Abendausgabe

Nr. 373 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 184

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10 Pfennig

Dienstag

10. August 1926

Vorwärts=

Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Verminderung der Besahungsstärke.

Briand zu wesentlicher Verringerung bereit.

Chamberlains. Man betont, daß die Frage der Verminderung der Befagungstruppen nach Räumung der ersten 3one in erster Linie Frankreich angehe. Die vom diplomatischen Korrespon ten des Daily Telegraph " veröffentlichte Meldung, daß in London Schritte im Zusammenhang mit der Reduzierung der Besatzungs. truppen unternommen worden seien, wird an amtlicher Stelle weder bestätigt noch dementiert.

Paris , 10. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Der Mafin"| Abrüftungsfrage wie hinsichtlich der Berminderung der Be. meldet heute, daß Briand dem deutschen Botschafter bei seiner letzten fagungstruppen verweift man auf die früheren Erklärungen Borstellung wegen der Truppenbestände im Rheinland erklärt hat, die franzöfifche Regierung sei bereit, den Wünschen der Reichs­regierung entgegenzufommen und die Truppenbestände unter der Bedingung herabzusehen, daß Stresemann fich berpflichte, die Propaganda der sogenannten patriotischen Ber­bindungen in den Rheinlanden zu verbieten. Der Quai d'Orsay möchte Sicherungen haben, daß die Bevölkerung der Rheinlande nach dem Rückzug der alliierten Truppen feinen Repreffalien aus­gesetzt sei.(?) London wartet ab.

London , 10. Auguft.( TU.) In außenpolitischer Hinsicht ist nach der Tagung des Barlaments eine Ruhepause eingetreten. Chamberlain befindet sich zwar nur wenige Meilen von London ent­fernt in Suffer, gilt aber offiziell als a bwesend. Die Abreise des deutschen Botschafters aus London hat die Tendenz der gegen. wärtigen Inaktivität auf außenpolitischem Gebiete noch unter strichen. Die Deutschland angehenden wichtigen außenpolitischen Fragen bleiben einstweilen in der Schwebe. Sowohl in der

Mein Justizskandal"!

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Die Aufklärung über die Vorgänge in Magdeburg . Bon D. Horsing( Magdeburg ). Bevollmächtigter zum Reichsrat, Mitglied des Preußischen Landtags .

Wir entnehmen die nachstehenden Ausführungen einer umfangreichen Darstellung, die der Verfasser über den Magdeburger Justizskandal gibt. Aus Gründen des Raumes fonnten wir nur die wichtigsten Punkte über­nehmen. Red. d.„ Vorw.." Die Rechtspresse hat mich des Eingriffs in die Rechts­pflege beschuldigt, hat mich beschimpft und verleumdet ich habe geschwiegen!

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Jezt, wo der Vorhang über die Magdeburger Justizaffäre gefallen ist, darf ich mir wohl erlauben

meine Gegner und Anwälte eines gemeinen Mörders werden doch gestatten?-, das Wort zur restlosen Aufklärung zu nehmen.

Der„ Betit Parifien" ergänzt die Angabe des„ Matin" noch dadurch, daß er angibt, Frankreich sei bereit, seine Besatzungs­Borweg sei festgestellt, daß ich den unschuldig inhaftierten truppen auf 50 000 Mann zu verringern. Uebereinstimmend damit hudolf Haas bis zur Stunde, wo ich diese berichtet das Journal", Frankreich habe jetzt 60 000 Mann imorte schreibe, nicht tenne- nie gesehen Rheinland stehen und wolle um 10 000 heruntergehen. Zu diesen habe. Seinen Vater und Bruder habe ich erst nach der 50 000 Franzosen kämen dann noch 15 000 Engländer und Belgier. Inhaftierung fennengelernt. Reiner von den Haas' ist Andere Meldungen sprechen davon, daß man beabsichtige, Militär- Sozialdemokrat, feiner von ihnen gehört dem personen mit Familie gegen unverheiratete auszutauschen. Dadurch Reichs banner an, feiner von ihnen gehört dem erspare Frankreich Ausgaben und die Wohnungsnot im Rheinlande Reichsbanner an, feiner von ihnen hat mittel­oder unmittelbar Geldbeträge dem Reichsbanner werde gemildert. gegeben!

Lärmszenen in Versailles .

Was habe ich nun mit der ganzen Sache zu tun? Als ich von der Verhaftung des Rudolf Haas, der aus Furcht vor einer Anzeige der Steuerhinterziehung einen Mord oder Anstiftung dazu begangen haben sollte, erfuhr, war ich mir auch nicht eine Minute darüber im unflaren, daß diese Ber­haftung entweder ein Wahnsinn oder ein Verbrechen oder beides war. Da mir von mehreren sehr angesehenen Bürgern, u. a. auch durch den Schwager des Inhaftierten, den Bundes­schatzmeister des Reichsbanners, meinen Freund Paul C ro hn, der seit Jahren sich mit der Firma Haas über­worfen hatte, mit allem Nachdruck versichert wurde, daß ber inhaftierte Haas ein intelligenter, geistig gesunder und frischer Mann ist, forschte ich nach, ob denn die Hauptvoraus­setzung der Mordbeschuldigung, nämlich die Steuerhinter­ziehung, und in welcher Höhe zutrifft und richtig sei. An dieser Klippe aber zerbrach alles. Ich stellte fest, daß einige Finanzbeamte seit mehr als einem Jahre bei Haas die Bücher revidieren. Aber kein Mensch, am allerwenig­sten das Finanzamt, weiß etwas von einer Steuerhinter­ziehung der Firma Haas.

Heftige Kämpfe um die Geschäftsordnung der Nationalversammlung. Paris , 10. August. ( Tul.) Bereits in den frühen Morgen- 3eichnet worden ist. Es handle sich um den Ausbau des Systems stunden herrschte in und um das Königsschloß Berfailles, von Abkommen Frankreichs mit den Staaten Osteuropas . Der erste wo die Nationalversammlung heute die dritte Berfaffung abändern Vertrag sei der französisch - polnische, der zweite der zwischen soll, eine fiebert, afte Tätigkeit. Für die Parlamentarier war eine Frankreich und der Tschechoslowakei . Ein weiterer Vertrag Anzahl von Extrazügen eingelegt worden, die auch das Bureau- fei zwischen Frankreich und Jugoslawien schon para personal und die Journalisten beförderten. Die Nationalversammphiert, aber noch nicht endgültig abgeschlossen worden. Die lung ist im linken Flügel des Bersailler Schlosses untergebracht unterzeichnung sei durch die Haltung Italiens verzögert worden, weil Frankreich die Besorgnisse Italiens , das gleichzeitig mit Jugo worden, das seit 1871 für parlamentarische Debatten dient. In dem Gaale tagte die verfassunggebende Nationalversammlung flawien verhandelte, schonen wollte. Die neue französisch- rumänische bis 1875, und später fanden hier die Kongresse, d. h. die gemeinsamen Konvention falle vollkommen in den Rahmen des Bölkersten Tagungen von Kammer und Senat, statt. Außer der Wahl der bunds. Es handle sich um einen Freundschaftsvertrag, Präsidenten der Republik , die hier vorgenommen wird, dient er nur der mit einer Zusicherung der gegenwärtigen Neutralität und für seltene Anlässe, bei denen es sich um eine Revision der Ver- einer Schiedsgerichtstonvention verbunden sei. Frant­faffung handelt. Die letzte Verfassungsänderung fand im Jahre reich habe in vollem Umfange den territorialen Status 1884 statt. und die rumänische Besetzung Bessarabiens anerkannt. Die italienische Haltung gegenüber Rumänien sei eine andere. Italien wolle gleichzeitig seine Beziehungen mit Bukarest und Moskau aufrechterhalten. Das„ Journal" meint, in dieser Haltung liege eine Schwierigkeit für die europäische Politik, die beseitigt werden müsse. Es liege im Intereſſe Frankreichs , daß die italienische Attion in Osteuropa mit der französischen übereinstimme,

Die Sigung, die um 9,30 Uhr eröffnet wurde begann außer­ordentlich st ü r m is ch, und der 78jährige Senatspräsident de Selves, der die Bersammlung leitete, hatte, einen schweren Stand. De Selves verliest die Artikel der Berfassung von 1875, wonach die Kammer und der Senat das Recht haben, sich zum Zwecke einer Revision der Berfaffung zur Nationalversammlung zu vereinigen. Der Präfident ging dann auf die bekannten Entschließungen der beiden Häuser ein, die sich auf die Schaffung einer Amortisationstasse beziehen, und erklärt darauf die Nationalversammlung für verfassunggebend.

Er schlug dann dem Kongreß vor, die Geschäftsordnung anzu­nehmen, die die Nationalversammlung in früheren Fällen beschlossen habe, und er erklärte des für angenommen. Auf der äußersten 2inten, vor allem bei den Kommunisten und Sozialisten, erhob sich darauf stürmischer Lärm. Unter lauten Rufen: 3um Wort!" und unter Bultdeckelklappern erhielt schließlich der Sozialist

Renaudel das Wort zu einer Erklärung.

Italienisch - spanischer Sondervertrag.

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Rom , 10. Auguft.( EP.) Dem am 7. August in Madrid zwischen Italien und Spanien unterzeichnete Schiedsgerichts und Freundschaftsvertrag wird von der italienischen Breffe große Bedeutung beigemessen. Der Bertragstert, der noch nicht bekannt ist und auch die Neutralitätsklausel enthält, soll beim Bölkerbund deponiert werden. Die Tribuna" schreibt zu diesem Abkommen, das Bakt von Madrid genannt werden soll, Italien antworte mit dem Vertrage allen jenen, die in Italien eine Gefährdung des Bölterfriedens sehen wollten. 3wed und Bedeutung dieses Uebereinkommens feien flar. Die politischen und wirtschaftlichen Bestrebungen sollen gegenseitig gestüt mer­zugeben. den. Besonders für die Stellung im Mittelmeer und die gemeinsamen Interessen in Südamerika werde sich der Bertrag vorteilhaft geltend

Renaudel führte aus: Die Szenen, die sich zugetragen hätten, zwängen ihn dazu, fich nicht an den Präsidenten, sondern an die Bor ber Annahme des Versammlung selbst zu wenden. Reglements hätte dasselbe zunächst den Parlamentariern zugehen müssen. Der Präsident behauptete, dies sei geschehen, aber Renaudel erklärte, die Quästur habe das Reglement nicht zugesandt. Er fragte, ob man durch solche Methoden die Einigkeit in der Bersamm­lung aufrechterhalten wolle. Der Redner beschwerte sich weiter darüber, daß er das Wort nur auf das Drängen seiner Freunde erhalten habe. Die Sozialisten seien nicht nach Bersailles gekommen, um die Versammlung zu stören, sondern um ihre Ansicht zur Kenntnis zu geben.

Der Kommunist Berthon schloß sich dem Proteft an. Er erklärte, fein erster Abänderungsantrag beziehe sich darauf, daß die Kommission nicht durch die Listenwahl ernannt werden solle, sondern

durch die politischen Gruppen nach ihrer proportionalen Stärke. Die weiteren Erklärungen Berthons gingen in einem wüsten ärm unter, bei dem sich die Linke und Rechte gegenseitig überschrien. Berthon erklärte schließlich:" Hier, wo der dritte Stand in den Kampf gegen das Königtum trat, bitte ich Euch, Erwählte des Hier kam es zu neuem gewaltigen Lärm, der diesmal von der rechten Seite des Hauses ausging. Der Abänderungsanirag wurde mit 691 gegen 175 Stimmen abgelehnt.

beschränkten Stimmrechtes"

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Frankreichs Sondervertrag mit Rumänien .

Ausbau des Bündnissyftems.

machen.

Der demokratische Frieden.

Welttagung in Frankreich .

Paris , 10. Auguft.( EP.) Im Schloß Bierville wurbe den zur internationalen demokratischen Friedenskonferenz Eingetroffenen, barunter etwa 1000 Deutschen , ein festlicher Empfang bereitet, an dem der Unterpräfekt und die meisten Bürgermeister der Gegend teilnahmen. Der Borsigende des internationalen demokratischen Aktionskomitees für den Frieden, Mart Sangnier, würdigte in einer Begrüßungsansprache die moralische Abrüftung als Friedenssicherung. Im Verlaufe der Woche werden etwa 4500 Teil­

nehmer aus 30 Ländern eintreffen.

Disziplinarverfahren gegen Kölling.

Am 7. Auguft beschlossen.

Amtlich wird mitgeteilt:

Paris , 10. Auguft.( III.) Nach dem„ Journal" trifft es zu, Durch Beschluß des Disziplinarjenats beim Oberlandesgericht daß zwischen Frankreich und Rumänien in Bufarest ein Taumburg vom 7. Auguft ift das Disziplinarverfahren gegen Land­Freundschafts- und Schiedsgerigtsvertrag unterrichter Sölling in Magdeburg eröffnet worden.

Aus diesem Tatbestand folgerte ich nun, daß für Haas ein Mord oder Anstiftung hierzu nicht in Frage kommen tann.

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In jedem Falle stand eine politische Ungeheuerlichkeit allertollster Art bevor, die ich, dazu bin ich als politischer Kom­miffar der Staatsregierung verpflichtet, mit allen mir zu Ge­bote stehenden gesetzlichen Mitteln verhindern mußte. Leider stand mir nur ein Mittel zur Verfügung: die schnelle und rüdsichtslose Aufklärung des Mordfalles durch den tüchtigsten Kriminalkommissar, den ich fannte und sofort erreichen fonnte. Meine Ansicht über den Fall und meine Absicht, die Frage wie angedeutet zu lösen, besprach ich ein­gehend mit meinem Herrn Vertreter und dem hiesigen Polizei­präsidenten zwei anerkannt tüchtigen Juristen und Ver­waltungsbeamten. Beide schlossen sich mir rückhaltlos nach ftimmung des hiesigen Polizeipräsidenten, das Landes­jeber Richtung hin an. So ersuchte ich, ebenfalls mit zu­friminalamt Berlin , den Kriminalkommissar Busdorf , der mir seit meiner oberschlesischen Tätigkeit bekannt ist und der hier bereits im Falle Gommern , Aken und Osterburg , wo andere verjagten, erfolgreich gewirkt hat, zur Verfügung zu stellen. Busdorf hatte ich bereits im Falle Aten usw. angefordert; er ist vom Gericht jedesmal mit offenen Armen empfangen worden. Busdorf sich bei mir meldete, verwies ich ihn zur Entgegen­nahme des Dienstauftrags an den Polizeipräsidenten. Damit hätte nun eigentlich meine Tätigkeit in dieser Angelegenheit zu Ende sein müssen. Leider kam es, sehr zu meinem Bebauern, anders. Nach etwa drei Tagen meldete fich Herr Busdorf bei mir und bat um Enthebung von seinem Auftrag. Er sagte: Der Kriminaldirektor Müller und der Kommissar Tenhold find auf mich neidisch, der zu haben, man schaltet mich aus." Untersuchungsrichter scheint sich deren Auffassung angeschlossen fuchungsmethoden, wie sie hier geübt würden, noch nicht Ferner feien Unter­dagewesen; seine Ehre als Beamter verbiete es ihm, hier weiter mitzumachen. Nachdem ich Busdorf beruhigt hatte, besprach ich die Sache mit dem Polizeipräsidenten und ersuchte ihn, mit Rölling unter Darlegung der Notwendigkeit der Mitarbeit Busdorf zu verhandeln. Nach etwa einer Stunde teilte mir der Polizeipräsident telephonisch mit: Der Herr Untersuchungsrichter läßt sich bestens empfehlen, er wird jetzt mit Busdorf , den er sehr schäßt, arbeiten."

Als

Nun hörte ich 10 Tage von der Sache nichts mehr und glaubte, daß alles in bester Ordnung sei. Da erschien am Sonntag, den 11. Juli, in den Vormittagsstunden, wieder Herr Busdorf bei mir und sagte mir dem Sinne nach folgen= des: Er müsse sofort nach Königsberg fahren, wo er vor Forstbeamten einen Vortrag zu halten habe. linterwegs werde er einen Bericht für den Untersuchungs­richter schreiben, dann, zurückgekehrt, erst eine Berhaftung