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Nolttische Nrverflchk. Berlin , 8. August. Die Abkühlung der Temperatur hat auf die uatwnalliberalen Mordspatrioten und Sozialistenfresser noch nicht die dringend nöthiae nervenberuhigende Wirkung ausgeübt. Dies beweist die folgende, nicht nur in national- liberale, sondern auch in.freisinnige" und Zentrumsblätter übergegangene Notiz: .«Die sozialdemokratische Parteileitung hat furdie Festveranstaltungen zum fünfundzwanzig- jahrigenGedächtniß der großen Tage von 1870/71 einen besonderen Ueberwachungsdienst ein- gerichtet. Aus Arbeiterkreisen wird derNational- liberalen Korrespondenz" aber zuverlässig mit» getheilt, daß die mit dem Aufpassen beauftragtenGenossen" mehrfach sehr übel angekommen sind, als sie von älteren Arbeitern gewissermaßen Wort und Handschlag darauf ver- langten, daß dieselben jedweder Gedenkfeier fernbleiben würden. Den Partcihäuptern scheinen namentlich die im Negimentsverband veranstaltete» Festlichkeiten höchst unbequem zu sein." Diese Nachricht ist wie so manche andere Informationen derNationalliberaleu Korrespondenz" auf dem Schreib- tische des wabrheitsliebendeu, nun als Parlamentarier wenigstens abgesägten Herrn Böttcher entstanden. An der ganzen Nachricht ist natürlich kein Buchstabe wahr, sie ist so frech erlogen, wie die auch nicht aus der Welt zu schaffende Nachricht vom 10 Millionen- Budget der deutschen Sozialdemokratie. Für die Eeistlosigkeit, mit der die Presse unserer Gegner redigirt wird, spricht es aber, daß solche Nachrichten aus dem Dunkel derNationalliberalen Korrespondenz" in Zeitungen, die ernst genommen werden wollen, übergehen können. Die deutsche Arbeiterklasse ist weit entfernt, an den kriegerischen Gedächtnißfesten theilnehmen zu wollen, sie be- kämpft den Krieg und will den Frieden. Diese Gedanken sind ihr so gründlich in Fleisch und Blut übergegangen, daß es nicht der mindesten Aufforderung, um wie viel weniger eines Ueberwachungsdienstes bedarf, sie von der Theilnahme an Schlachtenfeiern abzuhalten. Die deutschen Groß- und Kleinbürger müssen sich schon damit bescheiden, daß sie diese Feste allein feiern und daß die Arbeiter sie durch ihr Fernbleiben nicht zu Volksfesten werden lassen. Wie dynastische Feste vorbereitet werden, zeigt folgendes uns auf den Schreibtisch gewehte Aktenstück: Auszug aus G. K. O. 328 I b Geh. vom 3. VI. 98. Infolge Allerhöchsten Befehls soll das ZOjShrige Militär- Dienstjnbiläum Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg am 4. Marz 1896 von der Armee festlich begangen werden. Unter anderem soll bei der Beglückwünschung Sr. König- lichen Hoheit durch eine Deputation der aktiven und inaktiven Offiziere, Beamte und Unteroffiziere unter Führung Sr. Exzellenz des Kriegsministers ein Armee g e s ch e n k(noch nicht festgestellt) überreicht werden. Däfern Offiziere ,. D. und a. D. sowie deS Beurlaubten­standes den Wunsch haben sollten, sich an dem Armeegeschenk zu betheiligen, würde vom königl. Kriegsministerium ein Einheitssatz ausgeworfen werden(aktive Offiziere zahlen bis zur Höhe des Tagesgehaltes). Ew. Hochwohlgeboren werden ergebenst ersucht, Ihre event. Betheiligung an dem Armeegefchenk bez. entgegenstehende An- ficht und die Mittheilung, ob der später festgesetzte Betrag an das Bezirkskommando eingesendet werden wird oder ob derselbe dies. seits durch Postnachnahme erhoben werden kann, hierunter ver- merken und den abzutrennenden Abschnitt bis 1. Juli er. an das Bezirkskommando Dresden » Altstadt. Kl. Schießgasse 4 I. zurückgelangen lassen zu wollen. Graf v. Holtzendorfs. Oberst z. D. und Bezirlskommandenr. Jedes kommentirende Wort würde das für sich deutlich «enug sprechende Aktenstück abschwächen. * « Deutsches Reich . Die Handwerker machen mobil anläßlich der nun nach ihren Wünschen in Fluß kommenden Gesetzgebung. Handwerker-Versammlungen, in denen insbesondere auch über die Frage der Zwangsorganisation debattirt werden wird, finden nach dem in den Tagen vom 4.-6. August abgehaltenen Deutschen Tischlertage in Dresden weiterhin ferner statt: Bom 8.-9 August tagt in Wernigerode der Seiler- und Reepschläger- Verband; vom 10. 12. August findet in Meißen der Dmsche Drechslertag statt; vom 18. 26. August wird in Köln der dies- jährige Verbandstag deutscher Schuhmacher-Jnnungen abgehalten. Es folgt dann vom 7. bis 9. September der Deutsche Stell- wacher- und Wagner-Verbändstag in Kassel , vom 8. bis 10. Sep- tember der Delegirtentag des Jnnungsverbandes deutscher Bau- gewerksmeistcr in Slraßburg i. E. und vom 17. bis 19. Oktober der Deutsche Maler-Bundestag in Leipzig . Aus den Verhandlungen des eben geschloflenen zwölften deutschen Tischlertages ist zu crivähnen, daß eine Resolution zur Annahme kam, in welcher den Handwerkern empfohlen wird, auf Präzisirung des BegriffsBetrug" in der Gesetzgebung zur Be- lümpfung des unlauteren Wettbewerbs und des Bauschwindels zu dringen. Debattelos wurde schließlich eine Resolution ein- stimmig angenommen, in welcher der Vorstand beauftragt wird, eine Petition an den deutschen Reichstags auszuarbeiten, in der darauf hingewiesen werden soll, daß das Jnvaliditäts- und Alters-Versicherungsgefetz dahin abgeändert werde, daß die zwangs- weise Beitragszahlung der Arbeitgeber einheitlich von allen schaffenden und besitzenden Klassen getragen werde, da der Hand- werker sie auf die Dauer nicht ertragen könne. Der Bundes- vorstand wird ersucht, mit allen Handwerker- und Jnnungs- Verbänden sich bezüglich der Ausstellung der Petition in Ver- bindung zu setzen. In der Frage des FrauenstudiumS soll nach sehr mißtrauisch aufzunehmenden Zeitungsmeldungeii ein Schritt nach vorwärts gewagt werden. Den Frauen soll das Studium zur Vor- bereitung für den Apotheker- und zahnärztlichen Beruf gestattet werden, ja es wird sogar behauptet, daß die Frauen demnächst zum ordnungsmäßigen Studium der Medizin zugelassen werden sollen und aus Greisswald wird berichtet, daß man an der bärtigen Universität demnächst Frauen wie Männer zulassen will. Wir registriren diese Mitlheilungen, ohne ihnen weiteren Glauben beizumessen, stehen sie doch in direktem Gegensatz zudem von uns unlängst veröffentlichten Erlaß des preußischen Unter- richtsministers bezüglich der Zulassung von Hörerinnen an der Berliner Universität. Dem Verdienste seine Krone. Wie derDanz. Zeitung" geschrieben wird, werde als Nachfolger v. Sybels als Direktor der Staatsarchive, Professor Schmoller genannt, der bekanntlich Mitherausgeber der Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven ist. Daß ein Mann, der die preußische Geschichte in tendenziösem Sinne als Lobredner der Dynastie bearbeitet hat, Nachfolger Sybel's werden würde, stand für uns von Anfang an fest. Er- hält Schmoller die Leitung der preußischen Staatsarchive, so wird er sicher diejenigen historischen Untersuchungen fördern, die den j e w e i l s im preußischen Ministerium sitzenden Herren des Förderns werth erscheinen und das verhindern, was diesen nöthig erscheint, imStaatsinteresse" zu ver- hindern. Herr Schmollcr hat als Nationalökonom mit jedem Kurse zu schwimmen verstanden, er wird dieser Uebung als Direktor der Staatsarchive getreu bleiben. Geistige Waffen. DieKölnische Volkszeitung" schreibt: Die sozialistische Vereinsbäckerei in Hamburg ist in Konkurs gerathen, bei dem sich ein Defizit von 11000 M. ergab. Haupt­gläubiger sind Dr. Leo Arons , Privatdozent an der Universität Berlin, und der Privatgelehrte Dr. Benedict Friedländer ; letzterer, der früher Assistent am zoologischen Institut in Neapel war, ist mehrfach als Redner in anarchistischen Versammlungen ausgetreten. Beide Herren sind so situirt, daß sie den Verlust bequem ertragen können. Im Anschluß hieran meldet diePost", daß eine anarchistische Konsum-Genossenschaft, die von G. Landauer und W. Wiese ins Leben gerufen werden soll, bereits 300 Antheile ausgegeben hat. die sich zum größten Theil in den Händen des Dr. Arons befinden sollen, der wiederholt öffentlich für das Genossenschaftswesen eingetreten ist. Dr. Arons erfuhr deshalb eine abfällige Kritik feiteus der sozial- demokratischen Parteileitung, weshalb er der Parteikasse seinen regelmäßigen monatlichen Beitrag entzog. Soweit die Notiz unfern Genoffen A. betrifft, ist Wort für Wort erlogen. Genosse A. hat übrigens gelegentlich seiner oben eru älmten Vorträge über Genossenschaftswesen auf das nach- drücüichste vor der Begründung von Produktivgenossenschaften gewarnt! ein Mißverständniß ist ausgeschlossen, da diese War- nung als erste These sormulirt und mit den übrigen Thesen in den meisten bürgerlichen Blättern abgedruckt war. Wir verstehen ja den Gedankengang dieser Herrn, die sich soviel mit der Person unseres Genossen Arons beschästigen, recht gut; es ist ihnen unheimlich sehen zu muffen, daß die hohe Kraft unserer Ideale ihre Reihen zu lichten beginnt, daß sie sich nicht mehr un- bedingt auf ihre Klassengenossen verlassen können, daß sie den Feind im eigenen Lager finden. Und da schlechtes Beispiel ver- verblich wirken kann, sehen wir das heiße Bemühen, darzlithun, daß Genosse A. eigentlich gar nicht Sozialdemokrat ist, daß er irgendwelche geheimnißvolle Pläne verfolgt, bei deren Durch. kreuzung er der Partei den Rücken kehrt oder doch bald kehren wird. Rein, meine Herren, gewöhnen sie sich nur an den An- blick solcher Männer, sie werden bald nicht mehr vereinzelt sein! Vomdolus eventualis". Am 6. August wurde demVolksblatt für Harburg" ein Beschluß des Landgerichts in Stade zugestellt, wonach auf Antrag der Staalsainvallschaft gegen die Genossen Weniger, Weber und Kauffmann Anklage erhoben ist. Dieselben erscheinen dem Gericht hinreichend ver- dächtig, im April 1895 zu Harburg den Ed. Gillhausen daselbst öffentlich beleidigt zu haben, indem durch ihr bewußtes Zusammenwirken in Nr. 81 desVolksblatt" für Har- bürg, Wilhelmsburg und Umgegend, vom ö. April 1895, einer periodischen Druckschrift, deren verantwortlicher Re- d a k t e u r Kaufsmann, deren Verleger Weniger und deren D r u ck« r Weber ist",... der beleidigende Artikel.... aufgenommen wurde und Verbreitung fand". Da vor Er­hebung der Anklage eine Vernehmung der Angeklagten erfolgte, so muß dem Gericht bekannt sein, daß der Verleger Weniger jeden Tag in seinem Beruf als Maurer arbeitet und daß der Drucker Weber ebensalls keine Gelegenheit hat, die für den Druck bestimmten Manuskripte zu lesen. Die Anklage kann sich demnach nur aus die Thatsache, daß die genannten Personen als Ver- leger, resp. als Drucker zeichnen, stützen. Man kann begierig sein, ob die Stader Richter auch die scharfsinnige Urlheils- begründung finden werden, die dem eigenthümlichen Urtheil im Prozesse gegen Schulz und Babing zu großer Berühmtheit ver- Holsen hat. Fraukreich. Zum Südbahn -Skandal. Die Verweisung des Senators Magnier vor das Schwurgericht scheint sicher; die An- gelegenheit desselben dürfte mit der des Administrators der Südbahn-Gesellschaft verbunden werden. Italien . Der Etat wurde vom Senat mit großer Majorität an- genommen. Vorher wurden Reden über die Herstellung des Gleich- gewichts und über die großen Verdienste Crispi's gehalten. Das italienische Volk wird diesen Reden nicht den Beifall spenden, den sie im Senate gefunden haben. Es wird den sicherlich schon zum 12. Male wiederholten und fast stets durch die Rechnungs- ergebniffe erschrecklich Lügen gestrafte» Versprechungen eines dcsizU- losen Budgets ebensowenig Glauben schenken wie den Crispi ge- widmeten Lobsprüchen. Gegen die Feier der Eroberung Roms durch die italienischen Truppen machen die Ultramontanen mobil. Man scheint in der Umgebung des Papstes eine Protestkund» gebung aller gläubigen Katholiken gegen diese Feier veranlassen zu wollen. Aus Rom liegt hierzu folgende Nachricht vor: Die katholischen Blätter besprechen die Feier des 20. Sep- teniber und behaupten, diese Feier werde durchaus keine volks- thümliche werden, denn die Bevölkerung Roms und ganz Italiens habe nicht den Wunsch, zu gunsten einer Regierung zu mani- fcstiren, welche sie so elend gemacht hat. Uebrigens werde der Papst gegen diese Feier protestircn. Es sollen jedoch Unter- Handlungen zwischen Rom und München gepflogen werden, in welchen der Papst den Wunsch ausdrückt, die am 25. August in München zusammentretende Katholikenversammlnng möge ihrer Meinung gegenüber der Feier des 20. September energisch Aus- druck gebe». Türkei . Der Aufstand in Makedonien . Berichte der serbischen Konsuln versichern, daß in Makedonien und AUserbie» die Ruhe wieder hergestellt sei. China . Gegen die Missionen scheint die Erregung der Bevölkerung hochgespannt zu sein. Am Nachmittage des 7. August griff abermals eine wüthende Volksmenge die englischen und amerikanischen Missionen in Fatschan bei Kanton an und zer- störte die Hospitäler. Einige von den Missionaren entflohen nach Echainin, andere verblieben in Fatschan. Ein chinesisches Kanonenboot wurde zur Wiederherstellung der Ordnung entsandt. Es gehl das Gerücht, daß binnen kurzem alle Missionen der Provinz Kwangtung zerstört und alle Missionare nach den offenen Häsen vertrieben werden sollen. Eine in Hongkong abgehaltene Versammlung verurtheilte in einer Resolution die vermnthllche Begünstigung dieser Verbrechen seitens der chinesischen Behörden und spricht sich in scharien Tadelsworten über die Aparhie und Gieichgilligkeit der englischen Regierung aus, welche de» Ernst der Lage nicht erkannt und es unterlassen habe, ausreichende Maßregeln zum Schutze ihrer Uulerlhanen und zur Bestrafung der Mörder zu ergreifen. Eine Geldcnlschädigung sei gänzlich unzureichend, die Situation erheische vielmehr ein schnelles und Vorgehen. Oer Dreslauev Varkeikag und die KUdeikerUmeu. Die Berliner Vertrauensperson, Frau Ottilie Gerndt, und die Redaktion der Frauen-ZeitschriftDie Gleichheit" in Stuttgart , ersuchen uns um Veröffentlichung des folgenden: Genossinnen! Wie Euch aus dem Aufrufe des Parteivorstandes bekannt ist. tritt der n ä ch st e Parteitag der deutschen Sozialdemo- kratie am 6. Oktober in Breslau zusammen. Unter anderen bedeutungsreichen Arbeiten, wie sie jeder Tagung der Sozial- demokratie obliegen, hat der Breslauer Parteitag eine besonders wichtige Aufgabe zu lösen. Er muß die von der Agrar- kommission zusammengestellten neuen Programmsorderungen be- rathen. Parteigenossinnen! Die Aufgaben der aesammtcn Sozkak- demokratie sind auch Eure Aufgaben, die Taktik, welche die Partei einer Frage gegenüber befolgt, wirkt bestimmend auf den Ge- sammtcharakter des proletarischen Klassenkampfes zurück und trägt dazu bei, je nach dem Mehr oder Weniger ihrer revolutionären Kraft, die Stunde Eurer Befreiung zu beschleunigen oder zu ver- zögern. Sorgt deshalb dafür, daß auch Ihr durch delegirte Genossinnen an den Berathungen und Entscheidungen der Partei theilnehmt, wie Ihr im schweren, mühsalrcichen Kampf der Partei von Tag zu Tag energisch und opferstark in Reih und Glied steht. Die Anwesenheit von Genossinnen auf dem Partei- tag beweist, daß die proletarische Frau in richtiger Erkenntniß ihrer Interessen im sozialistischen Lager als Gleiche unter Gleichen für ihre Befreiung ringt. Wie gelegentlich der sozialdemokratischen Kongresse zu Köln und zu Frankfurt a. M., erscheint es rathsam, daß auch im An- schluß an den Breslauer Parteitag Genossinnen und Genoffen ihre Erfahrungen und Ansichten austausche» bezüglich der Agi- tation unter den proletarischen Frauen und ihrer Organisation. Je rückständiger die Masse der Frauen im allgemeinen noch ist, je geringere Bewegungsfreiheit ahnen das Gesetz einräumt, kurz je größer die Schwierigkeilen find, auf welche die sozialistischen Säeleute bei ihrer Arbeit stoßen: um so nothwendiger»st es, daß man einheitlich und planvoll an das Werk der Ausklärung und Organisation des weiblichen Proletariats geht. Daß der hierfür erforderliche Meinungsaustausch gerade die Anwesenheit von möglichst viel Genossinnen ans den verschiedensten Tbeilen Deutsch- lands als wünschenswerth, ja nöthig erscheinen läßt, liegt aus der Hand. Der Parteitag zu Frankfurt a. M. hat bekanntlich den Ge- nossinnen wieder das Recht eingeräumt, in besonderen ö f f e n t- lichen Frauen Versammlungen Delegirte zu den sozial- demokratischen Parteitagen wählen zu können. Wir rathen den Genossinnen, von diesem Recht nur in ausnahmsweisen Fällen Gebrauch zu machen, nur dann, wenn ganz bes ondere Verhällniffe eine Verständigung mit den Genossen bezüglich der Wahl einer Delcgirten unmöglich machen. Und ebenso erwarten wir, daß die Genossen nicht in kleinlicher Wortklauberei und aus engherzigen Sparsamkeitsrücksichten die Frauen von den allgemeinen Delegirten- wählen ausschließen und auf besondere Versammlungen verweisen. Wer ohne Unterschied des Geschlechts zusammen dem Unter- nehmerthn», frohndet, gemeinsam in harten Mühen um die Existenz ringt; wer ohne Unterschied des Geschlechts zusammen die Schlachten des Klassenkampfs schlägt, zusammen die oft sehr schwere Werktagsarbeit verrichtet für den Ausbau der besseren Zukunfts» gesellschaft: der gehört auch zusammen bei der Wahl der Beauf« tragten zum Parteitage; der hat ohne Unterschied des Geschlechts Anspruch darauf, mit der Vertretung des klassenbewußten Prole- tariats betraut zu werden. Dazu»och«ins: Mittelbar und un- mittelbar tragen die Genossinnen so gut wie die Genossen bei zu den Kosten für die Entsendung der Delegirten. Opferfrendig spendet die proletarische Frau der allgemeinen sozialistischen Ar- beiterbewegung ihr Scherflein, in Hunderten und lausenden vo« Fällen nichi das Ueberflüssige, das Entbehrlich«, sondern das Er- darbte, das Scherflein der Wittwe. Und die Psennige und Groschen, welche der Mann der Arbeit der Kriegskasse des klassenbewußten Proletariats zuführt, sie konnten vom ärmlichen Einkommen nur abgekargt werden Dank der Sparsamkeit, dem verständigen Walten, dem opsermuthigen Verzichten der Frau. Wer die Ver- bältnisse in der Arbeiterfamilie kennt, der kann den proletarischen Frauen nicht zumuthen, durch äußerste materielle Kraft- anstrengungen die Mittel aufzubringen für in besonderen Frauen- Versammlungen gewählte Delegirte. Die Entsendung solcher Delegirten rechtfertigt sich als Nothbehelf nur dort, wo eine besonders reaktionäre Fassung und Handhabung der Gesetze oder wo leider'noch die Rückständigkeit der Genossen oder aber der Genosstuven ein Zusammengehen zwischen beiden schlechterdings verunmöglicht. Der Breslauer Parteitag wird sicher unsere bestimmten Er« Wartungen bezüglich des Mitwirkens der Frauen an seinen Ar- besten nicht Lüge» strafen. Weibliche Delegirte werden davon zeugen, daß immer größere Kreise der proletarischen Frauenwelt sich zum Evangelium des Sozialismus bekennen, daß die Schulung und Reife der Genossinnen stetig wächst, daß in Deutschland die Sozialdemokratie die einzige politische Partei ist, welche die Gleich- berechtigung der Geschlechter theoretisch und praktisch vertritt. Die prolelarische Frau rathet und thatet zusammen mit den Männern ihrer Klasse. Dem zopfigen Vorurlheil des Spieß- bürgerthums zum Trotz! Der Uebermacht der Kapitalisten zum Trotz! Der Köllerci zum Trotz! Anträge von Genossinnen zum BreSlauer Parteitage. Die Unterzeichneten beantragen, der Parteitag der deutschen Sozialdemokratie wolle beschließen: 1. In Erwägung: daß zwar die volle Befreiung der großen Masse der Frauenwelt nur in der sozialistischen Gesellschaft ver- wirklicht werden kann, daß aber die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter schon innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft möglich und durch die wirthschaftliche Entwickelung vorbereitet nicht blos eine Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit, fondern der wirthschastlichen Nothwendigkeit für Millionen von Frauen ist; in weiterer Erwägung: daß diese Gleichstellung der Ge- schlechter die proletarischen Frauen aus ein höheres soziales Niveau hebt, ihnen größere Bewegungsfreiheit verleiht, damit aber eine größere Wehr- und Kampsestüchtigkeit gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft; endlich in Erwägung: daß in Deutschland die bürgerlichen Parteien der sogenanntenFmienfrage" vcrständnißlos gegen­über stehen und durch ihre Vertreter im Reichstage bei allen diesbezüglichen Verhandlungen gezeigt haben, daß sie die volle rechtliche Gleichstellung der Geschlechter nicht wollen, während die sozialdemokratische Partei ihrem Programm gemäß und ent- sprechend den Beschlüssen des internationalen Sozialistenkongreffes zu Brüssel verpflichtet ist, rückhaltlos für die volle rechtliche Gleichstellung der Geschlechter einzutreten: beauftragt der sozialdemokratische Parteilag zu Breslau die sozialdemokratische Reichstagssraktion, bei den bevorstehenden Be- ralhungen über den Entwurf eines neuen bürgerlichen Gesetz- buchs mit aller Energie die Initiative zu ergreisen für die Be- seitigung aller gesetzlichen Bestimmungen, welche die Frau dem Mann gegenüber benachtheiligen. S. In Erwägung: daß die Bestimmungen des bürgerlichen Rechls über die Stellung der unehelichen Kinoer und die Pflichten der Väter ihnen und ihren Müttern gegenüber den Charakter der Klasseugesetzgebung tragen; in Erwägung: daß tausende von Proletarierinnen und ihre Kinder durch diesen Stand der Dinge schwer geschädigt und dem tiefsten sozialen Elend preisgegeben werden: beaufiragt der sozialdemokratische Parteitag die soziaidemo- kratische Reichstagsfrattivn, bei den bevorstehenden Berathnngen