Abendausgabe
Nr. 38943. Jahrgang Ausgabe B Nr. 192
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10 Pfennig
Donnerstag
19. August 1926
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Sieben Reisende und der Zugführer getötet.- Fünf Schwerverlette. Man rechnet noch mit etwa 12 Toten unter den Trümmern.
Die Chronik der schweren Eisenbahnkatastrophen auf der Deutschen Reichsbahn ist um eine neue vermehrt worden. Der Schnellzug Berlin - Köln entgleist e in der Nähe von Leiferde ( Hannover ), wie man glaubt, infolge eines Bahnfrevels. Acht Personen wurden dabei getötet und viele schwer verletzt.
Die amtlichen Berichte.
Hannover , 19. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die Reichsbahndirektion Hannover gibt soeben über das Eisenbahnunglück auf der Strecke Berlin - hannover - Dortmund folgenden Bericht heraus: Heute nacht 2 Uhr 10 Min. entgleiste zwischen Leiferde und Block 169 der Schnellzug D. 8 Köln.
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Die Namen der Toten.
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Genf , 18. August 1920. Wir haben mehr als einmal vor dem Optimismus gewarnt, der da glaubte, daß die Beratungen und Beschlüsse der schnitten werden müssen, damit man überhaupt an die letzten Studienkommission" a Ile Hindernisse beseitigt hätten, die dem Eintritt Deutschlands in den Bölferbund noch im Abteile herangelangen kann. Wege standen, und wir haben mehr als einmal vor den Gefahren gewarnt, die die Verschleppung einer endgültigen tönne. Nun ist das eingetreten, was wir befürchtet haben: einen halben Monat vor dem Beginn der ordentlichen Tagung des Völkerbundes ist alles noch oder wenn man so will wieder im Ungewissen. Auf Antrag der Madrider Regierung wird die Studienkommission aufs neue zusammentreten, um über den Anspruch Spaniens auf einen ständigen Ratssitz zu befinden, und einstweilen weiß niemand, ob wir uns nichtam Ende dieser Konferenz wieder dort befinden, wo wir im März gestanden haben.
Die Namen der bei dem Unglück bisher geborgenen tödlich ver- Lösung des Problems der Ratssigverteilung mit sich bringen unglückten Personen sind:
Reinhard Grunewald aus Berlin . Oberingenieur Richard Nann aus Dortmund . Frau Julie Stolle, geb. Forstreuther, aus Berlin . Friedrich Schmidt- Ernsthausen aus Düsseldorf .
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Nach einer weiteren Meldung der Reichsbahn
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direktion Berlin befinden sich unter den Trümmern dieser Tage eine Meldung, nach der in Paris sehr peinlich noch zwölf Tote.
Die Bergungsarbeiten.
Maschine und sieben Wagen sprangen aus den Schienen. Ein Teil stürzte den 1½ Meter hohen Damm herunter und legte sich auf die Seite. Der fiebente D- 3ugwagen hat fich auf den sechsten hinaufgeschoben und ihn vollständig zertrümmert. Bisher find der Zugführer und fünf Reisende als tot, drei Reifende und zwei Zugbedienstete als verieht festgestellt. Ursache des Unfalls ist offenkundig Bahnfrevel, Ifenbüttel, 19. Auguft.( Drahtbericht.) Die Unfallstelle ist heute begangen durch Lösung eines Schienenstoßes und der Schwellen- früh durch Gendarmerie und durch Bolizeibeamte aus Hannover im weiten Umkreis abgesperrt worden, um die Bergungsarbeiten nicht fchrauben. Die Rettungsarbeiten sind sofort aufgenommen. Eine weiten Umfreis abgesperrt worden, um die Bergungsarbeiten nicht Anzahl Aerzte und die Hilfszüge aus Desfelde, Lehrte und Hannover zu stören und um die Untersuchung nach den unbekannten Tätern waren in fürzester Frist zur Stelle. Der Präsident der Reichsbahn - bie aufeinandergefahrenen Wagen zu trennen, da man vermutet, Direktion Hannover hat sich unverzüglich zur Unfallstelle begeben.
Berlin , 19. Auguft. Die Zahl der bei dem Eisenbahnunglück bei Meinersen ums Leben gekommenen Personen beträgt nach den neuesten Feststellungen sechs, unter ihnen befindet sich der Berliner Zugführer Jordan. Als Verlegt wurden bisher drei Personen festgestellt. Unter ihnen befindet sich der Packmeister Gebert und eine Wartefrau. Die Feststellung der Zahl und der Namen der Toten wird dadurch außerordentlich erschwert, daß diese sich in einem Wagen befinden, der Durch den nachfolgenden vollständig eingedrückt ist. Es scheint nunmehr einwandfrei festzustehen, daß es sich um einen Bahn frevel handelt, da neben den Gleisen losgeschraubte Laschen und Laschenbolzen gefunden wurden. Generaldirektor Dr. Dorpmüller wird sich noch heute vormittag an die Unfallstelle begeben.
Die Zahl der Toten hat sich nach einer weiter unten stehenden Meldung auf acht erhöht.
An der Unfallstelle.
Jfenbüttel, 19. August.( Eigener Drahtbericht.) Die Unfallstelle bietet ein Bild der Verwüstung und läßt ziemlich deutlich erfennen, wie die Ratostrophe in der Nacht sich abgespielt hat. Die Unfallstelle, die fast genau in der Mitte zwischen Leiferde und Meinersen bei Coffhorn liegt, ist auf freiem Felde gelegen. Der Bahnkörper erhebt sich an dieser Stelle glücklicherweise nur eiwa einen Meter über den Boden, und diesem Umstand ist es zu verBanten, daß das Unglüd nicht noch einen weit größeren Limfang angenommen hat. Wäre an dieser Stelle eine hohe Böschung vorhanden gewesen, so hätten zweifellos die abstürzenden Waggons zahllose Reisende unter ihren Trümmern begraben. Die Lotomotive mit dem Kohlenwagen liegt rechts umgekippt auf freiem Felde, die nächsten beiden Wagen liegen gleichfalls auf der Seite dicht dahinter, und die nächsten beiden Waggons sind auseinandergefahren, und zwar so, daß der schwach besetzte Wagen erster und zweiter Klasse auf den ſtart bejezten Waggon Britter Stlaſſe ſich aufgeschoben hat. Die anderen fünf Wagen, normale D- 3ug- Waggons, stehen zum Teil noch im Gleis, zum Teil sind sie mit zwei Achsen in den Sand gefahren. Die Letomotive hat, wie die Vertiefungen in den Holzschmellen deutlich zeigen, hinter der Stelle, wo sie aus den Schienen herausgesprungen ist, noch 13 Meter zurückgelegt und ist dann erst umgeschlagen. Der Lokomotivführer, der ebenso wie der Heizer mit geringfügigen Verlegungen davongekommen ist, fonnte heute vormittag, nachdem beide Beamten sich von dem ersten Schrecken erholt hatten, dem Staatsanwalt und den Reichsbahningenieuren bereits eine Schilderung geben. Beide berichten übereinstimmend, daß der Zug mit einer Geschwindigkeit von etwa 8C bis 85 Kilometer gefahren sei, als der Lokomotivführer unter sich ein
sichern. Vor allen Dingen waren die Rettungskolonnen bemüht, daß unter den Trümmern immer noch Verwundete oder Tote liegen. Der D- 3ug mar ziemlich stark besetzt, und besonders die beiden hinter dem Backwagen laufenden Waggons, die Abteile 1., 2. und 3. Klasse enthielten, waren nach Angaben des Zugpersonals von vielen Reisenden belegt worden. In der ersten Aufregung haben viele Fahrgäste die Unfallstelle verlassen, und aus diesem Grunde ist es noch nicht möglich, genau festzustellen, ob der eine oder der andere gerettet ist, oder ob er sich in den zertrümmerten Wagen noch befindet. Da die Hilfs kolonne ununterbrochen mit Ablösungen arbeitet, hofft man bis zur Mittagsstunde die zusammengeschobenen Waggons trennen zu fönnen, und erst dann wird es möglich sein, die genaue Zahl der Verletzten und Toten angeben zu können. Die Nachricht von dem furchtbaren Unfall hat, wie immer, zu übertriebenen Gerüchten Anlaß gegeben. So war in Braunschweig die Meldung verbreitet, daß mindestens 15 Reisende ums Leben gekommen seien, doch entspricht diese Meldung glücklicherweise nicht den Tatsachen.
Beginn der Untersuchung.
Noch in der Nacht wurde von den aus Hannover entsandten Reichsbahningenieuren eine Untersuchung der Strede vorgenommen, die einwandfrei ergab, daß der Berlin - Kölner D- 3ug einem verSchienen die Laschen und Bolzen, mit denen die Schienen an der brecherischen Attentat zum Opfer gefallen ist. Man fand neben den Stoßstelle zusammengeschraubt find, liegen, ein Beweis, daß er brecher den Schienenstrang unterbrochen haben, um den Zug zur Entgleisung zu bringen. Daraufhin die im Kraftwagen Bertreter der Behörde und der Kriminal wurde die Staatsanwaltschaft Hannover benachrichtigt, Kriminalpolizei an die Unfallstelle sandte. Auch der Bahnüberwachungsdienst Han nover nahm fofort Untersuchungen auf, die sich darauf erstrecken, festzustellen, ob in den umliegenden Ortschaften verdächtige Personen beobachtet worden sind, die sich in den Abendstunden am Bahndamm zu schaffen gemacht haben. Es entsteht vorläufig die Frage, ob der Berlin - Kölner Zug, der bekanntlich auch die Blissinger Durch gangswagen mit sich führt, von Räubern zur Entgleisung gebracht worden ist, die im Dunkel der Nacht Beute zu machen hofften, oder ob die Täter aus anderen Gründen das Unglüd veranlaßt haben.
Eisenbahnunglüd zwischen Paris und Rouen . Paris , 19. Auguft.( WTB.) Gestern abend sind bek 20s Andelys zwischen Paris und Rouen von einem Personenzug fünf Wagen aus den Schienen gefprungen. Eine Person wurde getötet, eine schwer und mehrere andere leicht verletzt.
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ständnis abgelegt hat. Die Akten sind der Staatsanwaltschaft übergeben worden.
Bacmeisterei gegen Severing.
Blödsinnige Verleumdungen.
Das Ende in Magdeburg. furchtbares klirren und Krachen vernahm. Instinktiv habe er den Die Voruntersuchung geschloffen. Der Staatsanwalt Regulator zurüdgeriffen und gleichzeitig die Luftdruckbremse voll hat das Wort. geöffnet. Diese Darstellung entspricht zweifellos den Tatsachen, wie aus den Bremsspuren hervorgeht. Weiter erklären die Beamten, Magdeburg , 19. August. ( Eigener Drahtbericht.) Nach einer daß die Maschine noch ein oder zwei Sefunden geradeaus gefahrenamtlichen Mitteilung ist die Voruntersuchung in der Mordsache und sid, dann nach der rechten Seite übergelegt habe. Heizer und Selling abgeschlossen, nachdem Schröder ein volles GeLokomotivführer flammerten sich gefühlsmäßig an die offenen Fenster und fonnten schon wenige Gefunden nach dem Unglüd die Lokomotive verlassen. Sie sahen im Dunkeln hinter sich die umgestürzten Waggons und hörten die Hilferufe und das Schreien der Reisenden. Zusammen mit dem Zugbegleiter und einigen besonnenen Passagieren konnten sie die ersten notwendigen Borsichtsmaßnahmen ergreifen, um die Strecke abzusichern und späterkommende Züge zu warnen. Mit dem Morgen grauen gingen die Rettungskolonnen an die Bergung der Teien und Verwundeten. Wäh: rend die beiden ersten umgestürzten Wagen sich verhältnißmäßig leicht öffnen ließen, war es unmöglich, in die beiden aufeinander geschobenen Waggons einzubringen. Infolgedessen wurde das Dach des D- Bug- Wagens dritter Klasse mit Aerten und Sägen auf geriffen, und nur sehr langsam fonnten die Mannschaften durch das Gewirr der Eisenträger und Holzbalken vordringen. Bis 11 Uhr Bis 11 Uhr vormittags find 8 tote Passagiere geborgen und nach Hannover in Automobilen gebracht worden. Leider hat es jedoch den Anschein, als ob noch weitere Reisende eingeflemmt unter den Leberresten der Waggons liegen. Die Rettungsarbeiten schreiten nur Langjam fort, da einzelne Eisenträger mit Sauerstoffapparaten durch
Wir haben bereits mitgeteilt, daß die Bacmeister und Genoffen Material zu einem neuen Verleumdungsfeldzug gesammelt haben, das sie in der nächsten Zeit zu verschießen gedenken. Worum es sich dabei im einzelnen handelt, will nun die B. 3. a. Mittag" wissen. Danach soll beabsichtigt sein, gegen den Gen. Severtng den Vorwurf zu erheben, er sei an einem dänischen Fettimport und an einer großen Schuhschiebung geschäftlich beteiligt gewesen! Außerdem habe er Bosten bei der Schußpolizei gegen Provision vermittelt! Sonst nichts!
Ob eine irrenärztliche Untersuchung der Herren Berleumder vorgesehen ist, weiß die B. 3." nicht mitzuteilen.
Wo liegt die Schuld? Das ,, Journal de Genéve" brachte empfunden werde, daß die deutsche Regierung nach wie vor auf der Forderung bestehe, es dürfe zurzeit kein anderer Staat als Deutschland ständiges Mitglied des Rates werden. Wenn diese Mißstimmung, was man zunächst noch bezweifeln möchte, tatsächlich in Frankreich herrschen sollte, so würde sie sich nur aus einer vollständigen Berkennung der Situa tion erklären lassen. Gewiß hat die deutsche Delegation in Uebereinstimung mit dem Willen der Mehrheit des Reichstages im März die erwähnte Auffassung verfochten, und sie war dazu um so mehr berechtigt, als unseren Vertretern in Locarno feinerlei Andeutung darüber gemacht worden war, daß Deutschland das Privileg der Zuweisung eines ständigen Ratssiges mit anderen teilen sollte. Aber sie fand dabei das Berständnis der Majorität des Rates und der Versammlung, und eben, um zu einem Ausweg aus dem Gestrüpp zu ge= langen, in das unbesonnene Zusagen den Völkerbund hatten hineingelangen lassen, wurde jene Studienkommission eingesetzt und wurde Deutschland zur Mitarbeit berufen.
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Das Ergebnis war im wesentlichen die Schaffung der halb ständigen Size, und trotzdem, daß Brasilien seinen Austritt aus dem Völkerbund und Spanien wenigstens den vorläufigen Verzicht auf die Beteiligung an seinen Arbeiten ankündigte, wurde bis in die letzten Wochen hinein der Einbrud erwedt, als ob jetzt alles in Ordnung sei. Wenn jetzt doch noch Schwierigkeiten entstehen, ist man also nicht berechtigt, die Verantwortung dafür bei Deutschland zu suchen. Die im März aufgestellte Bedingung spielt bei den heutigen Auseinandersetzungen- das möchten wir wenigstens annehmen keine Rolle mehr, sondern es handelt sich darum, ob zugunsten eines bestimmten Staates, nämlich Spawieder preisgegeben werden soll. Man fann von Deutschland niens, der Grundgedanke der im Mai erreichten Lösung nicht verlangen, daß es jetzt ohne weiteres einer Abänderung des im Mai aufgestellten Programms zustimmt, um fremden, ist in Berlin sicher ebenso lebhaft wie in London , die Madrider Regierung bei der Stange zu halten. Der Wunsch, Spanien dem Völkerbund nicht zu entin Paris und, in Rom , aber wir müssen doch darüber flar sein, daß jedes an Spanien gemachte Zugeständnis, mag es nun in einem ständigen Siz oder in der sofortigen Anerfennung seiner Wiederwählbarkeit nach drei oder fünf Jahren bestehen, die nicht unberechtigten Ansprüche anderer Staaten auf die gleiche Behandlung nach sich ziehen wird. Natürlich besteht die Möglichkeit, sie abzulehnen, aber ganz abgesehen davon, daß dadurch bei den Zurückgewiesenen eine der Arbeit des Völkerbundes sehr abträgliche Stimmung erweckt würde, täme Deutschland , wenn es sich an einer Schließung der Tür nach Spaniens Eintritt beteiligte, in eine ganz besonders mißliche Lage. Es hat seinerzeit ganz allgemein und ohne eine bestimmte Macht zu nennen, der Schaffung eines weiteren Ratssiges im Moment seines Beschlusses widersprochen. Würde es jetzt die eine Macht annehmen und die andere ablehnen, so diskreditierte es sich felbst, und wenn die andere Macht Polen wäre, so würde es außerdem das Ergebnis der so notwendigen Bemühungen um einen Ausgleich mit diesem Lande aufs schwerste gefährden.
Nun wird die deutsche Regierung den Zusammentritt der Studienkommission, der für den 30. August vorgesehen ist, nicht verhindern können, aber sie wird nach Lage der Dinge gut daran tun, sich bei den Verhandlungen die denkbar größte Zurüdhaltung aufzuerlegen. Mögen die anderen das heiße Eisen anfassen und sehen, wie sie die ver schiedenen Wünsche und Interessen miteinander in Einklang bringen. Sie werden es schließlich auf eine Wiederholung des Fiaskos vom März nicht ankommen lassen, und in Genf glaubt insbesondere niemand daran, daß etwa Italien im Fall der Ablehnung eines ständigen Sizes für Spanien sein Beto gegen die Zulassung Deutschlands einlegen werde. Dazu muß die Abneigung der großen Mehrheit der Völkerbundsmitglieder gegen eine irgendwie geartete Bevorzugung einzelner Staaten über den Kreis der mit einem ständigen Sitz bedachten Großmächte hinaus in Rechnung gestellt werden.
Am Ende wird sich also doch nach aller Wahrscheinlichkeit alles ordnen. Doch das Bedenkliche bleibt, daß die Auseinandersetzungen, die jetzt kurz vor dem Zusammentritt der Boll