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schweizer Gebiet übertraten, nachdem aveS verloren war, am 11. Juli 1849. Er blieb einige Monate in der Schweiz . In- zwischen hatte Marx sich nach London begeben. Wir wissen, daß dieser im Auftrage des revokulionären demokratischen Zentral- ausschusses nach Paris gegangen war, wo die Demokraten eine Erhebung vorbereiteten, von der nicht nur das Schicksal der französischen, sondern auch das der deutschen Demokratie abhing. Die Erhebung vom 13. Juni 1849, auf die Engels in der mit- getheilten Stelle anspielt, schlug fehl. Damit war auch die Stellung von Marx in Paris unhaltbar geworden. Er wurde vor die Wahl gestellt, sich entweder in die Bretagne zurückzuziehen oder Frank- reich gänzlich zu verlassen. Er ging nach London . Da sich in der Schweiz keine Aussicht auf befriedigende Thätigkeit bot, begab sich auch Engels nach London . Da aber der Weg durch Frankreich zu gefährlich war die französische Regierung schickte nach London durchreisende deutsche Flüchtlinge manchmal ohne weiteres über Havre nach Amerika , nahm er den Weg über Genua und von da auf einem Segelschiff über Gibraltar nach London . Die Mehrzahl der leitenden Mitglieder des Kommunisten- bundes, sowie die Mehrzahl der deutschen großen Männer" von 1343 fand sich im Herbst dort zusammen. Man ging an eine Reuorganisation, um die propagandistische Thätigkeit von neuem wieder aufzunehmen. Roch hatte sich die revolutionäre Aufregung nicht gelegt, noch schien es nothwendig, auf eine neue revvlu- tionäre Erhebung vorbereitet zu sein. Aber wie ganz anders faßten Max und Engels diese Vorbereitung auf, als die Mehr- heit der demokratischen Emigration! Während dieser die Lösung der Aufgabe, an der sie eben gescheitert, ein Kinderspiel erschien, während ihre Illusionen immer chimärischer wurden und ihre Manifestationen innner bon, bastischer, je mehr sie die Fühlung mit den thatsächlichen Verhältnissen der Heimath verloren, arbeiteten Marx und Engels ruhig, aber unermüdlich daran, die Organi- sation des Komniunistenbundes zu festigen und propagandistisch wie kritisch auf Deutschland zu wirken, daneben aber auch ihre eigene geistige Entwicklung zu fördern. Die Resultate ihrer damaligen kritischen und Wissenschaft- lichen Thätigkeit sind in einer Monatsschrift niedergelegt, die sie 1850 herausgaben und der sie den Namen ihres verbotenen Kölner Blattes gaben, derNeuen Rheinischen Zeitung "; sie erschien in Hamburg . Marx veröffentlichte darin eine kritische Geschichte der französische» Bewegungen von 1843 und 1349, die die Grundlage bildete für seine spätere Schrift:Der 18. Brumaire". Engels beschrieb in einer Reihe von Artikeln die deutsche Rcichsverfassungs- kampagne. Eine Stelle daraus haben wir oben zitirt. Von seinen übrigen Beiträgen ist zu erwähnen einer überdie englische Z e h n st u n d e n b i l l", der heute freilich nur noch von histo- rischem Jnleresse ist. da eine Reihe von Voraussetzungen, von denen er ausging, heute nicht mehr existirt. Wenn man den Artikel liest, kommt man so recht zum Bewußtsein der industriellen Revolution, die wir seitdem durchgemacht. Einer der wichtigste» Beiträge von Engels war aber seine Artikelserie über den deutschen Bauernkrieg, die später, nach dem Wieder- aufleben der sozialistischen Bewegung, in den siebziger Jahren in Broschürenform erschien. Diese Arbeit ist die erste historische Darstellung vorkapitalistischer Verhältnisse vom Standpunkt der »naterialistrschen Geschichtsauffassung. Inzwischen zeigte die Entwicklung der thatsächlichen Verhält- nisse denen, die sie aufmerksam beobachteten, anstatt in einer selbstgeschaffenen Traumwelt zu leben, daß die Revolution vor- läufig zu Ende und an eine alsbaldige Erhebung nicht zu denken sei. So unangenehm diese Erkenntniß auch war, Marx und Engels verschlossen sich ihr nicht nur nicht, sie hatten auch den Muth, ihr Ausdruck zu geben, wie sie es denn stets als ihre Aufgabe betrachteten, Illusionen zu zerstören, nicht zu nähren. In ihrer Revue der Ereignisse vom Mai bis Oktober, ge- schrieben am 1. November 1350, konstatirten sie, daß im Handel und der Industrie allgemeine Prosperität herrsche.Bei dieser allgemeinen Prosperität", schrieben sie,worin die Produktiv- kräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich üppig entwickeln, wie dies innerhalb der bürgerlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist, kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein. Eine solche Revolution ist nur in den Perioden möglich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktiv- kräfte und die bürgerlichen Produktionsformen, mit einander in Widerspruch geralhen. Die verschiedenen Zänke- reien, in denen sich jetzt die Repräsentanten der einzelnen Frak- tionen der kontinentalen Ordnungspartei ergchen und gegenseitig kompromittiren, weit entfernt, zu neuen Revolutionen Anlaß zu geben, sind im Gcgentheil nur möglich, weil die Grundlage der Verhältniffe momentan so sicher, und, was die Reaktion nicht weiß, so bürgerlich ist. An ihr werden alle die bürgerliche Entwicklung aushaltenden Reaktionsversuche ebenso sehr abpralle», wie alle sittliche Entrüstung und alle begeisterten Proklamationen der Demokraten."(5. u. 6. Hcst, S. 153.) Wir wissen heute, daß Marx und Engels Recht hatten. Aber bittere Wahrheiten anzunehmen, ist nicht Jedermanns Sache. Alle Jene, die da glaubten, daß zu einer Revolution nichts nöthig sei als eine gehörige Dosis guten Willens, alle Jene, die glaubten. man könne eine Revolutio» nach Belieben machen, wenn man Lust dazu verspüre kurz, die weitaus größere Mehr­heit der revolutionären Flüchtlinge in England, die damals die radikale bürgerliche Opposition gegen die europäische Reaktion repräsentirten, sie alle erhoben sich gegen Marx und Engels. Die Neue Rheinische Zeitung " verlor ihre Leser und mußte ihr Er- scheinen einstellen; im Kommunistenbund brach eine Spaltung aus, seine thätigsten Mitglieder in Deutschland kamen durch die Stieber'schen Machinationen für Jahre hinaus ins Gefängniß; mit der Aussicht aus eine baldige Erhebung brach für einige Zeit auch die sozialistische Propaganda zusammen. Mit der politischen Aktion war es für längere Zeit zu Ende. Von 1350 an war beiden jede literarische Thätigkeit in Deutsch - land abgeschnitten, der Bann der Demokraten lastete auf ihnen ebenso wie der der Regierungen. Kein Verleger hätte ein Werk von ihnen angenommen, keine Zeitung ihre Mitarbeiterschaft. Marx zog sich aufs britische Museum zurück, begann seine ökono- misch geschichtlichen Studien wieder von vorne an und legte den Grund zu seinem großen WerkDas Kapital ". Nebenbei schrieb er sür dieNew-Iork-Tribüne", deren europäischer Redakteur er thatsächlich fast zwanzig Jahre war. Engels ging 1850 nach Manchester , wurde wieder Kommis i» der Banmwollfabrik, in der sein Vater Theilhaber war, er wurde 1864 selbst AssociS und gab 1669 das Geschäft endgiltig auf. Durch die FirmaErmen und Engels" auf den Nähgarnspulen dürste sein Name mancher Arbeiter- krau bekannt geworden sein, der sein Wirken sür die Arbeiter- klaffe unbekannt geblieben. Zwanzig Jahre lang waren die beiden Freunde mit kurzen Ünterbrechungen getrennt, aber ihr geistiger Verkehr wurde da- ourch nicht unterbrochen. Fast täglich schrieben sie einander und .anschien ihre Ansichten über die Vorgänge auf den Gebieten der Politik, des Wirthschaftslebens und der Wissenschast aus. Dieser Lrieswechsel ist erhalten; er wird nach seiner Veröffentlichung .ines der wichtigsten Qnellenwerke sür das Verständniß der Zeit on 1350-1870 bilden. In Manchester setzte Engels neben dem Geschäft seine Studien ort. Vor allem betrieb er Kriegsgeschichte und Militärwiffen- chaften, deren Unentbehrlichkeit ihm die Kampagne von 1349 klar lemacht hatte und für die ihm seine Dienstzeit in der Artillerie als Einjahrig-Freiwilliger) eine praktische Grundlage bot. Dan» «ergleichcnde Sprachlehre von jeher seine Lieblingswissenschaft, md Naturwissenschaften. Während des italienischen Krieges von V59 veröffentlichte er anonym eine militärische BroschürePo md Rhein", worin er einerseits der österreichischen Theorie ent- >cgentrat, der Rhein müsse am Po vertheidigt werden, anderer- eits denkleindeutschen" preußischen Liberalen/ die der Nieder- age Oesterreichs entgegenjubelte» und nicht sahen, daß Bonaparte er gemeinsame Feind war. Eine zweite Broschüre ähnlichen znhaltsSavoyen, Nizza und der Rhein " folgte nach dem Krieg. Während des preußischen Militärkonflikts(1865) gab er eine' weitere Broschüre heraus,Die preußische Militärfrage und die Arbeiterpartei", worin die Widersprüche und Halbheiten der Liberalen und Fortschrittler gegeißelt und ausgesprochen wurde, eine wirkliche Lösung der Militärsrage wie aller andern ernst- lichen Fragen könne nur durch die Arbeiterpartei erfolgen. Während des deutsch -französischen Kriegs schrieb er eine Reihe militärisch-kritischer Artikel in die Londoner Pall Mall Gazette ", worin er unter anderem so glücklich war, bereits am 25. August die Schlacht von Sedan(2. September) und den Untergang der französischen Armee vorherzusagen. Hatte während dieser Zeit bereits eine Arbeitstheilung der Studien zwischen Marx und Engels stattgefunden, so entwickelte sich nach Engels Uebcrsiedelung nach London (1870) jene eigen- thümliche Arbeitstheilnng zwischen den Beiden, die ihr Schaffen so sehr gefördert hat. Während Marx fortfuhr, die gemeinsam gefundene Theorie systematisch für die wissenschaftliche Welt aus- zuarbeiten und darzulegen, setzte Engels sich die Aufgabe, einer- seits die Theorie polemisch zu vertreten, wenn sich Gegner fanden, die der Mühe werth waren, und andererseits die großen Frage» der Gegenwart an der Hand dieser Theorie zu untersuchen und die Stellung des Proletariats ihnen gegenüber zu erforschen. Natürlich war diese Scheidung der Arbeitsgebiets keine pedan- tische; oft arbeiteten sie zusammen, stets tauschten sie ihre Ideen aus. Wie Engels selbst sein Verhältniß zu Marx in Wissenschaft- licher Beziehung auffaßte und gestaltete, davon giebt er an ver- schiedenen Orten Zeugniß. In der Vorrede zur zweiten Auflage seines Buches,Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissen- schaft," sagt er(S. 10):Da die hier entwickelte Anschauungs- weise zum weitaus größeren Theil von Marx entwickelt und be- gründet worden, und nur zum geringsten Theil von mir. so ver- stand es sich unter uns von selbst, daß diese meine Tarstellung nicht ohne seine Kenntniß erfolgte. Ich habe ihm das ganze Manuskript vor dem Druck vorgelesen, lind das zehnte Kapitel des Abschnittes über Oekonomie(aus der kritischen Geschichte") ist von Marx geschrieben und mußte nur, äußerlicher Rücksichten halber, von mir leider verkürzt werden. Es war aber von jeher unser Brauch, uns in Spezialfächern gegenseitig auszuhelfen." Der erwähnten Arbeitstheilung ist es wohl zum größte» Theil zuzuschreiben, daß, während die Marx 'schen Studien in einem Hauptwerk, demKapital", konzentrirt sind, das Ergebniß der Engels'schen Forschungen in zahlreichen meist kleineren Schriften zersteut ist. So ist es aber auch gekommen, daß, wäh- rend man über die Unverständlichkeit von Marx klagt und die meisten Leute mehr über dasKapital" lesen als dieses selbst, Engels als Meister der populären Darstellung gilt, seine Schriften von allen denkenden Proletariern gelesen werden, und die Mehr- zahl derjenigen, die sich mit dem Sozialismus befassen, aus diesen Schriften die Kenntniß und das Verständniß der Marx-Engels 'schen Theorie schöpft. Bei dieser Gelegenheit eine kleine Bemerkung. Die meisten unserer Freunde, sobald sie einmal zur Erkenntniß gekoinmen, daß der Sozialismus nicht eine Sache des gute» Herzens, sondern eine Wissenschaft ist, zu deren Verständniß nicht blos guter Wille, sondern auch eine gewisse Dosis von Kenntnissen gehört, werfen sich mit Feuereifer sogleich ans dasKapital", beißen sich an der Werththeorie die Zähne aus und lassen dann das Ganze stehen. Sie werden ein ganz anderes Resultat erzielen, wenn sie zunächst die Engels'schen Broschüren vornehmen, und erst nachdem sie diese gründlich durchstudirt, sich ansKapital" heranmachen. Die Engels'schen Schriften sind der Mehrzahl nach Gelegen- heitsschriften; aber sie sind keine Eintagsfliegen, die mit der Gelegenheit vergehen, die sie hervorgerufen. Die einen von ihnen behalten ihren Werth sür uns durch ihre scharfe Charakterisirung der historischen Situation, die sie veranlaßt hat, um so mehr, wenn wir uns heute in ähnlicher Situation befinden. So spielt z. B.der preußische Schnaps im deutschen Reichstage" heute wo möglich noch eine größere Rolle, als zu der Zeit, wo Engels die Artikel mit dem genannten Titet imVolksstaat" veröffent- lichte(1876), die auch im Separatabdruck erschienen sind. Und die Broschüre überdie Bakunisten an der Arbeit", die die anarchistischen Putsche in Spanien aus dem Jahre 1873 be- leuchtet,»st namentlich sür uns Oesterreicher sehr beherzigens- werth. Die anderen Gelegenheitsschriften von Engels sind meist polemischer Natur: aber die Polemik ist nur die Veranlassung zur positiven Eurwickelung verschiedener Seiten der eigenen Theorie. Daher sind sie nicht veraltet, wie man am deutlichsten aus der Thatsache ersieht, daß eben jetzt wieder neue Auflagen der- selben nothwendig wurden. Dies ist unter anderem der Fall mit derWohnungsfrage", einer Polemik gegen den kleinbürgerlichen Proudhvnisten Mülberger, dessen sich ältere österreichische Ge- nossen noch erinnern dürsten. Die Broschüre erschien 1872 zuerst imVolksstaat" in einer Reihe von Artikeln, dann im Separat- abdruck, und wurde jetzt in Zürich von der Volksbuchhandlung neu herausgegeben, nnt einem Vorwort, das namentlich die neue industrielle Eutwickelung Deutschlands charakterisirt, und das die zweite Auslage auch für die Besitzer der ersten werthvoll macht. 1875 erschien, ebenfalls als Separatabdruck aus demVolks- staat", die BroschüreSoziales aus Rußland ", eine Polemik gegen den Bakunisten Tkatschkoff, die Veranlassung giebt, den Standpunkt des modernen wissenschaftlichen Sozialismus gegen- über den russischen Verhältnissen und Einrichtungen festzustellen. Von besonderem Interesse ist es, was Engels über die Arteli (urwüchsige Genossenschaften) und den Gemeindekommunismus der Russen und die Bedeutung dieser Institutionen für den Sozialisnms sagt. Leider ist von dieser Broschüre eine zweite Auflage bisher noch nicht erschienen, obgleich die erste längst ver- griffen ist. Zwei Jahre später veröffentlichte Engels seine Polemik gegen D ü h r i n g. Es war ein Jahr vor Erlaß drs Sozialistengesetzes. Ein Theil der deutschen Sozialdemokratie wiegte sich in den kühnsten Illusionen; das schwerste schien überwunden und mancher sah schon den Tag kommen, wo eine sozialdemokratische Majorität im deutschen Reichstage die Einführung dessozia- listischen Staates" beschließen werde, und zerbrach sich bereits den Kopf darüber, wie dessen Durchführung am einfachsten und schmerzlosesten zu gestalten. Die Sozialdemokratie war die auf- steigende Sonne und nicht nur das Proletariat wandte sich ihr zu, sondern eine ganze Menge mißvergnügter Elemente der be- sitzenden Klasse», verkannte Genies, die bei den Arbeitern die Anerkennung zu finden hofften, die ihnen die Bourgeoisie ver- iveigerte, Jmpfgegner, Naturheilärzte, Literaten aller Art, Schäffles und Konsorten. Es war schwer, diese Leute von den- jenigen bürgerliche» Elementen zu unterscheiden, die wirklich aus Interesse für das Proletariat und nicht aus bloßem Aerger über die Bourgeoisie zu uns kamen. Von einem Theil der Genossen, namentlich den jüngern und unerfahrener», wurden alle diese Zuzügler freudig aufgenommen: in der That, wenn selbst Pro- fessoren und Doktoren sich zur Sozialdemokratie bekehrten, dann war deren Sieg nicht mehr weit. Zlber die Herren Professoren und Doktoren hatten keineswegs die Absicht, mit der Bourgeoisie zu brechen. Sie wollten aller« dings mit Hilse der Sozialdemokratie eine Rolle spielen, sie wollten aber durch sie auch die Anerkennung der Bourgeoisie erringen. Es handelte sich daher für sie vor allem darum, die Sozialdemokratie respektabel, solonfähig zu machen, ihr ihren proletarischen Charakter zu nehmen. Da galt es, den bürgerlich-ideologischen Elementen, die auf die Sozialdemokratie in dieser Weise Einfluß zu nehmen be- gannen, einen Riegel vorzuschieben. Einer der hervorragendsten und begabtesten unter diesen Salon-Sozialisten war unstreitig der Berliner Privatdozent Eugen Dühring , ein Mann von großen Gcistesfähigleiten, der bedentendes hätte leisten können, wenn er etwas mehr von der Marx-Engel'schen Selbstkritik und weniger von dem Erbübel des deutschen Literaten, dem Größen- mahn, in sich gehabt hätte. So glaubte Herr Dühring , sein Genie überhebe ihn der Nothwendigkeit, die Verhältnisse, über die er philosophirte, auch gründlich zu studiren. Er war weniger philisterhast und kühner als Schäffle und begann in Berlin namentlich auf die jüngeren Elemente der Partei großen Einfluß zu üben. Er war kein verächtlicher Gegner und daher drangen bewährte Genossen in Engels, er möge selbst gegen den Mann auftreten, die Hohlheit seiner Philosophie darlegen, daneben aber auch den Charakter unserer Bewegung scharf hervor- heben. Dies die Entstehungsgeschichte de?Anti-Dührlng", wie man das Buch meist kurz benannt, dessen Titel lautet:Herrn Eugen Dühring's Umwälzung der Wissenschast". Eine zweite Auflage erschien im Jahre 1886 in Zürich in der Volksbuchhandlung, nachdem früher schon einige Abschnitte daraus mit Hinweglassuug der polemischen Stellen als besondere Broschüre unter dem Titel: Eutwickelung des Sozialismus von der Utopie zur Wiffenschast" erschienen waren. Die Veranlassung desAnti-Dühring " ist längst vergessen. Nicht nur Herr Dühring ist für die Sozialdemokratie abgethan, der ganze Troß der akademischen und platonischen Sozialisten ist vom Sozialistengesetz weggefegt worden, welches wenigstens das eine Gute halte, zu zeigen, wo die verläßlichen Stützen unserer Bewegung zu suchen sind. Das Buch selbst hat aber trotz dieser Umwandlung der Verhältnisse kein Jota an Bedeu- tung verloren. Dühring war sehr vielseitig gewesen, er schrieb über Mathematik und Mechanik, wie über Philosophie und Nationalökonomie, über Juristerei wie über Urgeschichte u. s. w. Auf alle diese Gebiete folgte ihm Engels, der ebenso vielseitig ist wie Dühring , aber in etwas anderer Weise. Seine Viel- seitigkeit ist gepaart mit einer Gründlichkeit, die heute fast nur noch bei einseitig gebildeten Spezialgelehrten gefunden wird und auch da nicht oft. Denn die moderne Wissenschaft ist vom Charakter der modernen Produktionsweise angesteckt worden, auch in ihr gelangt der Grundsatz des fieberhaft raschen, schleuderhaften Produzirens immer mehr zur Geltung; die Produkte der modernen Wissenschaft sind wie die der modernen Industrie: billig und schlecht. Womit nicht gesagt sein soll, daß sür die schlechten Produkte, wenn sie gerade Modeartikel sind, nicht auch mitunter horrende Preise bezahlt iverden. Der oberflächlichen Vielseitigkeit des Herrn Dühring ver- danken wir es, daß derAntl-Dühring" zu einem Buche ward. das die wichtigsten Punkte des gesummten modernen Wissens vom Standpunkte der Marx-Engels'schen materia- listischen Dialektik aus behandelt. Nächst demKapital" ist der Anti-Dühring " das grundlegende Werk des modernen Sozialismus geworden. Ueber der literarischen haben wir die praktische politische Thätigkeit Engels fast aus den Augen verloren. Kehren wir wieder dazu zurück. Die Arbeiterbewegung, die auf dem Kontinent von Europa nach den Schlägen von 1343 und 1649 fast völlig aufgehört hatte, begann sich im Anfang der sechziger Jahre wieder allenthalben zu regen, nicht blos in Deutschland , sondern auch in Frankreich , Belgien , England. Selbst in Spanien und Italien rührte sich die Arbeiterklasse. Alle diese zerrütteten und unklaren Regungen in eine einheitliche, klare und zielbewußte Bewegung zu ver- wandeln, war die Aufgabe, welche dieInternationale" sich stellte, die 1364 in London gegründet wurde, eine Gesellschaft zur Förderung der Organisation und Propaganda unter den Proletariern aller Länder, nicht eine Verschwörungsgesell- schaft. wie vielfach behauptet worden. Die geistige Führerschaft des Bundes fiel Marx ohne deffen Zuthun vermöge seiner geistigen Bedeutung zu. Daß Engels sich vom Bunde nicht fern hielt, ist selbstverständlich. Seine volle Kraft konnte er ihm jedoch erst widmen, seitdem er sich vom Geschäft zurückgezogen hatte und nach London übersiedelt war(1870). Er kam eben recht, denn gerade damals begannen jene gewaltigen Kämpfe, die der deutsch­französische Krieg entfesselte: die höchsten Anforderungen wurden an die Kraft derInternationale" gestellt, sie konnte keinen Mann entbehren. Das Jahr 1870 brachte eine Revolution, die sich in bezug auf Gewallthätigkeiten mit den früheren Revolutionen wohl messen darf. Wenige dürften so viele Opfer gekostet haben, als der dcutsch-französische Krieg. Und diese Revolution war nicht auf Deutschland und Frankreich beschränkt. Auch andere be» nützten die Gelegenheit, beschworene Verträge zu zerreißen und überkommene Eigenthnmsrechte zu vernichten. Das waren nicht wüste" Kommunisten, sondern die Wahrer derOrdnung und des Rechtes"; Viktor Emanuel besetzte Rom und der Zar aller Reußen erklärte, er halte sich nicht mehr an den von ihm unter» zeichneten Pontusvertrag gebunden, der die.Neutralität des Schwarzen Meeres bestimmte. Kam beim Sieger und dessen Freunden die Revolution von oben, so bei den Besiegten naturlich von unten. Das Kaiserreich wurde in Frankreich weggefegt, und als nach dem Friedensschluß die royalistische Nationalversammlung Miene machte, die Republik abermals zu verrathen, erhob sich Paris , um die bedrohte Frei- heit zu retten. Noch einmal wiederholte sich das alte Schauspiel von 1343: das Kleinbürgerthum sandte die Arbeiter ins Feuer, um dann mitten im Kampfe vor seinen eigenen Bundesgenossen Angst zu bekommen und ihre Kraft zu lähmen. Aber das Proletariat von 1871 war ein anderes als das von 1843 und 1849. Es war stärker und reifer geworden. Je länger dieser Kampf gedauert hatte, desto mehr war in Paris dessen Last vom Kleinbürgerthum auf das Proletariat übergeglitten, desto offen- kundiger wurde dieses als die treibende und stützende Kraft der revolutionären Bewegung. Zum zielbewußtesten und entschiedensten Theil des Proletariats gehörten aber die dortigen Mitglieder derInternationale". Hat auch diese die Erhebung der Kommune nicht gemacht, so fiel doch schließlich ihr deren Leitung wenigstens in ökonomischer Beziehung zu, nachdem der Kampf einmal ent- brannt war. DerInternationale" wurde die Verantwortung für die Kommune in die Schuhe geschoben, und weit entfernt. diese abzulehnen, erklärte sie sich mit der Pariser Erhebung solidarisch. Das schlug dem Faß den Boden aus. DieJnter. nationale", schon längst ein Gegenstand des Schreckens und des Abscheues für jedenGutgesinnten", wurde nun, nach dem Fall der Kommune, vollends fast überall auf dem Kontinent in die Acht erklärt. Die einflußreichsten englischen Arbeiter zogen sich gleichzeitig von ihr zurück. Noch war die Zeit für den Sozialis, mus in England nicht wiedergekommen, noch bildeten die eng« tischen Arbeiter politisch ein Anhängsel des radikalen Theils der Bourgeoisie. Als daher dieInternationale" durch ihr Ein. treten für die Kommune sichkompromittirk" hatte, zogen sie sich von ihr zurück. Zu alledem kamen noch Spaltungen in derInternationale'« selbst. Die Sozialisten vor Marx und Engels hatten für den Klassen- kamps der Arbeiterklasse kein Verständniß gehabt. Dieser Kampf war naturnothwendig ein politischer, sein Ziel ging nach der Erringung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse, um sie in deren Interesse zu benutzen. Die damaligen Sozialisten dagegen, angeekelt vom Getriebe der alten Parteien, wollten die neue Gesellschaft nicht im Kampfe der Arbeiterklasse gegen die alte Gesellschaft erstehen lassen, sondern hinter dem Rücken dieser Gesellschaft, außerhalb des Bereichs ihrer korrumpirenden Ein- flüsse. Sie predigten daher Enthaltung von jeder politischen Thätigkeit, Enthaltung von jedem Klassenkampf, um durch die vereinzeltePropaganda der That" einzelner vorgeschrittener Individuen die Volksmaffen zur Ueberzeuaung von der Roth- wendigkeit und Nützlichkeit des Sozialismus zu bringen. Da aber diese Sozialisten sehr friedliebende Leute waren, die in dem naturnothwendigen Gegensatz zwischen der Klasse der Arbeiter und der der Kapitalisten nur ein Unglück sahen, nicht aber«inen