Ein Gotteslästerungsprozeß. Wegen einer Satire auf den Hakcnkrcuzlergeist. Der verantwortliche Redakteur unseres Elbersclder Partciblattes »Freie Presse" stand vor einigen Tagen �oor dem Elberfelder Landgericht wegen Gotteslästerung. Die Gotteslästerung wurde in eitter Satire erblickt, in der in ironischer' Weise geschildert wird, wie sich die Hakcntreuzler die Schöpsungs- geschichte vorstellen. Schon aus der Ueberschrift ,D e u t s ch n a t i o« nal-arische Schöpfungsgeschichte" ging hervor, daß dem Autor nichts ferner gelegen hatte als eine Verletzung des religiösen Empfindens Andersdenkender. Deshalb hatte da» Schöffen- g e r i ch t es auch abgelehnt, das chauptverfahren gegen den Beklagten zu eröffnen. In der ausführlichen von Landgerichts- direktor Dr. Bruckner gezeichneten Begründung wurde ausdrück- lich sestgestcllt: Gegenstand des Schutzes des Z 166 Str.-G.-B. ist das r e l i- giöse Gefühl. Eine Verletzung desselben konnte in dem beanstandeten Zeitungsartikel»Deutschnational-arische Schöpsungs- geschichte" nur dann gesehen werden, wenn darin über Gott so, wie er der Gegenstand der Verehrung einer der im Reichs- gebiete bestehenden, mit Korvorationsrechten versehenen Religion?- gesellschaften ist, abfällige Urteile in roher mißachtender Form zum Ausdruck gebracht würden. Das ist aber nicht der Fall. Die verössenllichung befahl sich aar nicht mit dem vorerwähnten. vor allem nicht dem christlichen ooer jüdischen Gottesbegrisse. Es kann daher bei ruhiger Beurteilung nicht daraus entnommen werden, daß Gott eine verwerfliche oder verächtliche Handlungs- weise angedichtet werde. Inhalt und Ueberschrift des Artikels, besonders der Zusatz.arisch" zu dem Attribute„deutsch- national", lassen dagegen keine Zweifel darüber, daß der Der- sasser sich nur gegen seine extremsten, politischen Gegner, radikale rechtsstehende Kreise wenden will, die nach Ansicht des Verfassers einem krassen, utopischen Militarismus und einem äußerst unduldsamen Rassenstandpunkt« huldigen. Der Staatsanwaltschaft paßte dagegen diese„ruhige Beurteilung" nicht in den Kram. Sie erhob sofortige Beschwerde und die von den Herren Jäger, Ulonska und Greifs ver- tretene Strafkammer verfügte darauf die Eröffnung des Haupt- verfahren» vor dem erweiterten Schöffengericht. Das erweiterte Schöffengericht besann sich dennoch darauf, daß es noch Richter in Preußen gibt. Bezeichnend war das Verhalten des Vor- sitzenden, Landgerichtsrat Dr. Köhler. Zwischen ihm und dem beklagten Genossen entspann sich etwa folgender Dialog: Vorsitzender: Ihre Partei und Ihre Zeitungen haben es sich doch zur Ausgabe gemacht, die bürgerlichen Parteien, die bürgerliche Weltanschauung und die damit verbundenen christlichen Kirchen zu bekämpfen.— Angeklagter: Wohl ist es richtig, daß die Sozialdemokratische Partei die bürgerlichen Parteien be- kämpft, sobald diese kulturelle, politische und wirtschaftliche Forde- rungen vertreten, die geeignet sind, die Interessen der Arbeiter- schaft zu schädigen. Aber die Sozialdemokratische Partei ist seit jeher für weite st gehende Gewissensfreiheit auch in religiöse« Fragen eingetreten. Alle Parteitage, auf denen einzelne Mitglieder versuchten, die Partei von diesem Wege abzubringen, haben sich fast einstimmig auf diesen Standpunkt gestellt und die sog.„Kirchen- und Pfaffen- fresserei" abgelehnt. Vor allem haben die bedeutendsten Führer, z. B. Wilh. Liebknecht und August Bebel , diesen Standpunkt ver- treten.— Vorsitzender: Es find demnach also doch in Ihrer Partei religionsfeindliche Bestrebungen vorhanden, wenn sich sogar olle Parteitage damit beschäftigen mußten.— Angeklagter: Richt alle Parteitage haben sich damit beschäf- tigt, sondern nur einzelne, die übrigens schon Jahrzehnte zurück- liegen. Aber die Parteitage, die sich damit beschäftigten, haben - immer fast einstimmig erklärt, daß sich die Partei m das r e l i- giöse Denken nicht einzumischen habe, daß dies oiejmehr Privatsache jedes einzelnen fei.— Vorsitzende r: Weshalb veröfsentlichen Sie dann aber solchen reliaiondscindlichcn Artikel?— Angeklagter: Der Artikel richtet sich ja gar nicht gegen die Religion und gegen den durch§ 166 geschützten Gottes- begriff,.sondern lediglich gegen den durch die Rechtsradikalen politisch verzerrten Gottesbegriff, der nicht gesetzlich geschützt ist.— Vorsitzender: Da» geht ober aus dem Artikel nicht hervor.— Angeklagter: Jawohl, schon au» der lleberfchrif«. die klar lautet:»Deutschnational-arische Schöpfungsgeschichte". Ohne diese klare Ueberschrift. au» der jeder, der sehen will, ersehen mußte, gegen was sich dieser Artikel richtet, würde ich Ihn gar nicht verössenlllchl haben, well ohne diese Ueberschrift vielleicht Zweifel möglich wären. Nach diesem vielverheißendcn Auftakt trat ein anstoßnehmender Pastor als Zeuge auf, der sachlich sehr wenig vorzubringen wußte und den Anstoß nur dadurch konstruieren konnte, daß er die U e b e r- schrift als Deckmantel bezeichnete. Das genügte dem Staatsanwalt, um 2000 M. Geldstrafe und Einziehung der betreffenden Nummer zu beantragen. Trotz der klaren Sachlage und obgleich der verantwortliche Schriftleiter darauf hinweisen tonnte, daß er sich in seiner 2vjährigen Praxis noch nie eine Klage wegen Gotteslästening zugezogen habe, erkannte das Gericht, nach- dem Landgerichtsrat Dr. Köhler die Verlesung von Gutachten eines Rabbiners und evangelischer Geistlicher unterbunden hatte, auf 266 M. Geld- st r a f e an Stelle einer verwirttenStrasevon20Tagen Gefängnis und Beschlagnahme der betreffenden Nummer. Die Einberufung üer StuüienkommWon. Der RcichsregicrunK telegraphisch angezeigt. wie WTV. hört. Ist der Reichsregierung durch Vermittlung des Generalsekretärs de» Völkerbunde» telegraphisch die Einberufung der Kommission zum Studium der Reorganisation de» völkerbundsral» für den 3 0. A u g u st mitgeteilt worden. Minöerheitenkongreß. Genf . 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Vom 25. bis 27. d. M. tagt in Genf der zweite Minderheitenkongrcß. Die bisherigen An- Meldungen lassen 80 bis 100 Vertreter von 16 nationalen Gruppen in 13 Ländern sowie zahlreiche Journalisten erwarten. Aus der Tagesordnung stehen: Sicherung der kulturellen Entwick- lungsfreiheit. Regelung der Sprachenfrage. Sicherung der wirtschaftlichen Gleichberechtigung. Sicherung des Rechts auf die Staatsbürgerschaft. Gleichberechtigung im Wahl- recht und seine Ausübung. Wege zur Regelung von Kon- f l i k t e n zwischen Regierungen und nationalen Gruppen sowie Or- ganisationssragen. Veltpre/fe-Konferenz. Gens, 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Am Donnerstag trat ein Sachverftändigenausschuh sür die Erleichterung und Verbesserung des Pressedienstes im Interesse der Sicherung und Förderung des Weltfrieden» zusammen, der aus 16 Vertretern der größten Presse- agenturen von 16 Ländern besteht. Behandelt werden vor allem der Eigentumsschutz der Pressemeldungen, die mögliche Erleichterung und Berbilliyung der Benutzung aller modernen Uebermittlungseinrichtun- ren, wie Telegraph, Telephon, Radio usw. Des Völkerbundes Generalsekretär D r u m m o n d, der die Tagung mit einer Ansprache eröffnete, unterlieh nicht, hervorzuheben, daß dem Völkerbund und seiner Orgarujatu« wchts jamer li«««. als die U«abhängigkeit der
Presse irgendwie einschränken zu wollen, doch wies er andererseits auch darauf hin, daß der Völkerbund als eine Gesellschaft der R e- gierungen wohl die beste Stütze und Grundlage bilde, um den Ausbau des Pressedienstes international zu regeln. Zum Vor- sitzenden des Ausschusses wurde der Vertreter der Agentur Haoas und zum Vizepräsidenten der Vertreter der nordamerikanischen United-Preß-Co. gewählt. �brüstungswünsche. Genf , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Die Militärkommis- sion der Vorbereitenden Abrüstungskonferenz hat einige Beschlüsse gefaßt, die darauf hinauslaufen, daß das Militärjahrbuch des Völkerbundssekretariats auf Grund bestimmter Angaben der Regierungen in ihren amtlichen Publikationen oder durch deren Ein- sendung nach Genf ausgebaut und mit Vergleichen und Schluß- folgerungen.versehen sowie daß in Genf ein Organ geschassen wer- den soll, welches bei Vermutung von Angriffsvorbe- reitungen oder Abrüstungsverzögerungen in ein- zelnen Ländern eine Untersuchung an Ort und Stelle durchführen kann. Die deutsche Delegation hat aus diesem Anlaß erklärt, daß«ine Kontrolle, wie sie Deutschland bisher auferlegt ist, mit der Würde eines souveränen Staates unverein- bar fei und nur von einer Nation angenommen werden könnte, welche einer Welt von Feinden unterlegen ist. Eine Unterkommis- sion, welche einige Tage über die wirtschaftlichen Maßnahmen gegen den Gaskrieg beriet und der auch unser französischer Genosse I o u h a u x angehört, beschloß, daß eine Konvention über das Der- bot der chemischen Kriegsmittel durch Abkommen zwi- schen denchemischenIndustriellender verschiedenen Länder gestützt werden sollte, wonach keine chemischen Kriegsmittel fabriziert oder geliefert werden dürfen sowie daß die Staaten E r f i n d u n- gen auf dem Gebiete der chemischen Kriegsmittel nicht sub» oentioniereu sollten.
Die polnische Ninüerheitenpolitik. Beratungen der Minister. Warschau , 19. August. (OE.) Wie in de« letzten Iahren, so wird auch diesmal kurz vor der Bölkerbundstagung di« Frage der gegenüber den nattonalen Minderheiten zu befolgenden Politik wieder lebhaft erörtert. Der Minister des Innern M l o d- z a n o w s t i hat eine Denkschrift ülber die Lage der Minderheiten ausgearbeitet und dem Ministerrat vorgelegt. Ueber diese Denkschrift entstand eine mehrstündige lebhaste Debatte, an welcher auch P i l s u d s k i sich sehr eifrig beteiligte. Im Vordergrunde der Er- örterung steht jetzt die Frage der slawischen Minderheiten in den polnischen Ostmarken. Pilsudsti soll die Ansicht vertreten, daß gegenüber dieser Bevölkerung einige versöhnliche Gesten ge- macht werden müßten, besonders befürwortet er eine A m n e st i e politischer Bergehen. Auch di« Gründung einer ukrainischen Universität in Lemberg hält er wenigsten» für d i s k u- tierbar. Zur Agrarreform in den Ostmarken fordern die Weißrussen wie auch die Ukrainer nicht nur eine Beteiligung an der Landzuteilung, sondern verlangen auch die E i n st e l l u n g der Kolonisierung(Besiedelung) dieser Bezirke, die die Re- gierung systematisch betreibt. Die Angelegenheiten der anderen nationalen Minderheiten, also auch der deutschen, kommen noch nicht zur Sprache. Die Denkschrift ist dem Politischen Komitee des Ministerrats zur Weiterberatung überwiesen worden. Diese wird unter Vorsitz des Ministerpräsidenten B a r t e l geführt, und es wer- den an ihr nicht nur die Minister des Innern, des Auswärtigen und der Justiz teilnehmen, sondiftTäuch Pilsudsti. Große Ausfuhrsteigerung. Warschau , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Handelsminister Kwiatkowski erklärte Pressevertretern über die Wirtschasts- läge Polens u. a.: Die augenblicklichen Ersparnisse sind ange- sichts der günstigen Konjunktur nicht unbedeutend. Sie haben im Juli 11 Millionen Dollar betragen. Landwirtschaftliche Produtte wurden für 6 Millionen Dollar exportiert, und zwar sowohl im Juni wie im Juli. Für 4 Millionen Dollar wurden Im Juli Erzeugnisse der Holzindustrie ausgeführt, um 800 000 Dollar mehr als im Juni. Die Kohlenausfuhr betrug im Juli 8 Millionen Dollar, das Doppelte der Junimenge. Die Textilindustrie führte für 1300 000 Dollar Waren aus, die Metallindustrie für 2 Millionen Dollar, im Juni und Juli ungefähr gleich viel. Diese günstige Lage der Wirtschaft darf jedoch nicht zu einem übertriebenen Opttmismus führen. Eine staatliche Handelsflotte. Warschau , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) In einer Ministerkonferenz wurde die Frage einer polnischen Han- d e l s f l o t t e besprochen. Der Handelsminister erklärte, daß die Initiative in dieser Angelegenheit, die bisher privaten Unterneh- mungen überlassen worden ist, nicht zu einem nennenswerten Ergeb- nis geführt hat. In acht Iahren sind lediglich zwei Schisse mit je 1000 t gebaut worden. Die Regierung ist daher entschlossen, den Bau einer Handeleflotte selbst zu übernehmen. Ein entsprechendes Projekt soll von einer besonderen Kommission ausgearbeitet und bald dem Ministerrat unterbreitet werden. Es ist an den Bau von vorerst 18 Schiffen gedacht, mit insgesamt 70 000 t Inhalt. 4_ verhlnüerte§aschiftenrache. Der König gegen Emigranteucntrechtung. Paris , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Eine politische Persönlichkeit, die im„Eorriere degli Italiani" ihre Beobachtungen über das faschistische Leben und Treiben, die an aussichtsreicher Stelle gemacht sind, veröffentlicht, teilt mit, daß die mit der Anwendung des Gesetzes gegen die Emigranten betraute Kommission in die Ferien gegangen ist, und zwar für unbestimmte Zeit. Die lange Liste derjenigen, die ihr italienisches Staatsbürgerrecht ver- lieren sollen und worin Namen wie Nitti, Don Sturzo, Professor Salvemini. Dr. Donati usw stehen, ist nicht mehr herausgegeben worden. Die Leisetreter des Regimes sollen darauf- hin das Gerücht verbreitet haben, der König habe, nachdem er das gegen di« früheren sozialistischen Abgeordneten Vactrca und Tonello gerichtete Dekret in der Zerstreuung unterschrieben habe, die Feder weggeworfen und erklärt, er werde derartige Dekrete von nun an nicht mehr unterzeichnen. Ein hohes Tier des Regimes hat darauf der genannten poli- tischen Persönlichkeit erklärt, das Gesetz gegen die rcgierungsseind- lichen Emigranten sei eine Dummheit des Iustizministers Rocco, der glaube, die Emigranten mit dieser Drohung in Schrecken ver- setzen zu können. In Wirklichkeit habe dieses Gesetz der Regierung mehr Schaden als Vorteile gebracht. Mussolini habe, um den König zur Unterzeichnung des Gesetzes zu treiben, ihm die antimonarchistischen Zeitungsausschnitte der antifaschistischen Presse im Auslande vorgelegt. Nach ihrer sorgfältigen Lektüre habe der König sie mit der einfachen Bemerkung dem Archiv einverleibt:
«Wenn die Emigranten alle Republikaner sind, scheint es mir unklug, jedem persönlich den Beweis dafür zu geben, daß ich darüber erzürnt bin!" Man sieht daraus, daß Viktor Emanuel sich doch geistige Selbständigkeit bewahrt hat. Paris , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Während des Aufenthalts Rabindranath Tagores in Italien hat die Faschistenpresse den berühmten indischen Dichter und Weisen als einen glühenden Verehrer des Duce und des Regimes der Schwarz- Hemden hingestellt. Der„Eorriere degli Italiani" teilt nun mit. daß dieses Gerücht, das verständige Menschen n i e geglaubt haben, einen geharnischten Protest Rabindranath Tagores heroorge- rufen hat, da er sich verpflichtet gefühlt hat, seine Abneigung gegen das faschistische Regime kundzugeben. Tatsächlich hat er an seinen Freund C. F. Andrews einen Brief zur Veröffentlichung in der Presse geschrieben, in dem er u. a. sagt: Die italienischen Zeitungen haben den Eindruck zu«erwecken gesucht, ich hätte dem Faschismus meine moralische Unterstützung geliehen. In allen meinen Schriften habe ich den moralischen Selbstmord verdammt, der sich in fast allen Ländern Im»i n f a m c n Kult der Religion des Nationalismus verwirklicht. Daß man mir die Gutheißung einer Laufbahn voller ge- wifsenloser Uebertritte zutraut, das empört mich im höchsten Grade. Sollte ich die Sache des Faschismus gutheißen, würde das für mich moralischen Selbstmord bedeuten. Es ist mir völlig unmöglich, diese Gerüchte umhergehen zu lassen, ohne sie Lügen zu strafen. Die Methoden und Grundsätze des Faschismus gehen die ganze Menschheit an und es ist unsinnig, anzunehmen, daß ich eine Bewegung unter- stützen könnte, die in unversöhnlicher Art jede Freiheit der Meinungsäußerung unterdrückt, zu Verpflichtungen aussorderl. die dem individuellen Gewissen widerstreiten, und die aus einer von Gewalttaten, Verbrechen und Lüge getränkten Straße marschiert. Es wäre töricht, ja es wäre geradezu verbrecherisch für mich, meine Bewunderung sür ein politisches Ideal auszusprechen, das unverhüllt seinen Glauben an die brutale Gewalt als zivilisatorische Kraft bekennt. Diese Verehrung der nackten Ge-' walt als Mitel des Nationalismus entfacht bloß wieder die Feuer des internationalen Hasses und schließlich einen Welten- brand. Man begreift, daß diese Worte in der italienischen Faschisten- presse nicht erscheinen dürfen!
Italo-fpanische Geheimklauseln? Französischer Verdacht. Paris , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Jetzt, wo der Wort- laut des kürzlich abgeschlossenen italicnisch-spanischen Freundschafts - vertrage» vorliegt, beginnen in der Pariser Presse allerhand Zweifel darüber laut zu werden, ob in der Tat der ganze Pertrag oder nur ein Teil von ihm veröffentlicht worden ist. Die gegenwärtig bekannte Form rechtfertigt nämlich, meint der„Paris Soir", die Freudenausbrüche der Diktaturpresse der beiden Länder nicht: es sei also zu befürchten, daß der Vertrag Geheimklauseln sür ganz bestimmte Eventualfälle enthalle.
parteitassentscheiüung in Selgien. Ueber die Teilnahme an der Regierung. Brüssel , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Die Brüssel er'so- zialistische Funktiönärtonferenz beschloß nach mehreren Sitzungen, und einer teilweise heftigen Debatte, an der auch Vanderoelde teil- nahm, mit 120 Stimmen gegen 18 bei 7 Enthaltungen, zur Besprechung der politischen Lage die Einberufung eines Parteikon» g r e f s e s zu oerlangen, ehe dem Budget für 1927 zugestimmt wird. Mehrere Redner hatten sich eifrig für den Austritt der Sozialisten aus der Regierung eingesetzt. Unter dem Einfluß der Besserung des Frankenkurses ist die Opposition aber merklich abgeflaut. Der Kongreß dürfte im Oktober stattfinden.
Der neue tschechische Generalftabschef. Ein ehemaliger K. u. K. General! Prag , 19. August.(Eigener Drahtbericht.) Amtlich wird mit- geteilt, daß als Nachfolger Gajdas in der Funktion eines General- stabschefs der bisherige Landesmilitärkommandant für Mähren in Brünn , General Alois P o d h a j s k y, ernannt wurde. Damit ist die Leiwng der tschechischen Armee, die bisher zweimal in den Händen französischer Generale(Pelle, dann Mittelhauser), und zweimal in denen gewesener Legionäre(Syrovy, dann Gajda) lag, einem ehemaligen österreichisch-ungarischen General über- tragen. Podhajsky diente im K. u. K. G e n e r a l st a b sowie im Kriegsmini st erium und war dann bereits im alten Oester- reich Kommandant der Brünner Division.
China foröert Gleichberechtigung. Von seinen Verbündeten a. D. London , 18. August. (EP.) Nachdem China bereits die Zoll- vertrüge und den Exterritorialvertrag mit Belgien für den 29. Oktober gekündigt hat, bietet es diesem jetzt einen auf der Basis der Gleichberechtigung und der Gegenseitigkeit beruhenden Vertrag nach dem Muster der mit Deutschland und Deutsch- österreich abgeschlossenen Verträge an. Im Falle der Ablehnung droht China mit der Ausdehnung des Boykotts der englischen und japanischen Waren auf die belgischen Artikeü Nach den euro päischen Diplomaten zugegangenen Nachrichten bildet dieses Vor- gehen Chinas nur den A u f t ak t zu einer allgemeinen Zoll- Vertragskündigung, von der zunächst Spanien , Portugal , Holland , Italien , Frankreich , England und die Dereinigten Staaten betroffen werden.
Die kalholischen Bischöfe in Deuffchöslerreich haben wieder einmal den Pfarrern ausgetragen, den Katholiken jede Sympathie und schon gar jedes Eintreten(besonders mit dem Stimmzettel) für Sozialdemo- kratie, freie Gewerkschaften, Arbeiter-Kindersreunde usw. zu verbieten. Sie beweisen damit nur, daß die Christlichsozialen ernstlich um ihre (ziemlich knappe) Parlamentsmehrheit besorgt sind, wohl infolge der vorbildlichen Verwaltung Wiens durch unsere Genossen wie durch die sozialdemokratische Landagitation. Mögen die Bischöfe stolz sein auf ihren Erfolg, daß die fanatisch antlkatholische„Kreuzzeitung " diesen Hirtenbrief fett abdruckt und ihn dem Dr. Wirch zur Einkehr (in die Iunkerei)»orhältl Ein nobler Faschist. Wie der Brüsseler„Peuple " bemerkt, hat der Vater des ermordeten Leutnants Grafs, General a. D. und Lberfafchist, aus Entrüstung über die Begnadigung der Hamborner Polizeibeamten wohl sei»« militärischen Ehrenzeichen zurückgegeben, sich aber gehütet, auch die 200 000 Franken zurückzuerstatten, die er als Schadenersatz für den Tod seines Sohnes empsangen hat.