Abendausgabe
Nr. 377+43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 186
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10 Pfennig
Donnerstag
12. August 1925
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Englands Bereitschaft zur Räumung.
Nur Frankreichs wegen bleiben englische Truppen.
Paris , den 12. Auguft.( TU) Nach einer Londoner | Sozialisten zu erfegen. Man weiß vorläufig nicht, was Meldung der„ Chicago Tribune" hat sich Lord d'Abernon mit Herriot darauf antworten wird. Man nimmt an, daß er und wahr dem Foreign Office in Berbindung gesetzt, um auch eine Herabsetzung scheinlich sämtliche radikale Gemeinderatsmitglieder de missio. der englischen Besatzungstruppen im Rheinland zu erreichen. Die nieren werden. Dann müßten Neuwahlen erfolgen, die englische Regierung gebe offen zu, daß fie gerne fämtliche aber, da sie nicht mehr auf dem Boden des Kartells geführt werden. Truppen zurüdziehen würde, halte es aber solange für für Heriot und Radikale Partei außerordentlich gefährlich aus politisch unmöglich, als Frankreich die Befehung des fallen würden. Herriot wird sich heute oder morgen nach Lyon Rheinlandes aufrecht erhalte. England jei bereit, eine Verminderung begeben. feiner Besatzungstruppen vorzunehmen, sobald Frankreich eine ähnliche Herabsetzung anordne.
London , 12. Auguft.( TU.) Der diplomatische Korrespondent des„ Daily Telegraph " beschäftigt sich in längeren Ausführungen mit den Verhandlungen über die Verminderung der Besatzungstruppen. Die Berliner Regierung sei offenbar nicht befrie. digt von der Bemerkung Briands gegenüber Herrn v. Hoesch, daß Frankreich gewillt sei, seine Truppen in der zweiten und dritten Zone um 8000 Mann zu vermindern, wenn die deutschen Behörden nationalistische und ähnliche Demonstrationen in jenen Gebieten verbieten und sich verpflichteten, gegen die früheren Gepara
tiften nicht vorzugehen.
Abtransporte sind im Gang.
Der amtliche englische Funkdienst bestätigt die von französischer Seite verbreiteten Auslaffungen über die bevorstehende Herabsetzung der Truppen im besetzten rheinischen Gebiet. Bon deutscher amtlicher Seite wird darauf verwiesen, daß tatsächlich schon seit einer Reihe von Tagen Truppenabtransporte nach Frankreich vorgenommen worden sind, ohne daß neue Ergänzungen erfolgten. Der Unterschied zwischen der franzöfifchen Schäzung der sich im Rheinland befindlichen Truppen und den deutschen Angaben ergibt sich daraus, daß die franzöfifche Regierung die Verwaltungsfruppen, wie Proviantämter, Feldbäckereien usw. nicht zu dem aktiven Bestand der Besatzungstruppen zählt. Auch die 2500 französischen Soldaten in Kchl schließt die französische Regierung sonderbarerweise aus ihrer Rechnung aus.
Bestürzung unter den Besatzungstruppen. London , 12. August. ( EP.) Nach Meldungen von Pariser Berichterstattern hat unter den französischen Besatzungstruppen die neuerliche Entscheidung eine starke Bestürzung hervorgerufen, meil die Truppen nach ihrer Rückkehr nach Frankreich statt in Goldmarflöhnung in entwerteter Frantenlöhnung bezahlt würden.
Painlevé für die geistige Annäherung. Wien , 12. August. ( Eigener Drahtbericht.) Der französische Wien , 12. August. ( Eigener Drahtbericht.) Der französische Kriegsminister Painlevé äußerte sich gegenüber dem Sonderforre
Wird Polen Schwierigkeiten machen? Paris meldet Ansprüche für die Genfer Tagung. London , 12. August.( TU.) Der Bariser Berichterstatter des Daily Telegraph " meldet: Briand hat mit dem spanischen, dem japanischen und dem polnischen Botschafter über die Frage der Bölkerbunds size referiert. Die Aufgabe der Spezial tommission des Bölkerbundes, die am 24. August zusammen trete, werde, obwohl sie unter dem Vorsiz von Motta stehe, wahrfcheinlich nicht erledigt werden. Sowohl gegen neue ständige als auch gegen nichtständige Ratssitze seien Einwände zu erwarten. Obgleich Spanien , wenn ihm ein ständiger Sitz durch die Bölkerburdsversammlung dank der Unterstützung Italiens und Deutschlands zugesichert werde, bereit sei, die vorherige Wahl Deutschlands hinzunehmen, seien die drei polnischen Forderungen geeignet, den ganzen Genfer Apfelwagen umzumerfen. Diese Forde rungen seien 1. Polens Wahl zum Böllerbundsrat gleichzeitig mit Deutschland , 2. Polen muß im voraus die Bersicherung er halten, daß es nach einer dreijährigen Mitgliedschaft im Völkerbundsrat für eine weitere Periode von drei Jahren wiedergewählt wird, 3. tein nichtständiges Ratsmitglied fann von der Bölkerbunds. versammlung vor Ablauf der Mandatszeit durch ein anderes Mitglied ersetzt werden.
Bulgariens Nachbarn beschweren sich. Sie fordern, das Bandenunwesen zu beseitigen. Sofia , 12. Auguft.( WTB.) Der jugoslawische und der rumänische Gesandte sowie der griechische Geschäftsträger übergaben heute dem bulgarischen Minister des Aeußern die Rollektionote ihrer Regierungen. Sie betont den Wunsch, gute Beziehungen zu Bulgarien aufrechtzuerhalten, lenkt aber in nachdrüd licher Form die Aufmerksamkeit der bulgarischen Regierung auf die Tätigkeit der in Bulgarien unter verschiedenen Namen bestehenden revolutionären Komitees hin, der ein Ende gemacht
werden müsse. Zu diesem Zweck soll die bulgarische Regierung den Grenzschutzbehörden Weisungen erteilen, damit diese ihre in die
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Ein Fehlurteil.
Gegen die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts. Von Gustav Hoch , Hanau a. M.
Für die Streitfragen aus der Arbeiter- und Angestelltenversicherung sind besondere Gerichte geschaffen worden, um möglichst eine solche Rechtsprechung zu sichern, die dem Zwed der Arbeiter und Angestelltenversicherung entspricht. Dieses Ziel ist auch zeitweise erreicht worden. Jedoch haben wir auch manche schlechte Erfahrung mit der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts gemacht. Dann müssen wir uns gegen die beanstandeten Entscheidungen wenden, damit deren Geist sich nicht weiter verbreite.
Aus diesem Grunde müssen wir die allgemeine Aufmerkfamteit auf eine grundsäßliche Entscheidung des Reichsverficherungsamts lenken, die im letzten Heft der Amtlichen Nach richten des Reichsversicherungsamts veröffentlicht ist. Die Entscheidung bezieht sich auf§ 616 Abs. 1 RBO.:
Sind seit dem Unfall zwei Jahre vergangen und beträgt die Rente des Verletzten nicht mehr als ein Zehntel der Bollrente, so tann ihn die Genossenschaft durch Gewährung des dreifachen Betrags seiner Jahresrente abfinden...
auch solche Berletzte ab, die nicht nur eine Unfallrente, sondern Ein Teil der Berufsgenossenschaften fand in dieser Weise bis vor das Reichsversicherungsamt gebracht. mehrere bezogen. In einem dieser Fälle wurde der Streit
Dieses stellte fest, daß bei den Verhandlungen, die dem Zustandekommen der angeführten Bestimmung vorangingen, fomeit dies die Drucksachen des Reichstags erkennen lassen, die Frage nicht erörtert worden ist, ob die Abfindung auch dann zuzulassen sei, wenn der Verlegte neben der abzufindenden Rente noch eine oder mehrere Renten aus der Unfallperficherung bezieht. Das ist in der Tat richtig. Nach langen Berhandlungen schlug das Zentrum, da fich feine Mehrheit für eine andere Lösung ergab, im legten Augenblick den jezigen Wortlaut des§ 616 Abs. 1 RVO. vor. Zu einer eingehenden Prüfung des Vorschlages in den verschiedenen denkbaren Fällen blieb feine Zeit mehr, die bürgerliche Mehrheit legte sich für den Vorschlag fest und nahm ihn an gegen den Einspruch der Sozialdemokraten, die die Abfindung schon in dem am nächsten liegenden Falle für unannehmbar erklärten, nämlich dann, wenn der Verletzte nur die eine Unfallrente bezieht.
Troydem ist es unbegreiflich, daß das Reichsversiche rungsamt nicht erfannt hat, wie sich die Mehrheit des Reichstags zu der jetzigen Streitfrage hätte stellen müssen, wenn fie besprochen worden wäre. Ist doch in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich angeführt:
§ 616 Abs. 1 RBD. ist ein Kompromiß zwischen dem von der
Regierung vorgeschlagenen entschädigungslosen Wegfall der sogenannten Zwergrenten, d. h. der Renten von weniger als einem
spondenten der Neuen Freien Presse" über die Annäherung ziehungen verlangen, sondern auch dem Grenzreglement entsprechend Fünftel der Vollrente( Art. 131 Abs. 1 des Entwurfes) und der der Völker auf der
lepé erklärte:
Man findet gerade in den Kreisen der Wissenschaft starte Unversöhnlichkeit in Deutschland wie bei uns. Bei uns allerdings weniger als in Deutschland . Auf den deutschen Universitäten herrscht der Nationalismus. Ich bedauere diesen Nationalismus der deutschen Professoren, aber ich kann ihn verstehen. Gerade weil Deutschland den Krieg verloren hat, ist in gewissen deutschen Kreisen das nationale Empfinden um so reizbarer. Es ist ein Nationalismus entstanden, der sich gegen die Niederlage mehrt.
Auf den französischen Schulen und Hochschulen ist man erheblich meniger chauvinistisch als auf den deutschen . Ich bin der Ansicht, daß ein gefunder Internationalismus und ein gefunder Nafionalismus durchaus teine Widersprüche zu sein brauchen. Alle Empfindungen von Haß und Rache müffen aus der Welt verschwinden. Sie stehen in absolutem Gegensatz zum Wesen der Wissenschaft. Mit vereinten Kräften müssen wir auf die Annäherung der geistigen Arbeiter hinwirken und die Annäherung der geistigen Arbeiter muß die Annäherung der Völker herbeiführen.
Ratifikation der Schuldenabkommen? Im Oktober legt Poincaré fie der Kammer vor! Paris . 12. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Morgenblättern zufolge wird Poincaré wahrscheinlich zum Anfang Oftober das Barlament einberufen, um ihm die Schuldenabkommen vorzulegen. Poincaré hat am Mittwoch in Gesprächen mit Depu tierten durchblicken lassen, daß er die Ueberzeugung hege, daß eine endgültige Frankenftabilisierung ohne die Ratifizierung nicht möglich sei.
Borker wird Poincaré eine Reise nach dem Elsaß und Lothringen
unternehmen.
erfüllen. Die bulgarische Regierung soll ferner strenge Maßnahmen treffen, um der Tätigkeit der revolutionären Organisa. tionen ein Ende zu machen. Minister des Aeußern Buroff antwortete, daß er die Note zur Kenntnis nehme und ihren Text seiner Regierung mitteilen werde, die ihn prüfen und baldigst ihre
Antwort erteilen werde.
Verfassungsfeiern.
Die Ber
In der Stadt Hindenburgs. Hannover , 12. August. ( Eigener Drahtbericht.) fassungsfeier nahm hier unter der überaus starken und herzlichen Teilnahme der überwiegend republikanisch gesinnten Bevölkerung einen prächtigen Verlauf. An der offiziellen Feier im Rathause wo Staatsminister a. D. Dr. Südefum, in gehaltvoller Rede besonders den deutschen Einheitsgedanken hervorhob, nahm auch eine starke Abordnung des Reichsbanners Schwarz- RotGold mit vielen Fahnen teil. Anschließend erfolgte ein Vorbeimarsch der Ehrenhundertschaft der Schupo und dann des Reichsbanners vor dem Oberpräsidenten Noste. Das Reichsbanner veranstaltete am Abend einen Fadelzug. Die Straßen, besonders in den Außenvierteln, waren herrlich geschmidt, ganze Straßenzüge trugen Haus an Haus republikanischen Schmud. Auf einem der schließend eine Rundgebung statt. Eine ungeheure Men= größten Plätze in Hannover , dem Klagesmartt, fand anschenmenge hatte sich hier zusammengefunden. Etwa 40 000 Menschen stimmten begeistert in das Hoch der Republik ein.
Verfassungsfeier in New York .
New York , 12. Auguft.( BTB.) Im Großen Saal des New Porter Liederkranzes fand eine start besuchte Ber fassungsfeier statt, bei der der deutsche Generalkonsul Geheimrat v. Lewinski einen Umriß über das Werden der Beimarer Verfassung gab. Wegen Ueberfüllung des Saales fonnten
Die lateinischen Baluten sind heute in Berlin weiter abgeschwächt. viele Personen feinen Einlaß finden. London - Paris ging bis auf 179 zurüd.
Sozialisten gegen Bürgermeister Herriot .
Kein Vertrauen mehr zu dem Minister Poincarés. Paris , 12. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die sozialistische Föderation der Rhone hat jezt das Exekutivkomitee der Partei auf gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um den radikalen Bürger meister und Minister Poincarés, Herriot , durch einen
Tiew Bort, 12. August. ( Eigener Drahtbericht.) Der ameritanische Staatspräsident fabelte an den Reichspräsidenten von Hinden burg folgendes Telegramm: ,, Am Jahrestag der Geburt der deutschen Republik spreche ich Euer Erzellenz im Namen der amerikanischen Regierung und in meinem eigenen Namen herzlichste Glüdwünsche und aufrichtige Wünsche für das weitere Wohlergehen Deutschlands aus."
Ansicht des Reichstags, der in dem entschädigungslosen Wegfall dieser Renten eine nicht zu verantwortende Härte gegenüber dem Verlegten erblickte.
Ebenfalls richtig. Die Härte bestand in den beiden
Punkten:
1. daß die Entziehung der Renfe ohne Entschädi gung stattfinden sollte, und
2. daß dies für die Renten bis zu 20 Pro z. der Vollrente gelten sollte.
Die Beanstandung unter 1 suchte das Zentrum damit abzutun, daß eine Entschädigung, wenn auch eine völlig ungenügende, vorgeschrieben wurde. Schwieriger war eine Verständigung darüber, wie dem Bedenken unter 2 begegnet werden könnte.
So sehr im Reichstage die Meinung über die Bedeutung der kleinen Renten für die Verlegten auseinanderging, darin stimmte die große Mehrheit überein, daß der Regierungsvorschlag, die Renten bis zu 20 Proz. der Bollrente, zu, beseitigen, zu meit ging. Demgemäß beschränkte das Zentrum in seinem Vorschlage die Abfindung auf die Renten im Betrage von nicht mehr als 10 Proz. der Bollrente.
Wenn aber dieser Borschlag so aufzufaffen gewesen wäre, daß die kleinen Renten auch dann abgefunden werden können, wenn der Verlegte mehrere Renten bezog, so wäre die Wirkung des Zentrumsvorschlags noch über die 20 Proz. der Bollrente nach dem Regierungsvorschlag hinausgegangen. Dann könnte die Genossenschaft alle diese Renten entziehen, so daß der Verletzte insgesamt 30, 40 und mehr Prozent der Vollrente verloren hätte. Was hätte ein solches Verfahren noch mit den Gründen zu tun, die für die Beseitigung der kleinen Renten angeführt worden sind? Deshalb hätte das Zentrum geradezu ein falsches Spiel getrieben, wenn es bei seinem Vorschlage jenes Berfahren für möglich gehalten hätte. Ebenso ist es ausgeschlossen, daß die anderen Parteien, die dem Zentrumsvorschlage als einem Vermittlungsvorschlage zugestimmt haben, ein solches Verfahren billigen wollten.
Daß ein solches Verfahren noch eine meitere Härte nach sich ziehen könnte, darauf hatte schon das Oberversicherungsamt aufmerksam gemacht:§ 559b der RVD. gewährt Kinderzulagen zu Unfallrenten. Dies gilt aber nur, so lange der Verletzte eine Rente von 50 oder mehr Prozent der Bollrente oder mehrere Renten aus der Unfallversicherung bezieht, dereu