vornehmen, dann die Leiche des Helling aus graben. Alsdann müsse er seine Tätigkeit endgültig einstellen, denn kein denkender Mensch könne diese Untersuchungsmethoden, die im Endergebnis nicht den richtigen Mörder suchen, sondern Haas zum Mörder oder Anstifter machen wollen, mitmachen. Dazu komme noch, daß man sich direkt mehre, gegen Schröder die Untersuchung zu führen, in dieser Hinsicht alles außer acht lasse und vernachlässige, und dem Mörder, der ein skandalöser Lügner sei, alles glaube. Auf meine Frage, wie er- Busdorf - denn die Sache ansehe,
fagte er wörtlich:
Ich bin mir völlig tlar, daß es sich um einen gemeinen Raubmord des Schröder, der wohl außer der Göße feinen Komplicen, auch keinen Mitwisser hat, handelt, höchstens kommt noch ein unbekanter junger Mann in Frage, der Helling aus der Wohnung nach Rottmersleben ( der Wohnung des Schröder) unter irgendeiner Vorfpieglung gelodt hat, falls nicht Schröder selbst dieser Unbekannte ist. Der Merd ist durch Erschießen oder Erschlagen in der Wohnung des Schröder von diesem verübt, die Leiche Hellings im Garten, vergraben." Und mit gerötetem Gesicht und geist auf diesem Grundstück, wahrscheinlich im Keller, vielleicht auch schwollenen Adern fuhr er, in höchster Erregung von seinem Stuhl aufspringend, fort:„ Herr Oberpräsident! Der Richter hat mich wie einen dummen Jungen behandelt, keine Attencinficht gewährt, feinen Hinweis, feinen Anhalt gegeben, wie einen Narren wollte er mich auf eine falsche Spur nach Schandau schicken! Es ist ein futter Standal, daß ich mich, unt überhaupt etwas tun zu lönnen, an den Berteidiger des Haas wenden mußte. Rechtsanwalt Dr. Braun hat mich, das sage ich offen, nach jeder Hinsicht hin unterstützt, und nur durch dejser Hilfe bekam ich erst Anhaltspunkte. Ich bin jetzt in Rati bor, in Rottmersleben , in Köln und hier bei allen Verwandten gewesen. Das Bild ist völlig klar. Hätte man hier den Mord aufklären wollen, so hätte man dies vor Monaten in einigen Tagen fun fönen, statt dessen sucht man den großen Unbekannten, den„ Adolf", den der Mörder konstruiert, und dieser paßt noch nicht einmal auf Haas, der, wie auch Fischer, völlig unschuldig in Haft fißt. Das standalöjeste aber ist, daß die hiesige Polizei jetzt bei den Verwandten des unglücklichen Helling Vernehmungen gegen Dr. Braun und mich vornimmt."
Ich beruhigte Busdorf mit Mühe und versprach, mit Rölling persönlich zu sprechen und den ganzen Fall und die darin steckenden Mißverständnisse aufzuklären.
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Sofort setzte ich mich telephonisch mit Kölling- den ich feit mehr als einem Jahre fenne in Verbindung. Wir verabredeten eine Unterredung auf Montag, den 12. Juli, vormittags. Herr Kölling fam und ich segte ihm eingehend auseinander, weshalb ich Busdorf gerufen habe. Rölling stimmte mir vollinhaltlich zu, billigte meine Motive reftios, gab zu, daß Busdorf mit seiner Ansicht über den Neid der Kollegen recht habe, die Bernehmungen rich teten fich nicht gegen Dr. Braun und Busdorf , sondern gegen vermeintliche Privatdetektive, und fuhr wörtlich fort: 3) kenne doch Herrn Busdorf, er ist unser Bester, sein Name hat im ganzen Gericht einen guten Klang; jetzt, wo ich weiß, weshalb Sie ihn gerufen das hatte Polizeipräsident Dr. Menzel in meinem Auftrag ihm bereits vor 14 Tagen gesagt, will ich gern mit ihm zusammen arbeiten. Bitte, sagen Sie ihm doch, er möchte, von der Reise zurückgekehrt, sofort zu mir fommen!" et Damit hätte die Unterredung zu Ende sein können. Aber Herrn Kölling lag scheinbar sehr viel an meiner Ansicht über Pen Mordfall selbst, den er nun anschnitt und über den er mich auszufragen begann. Ich habe dann Herrn Kölling unter ausdrücklicher Betonung, daß er meine Ansicht zu hören wünsche, den ganzen Fall so flar wie möglich auseinander gesetzt und ihm die Unmöglichkeit seiner Ron struttion wie seine Verranntheit vorgeführt. Er wurde immer unruhiger, widersprach aber nicht und schwieg auch, por sich hinbrütend, als ich meine Rede beendete. Darauf fragte ich: ,, Nun, was sagen Sie, Herr Landgerichtsrat, zu
Noch einmal:„ Völkerkunde".
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Von Dr. Paul F. Schmidt.
Zu den Bemerkungen Erich Pagels über das Bölkerkunde. museum im Vorwärts" vom 3. Auguft möchte ich Brinzipielles bemerken, das die Voraussetzungen meiner Kritik betrifft, mögen sie nun richtig oder unrichtig sein.
Was ist ein Museum? Nach heutiger Auffassung eine gut geordnete Darbietung fulturell erheblicher Gegenstände, die sowohl der Belehrung wie der seelischen Erheburg dienen können. Natur geschichtliche Sammlungen z. B. find im allgemeinen für die Be lehrung da, Kunstmuseen für ästhetische Freude. Ethnographische Sammlungen sollen nach Herrn Bagel der Erkenntnis fremder Völker dienen, wozu unter vielen andern auch ihre Kunst gehört. Nun, das ist eben die Frage: seine Vorausseßung ist wiffenschaftlich; die meinige ist ästhetisch, fie legt auf die Kunst der fremden Völker den Nachdruck. Auf welche Seite hat sich nun das Kultusministerium mit der Neuordnung des Völkerkundemuseums" gestellt? Doch ganz offenbar auf die meinige, mindestens in der Absicht; denn diese Absicht geht( nach der Eröffnungsrede des Kultusministers Becker) dahin: das bloß Wissenschaftliche, das völkerkundliche Material, fünf Sechstel der bisherigen Maffe nach Dahlem zu verbringen, als Studienmaterial für ein der Universität enzuschließendes Institut für Völkerfunde". Dort möge man sich die Grundlagen für Kenntnis überfeeischer Gebräuche und Kulte verschaffen. Das im Museum an der Röniggrägerstraße verblei bende Gechftel aber soll der Anschauung fremder Kunst gewidmet sein, d. h. es ist mit viel Mühe und einem offenbar sehr großen Erfolg, eine Auswahl künstlerisch wertvoller Dinge aus vier Erdteilen dort aufgestellt worden. Das ist nicht nur die völlig eindeutig ausgesprochene Abficht des Ministeriums gewesen, das geht auch für jeden Kunstfreund aus dem jezigen Zustand des Museums flar hervor und ist in vielen Kunstzeitschriften und wichtigeren Zeitungen scharf betont worden, mitunter sogar mit leicht tadelndem Akzent. Die Sachlage ist nun aber die: Kunst an sich gibt es erst seit etwa 150 Jahren in Europa . Ueberall anderswo auf der Erbe, und in Europa auch bis etwa 1800, gab es Kunst nur in ethnographischem" Sinne, als Ausdruck, als Dienerin der Kultur, sei es die der herrschenden Oberklasse, sei es die des Volkes, der Priester fafte usw. Es ist hoffnungslos, hohe Kunst oder Kunstgewerbe irgendwo in dem ganzen Bezirk der Erde einschließlich Europas ( bis 1800) als Ding an sich zu isolieren, ohne Beziehung auf ein religiöses, ethisches, soziales Moment. Von hier aus betrachtet, wäre die ägyptische Abteilung oder die italienische Renaissance fammlung genau fo ethnographisches" Material. wie das Böller fundemuseum. Ja ich möchte behaupten, daß ein großer Teil moderne: Kunstschäße( wie z. B. die herrliche Musterkollektion, die die Stadt Berlin aus ihren Kommissionsfäufen zusammengebracht hat) viel mehr ethnographischen Kuriositätswert befizt als Kunst.
darafter.
Was folgt daraus? Daß man auch die europäischen, islamischen, antifer Kunstmuseum in ethnographische" Abteilungen verwan deln soll? Ganz gewiß nicht. Sondern umgekehrt: Daß man das jetzige Völkerkundemuseum mit seinen in der ganzen Welt einzig dastehen
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Denaturierter Verfassungstag.
meiner Auffassung?" Kölling antwortete: Daran habe| ministerium wird zu prüfen haben, ob und warum Lands ich noch nicht gedacht vielleicht behalten Sie recht, gerichtspräsident Mügel und Oberstaatsanwalt Raßmus von aber ich glaube es nicht!" Darquf ich: Herr Untersuchungs- diesem Treiben nichts gehört und gesehen und es nicht verrichter! Bedenken Sie, daß Gesundheit, Eristenz und sogar hindert haben. das Leben von Menschen von Ihrer Tätigkeit mitabhängt. Haben Sie außer den Angaben des Raubmörders Schröder noch irgendeinen, wenn auch fleinen Beweis für die Schuld des Haas und Fischer, die Sie in Haft halten?" Wie die Volkspartei den 11. August feiert. Darauf Kölling, der freidebleich geworden war: Die Partei der Vernunftrepublikaner und Herzens Schröder ist bestimmt nicht der Mörder, vielleicht lebt monarchisten, der Herr Stresemann angehört, möchte die Helling no ch!" Darauf sagte ich sehr scharf: Was, und dann verhaften Sie unbescholtene men ganze Republik schwarzweißrot denaturieren. Sie möchte die schen wegen Beihilfe zum Mord oder gar Mord?"! Kölling schwarzrotgoldenen Reichsfarben in die Ecke stellen und ( völlig in den Stuhl versinkend): Herr Oberpräsident, ich schwarzweißrot wieder hervorholen. Vom 11. Auguſt will bin völlig durcheinander, der Fall beschäftigt mich fie nichts wiffen. Sie schlägt vor, ihn durch den 18. Januar so, daß ich nicht mehr schlafe, nachts führe ich selbst zu ersetzen. In der Nationalliberalen Correspondenz" liest gefpräche. Wen bloß erst hier ein Ende wäre." Daraufman: ich:" So, nun will ich Ihnen sagen, es handelt sich um einen gemeinen Raubmord, den der Schröder scheinbar allein in im Keller vergraben. Busdorf wird, von Königsberg Rottmersleben begangen hat. Die Leiche Hellings ist dort zurückgekehrt, erst eine Verhaftung vornehmen, dann die eiche ausgraben und sie Ihnen bringen, dann vielleicht wird es endlich vorwärts gehen!" Kölling( am ganzen Leibe zitternd): Das wäre ja sehr gut, aber es wird anderes sein!" Wir begannen nun noch ein längeres, ich rein familiäres Gespräch und verabschiedeten uns- möchte sagen: in aller Freundschaft.,
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Herr Kölling behielt recht:„ Es fam anders!" Zwei Tage später, während Busdorf noch in Königsberg war, gruben Tenhold und Kölling am 14. Juli in dem von Busdorf bezeichneten Hause in Rottmersleben die Leiche Hellings eigenhändig" mit Schippe und Kelle aus: so schildert ein Replamebericht diese Heldentat".
Inspiriert von Tenhold und Kölling greift die ,, Magdeburgische Zeitung" in einem langen Nachsatz zu jenem Bericht Busdorf und mich ohne Grund und Ursache an und entfeffelt damit den nun folgenden politischen Skandal mit all seinen erbärmlichen Folgen. Busdorf , Don Königsberg zurückgekehrt, legt noch schnell die Mordwaffe ficher und er läßt diese wie auch die Kugeln aus dem Schädel Hellings durch Sachverständige prüfen, die feststellen, daß die vorgefundenen Kugeln aus dem Revolver Schröders abgeschoffen worden sind.
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Busdorf beschaffte die Briefe von Köln und von Rott mersleben , die schon allein den Raubmord einwandfrei feststellten, und nun müssen mit Busdorf auch der sehr tüchtige Kriminalrat Galzow und ihr unermüdlicher Assistent Martini- ohne daß es nötig war verschwinden; obgleich Herr Kölling inzwischen schon wieder einmal erklärt hatte ,,, mit den Herren zusammenarbeiten zu wollen"! Jetzt aber erschienen der ruhige und überlegene Kriminalrat Kunze, der ausgezeichnete Kriminaloberinspektor Dr. Riemann und Kommissar Braschwitz , die so überraschend schnell, wie logisch und richtig, die Arbeit Busdorfs ohne jeden Neid -fortsetzen und zum schnellen Erfolg zum Geständnis- führten. Daß Kölling auch Dr. Riemann, und Braschwiz inzwischen abgelehnt hatte, mit denen arbeiten zu wollen er vorher erklärt hatte, sei der Bollständigkeit halber auch noch festgestellt.
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Ob Kölling aus Unfähigkeit oder Böswilligkeit der Justiz diesen furchtbaren Schlag verfeßte, wird wohl in erster Linie der Strafrichter festzustellen haben. Aber auch der Disziplinarricher wird zu reden haben. Schlimmer aber als Kölling ist das Treiben jener völlisch- nationalistischen Juristengruppe im Justizpalast, deren Führer Landgerichtsdirektor Hoffmann ist, der bis zum 1. August Vorsitzender der für die Haftbeschwerde zuständigen Straffammer war und von der Republik sich zum Präsidenten der Reichsdisziplinarkammer -Bezirk Magdeburg-hat ernennen lassen, dann aber auch noch Bertreter des Landgerichtspräsidenten ist. Das Justiz
den Kunst- und Kunstgewerbeschäßen unter demselben Gesichtswinkel zu betrachten hat wie etwa das Alte Museum. Daß es jedem unbenommen ist, bei den gotischen Madonnen ebenso Bölkerkunde zu treiben wie bei den Gözenbildern Merikos. Daß aber das leitende Prinzip bei diesen allen lediglich das des Kunstwertes ist. Und daß es manche Leute gibt, die im Völkerkundemuseum, was das betrifft, mehr Genuß und Erbauung finden als im Kaiser- FriedrichMuseum.
Wer sich ernsthaft in die Wissenschaft der Völkerkunde verfenten will, wird gar nicht umhin können, sich mehr den Büchern zuzuwenden als den Schausammlungen. Ein Museum ist kein Ersatz für Schule und Universität. Wie mir aber scheint, ist der Genuß an der botanischen Bestimmung einer Pflanze ein wesent lich engerer als der an der Landschaft, in der sie wächst, an Licht und Sonne und Erdgestalt. Und genau so steht es mit der Kunst der Menschheit und dem Weltkunstmuseum".
( Hiermit schließen wir die Debatte über den Zweck des Völkers kundemuseums.)
Radium, die neueste Mordwaffe.
Der Großindustrielle Robert Morand aus Virginia litt an einer seltsamen Krankheit. Er war 72 Jahre alt, fühlte sich aber noch vor einigen Monaten sehr rüftig und besorgte alle seine Geschäfte felbst. Plöglich verfielen seine Kräfte mit derartiger Geschwindigkeit, daß es unmöglich das zunehmende Alter allein fein fonnte, was ihn müde und apathisch machte. Die berühmtesten Professoren wurden zu Rate gezogen, genaueste Untersuchungen angestellt, aber feine Spur einer Krankheit konnte festgestellt werden. Bei einer völlig ungefährlichen Operation verstarb Morand, und da man keine andere Ursache finden konnte, so begnügte man sich mit der üblichen Feststellung von Herzschwäche. Die 400 000 Dollar, die der Tote hinter ließ, erbte sein Schwiegerfohn, der Apotheker Oliver Hall. Diese Erbschaft wurde in der Stadt Virginia viel besprochen. Mr. Hail, der Witmer war, stand mit seinem Schwiegervater außerordentlich schlecht. Mehrfach hatte der reiche Morand geäußert, daß er keinerlei Veranlassung habe, diesem Burschen auch nur einen Cent zu vererben". Nach und nach entstand das Gerücht, daß der Großindustrielle feines natürlichen Todes gestorben sei. Das Testament war alt, und der plötzliche Tod hatte ihn daran gehindert, rechtzeitig eine neue legtwillige Verfügung aufzusetzen. Als man Hal über die näheren Umstände befragen wollte, hatte dieser jeine Apotheke bereits verfauft und war mit der gesamten Erbschaft spurlos verschwunden. Kurz darauf bot der ehemalige Apotheker einem Newyorker Wissenschaftlichen Institut einige Milligramm Radium an. Die Polizei, die fich nach dem Ursprung dieses Radiums erfundigte, stellte jeft, daß Morand in den lezten Monaten seines Lebens allen seinen Freunden mit großem Stolz einen toftbaren Ring zeigte, der an Stelle eines Steines eine fleine Radiumkapsel enthielt. Diesen Ring hatte er von seinem Schwiegerschn zum Geschent erhalten, und er war nun als Grbstück an seinen ehemaligen Besizer zurückgegangen. Die Kriminalpolizei fezte sich sofort mit medizinischen Autoritäten in Verbin dung und erhielt die Auskunft, daß die Ausstrahlung des Radiums nach und nach den Tod eines Menschen herbeiführen könne. Nun hat man den Apotheker Hall verhaftet und den Leichnam des Großindustriellen ausgegraben, denn es unterliegt teinem Zweifel, daß der reiche Morand auf diese seltsame Weise uins Leben gekommen ist.
Nein, der 11. Auguft ist tein allgemeiner Volksfeiertag, der begeisterte Republikaner wird das nicht behaupten wollen, aber der Geburtstag, den Geburtstag des Großherzogs, des auch nicht. Man feierte Kaisers Geburtstag, Königs Gründungstag des Bismarckschen Reiches, der 18. Januar, war es Herzogs, den Geburtstag feiner hochfürstlichen Durchlaucht. Nur war es nicht der Geburtstag des Reiches. Eine Ausnahme machte lediglich die Nationalliberale Partei , die als die Partei der Reichsgründung den 18. Januar überall festlich beging. Damals und heute. Nach der Revolution hat die Deutsche Volkspartei als Nachfolgerin der Nationalliberalen Partei wiederholt den Vorschlag gemacht, den 18. Januar zum nationalfeiertag zu erheben. Es war ein unbegreifliches Versäumnis der Linksparteien, ein Fehler, fast so groß wie die Schaffung der neuen Flagge, daß dieser Vorschlag nicht angenommen wurde. Man stelle sich nur einmal vor: Heute im zerrissenen Deutschland würden alle Parteien, wenn auch in verschiedener Tonart, einen gemeinsamen Nationalfeiertag unter einer Flagge begehen! Welch ein Gewinn für den neuen Staat und das allgemeine Staatsbewußtsein! Es ist nicht geschehen. Vielleicht bringen Ewigkeiten nicht zurück, was ein Augenblick versäumte."
Wir wollen nicht reden über die Absicht, den Geburtstag der Republik durch den Geburtstag des Kaiserreichs zu ersetzen, den Gedenktag der Volksfreiheit und des Triumphes der Volkssouveränität durch den Gedenktag der Revolution von oben. Einen solchen Taschenspielerversuch wird jeder Republikaner nur mit Hohnlachen begrüßen.
Aber eines muß hervorgehoben werden: der Tag der Verfassung von Weimar am 11. August unter den schwarzrotgoldenen Fahnen ist ein Tag für Großdeutschland, für den Anschluß von Deutschösterreich. Die Verfassungsfeier, die die Volkspartei am 18. Januar unter fchwarzweißrot abhalten möchte, wäre ein Bekenntnis zum Bismarckschen Kleindeutschland.
Die Republik läßt sich weder schwarzweißrot, noch kleindeutsch denaturieren.
Besser als früher.
Das neue Regime in Mecklenburg . Schwerin , 10. August. ( Eigener Drahtbericht.) Der Hauptausschuß des Mecklenburg- Schwerinschen Landtages ermächtigte die Regierung, gegen den Willen der Rechtsparteien, eine Anleihe von 17 Millionen Mart aufzunehmen. Dieser Betrag soll hauptsächlich zur Ausbesserung der unter der Rechtsregierung völlig vernachläffigten Chauffeen und für Melio rationen verwendet werden. Es wurde ferner beschlossen, die Mietzinssteuer für den Wohnungsbau auf das Land= gebiet Medlenburg auszudehnen. Auch das war bisher von der Rechtsregierung abgelehnt worden. Ebenso sollen die Klinikbauten in Rostock fertiggestellt werden, nachdem die Rechtsregierung diesen Bau aus finanziellen Gründen" eingestellt hat. Statt dieses soziale Bert zu vollenden, stundete sie die Steuern der befizenden Schichten und stellte ihnen außerdem noch größere Barmittel zu Verfügung, von den der Staat bis heute nichts wiedergesehen hat.
Wiedererftandene Pfahlbauten im Bodensee . Der Verein für Pfahlbautunde hat in dem fleinen Ort Unter- Uhldingen am Bodenfce, zwischen Meersburg und Ueberlingen, im Wasser nahe am Ufer zwei Pfahlbautenhäuser der Steinzeit als getreue Abbilder der vorzeitlichen Wohnkultur errichtet, die im neuen Heft der Zeitschrift Der Naturforscher" von Baul John in Wort und Bild geschildert werden. Das eine ist ein Gemeindehaus, das andere ein Familienhaus. Beide ruhen auf einem Pfahlunterbau von je 130 gegabelten Hölzern und sind je 16 Meter lang. Es sind rechteckige Häuser mit einer freien Plattform, einem schmalen Vorraum und einem größeren Wohnraum. Die Außenwände beſtehen aus gespaltenen BaumStämmen, die Innenwände sind mit Lehm geglättet und mit farbigen Bändern bemalt. Fenster haben die Räume nicht, sondern nur Giebellufen, die dem Rauchabzug dienen und etwas Licht einlassen. Das Dach ist mit Schilf bedeckt. Im Familienhaus läßt die Küche mit Backofen und Arbeitsgeräten einen Einblick in das Reich der Frauen jener Zeit tun, wie sie das Feld bestellten, das Brot buken und die Kost besorgten. Im Wohn- und Schlafraum findet man Steinbeile, auch einen Webstuhl und eine Borrichtung zum Rnüpfen von Bastgewebe. Moosgepolsterte Schlafbänte stehen nahe dem Feuer. Das Gemeinschaftshaus ist durch eine fleine Brücke mit dem Familiengebäude verbunden. Es ist das Reich des Mannes, hat einen Raum mit Ruhelagern für Gäste und einen halienartigen Hauptraum, in dem primitive Fischerei- und Jagdgeräte fowie Tierfelle auf die Hauptbeschäftigung des Mannes hinweisen. In der Mitte des Raumes liegt die Feuer- und Opferstelle; darüber sieht man auf einem Brett das Tagesgestirn als Zeichen des Sonnenfuits.
Erstaufführung. Mig Amerika", das Abenteuer einer jungen Dame, betitelt sich die Novität, mit welcher das Berliner Theater am Freitag, den 20. Auguft seine Winterspielzeit eröffnet. Buch von Dfonowsky und Steinberg, Tegte von Schwabach , Mufil von Walter Bromme .
Anna Pawlowa bat mit ihrem Ballett- Ensemble foeben eine biermona tige Tournée durch Australien und Neuseeland vollendet und die Rüdreise nach Europa angetreten, wo fie Mitte September eintrifft. Nach einer Rubepause von zwei Monaten beginnt die Tournee in Deutschland . In Berlin findet die erste Borstellung am 1. Dezember statt.
Die Berliner Bach- Feier, die vom 29. September bis 3. Ottober ſtat!. findet, wird außer Werken von Bach selbst auch mehrere Kompositionen feiner Borgänger und Zeitgenossen bringen, darunter Dietrich Burtes hude, Heinrich Schüz u. a. Aus den Werken von J. S. Bach find Kantaten, Motetten, Kammermusikstüde und selten gehörte Drgelwerte aus gelucht; außerdem wird die Singakademie unter Leitung von Profeffor Schumann die H- Moll- Messe aufführen.
Driffe Singwoche. Auf der Jugendburg Freusburg an der Sieg findet vom 24. bis 31. August eine„ Musikerzieherische Woche" statt, die den Zwed haben soll, dem alten Volkslied in Familie, Schule und Verein wieder Geltung zu verschaffen. Durch Vorträge werden die Teilnehmer in die wich tigsten Gebiete eingeführt, und praktische Uebungen dienen zur Erleichterung.
Sinclair Lewis als Dramatifer. Sinclair Lewis , der amerita is se Romanischriftsteller, dessen Romane Babbit " und" Arrow Smith" auch in Deutschland in Ueberlegungen bekannt sind, hat ein dreiaftiges Schauspiel City all nollendet, das Anfang nächsten Jahres in New York zur Ausführung gelangen wird.
Die Sowjet- Enzyklopädie. Von der großen Sowjet- Enzyklopädie sind bisher zwei Bände erschienen und der dritte soll noch im Laufe dieses Monats herausgegeben werden. Wie die Sowjetblätter berichten, werden die bisher erschienenen Bände gut verkauft, ein Drittel der Subskribenten bilden die wiſſenſchaftlichen Inſtitutionen der Sowjetländer.