..Jeder Deutsche Hot unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die Pflicht, seine geistigen und körperlichen Kräfte so zu betätigen, wie es das Wohl der Gesamtheit erfordert." Diese Forderung der Ver- ftissung stellt dem Recht auf persönliche Freiheit die Pflicht des menschlichen Verbundenseins zur Gesamtheit genau so gegenüber, wie dem von der Verfassung gewährleisteten Eigentum das Gebot: ..Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das allgemeine Beste." Wohin wir in der Verfassung auch blicken, ob sie die Grundrechte und Grundpflichten der Einzelperson umschreibt, ob sie vom Gemeinschastslcben spricht, ob sie von Religion, Kirche und Kultusousübvng handelt, ob sie Bildung und Schule, Kunst und Wissenschaft der Fürsorge des Staates unterstellt, ob sie die Grundlagen des Wirtschaftslebens ordnet, überall zeigt sich das gleich klare und reine Wollen höchster Zielsetzung, das Streben von Mensch zu Mensch zu wirken,„dem inneren Frieden zu dienen" und den einzelnen Menschen, bei aller Achtung vor seiner individuellen Freiheit, doch unter die Idee der Pflicht gegenüber dem Volke und gegenüber der Menschheit zu stellen. Auch das deutsche Volk als Ganges stellt die Verfassung hinein in den Kreis der Pflichten gegen die Menschheit,„von dem Willen beseelt. dem äußeren Frieden zu dienen". An der Spitze alles Denkens und Handelns steht der n a t l o- nale Gedanke, aber das Zusammenleben der Völker bringt mit Naturnotwendigkeit internationale Berührungspunkte und Eemeinschnstsbedürsnisse. Solange die Erde um die Sonne kreist, solange wird es in den verschiedenen Räumen dieser Erde mit ihren mannigfaltigen Daseinsoovaussetzungen verschiedene Menschen und damit Menschen- und Völkertrennung geben, aber das Ziel der Menschheitsentwicklung muß sein, das Dölkervereinende stärker wirken zu lassen, als das Völkertrennende. Dieses Ziel hat die Verfassung erkannt, wenn sie den Geist der Völkerver- söhn u n g als Erziehungsziel aufstellt. Man hat diesen «Seist als einen solchen des Pazifismus gescholten. Nun, es kommt darauf an. was man unter Pazifismus versteht. Wenn Pazifismus eine Weltanschauung ist, die kein Verständnis dafür hat, daß der natürliche Sclbsterhaltungswille eines Volkes auch sein« Wahrhaftig- leit bedingt daß es eines Menschen und eines Volkes unwürdig ist, sich ohne Widerstand knechten zu lassen, dann verkörpert«in solcher Pazifismus keine berechtigte Idee. Wenn aber Pazifismus eine Menschhe-tebewegung ist, die darauf abzielt, daß aus der Ent- Wicklungsgeschichte der Menschheit der Krieg mit all seinem unver- ineidlichen Elend und Jammer immer mehr verschwindet, daß im Zusammenleben der Völker immer mehr die Macht des Rechts und nicht das Recht der Macht das bestimmende Gesetz werde, daß die aus dem Nebeneinander der Völker sich ergebenden Streitfragen snvei! möglich durch friedlichen 2lusgl«ich und nicht durch mechanisch- physische Gewalt entschieden iverdcn dann ist dieser Pazisl-mus die größte TNenschheitsidce, die es gibt. eine Menschhcitsidee, die gerade einem christlichen Volke nicht ferne liegen sollte Der amerikanische Bischof Brand hatte Recht, wenn er auf dem Kirchenkongreß von Stockholm im Jahre 1925 das mutig« Wort sprach:„Wenn der Pazifismus eine Narrheit ist, so bin ich Gottes Narr." Wir können nur hoffen und wünschen, daß der letzte und größte Menschheitsgedank« des friedlichen Zusammenlebens der Völker nicht nur im deutschen Volke, sondern auch bei denjenigen Völkern der Welt sich durchsetzen möge, die bisher in ihren Be< Ziehungen zu den anderen Völkern noch in erster Linie in Bataillonen und Regimentern denken. Noch auf Jahre hinaus wird das deutsche Volk einen dornen - vollen Weg wandern müssen, aber wenn am Ende dieses Weges die innere und nutzere Freiheit steht, dann soll uns keine Muhe zu y.oß, keine Aibrit zu schwer sein. Wir werden unser hartes Schicksal ueistern, wenn uns eins Zujnmmenfo'sling und inie richtige Einstellung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Energien unseres Volkes gelingt. Noch haben wir dieses Ziel nicht erreicht. Ein Blick in die Parlamente, in das Alltagsgetriebe des politischen und winschastlicheu Ledens genügt, uni zu erkennen, daß staats- I ti r g e r l i ch e Solidarität u n d n a t i o n a l e s G e m e i n- j ch a f t s g e f ü h l noch der Vollendung harren. Dwienigcn, die es aufrichtig meinen mit der Verwirclichung des Geistes der Wei- »Huer Berfähung, sollen gerade am Versasjungstage an diesen Miß- erscheinungen, als seclilchc Krankheitssolgen unteres Volkes nicht vorübergehen, sondern sich um so fester die Hände reichen zu gemein- sanier Arbeit an den großen und hehren Zielen der Weimarer Ver- fassung, damit es nicht nur Programm bleibt, sondern Tat werde, was an der Spitze dieser Verfassung geschrieben steht:„Das Deutsche Volk, einig in seinen Stämmen und von dem Willen beseelt, sein Reich in Freiheit und Gerechtigkeit zu erneuern und zu festigen, dem
inneren und dem äußeren Frieden zu dienen und den gesellschaft- lichen Fortschritt zu fördern, hat sich diese Verfassung gegeben." Der alte Staat ist gestürzt, ein neuer Staat-i't gekommen, das deutsche Volk Ist geblieben.„Staaten stürzen im Sturme der Zeiten, schassende Völker trotzen der Welt." verfassungsfeier öes Kölner Reichsbanners. Köln , 11. August.(Mtb.) Das Reichsbanner Schwarz-Rot- Gold veranstaltete gestern abend aus Anlaß des Bersassungstages einen Fackelzug durch die Straßen der Stadt, der am Neunwrkt mit einer Kundgebung endete. Es sprachen Vertreter der drei repu- blikanischen Parteien, für die Sozialdemokratie Reichstagsabgeord- neter S o l l m a n n, für das Zentrum Stadtverordneter G a i l und für die Demokraten Redakteur H o l b a ch.-
Universität unü Republik. Kein Platz für Ichwarzrotgold.— Der Kultusminister darf beschimpft»Verden . Man schreibt uns: Der Bonner Studententag hat wieder einmal mit aller Kraß- heit gezeigt, daß die völkische Studentensippschaft, die für ihr Treiben ein äußerstes Maß von Duldsamkeit fordert, nicht daran denkt, einen kleinen Teil dieser Duldsamkeit andersdenkenden Kommilitonen gegenüber an den Tag zu legen. Wie der Herr, so das Gescherr. Nie hätte die Studentenschaft derartig nationa- listisch und reaktionär verseucht werden können, wenn dieJPro- f e s s o r e n und Unioersitätsbehörden dieses Treiben nicht stillschweigend geduldet oder gar offen gefördert hätten. Systematisch wird an den Universitäten gegen den republikanischen Gedanken gearbeitet und seine Vertreter schikaniert, während sich die nationalistischen Kreise be- sonderer Fürsorge erfreuen können. Zln Feiertagen wehen auf dem Universitätsgebäude in Berlin drei Fahnen, darunter nur eine Reichsfahne. Ist es wirklich nur ein Zufall, daß die schwarzrotgoldene Fahne nicht den Ehrenplatz über dem Mittelportal hat, sondern nur ver- schämt aus einem Seitenflügel hängt? Seit Wochen ist an ausfälligen Stellen eine Einladung zu einer Gedenkfeier für Friedrich Wilhelm III. angeschlagen. Das ist der Mann, der feinem Vaterlande in der Rot eine Verfassung oersprach und sein Wort frivol In ach, als sie ihm aus dem Dreck geholfen hatten, der König, der die schwarzrotgoldenen Burschenschaftler für lange Jahre ins Gefängnis werfen ließ. Für ihn veranstaltet die Uni- verfität Berlin offiziell monarchistische Kundgebungen. Zweierlei Recht herrscht im Hause der Wissenschaft. Wenn pazifistische Studenten gegen das Revanchedenkmal für die„Sieger der Zukunft" protestieren, beschlagnahmt man ihnen sofort das Anschlagbrett. Der völkische„Hochschulring Deutscher Art" aber darf groß und ausfällig Hetzblätter aushängen mit der seitengroßen Ueberschrist:„Fort mit dem parteiminister Becker." Die Stellen, die den Unterricht sminister am gemeinsten beschimpfen, sind zum Zeichen des Einverständnisses recht fett rot umrandet. So etwas sieht kein Rektor, da ist man kurzsichtig. Die Gründung eines Revolutionären Studenten- k a r t e ll s wurde seinerzeit vom Rektorat verboten, weil schon das Wort„revolutionär" den Bestand der Republik gefährden könnte. Im achten Jahre der deutschen Republik aber hängt im Vorsaal noch immer ein Lereinsbrett mit der Devise: „Für Kaiser und Reich". Erzieht dieser Verein seine studentischen Kleinkaliberschützen etwa nur zu Republikanern? Geht die antirepublikanische, völkische Hetze in den Hochschulen ungehemmt weiter, dann werden wir in einigen Jahren nur noch Richter wie Be w e r g d o r f f und K ö l l i n g haben. Dann wehe der Republik ! Die Klasseneinstellung der heutigen Richter ist meist unbewußt, die„Sieger der Zukunft" werden bewußt« Klassenkämpser, bewußte Feinde der Republik sein. Hier bei der Hochschule muß endlich angefaßt und ausgemistet werden, eh« es wieder einmal zu spät ist. Minister der Republik , werde— endlich— hart!
Das Wohnungsbauprogramm. Vorschüsse des Reiches für die Länder. Amtlich wird gemeldet: Der Gesamtplan des Reichs für die Arbeitsbeschaffung enthält auch den Hinweis auf eine verstärkte Ingangsetzung des Wohnungsbaues, da zurzeit noch über ItMI 000 Bausacharbeiter Erwerbslosenunterstlltzung erhalten. Die Durchführung und Finan- zierung des Wohnungsbaues ist seit der dritten Steuernolverord- nung in erster Reihe Sache der Länder. Es mußten deshalb zunächst mit den Ländern Verhandlungen eingeleitet werden, um für ein zusätzliches Bauprogramm, das in erster Linie der Slrbeitsbeschassung zu dienen hat, die'Ausbringung der nötigen Mittel in die Wege zu leiten. Reben verstärkter Heranziehung der Hauszinssteuer kommt hier nur die Aufnahme von Anleihen in Betracht. Die Verhandlungen mit den Ländern haben in dieser Richiung zu einem gewissen Abschluß geführt. Die Ausnahme der Anleihen kann der Natur der Sache nach nur allmählich durchgeführt werden. Das Reich hat sich deshalb' bereit erklärt, den Ländern Vorschüsse auf die im Laufe der Zeit aufzunehmenden Anleihen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird ermöglicht, daß mit dem zusätzlichen Bauprogramm in aller Kürze begonnen werden kann. Es kann erwartet werden, daß die tech- Nische Vorbereitung in den einzelnen Ländern rasch zum Abschluß kommt. Da eine Reihe von Baugesuchen vorliegen, die mit Mitteln des ordentlichen Jahresbauprogramms nicht erledigt werden konnten, kann in Bälde mit dem Beginn der Arbeiten auf der Grundlage der zusätzlichen Bauprogramme gerechnet werden.
fraglicher Minöerheitenscbuh. Kritik aus dem Juristcnkongretz. Wien , 10. August. lEigencr Drahtbericht.) Aus den, Jnternalio- nalen Juristenkongreß ist am Montag die Hauptkommission in die Beratung des Minderheitenschutzes eingetreten. Oberrichter Hopkins-England legte in seinem Referat dar, daß die Friedens- vertrüge sowohl die Gleichberechtigung der Minderheiten festsetzen, ihnen sogar die Bürgschaft des Völkerbundes zusichern, aber ihre Auswertung außerordentlich erschweren, weil die Klagen der Minderheiten nicht direkt an den Völkerbund gehen, son- dern nur an einen Ausschuß und es von diesem abhängt, ob die Slngelegenheit vor den Gerichtshof kommt oder nicht. Klagepartei sei also nicht die nationale Minderheit, wohl aber die Regierung, gegen die die Klage läuft, und dieser Regierung wolle der Dölterbundrat nicht gern unbequem werden. Der französische Profesior Brünier erklärte, die größte Gefahr sei die Heimlichkeit. Wenn die Klage einmal eingereicht wäre, so erfahre die Minderheit nichts mehr über ihr Schicksal. Er verlangte, daß beide Teile als gleich- berechtigte Prozeßparteien behandelt werden. Professor Rauchberg-Prag(deutsch ) legt den Entwurf eines Gesetzes vor, der auf dem Grundsatz der Prozeßfähigkeit der Minderheiten ausgebaut ist. Als Kläger sollen Abgeordete der Minderheit auftreten, ebenso Vertreter autonomer Minderheits- gebiete auftreten können. Der Schiedsgerichtshof soll das Recht er- halten, Untersuchungskommissionen in das Gebiet der Minderheiten zu entsenden.
Zimmermann» letzter Bericht. Der 42. und endgültig letzte Monatsbericht des inzwischen zurückgetretenen Generalkommissars Dr. Zimmermann enihäli«ine Zusammenstellung über das finanzie"« Gesamtergebnis der Genfer Sanierung. Von dem Nettoertrog« der Völkerbundsanleihe, der rund 880 Millionen Schilling betrug, sind in den Jahren 1922 bis 1926 nur 115 Millionen Schilling, rund 13 Prozent, zur Deckung von laufenden Staatsausgaben herangezogen worden. Ein Betrag von 332'�- Millionen Schilling wurde für An- lagen verwendet, der Rest, bis auf die noch vorhandenen ZITA Millionen Schilling, für Rückzahlungen früherer Kredit« und für den Dienst der Anleihen. Auch Luxemburg visumfrei. Auf Grund von Vereinbarungen zwischen der deutschen und der luxemburgischen Regierung wird der Sichtoermertszwang für die beiderseitigen Staatsangehörigen mit Wirkung vom 1. September 1926 ausgehoben werden.
/Uter und neuer Sommer. Von Gottfried Kölwel . Der Fluß. Ach, als der Sommer kam! Ich verlieb den schwarzen Teich meines Schreibtisches, wo die Papierhaufen manchmal breit wie Unken umherlungern, arbeitete mich mit rüstigen Beinen wie mit stampfenden Kolben durch die lärmenden Schächte der Straßen, pustete gegen Lärm und Staub und bin nun endlich wieder bei dir, du mein geliebter, sommerlicher Fluß! Wie alle Jahre gleitest dä breit und gelassen dahin, gleich einem silbernen Riesensisch, deine Wellenschuppen blenden das Auge, und deine Flossen schlagen rauschende Musik an die grünen Wände deiner Schilsuser. Dein Abgrund ist schwarz, und manchmal huscht scheues Geflügel über dich hin, Zlber während sich Strauch und Baum zitternd zu dir neigen, steigen auch die weißen Wolken des Himmels und das unendliche Blau zu dir herab und wohnen wie Träume in dir. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn man sich tragen läßt auf deinem Rücken. Stuf und ab nichts als prickelndes Leuchten, rund- um die kühle Erquickung, frisch wie das Leben selber, und unter uns: der Tod. Doch ohnmächtig ist er an den Abgrund gesesselt, und wenn er es versucht, auch nur etwas hochzutauchen, sede lebendige Bewegung der Glieder schlägt ihn auf den Abgrund zurück, O herrliches Gefühl des Sieges, herrliches Gefühl der Kraft! Wenn wir das feste Ufer betreten, lacht unser nasser, tropfen- überrieselter Körper freudig wie au« tausend Silberaugen.... Wer möchte sich da wie nach bestandener Fahrt nicht ausstrecken im Grase! Die Sonne hat ein goldenes Handtuch und wird nicht müde, zu trocknen: während ich mich von Zeit zu Zeit drehe, um mich der Sonn« ja ganz hinzugeben, und mich so allmählich in die zauberische Ruhe einwickle wie in eine wohlige Decke, fühle ich mich mit allem ringsum immer verwandter werden, und ich vergesse ganz meine menschliche Gestalt. Ja, wahrhaftig, ich liege da auf dem Rücken wie«in langes Schiff weiß In der Sonne, meine Hände ruhen wie fünfzockige Anker im Grase, unaufhörlich geht die Maschine meines Herzen» unter der Brust, meine Zigarre steht wie ein Schlot nach oben, und ich sehe reglos dem Rauche noch, der die wunderlichsten Träume in den blauen Sommer malt. D I e Landstraße. Wenn ich früher am bellen Sonntagmorgen auf meinen beiden Beinen und mit einem Wanderstock das Land durchstreifte, wie habe ich da die freie Landstraße geliebt! Weiß lag sie da zwischen grünen Wiesen, Wäldern und bunten Aeckern, und es sah aus, als hätte sich die Natur eine Riesenschleife
um ihr sonntägliches Kleid gelegt. Wundersame Figuren uralter Bäume waren darauf eingewebt, Käser, die den schweren Glanz der Sonne aus ihrem Rücken darüber trugen, funkelten wie kostbares Edelgestein, und vereinzelte Blindschleichen waren wie glänzende Agraffen auf dem weißen Band befestigt. Ja, unter der heiteren Sonne kam man sich aus seinen zwei Füßen und dem kräftigen Stock selber vor wie ein eingewirktes Dreibein, und man freute sich ob der Verwandtschaft mit allem, der Zugehörigkeit, der friedlichen Har- monie. Irgendwo in der Ferne wußte man das mittägliche Ziel, ein kühles Gastzimmer oder einem schattigen Wirtehauegartcn, aber man eilte ihm nicht zu, man hatte Zeit: Stunden, ganze, lange Stunden hatte man vor sich, man genoß diese stillen Stunden der Weile und Muße wie die runden, klingenden Schläge naher und ferner Türme. O dieser große, gemessene, goldene Klöppelschlag des Sommers, der anmutet wie eine reise, schwellende Frucht! Dahin ist er nun mit einemmal, und sein geschlossener Ton hat sich aufgelöst zu einem monotonen Durcheinander wirrer Geräusche. Hupensignale, Sirenenpsisse, Rauschen und Sausen der Auto», Pusten, Keuchen, Fauchen und Gekläff« der Motoren— und all die sonntäglichen Fahrzeuge, eins hinter dem anderen, ein erschreckender Schwärm, fallen wie modernes Ungeziefer über die weiße Land- strahe her. Wie Heuschreckenzllge das fruchtbare Land, fressen sie in hemmungsloser Gier und sekundenhafter Schnelligkeit den sonn- täglichen Glanz der Straße, das Grün der angrenzenden Wiesen und das Gold der Aecker, und schwirren ohne Ende, bis alles ringsum in Staub, Rauch und Qualm wie eine graue Oedms daliegt. O du heimgesuchte sonntägliche Londstraßel Noch habe ich meine zwei rüstigen Bein«, auch meinen Wanderstock, aber dich, du weißes festliches Band, dich, du Strecke der Weile und Muße, dich habe Ich verloren,... Abseits geht jetzt mein Weg, den Wäldern zu, wo die Baum- stamme bald wie ein riesiges Gatter, bald wie ein gefletschtes Gebiß gegen das moderne Ungeziefer dastehen und das mächtige Laub der Aeste sich zu Fäusten gegen die graue Oednis ballt.
Giftpfeile Elemcnceaus. Elemenceau, der große Hasser, hat, wenn er die Pfeile seines schonungslosen Spottes versandte, auch Freund« und Verbündete nicht geschont. Ein italienisches Blatt gibt ein paar bissige Bemerkungen des Tigers zum besten, die bis- her noch nicht bekannt waren. Als man ihm vorwarf, daß er im Versailler Vertrag keine günstigeren Bedingungen für Frankreich erzielt habe, erklärte er bitter:„Was wollen«ie? Ich saß dach zwischen Jesus Christus lWilson ) und Napoleon (Lloyd George ). Von seinem Minister Pichon sagte er eines Tages:„Er ist zwar kein Zldler, aber die Adler haben ja schließlich auch nicht das Kapital gerettet," Der amerikanische General Pcrshing wäre seiner Meinung nach füsiliert worden, wenn er Franzose, und nach Hause geschickt worden, wenn er britischer Staatsangehöriger gewesen wäre. Da
er aber das Glück hatte, Amerikaner zu sein, erhielt er das Kriegs- kreuz. Arn schönsten ist aber das Wort, das Elemenceau beim Empfang Paderewstis, des ersten Ministerpräsidenten Polens , ent- schlüpfte. Elemenceau fragte ihn, ob er wirklich der berühmte Pianist sei, den die ganze Welt bewundere. Geschmeichelt verneigte sich Podercwski, fuhr aber ärgerlich in die Höhe, als Elemenceau sagte:„Und jetzt kommen Sic als Minister Polens nach Paris ? hundertjähriges Zubiläum de, herrentragen». Eine eigen- ortige Hundertjahrfeier begeht man jetzt in Amerika , nämlich die Erfindung des Herrenkragens, die von einer Amerikanerin durch Zufall gemacht wurde. Wie bei so manchen großen Erfindungen ' war, auch hier das treibende Motiv der Wunsch, sich die Arbeit zu erleichtern. Bis vor 100 Jahren war dr Kragen mit dem Heinde unzertrennlich verbunden, und wenn der Kragen schmutzig war. dann mußte das Hemd zugleich mitgewaschen werden. Ein amerikanischer Schuhmacher namens Montag», der zu Troy im Staate New Park wohnte, hielt sehr aus Sauberkeit und wollte kein Hemd mehr tragen, dessen Kragen auch nur den geringsten Fleck aufwies. Seine Frau war daher durch das viele Waschen sehr geplagt, und als er ihr eines Tages wieder ein Hemd übergab, dos sonst ganz sauber war und nur«was Schmutz am Kragen auf- wies, da riß sie in ihrer Wut den Kragen vom Hemde ab. Während sie sich nun zornig und betrübt anschickte, den Kragen wieder aus dos Hemd aufzunähen, kam ihr plötzlich ein genialer Gedanke: Warum sollte sie nicht den Kragen voin Hemde getrennt lassen, ihn allein waschen und dann durch Knöpfe wieder an dem sauberen Hemde befestigen? Wieviel Arbeit würde ihr erspart werden, wenn sie das bei allen Hemden ihres Mannes machte? Gesagt, getan. Sie verlieh zum erstenmal dem Hemdkragen ein„Eigen- leben", und diese Maßnahme erwies sich als so praktisch, daß ihre Nachbarinnen ihrem Beispiel folgten. So entstand der moderne Herrentragen, der seitdem einen so wichtigen Bestandteil der Männertleidung bildet. Bahnhof mit drei Stockwerken. Sollen die verschiedenen Bahn- hose der Millionenstädte in einer Zentralstation vereinigt werden und zugleich ini Inneren der Stadt liegen, so ist dies nur dadurch möglich, daß die Linien unterirdisch eingeführt werden und in mehreren Etagen übereinander liegen. Diese ideale Lösung ist außer- ordentlich kostspielig und nur an wenigen Orten, z. B. New Park, durchgeführt. Innerhaid des Stadt- und Bahnhossgebietes werden sämtliche Züge elektrisch befördert. Chicago , nach New Pork die größte Stadt der Vereinigten Staaten , geht nun daran, sein gesamtes Verkehrsnetz zu elektrifizieren. Dabei wird ein Zcntialbahnhof ge- baut, bei welchem die Züge in drei Etagen übereinander einlaufen. Neben dem Fernverkehr werden 80 Vorortlinien bedient. Die Schienenlänge des Berkehrsbereiches beträgt 667 Kilometer. Der- artige Anlogen verschlingen niedrere hundert Millionen Mark. Es wird»och lange dauern, bis z. B. in Berlin die Bahnhofssragc so ideal gelöst wird._
3m Residenz-Thea'er gebt am Freitaq den 13. August, um 70- Uhr der Schwant.Tai golden« Kalb' von Otto Schwartz und Carl Kälbern »nm«riten Male In«zene. In den Hauptrollen lind auger Marli» Kellner beschästigt die Damen: Maria Hosen, Ellen Jsenta. Die Wiederhvluiigcn �■ginnen ab Sonnabend um S1/« Uhr.