Die Mötisthm Notstanösarbeiten.
Vor dem Beginn der Arbeiten.
Mitte Juli hat di« Sozialdemokratisch« Stadtver- ordnetenfraktion in einem eingehenden Schreiben an den Magistrat ins einzelne gehend« Vorschläge für ein« neue Not- standsaktion der Statt Berlin gemacht. Auf Grund dieses Schreibens hat der Magistrat mit anerkennenswerter Schnelligkeit der Stadtverordnetenversammlung trotz der Ferien sein« bekannt« Vorlage unterbreitet, die Notstandsarbeiten in Höhe von etwa Zl> Millionen Mark vorsah. In einer Feriensitzung ist es dann gelungen, diese Vorlage trotz aller parlainentarischen Schwierig- leiten glatt zu verabschieden. Kurze Zeit daraus hat auch der städtische Haushaltsausschuß in der Einzelberatung die Pro- jekte des Magistrats genehmigt. Erst am Sonnabend hat dann im Preußischen Ministerium für Volkswohlfahrt ein« Besprechung der städtischen Vertreter mit den Vertretern der verschiedenen Reichs- und Staatsbehörden über die Berliner Notstandsaktion stattgefunden. Nach dem Bericht, der gestern im städtischen Haushaltsausschuß ge- geben wurde, ist in dieser Besprechung«ine grundsätzlich« Uebereinstimmung darüber erzielt worden, daß die Pläne der Ber - liner Stadtverwaltung von der Reichs- und Staatsregievung an- erkannt werden und daß mit ihrer Bezuschussung infolgedessen gerechnet werden kann. Am Ende dieser Woche soll imter Hinzuziehung der S a ch dezernenten der einzelnen Ministerien tri« definitive Verabschiedung und Genehmigung der Einzelprojekte erfolgen. Da- nach könnten dann die Arbeiten sofort begonnen werden. Di« Vertreter der Behörden sehen es nicht gern, wenn in der Oeffentlichekit über di« Schwierigkeiten der Verhandlungen zwischen den einzelnen Behörden berichtet wird und wenn das oft recht langsame Tempo des Fortschreitens solcher Verhandlungen der einen oder anderen Instanz in die Schuhe geschoben werden. Immer- hin wird man— vorausgesetzt, daß im Lause dieser Woche die«nd- gültig« Genehmigung der Berliner Arbeiten erfolgt— dann bereits den 15. August schreiben. Der Beginn der Arbeiten selber wird sich dann, den günstigsten Fall vorausgesetzt, bis Ende August hin- ziehen. In dieses Arbeitsprogramm sind di« beabsichtigten Er- weiterungsbauten der Berliner Straßenbahn und di« Fort- führung der Nord-Südbahn über das Tempelhofer Feld noch nicht einbegriffen. Die Verhandlungen zur Finanzierung dieser Arbeiten werden«inen größeren Zeitraum beanspruchen. Man wird erst im September damit rechnen können, daß auch hier die Wort« sich in Taten verwandeln. Anderthalb Monate waren also in Berlin notwendig, um ein« Aktion durchzuführen, di« im Verhältnis zur großen Not und im Verhältnis zu dem Gesamtarbeitsbeschaffungs- prcgrarnm der Reichsregierung nur ein« untergeordnete Roll« spielen kann. Diese Feststellung ist vielleicht doch notwendig, um aU«, die es angeht, daraus aufmerksam zu machen, daß nach den großen Ankündigungen der Reichsregierung, namentlich nach der Rede des Reichswirtschasl-ministers vor dem Bundesausschuß des ADGB. in Düsseldorf , intensiv und schnell« Arbeit aller be- teiligten Instanzen notwendig ist, wenn nicht die Enttäuschung über die endlosen bureaukratischen Schwierigkeiten sich in«ine gefährliche Erregung oerwandeln soll.
Die Berliner Vorgänge zeigen aber ferner noch etwa» anderes. Immer, wenn wirtschaftliche und sozial« Schwierigkeiten auftauchen, sind die Gemeinden, und namentlich die Großstädte als die Zentren der Industrie diejenigen, die zuerst einspringen nmssen und von denen von aller Welt am ersten Hilf« erwartet wird. Sie stehen den örtlichen Bedürfnisien am nächsten, sie sind mit ihrem wirtschaftlichen, technischen und sozialpolitischen Apparat am e h e st e n imstande, Arbeiten in kürzester Frist«inzuleiten und wirk- liche Abhilfe zu schaffen. Sie haben aber auf der anderen Seit« die verhältnismäßig geringste finanzielle Bewegungs- f r e i h e i t. Die Finanzausgleichsgesetze der letzten Zeit sind im Reich wie in den Ländern fast stets auf Kosten der Städte und Gemeinden zustande gekommen. Bei den Steuerüberweisunge» werden dem Berliner Gebiet Millionen über Millionen entzogen und dadurch die Heilung der sozialen und wirtschaftlichen Schäden auss äußerste erschwert. Gerade dann, wenn schnelle Arbeit nötig ist, di« fast nur von den Gemeinden geleistet werden kann, zeigen sich di« finanziellen Bindungen der Städte immer wieder als beinahe un- überwindlich. Es ist kein Wunder, daß unter diesen Umständen auch die Deckung der von der Stadt aufzubringenden Mittel für die Notstandsaktion auf di« denkbar größten Schwierigkeiten stößt. Zwar ist es möglich gewesen, den städtischen Kostenanteil für die Notstandsarbeiten der Kanalisationsoerwaltung durch Gebührenerhöhung zu decken. Biel schwieriger aber ist die Deckung des Kostenanteils für Straßenbauten, Sportplätze usw. Berlin hat eben erst bei der Verabschiedung feines diesjährigen Etats, der nur unter den größten Schwierigkeiten m i t äußerster Sparsamkeit ins Gleichgewicht gebracht werden tonnte, sich entschließen müssen, den G r u n d st e u e r z u s ch la g zu einer exorbitanten Höhe zu steigern. Auch die Erhöhung der Hundesteuer von 40 auf<ZÜ Mark bedeutet ein« stark« Belastung der städtischen Bevölkerung. Es ist verständlich, daß der Haushalts- ausfchuß gestern ein« endgültig« Beschlußfassung über die notwendig gewordene Deckung der neuen Millionenausgaben bis zur Rückkehr des Kämmerers vertagt hat, um bei der Gelegenheit eine neue Ueberprüfung der gesamten Finanzlage der Stadt vor- zunehmen. Der Magistrat hofft bekanntlich, einen großen Teil der Ausgaben aus höheren Ueberweisungen der Kraftfahrzeug- st« u e r decken zu können. Bis heute bekommt Berlin einen Betrag von— sage und schreibe— 200 000 Mark überwiesen! Jetzt, wo die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer in Berlin sich auf 14 Millionen Mark jährlich steigern, will man gnädigst Berlin ein« ganze Million überlassen! Diese Ausplünderung— anders kann man es nicht nennen— der großstädtischen Bevölkerung muß es beinahe unmöglich machen, daß in Berlin etwas Ernsthaftes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von der Gemeinde geschieht. Die Statt will helfen, sie macht im Verhältnis zu ihren Kräften An- strengungen, die weit über das hinausgehen, was andere Stellen sich zumuten. Man lasse ihr aber auch soviel B e w e« güngsfreiheit, daß sie ihren Aufgaben gerecht werden kann.
Süöslawiens Zoröerungen. Heute in Sofia überreicht. Belgrad , 10. August.(IvTv.) Der jugoslawische Gesandle in Sofia . Rakilsch, wird ooraussichllich noch im Laufe des heuligen Tages die Rote seiner Regierung in Sofia übergeben, wie ..Brome " erföhri, enlhäll sie folgende Forderungen: 1. Auslösung des mazedonischen Komitees: 2. Auslieferung der Komi- tatschiführer und Z. Entschädigung an die Familien der bei den jüngsten Grenzzwischenfällen ums Leben gekommenen Per- fönen. Englisch -franzöfifch-italienifche Intervention. Belgrad . 10. August.(MTB.) Der englische Gesandte in Belgrad erschien gestern beim Minister des Aeußern, N i n t s ch i t s ch, und ersuchte ihn, wie„Politika" erfährt, um I n- formationen über die jugoslawische Note an Bul - g a r i e n. Der Gesandte betonte, daß seine Interventton mit Wissen und Zustimmung Italiens und Frankreichs erfolge, und empfahl den, Minister des Aeußern, den jugoslawisch-bulgarischen Streitfall der Scptembertagung des Völkerbundes zu unterbreiten. N i n t s ch i t I ch gab die Wünsche der jugoslawischen Regierung be- tannt und versicherte dem Gesandten, daß die Haltung der jugo- slawischen Regierung nicht im geringsten aggressiv sei. Der französische Gesandte suchte gestern gleichfalls St i n t s ch i t s ch auf. Wie„Politika " erfährt, stand der Schritt des französischen Gesandten in vollem Einklang mit dem Besuch des englischen Gesandten. Nintschitsch begab sich gestem nach Veldes . Eupen -Nalmeüp. Weitere Rückerstattungsdebatte. Brüssel , 10. August.(Eigener Drahtbericht.) Die Frage der Rückerstattung Eupen -Malmedys an Deutschland gegen eine größere bctbe Auszahlung auf die deutsche Okkupationsmark wird in der belgischen Presse immer eifriger debattiert. Führende katholische wie liberale Blätter sprechen sich entschieden für die Rückgabe gegen Wiedereinlösung der in Belgien verbliebenen 6 Milliarden Papiermark aus. Nur die extrem-nationaliftische„Nation Belge" bezeichnet den Vorschlag als deutsche Prellerei. Die Dienstag- nuinmer der„Dernieur Heure" gibt eine Aeußerung des s o z i a- listischen Abgeordneten für E u p e n- M a l m ed y, M. Somerhausen, wieder, die dem Standpunkt der belgischen Regierung vermutlich nahekommt. Er sagt, die Billigkeit verlange sowohl die Rückeinlösung der Papiermark durch Deutschland wie eine Urabstimmung in Eupen-Malmedy , ob das Volk bei Belgien bleiben wolle, aber beide Fragen müßten unabhängig von- einander geprüft werden. Höchstens könnten sie im Locarno -Geist zeitlich verbunden werden. Die Abstimmung müsse nach Distrikten erfolgen. Die D a w e s- Regelung würde die Einlösung der Papier- mark für Deutschland erschweren, aber schließlich könnte das nötige Geld durch öffentliche Zeichnungen oder durch Zahlungen der Freistaaten beschafst werden. Belgisch-offiziöses Dementi. Brüssel , 10. August.(Belgische Telegraphenagentur.) In zu- ständigen Kreisen werden die aus deutscher Quelle stammenden Nachrichten für unzutreffend erklärt, wonach die Möglichkeit bestehe, daß binnen kurzem zwischen Belgien und Deutschland eine Ucbereinkunft betreffend Eupen-Malmedy zustande komme.
Zrieüensverträge und Privateigentum. Dr. Simons gegen Bcrsailler Gerechtigkeit. Wien , 10. August. (Eigener Drahtbericht.) In der Kommission der Internationalen Juristentagung wurde am Dienstag über den Schutzdes Privateigentums verhandelt, wobei der Referent feststellt«, daß auch die Friedensverträge die Unverletzlichkeit des Privateigentums anerkennen. In der Debatte führte der Präsident des deutschen Reichsgerichts Dr. Si m o n s aus, daß er gerade vom Standpunkt des Richters die Resolution billige, weil sie«in Fundament der Gerechtigkeit zwischen den Völkern festlege. Er müsse aber diesen Leitsatz über den Schutz des Privateigentums durch die F r i e d e n s oe r t r ä g« mit einer gewissen Reserve aufnehmen, weil die Friedensverträge die Ver- pflichtung zur Entschädigung aus jemand abwälzen, der dazu nicht verpflichtet ist und so den Gläubiger in die unangenehme Lag« ver- setzen, statt eines zahlungsfähigen Schuldners einen ruinierten Schuldner zu haben. Darin lieg« ein g r o ß« s U n r« ch t. Er hoffe, daß die Entwicklung zur Beseitigung dieses Unrechts führen werde.
Immer noch Gajöa. Die Beschuldigung wird bestimmter. Prag . 10. August.(Eigener Drahtbericht.) Di« Faschistenpresse versucht weiter ein« nochmalig« Aufrollung der Affäre Gajda. Di« übrig« tschechische Press« äußert sich dagegen nach dem Abschluß der Untersuchung ziemlich bestimmt über di« Gajda zur Last gelegten Vergehen. Die„ßidove Noviny" z. B., die größte tschechische bürger- liche Zeitung in Mähren , behauptet, daß Gajdaein Spion der russischen Regierung gewesen sei. Nur habe er nicht zuun- gunsten der Tschechoflowakei, sondern zuungunsten eines verbündeten Staates, nämlich Frankreichs , spioniert. Die Gesetze sehen für Spionage, die— Gajda soll die Spionage während seines Aufenthalts an der französischen Kriegsschule verübt haben— im Ausland für Ausland getrieben wird,«ine Strafe nicht vor. Das amtliche Kommunique habe sich daher fehr vorsichtig ausgedrückt und lediglich festgestellt, daß sich kein gerichtlicher Tatbestand ergeben hätte. Ergänzend ist hierzu noch zu bemerken, daß der deutsche, für das Ausland bestimmte Text des Kommuniques nicht ein« richtig« Ueberfetzung des tschechischen Original» ist. Während dieses den Tat- bestand als nicht erwiesen bezeichnete, hieß es im deutschen Text, es habe sich kein gerichtlicher Tatbestand ergeben. Der große Unterschied im Ausdruck läßt die Absicht der Vertuschung allzu deutlich erkennen. Es ist begreiflich, daß die Tschechoslowakei bei dieser Lag« der Dinge, schon des französischen Bundesgenossen wegen, so wenig wie möglich von der Skandalaffäre Aufhebens machen möchte._
Um die Auflösung des hessischen Landtage». Zur Beschluß- fassung über das von den hessischen Rechtsparteien eingeleitete Volksbegehren auf Auflösung des dritten Hess,- schenLandtages findet Donnerstag, den 12. August, im Staats- Ministerialgebäude eine öffentliche Sitzung des Landesabstimmungs- ausschusse» statt. Slbsolutismu, und Faschismus. Der Maharadscha von N i s a m, letzthin vielgenannt infolge anglo-indischer Kontrollmaßnahmen, hat sich von Mussolini , natürlich mit Erfolg, einige Lehrer für Faschis- mus erbeten-, der indische Selbstherrscher hat auch ein paar Junker nach Rom geschickt, damit sie die modernste Form des Absolutismus studiereu.
Der Iungtürkenprozeß in �ngora. Kriegerische Nachkriegspläne. Angara, 10. August. (WTB.) Das Unabhängigkeitsgericht ver- nahm heute den Unterrichtsminister im letzten Kabinett T a l a a t, Dr. N a z i m. der erklärte, daß infolge des Zusammenbruches der bulgarischen Armee Talaat Pascha zurückgetreten sei, um den Abschluß eines Friedens auf Grund des Wilsonschen Programms zu ermöglichen. Er sei in Begleitung von Enver Pascha nach Sebastopol abgeresst. Um die Beschlüsse des Zentralkomitees über die Einleitung der Aktivität dzirchzuführen, habe Enver Pascha Bagtscheseray ver- lassen. Er wollte sichandieSpitzederinKarsstehenden zwei Divisionen stellen, um im Kaukasus eine provisorische Regierung zu bilden. Dr. Nazim sprach dann auch über die Grün- dung des revolutionären isla mitks che n Komitees und über die 1% Monate dauernden Verhandlungen mit den Ver- tretern der irländischen Revolutionäre, uni dem Komitee einen internationalen Charakter zu geben und es zum Drehpunkt aller unterdrückten Völker zu machen. Er fügte hinzu, daß diese Verhandlungen an dem Widerstand der irländischen Vertreter gescheitert sei, die sich weigerten, die zur Erregung von Unruhen in England und Indien notwendigen Geldmittel zu besorgen. Dr. Nazim schilderte dann auch die Verhandlungen, die Talaat Pascha mit England geführt habe. Weiter erklärte er, daß Enver Pascha Naim Djeoad nach Thrazien geschickt habe, dainit er sich mit General W r a n- g e l in Verbindung setze, um diesen zu veranlassen, gegen Griechen- lond vorzugehen. Behaeddih Chakir übernahm es, die revolutio- näre Bewegung in Thrazien zu leiten. Dr. Nazim führte aus, daß dieser Plan der Revolutionierung Thrazien » sich auf eine in Berlin mit russischen Ver- tretern abgeschlossene Vereinbarung stützte. Die russischen Vertreter hätten sich verpflichtet, die Bewegung moralisch und materiell zu unterstützen, allerdings unter der Bedingung, daß sie die Sowjets nicht anerkenne. Rußland verpflichtete sich, die Un- abhängigkelt Aserbeidschans anzuerkennen.
Zafchlftenmache in Serlin. Die italienische Handelskammer als Teckmantel. Eine Berliner Großhandelssirma schreibt uns: Von der Reise zurückgekehrt, ist mir der Kommentar vor die Augen gekommen, den der„Vorwärts" vor«inigen Tagen an das Rundschreiben des italienischen Wirtschaftsministers Belluzzo betr. die Tätigkeit der italienischen Handelskammern im Auslände ge- knüpft hat. Dazu kann ich Ihnen mitteilen, daß am Abend de« 8. Juli-sich unter der Leitung des Majors Renzetti, des Vorsitzenden der genannten Handelskammer, eine Anzahl in der Reichshauptstadt wohnende Faschisten oersammelt und eine Ort»- gruppe Berlin des italienischen Faschio in Deutsch . land gegründet hat. Es ist nicht mein Ziel und meine Absicht, mich mit der politischen Betätigung des Majors Renzetti, des Vorsitzenden der Handelskammer, zu befassen, da sich damit andere Stellen zu beschäftigen haben. Nichtsdestoweniger aber bin ich der Ansicht, daß sich die Tätigkeit eines Handelskammervorsitzenden nicht gerade besonders gut mit der des Hauptoertrauensmannes der italienischen Faschi im Auslande verträgt. Was aber nicht ohne Protest hin- genommen werden darf, ist die durch die letzte Nummer des von ! Major Renzetti herausgegebenen und redigierten„G a g l i a r- detto" bestätigte Tatsache, daß dies« Faschisten-Ortsgruppe jeden l Sonnabend von 4 bis ü Uhr iu den Räumen der deutsch -
italienischen Handelskammer, Friedrichstr. 79», Jnfor» mationen einholen kann. Eine Handelskammer soll, wie ja schon der Name besagt, lediglich ein wirtschaftliches und kaufmännisches In- ftitut sein. Es ist allerdings bequem, unter dem Schleier der Handelskammer politische Propaganda zu entfalten, um sie vor den Augen der deutschen Behörden zu oerbergen. Wir deutschen Kaufleute haben jedoch ein verständliches Interesse daran, daß dieses Institut das bleibt, was es eigentlich sein soll, nämlich ein Institut, dazu geschaffen, die Handelsbeziehun- gen zwischen Italien und Deutschland zu erleichtern und zu be» sestige». Wir können es nur zumindest seltsam finden, wenn man aus diese Art auch den deutschen Mitgliedern der Kammer zu- mutet, eine politische Tätigkeit und«in Institut zu decken, in dem eine Faschistenzeitung redigiert wird und di« Mitglieder des italienischen Faschio versammelt werden, zumal sich unter uns eine ganze Anzahl von Mitgliedern befindet, did dieser politischen Linie als Gegner g-'genüberstehen. Herr Major Renzetti hat seine beiden miteinander unvereinbaren Tätigkeiten, einmal als Hauptvertrauensmann der Faschi in Deutschland , das andere Mal als„über den Parteien 'stehender" Leiter einer Handelskammer, fonsetzen können, weil bis- her noch keine Beschwerde dagegen erhoben worden ist. Die Gelegen- heit dazu ist aber jetzt gekommen und wird sich hosfcntlich auch recht bald in Gestalt einer Generaloersammlung bieten, die wir schrn lange erwarten. Es ist leicht verständlich, warum die deutschen Mitglieder der Handelskammer bisher noch nicht den Mut gefunden haben, sich mit diesen Zuständen öffentlich zu befassen, da sie an- gcsichts der bekannten faschistischen Methoden einen Entzug ihrer Em- bzw. Slussuhrbcscheinigungen befürchten mußten: aber heute ist diese Klarstellung unumgänglich notwendig geworden. « Diese Zuschrift bestätigt aufs neu« dos, was wir wiederholt über diesen inoffiziellen, aber desto tätigeren Vertrauensmann Musso- Jims in Deutschland , den Herrn Renzetti, mitgeteilt haben. Auch wir sind gespannt, wie. lange der Mißbrauch dieser Handelskammer noch geduldet werden wird._
Die Entwicklung in China . Wicdererstarkcn der Volksarmee. Man erinnert sich, daß die Volksarmee unter Fengjusiang sich in die Berge des Nordwestens um Kalgan zurückgezogen hatte und die Marschälle Wupeisu und Tschangsolin vor Peking blieben. In den letzten Tagen hat Tschangsolin das Hauptquartier der Mulden- armee, d. h. der Mandschureitruppen, nach Peking verlegt. Fengjusiang war seinerzeit nach Moskau gereist und seither hat die Volksarmee sehr starke materielle Unterstützung von Rußland erhalten, so daß sie wieder gegen das politische Zentrum Nordchina» vorrücken kann. Es sollen' ihr bereits in hestigcn Kämpfen Fort- schritte gelungen sein. Der moralische Zustand der weißen Armeen, die ihr Besetzung»- gebiet vollständig ausgesaugt haben, dürfte nicht mehr der beste sein, und ob ihnen die Hilfsquellen Japans und Englands reichlich fliehen, ist auch eine Frage. Im Süden machen die Kantontruppen bemerkenswerte Fort- schritte— sie und die Volksarmee streben zur Vereinigung, wie sie denn auch innerlich einig sind in dem Verlangen der Freiheit und Selbständigkeit Chinas gegenüber den imperialistischen Mächten, die sie bisher kennen gelernt haben: Rußland aber erscheint ihnen noch ald der Helfer und Retter.