfen haben, ist das im Dienste der Reaktion dem des Scharfblick Genies aber im Gegensatz zu der Sozialdemokratie anderer Länder, wirkende Pfaffenthum, nicht etwa als Träger be- mit ausgesprochen nicht nur an der Spitze der wirthschaftlichen Bewegung stehen, Werkzeug hat, gilt auch heute noch:" Sobald es der Gesellschaft sondern auch an der Spitze der Kultur überhaupt, fie stimmter religiöser Ideen, sondern als Gewalthaber zur Niederhaltung der Massen. gelingt, den Schacher und seine Voraussetzungen fei eine antireligiöse und antichristliche Weltanschauung. Der Richtig an den sozialdemokratischen Theorien sei, daß das Nur soweit das Pfaffenthum sich dazu hergiebt, die aufzuheben, ist der Jude unmöglich geworden.. geistige Leben des Menschen stark beeinflußt werde von den Religion in den Streit des öffentlichen Marktes hinein- gesellschaftliche Emanzipation der Juden ist die Emanzi­ökonomischen Zuständen. Richtig sei ferner die Erkenntniß, daß die Sozialdemokratie auch den Bestrebungen der Natur zuziehen und sie mit der lärmenden Beredtsamkeit eines pation der Gesellschaft vom Judenthum  ." Der Antisemitismus als soziale Erscheinung, wie er wissenschaft ihre Erfolge zum Theil verdante. Die große Masse, Quacksalbers als Heilmittel gegen soziale Schäden auszu­welche den sozialdemokratischen Führern folgt, wolle aber im schreien, haben wir es überhaupt nöthig, eine positive aufgefaßt und erfaßt wird von dem Mittel ,, stand", dem Großen und Ganzen nichts, als die Verbesserung der ökono­mischen Tage der Arbeiter. Gin Theil von ihnen halte die Thätigkeit ihm gegenüber zu entfalten, das nichts ist als Kleinbürgerthum, den Opfern der großen Unternehmungen, alte Verbindung mit der Kirche noch aufrecht, aber weiter eine bestimmte Funktion des Klassenstaates. Die Be- wie Kleinhändlern, Handwerksmeistern und Bauern, iſt, und weiter verbreite sich die Meinung, daß die Kirche im Dienste friedigung des religiösen Bedürfnisses aber ist Sache des wie der österreichische Politiker Kronawetter es treffend der Besitzenden, der Bourgeois" stehe, und daß die Gebildeten, Einzelnen und kümmert uns nicht. Deshalb stehen wir ausgedrückt hat, nichts als der Sozialismus des dummen welche selbst über die Kirche hinaus zu fein glauben und ihre fühl bis ans Herz hinan den Kreuzfahrern der atheistischen Kerls", der dumpfe Protest der noch nicht zum proleta­eigene Lebenshaltung unkirchlich und religionslos gestalten, diese Kirche aber als Retterin gegen die Sozialdemokratie an- Pfäfferei gegenüber, die nichts sind als die Antithese der rischen Klassenbewußtsein gelangten Elemente. Die Stöcker sehen und hochhalten, Heuchelei und Hochmuth treiben. Die Glaubenseiferer. Und diese Unglaubensfanatiker, welche und Böckel, die Werner und Zimmermann, all' diese unfirchlichen Gebildeten wissen, daß die Genußsucht ein- mit ihrer Bilderſtürmerei keinen Hund hinter dem Ofen Kommis der Reaktion, welche im Trüben zu fischen gedenkt, geschränkt werden müsse, sie unterwürfen sich aber dieser Er- vorlocken und in ihrer Einseitigkeit die großen Biele der indem sie die Aufmerksamkeit von dem Krebsschaden fenntniß selbst nicht und überließen sich selbst dem Nervenreize. Viel höher als diese untirchlichen Gebildeten stehe der sozial- Arbeiterklasse ignoriren, sind um kein Haar besser, als die Kapitalismus   auf sein Symptom, das Geldjudenthum, zu

Klarheit beitragen, wenn sie laut hinaus erkläre, daß von Religion, der Zwitterzustand, wie er sich an vielen sie die naturwissenschaftliche Erkenntniß nicht zu fürchten habe, Orten herausgebildet hat, dies Paktiven mit Himmel und sondern daß der christliche Glaube auf Gründen fuße, welche Hölle, ist, sofern es nicht als Nothbehelf dem bürgerlichen durch jene Erkenntniß nicht angetastet werden können. Gründe seien nicht die Wunder der Bibel, sondern die thatsächliche Gesetz gegenüber erforderlich ist, nur von Uebel. Liebe, welche das Grundprinzip der christlichen Religion sei. Die Und was für eine verschrobene Auffassung, die uns von dem Referenten zur Annahme vorgeschlagenen Thesen lauten: eine besondere Vorliebe für das Judenthum andichtet! 1. Die Sozialdemokratie befindet sich durch ihre materialistische Das Richtige ist: die Sozialdemokratie ist nicht anti­Geschichtsauffassung in einem sachlichen Gegensatz zur christlichen

Religion. 2. Die materialistische Deutung der Geschichte gehört semitisch, sie treibt aber auch keinen Philosemitismus. nicht zu den Prinzipien, sondern zu den Agitationsmitteln der Das kapitalistische Judenthum, mag es an der Börse Sozialdemokratie. 3. Sie zu überwinden, ist gegenwärtig die oder im Großhandel, in der großgewerblichen Ausbeutung, wichtigste soziale Aufgabe der christlichen Kirche. 4. Die wirth in der Politik oder in der Literatur sich breitmachen, schaftlichen Ziele, denen die Arbeiter unter Führung der ist für uns nicht reizvoller, als das unbeschnittene Groß­Sozialdemokratie zustreben, im Namen der christlichen Kirche zu bekämpfen, ist unchriftlich." kapital und seine Vertretung. Ob Bleichröder   oder Hanse­

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel.

Von dem andern Tische drehten sich die Köpfe nach ihm hin und es ließ sich jenes kurze, halb unterdrückte Lachen vernehmen, wie es der Erregung eigen ist, in der leicht jedes Wort zündet. Mutschleitner hatte in der That mit den Leuten über denselben Gegenstand gesprochen, wie das Gams­

manndl mit Ambros.

Folge, er selbst füllte erst aus dem Tönnchen, das auf dem Schragen in der Stube lag, zwet Flaschen mit rothem Wein, bevor auch er seinen früheren Platz wieder ein­

nahm.

" Jetzt wisset Ihr, was im Werk ist," ergriff er wieder das Wort. Wollet Ihr dabei sein?"

Wie kannst Du noch fragen?" rief Ambros hizzig. Die Andern zögerten wohl eine halbe Sekunde mit ihrer Antwort. Sie bedachten sich nicht, aber sie mußten das Ja tief herausholen aus ihrer Brust und dann reichten sie alle Mutschleitner die Hand.

"

Die

Freilich, einen Kopf und ein Herz muß unsere Sach' haben," stimmte Mutschleitner zu, der unterdessen sämmt­liche Gläser gefüllt hatte. Ihr kennt den Wirth vom Sand im Passeier  ; was meint ihr zu dem Kopf?" Er schaute sich rings am Tische um. Die Augen der Andern bohrten förm lich in ihn hinein. Das Gamsmaundl blingelte Ambros zu. Also, worauf wir trinken wollen," erhob Mutschleitner sein Glas. Der bärtige Andrä soll leben!"

"

"

Ein unwiderstehlicher Zug riß Alle von ihren Sitzen auf und mit glänzenden Augen stießen sie die Gläser zu­sammen und leerten sie.

Ein Wort, ein Mann," nickte Mutschleituer. Ihr" Wann der Hofer uns führt, dann fann uns Gottes werdet zu Reinem von der Sach' reden, dem ihr nicht trauen Segen nicht fehlen," unterbrach der Bäcker die Stille, in tönnt wie Euch selbst, und steht mir bei, daß es in unserem der sich Alle niedergesetzt hatten. Thal ruhig bleibt, bis ich Euch sage, daß es Zeit ist.

Unsere Sach' ist gut und gerecht," fügte der Einhof­Sorget derweilen in Euren Häusern für einen Ort, bauer vom Jöchl hinzu. Es wird wohl noch viel wo man Pulver und Gewehre ficher verstecken kann und Wär's nicht so, der Hofer würd' die Hand nicht Eile mit Weile," sagte er. Wasser in die Gader fließen, ehe Dein frommer Wunsch an schaffet für Eure eigene Stutzen so viel Pulver und Blei als daran legen," bemerkte Mutschleitner. den Bayern   in Erfüllung geht. Ihr sollet nicht verzagen, ihr könnt, ohne Berdacht zu erregen. Die Inſtrumente

"

Wer von uns that's, wenn wir uns der Noth noch

wenn es auch just gar so wüst bei uns ansschaut, das ist müssen gut gestimmt sein, daß es nachher eine reine Musik anders zu erwehren wüßten?" fragte der Steinbauer meine Meinung gewesen, weshalb ich hier zu den giebt, wann das Konzert losgeht. Daß der Kaiser Franzt mit düsterem Blicke und drückte seine Faust gegen die Mannen gered't hab', und sie sollen ihren Bekannten auch mit seinen Desterreichern zur rechten Zeit einfallen wird, Tischplatte. Ob wir den Oberförster und den Landrichter nicht in an Herz machen. Unser Herrgott verläßt feinen ehrlichen darauf könnt Ihr Euch verlassen." Tyroler nicht. Wir schlüpfen wohl Alle lieber heute

Ein Murmeln und eine Bewegung ging um den Tisch. unseren Bund ziehen sollten?" warf der Färber die Frage als morgen aus dem Schuh, der uns drückt. Aber wir Aber es muß Einer dabei sein, wo den Ton angiebt auf. Gut Desterreichisch sind sie!" " Laffet die Herren außen, sag' ich," rief der Steinbauer müssen noch warten; denn wenn dem Bayer die Prügelsuppe und" den Taft schlägt," äußerte der Bäcker mit einem mit gerunzelter Stirn. Die Herren und wir Bauern das mit Bohnen gut bekommen soll, dann muß sie auch ordent Räuspern. " Ja, einen Kopf muß die Geschichte haben," murmelte giebt ein ungleich Gespann. Sie sind zu klug für uns. lich gar gekocht sein. Die Flasche zahl' ich selbst gern und| auch eine zweite. Setzt Euch nur her zu den Andern, Du auch der Färber, und der Steinbauer und der Bauer vom Meinet ihr, sie werden sich dem fügen, was so schlichte und das Gamsmanndt! Ich werd' Euch nachher sagen, die mit einer bas Gamsmandl rauchte ſeine gute, wote her befer iſt, verordnen? Die Städtischen wissen worauf wir trinken wollen." Pfeife mit einer Miene, als fümmerte ihn die ganze Ver- ja immer alles besser wie wir, und mun gar die Schreiber und Advokaten." Ambros und Sampogna leisteten seiner Aufforderung handlung nicht.