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.. g,... Unterhaltung unö A�issen
Macugnaga. Eine deutsche   Sprachinsel. von Paul Gulmana. Der Name klingt für den an die italienische Sprache Gs- wähnten an Cuccagna   an. was soviel wie Schlaraffenland bedeutet. Llber es ist im Gegenteil die rauheste Berg- und Gletschereinsamkeit, allerdings durch ihre Großartigkeit den Betrachter magnetisch an- ziehend, die sich mit dem Namen Macugnaga oerbindet. Das ita- lienische Zermatt  , an Erhabenheit der Natur jenem weltberühmten Touristenort ebenbürtig, obwohl in mancher anderen Hinsicht noch besonders interessant, fast nur dem Reisepublikum aus Mai- land und anderen oberitalienischen Städten bekannt. Durch seine abgelegene Lage am Fuße der hier überwältigend majestätischen Monte-Rosa.  Gruppe. die nur durch besonder, schwierige Uebergänge zu überwinden ist, am Endpunkt einer jähen Talschlucht, an deren Slbgründen ein elendes Postauto in einem für unsere Begriffe tollkühnen Tempo dahinjagt. ist Macugnaga dem großen Touristen- ström vorläufig entrückt. Und doch müßte gerade der Deutsche   sich hier heimisch berührt fühlen, da er hier in Italien  , am Südrande der Alpen  , eine Bevölkerung findet, die inmitten ihrer romanischen Umwelt seit Jahrhunderten ihre alte alemannische, deutsche   Mundart und ein eigenartiges Wesen sich bewahrt hat. « Für den, der aus dem ganz südlichen Dal Anzasca kommt, wo Lorbeer und Myrte, Ol«ander und Edelkastanie, Wein und Feigen üppig gedeihen, wo an den schroffen Talstürzen, hoch über der brausenden Anza, bunte italienische   Ortschaften mit prunkenden Kirchen thronen, für den Ist es ein seltsames Erlebnis, wenn er plötzlich nicht nur die Bauart der Häuser verändert sieht, sondern aus dem Munde ihrer Bewohner Laute hört, die zwar nicht deutsch sind, wt« wir es kennen, aber dennoch die deutsche   Muttcrsprache verraten. Noch rauher und mittelalterlicher als die Schweizer  Mundarten klingt diese Sprache, von der die, welche sie sprechen, kaum selber wissen, daß sie deutschen Ursprungs ist. Fragt man erstaunt:.Ihr redet ja dütsch?"', so antworten sie:Js nach dütsch: is patoisl* Ihre Sprache, die sie seit ihrer vor drei, vier Jahr. Hunderten erfolgten Einwanderung aus dem Oberwallis sich erhalten haben, ist so fremdartig, daß sie selbst der Schweizer   kaum versteht. Da keiner von ihnen je etwa» in deutscher Sprache Gedrucktes zu sehen bekommt, niemal» deutsch   schreibt, da in der Schule nur ita» lienisch gelehrt wird, sind sie ganz auf die mündliche Ueberlicserung angewiesen. « Und hier beginnt da» Wunder. Seit Jahrhunderten mit den .Walschen", wie sie sagen, vermischt nur ganz wenige deutsche  Namen, wie Antermather, Imsand, Imseng sind noch vorhanden reden Kinder und Kindeskinder nicht etwa die Sprach« der Schule und Kanzel, sondern zu Hause ausschließlich alemannisch. Rätselhaft, wie das starre Festhalten der Zigeuner an ihrer Stammestradition, ist diese nationale Zähigkeit, die weit ehrwürdiger, weil naturhafter ist, als alles nationale Phrascngeklingel. Gute Italiener das zeigen die zu Ehren der Kriegsgcfallenen gepflanzten Baumalleen. deren jeder Baum Name, Regiment und Todesstätte seines Patron» auf einem Täfelchen kündet sind sie in ihren Lebensäuherungen durchaus deutsch  . Die uralt« Dorfllnde im Ort, die hölzernen wind- schiefen Häuser mit schrägen Dächern, die man im Süden nicht kennt, sie zeugen von einer Blutsverwandtschaft, die Ströme hinzu- gekommenen romanischen Blutes nicht haben verwischen können. Seltsam wie ihr Wesen ist auch die Gewohnheit der Frauen, die in der Kirche ein großes weiße» Linnen, ein Sterbelinnen, sich über Kopf und Oberkörper ziehen und in diese Gebetmäntel vermummt. wie große weiße Bögel in erstarrter Haltung, ihre Andacht ver- richten. Es ist«in unheimlicher Anblick, ein ganzes Dorf von Frauen in diese Totentücher eingewickelt, scheinbar leblos, kauern zu sehen. Wenn sie am Sonntag aus ihren Ortschasten, deren Gesamtname Macugnaga ist, die aber neben dem italienischen  Namen noch die deutschen: Zertannen, Stapf, Am Strich usw. tragen, in die Hauptkirche kommen, wo neben ihnen die eleganten Gäste des Grandhotel Monte Moro der Predigt zuhören, so glaubt man, das Mittelalter sei wieder aufgestanden. Doch wenn man vor der im Innern von Marmor und Gold strotzenden Kirche mit ihrem großartigen Hintergrund von Gletschern und Schneewänden steht und dort die auf einer Marmortafel eingemeißelte Inschrift liest, so fühlt man, Mittelalter und Neuzeit sind In diesem Lande aus» in- innigste verbunden. Auf dieser Tafel wird eine Wunderleistung der Hochtouristik, nämlich die vor Jahrzehnten erfolgte Besteigung der Dusourspitze und des Colle Zumstein, der höchsten Gipfel de» Monte Rosa  , von der überaus schwierigen Südwestseite, von Macugnaga aus, als eine Pilgerfahrt zu Ehren Gottes und zur Gewahrwerdung seiner größten irdischen Schöpfungen in pompöser Sprache gefeiert. Und wer ist jener auf Marmorgrund verewigte kühne Hochtourist gewesen? Der Priester Dr. Ratti. der jetzige Papst Pius XI.  
Erziehung unö Vererbung. Bon Dr. Siegfried Bernfeld, Wien  . Unter den bürgerlichen Pädagogen findet in den letzten Jahren eine Anschauung immer mehr und immer lauter Anklang, die für das Proletariat von höchster Gefährlichkeit ist. Die Gefahr ist de. sonders groß, da sich diese Theorie als Wissenjchoft kleidet, also un­erschütterliche Wahrheit zu sein vorgibt. Der sehr gelehrt klingende Name dieser angeblichen wissenschaftlichen Lehre ist Erbbiologie. Sie behauptet, die Erziehung werde allgemein überschätzt. Die wich- tigsten seelischen Eigenschaften des Menschen werden nicht durch seine Umgebung, seine Erfahrung, seine Erziehung gebildet, sondern sind angeboren und durch keine Einwirkungen in Kindheit und Jugend beträchttich veränderbar. Und ganz besonders die.Intelligenz ist viel weniger von Erziehung, Unterricht, Schulung abhängig als man meint. So behauptet die Erbbiologie. Und zwar soll die, durch neue, wissenschaftliche Untersuchungen einwandfrei festgestellt sein. Totsächlich wird jeder, der mit Kindern zu tun hatte, au  « seiner Erfahrung manchen Fall kennen, der ihm selbst ähnliche Gedanken nahelegte. Wie wenig erreicht doch oft jahrelange Bemühung bei manchem Kind, und wie leicht ist es. ein anderes zum gleichen Ziel zu bringen. Wie verschieden schnell lernen dieselben Kinder beim selben Lehrer, in derselben Schule. Wie deutlich sieht man doch, daß Kinder intelligenter Eltern sichtlich bester« Fortschritte machen al, die Kinder von stumpfen Eltern. Zahlreiche Familien zeigen den- selben Eharakterzug. dieselben Eigenarten gute und bös« be, sehr vielen ihrer Mitglieder. Mancher findet, daß es ihm nicht ge- lingt, seinem Kinde einen Fehler abzugewöhnen, den er selbst oder ein naher B-rwandter besitzt, ein anderer kann mit Vergnügen fest- stellen, daß sein Kind Borzüge besitzt, die er selbst an sich kennt. Wer sich mit sei neu Eltern vergleicht, wird oft st nden, daß er nicht m»
körperliche Eigenschaften, sondern auch manchen seelischen Zug mit ihnen gemeinsam hat. Solche Erfahrungen machen uns geneigt, von Vererbung zu sprechen. Und warum sollte nicht für Seelisches da». selbe gelten, was beim Körper bestimmt zutrifft: daß es eine Ver- erbung gibt. Aber ebenso hat jedermann gewiste Erfahrungen, die dieser An- sicht widersprechen Wie unähnlich sind oft Geschwister in Charakter und Intelligenz. Wie oft wrd ein Kind, das seinem Lehrer als dumm galt, plötzlich klug und eifrig in einer neuen Schule, erscheint ein bisher braves Kind plötzlich vom Bösen besessen, weil es einen neuen Freund fand. Armut, Sorgen, all die tausend Milieueinflüsse wirken so sicher auf die Entwicklung des Kindes ein, daß es ganz gewiß nicht nur die Vererbung sein kann, die Charakter und In-
Achtung! SN d«e Zeüichrist.die Slankarfe* hol der»lehchel« seiner Sympalhle r»e«»«liiischeu Meuchelmord auffällig deiouie» U-odruck gegeben.)
telligenz der Menschen bestimmen. Hat man sich aber vergewissert. wie nichtig für den werdenden Menschen die Umwelt ist, in der er auswächst, so werden Tatsachen, die scheinbar für die Vererbung sprechen, nunmehr zu Beweisen gegen sie. Denn: sind die Kinder den Eltern seelisch ähnlich, so könnte dies wohl die Folge der Vererbung sein, aber es kann auch die Folgei davon sein, daß Eltern und Kinder dieselbe Umwelt gemeinsam haben. Dies zu entscheiden reichen die Erfahrungen des Einzelnen nicht aus. Hier muß die Wissenschaft einsetzen, die richtige Erklärungen für die widersprechenden Tatsachen findet. Die Wissenschast arbeitet langsam, sie steht heute im ersten Ansang: es wird Jahrzehnte dauern, bis sie auf diesem Gebiet zu sicheren Resultaten gelangt ist. Aber die sogenannteErbbiologie"? Sie behauptet bereits, sichere Ergebnisse zu haben. Eben das macht uns mißtrauisch und wir fragen: Welche Folgerungen zieht man aus den angeblich sicheren Resultaten? Sehr einfach:.Wenn man in den höheren Scbnlen und in der Hochschul« so wenig Arbeiterkinder findet, so hat das seinen Grund nicht darin, daß die Arbeiterkinder durch die Klastenmacht der Bourgeoisie von der höheren Bildung ausgeschlossen werden, sondern- weil die Arbeiterschaft erbbiologisch von niederer Intelligenz ist. Die Begabten des Volkes sind längst in die ge- hobenen Berufe aufgestiegen."(Hartnacke, Organische Schulge- staltung.) So reden und schreiben immer mehr maßgebend« bürgerliche Pädagogen. Und nun, wo wir diese Folgerung gehört haben, verstehen wir, daß es da» Klastenintereste des Bürgertums ist und nicht das Ergebnis objektiver Wissenschaft, was hinter der Lehre von der enormen Bedeutung der Vererbung für die Erziehung steckt. Freilich, die Erziehung kann.nicht olles im Kinde ändern, was sie möchte: das ist gewiß. Aber nicht die Vererbung ist daran schuld, sondern die bürgerliche Gesellschaft. Weil die Arbeiterkinder unter. ernährt, übermüdet, in körperlicher und seelischer Not in der Schule sitzen, darum haben die Bürgerkinder so große Aussicht, gute Er- folge zu erlangen und nicht, weil da» Proletariat seine Kinder dauernd erblich belastet. Wenn die Vererbungslehre(in der Erziehung) beim Proletariat Glauben findet, so wird sie jeden einzelnen Ar. beiter mit Mutlosigkeit und Hoffnungslosigkeit beim Klassenkampf lähmen, während die Lehre von der Bedeutung der Umwelt, der ge- sellschaftlichen Produktionsverhältnisse die revolutionären Kräfte ver. oielfältigt. Deshalb fördert da» Bürgertum die Wissenschaft von der Vererbung. Früher redete man demVolke" ein, die Armut und der Kapitalismus feien gottgewollte Einrichtungen, die man mit Demut tragen miiise. Heute will man das Proletariat lähmen, in- dem man sagt, seine Lage sei von Naturgesetzen gewollt, von der Vererbung, die Wissenschaft beweise dos. Aber das Proletariat wird lernen, die bürgerliche Wissenschaft in ihren Klassentendenzen zu durchschauen._ RuPsthe Ehen. Der bekannte kommunistische Schriftsteller S o s n o w s k y be- richtet in der ,.P r a w d a" vom t. August über einen Fall, der sich in Odessa   ereignet hat, und der. da er gewiß einen seltsamen Aus- nahmefall darstellt, wiedererzählt zu werden verdient: Der Kommunist Th. Sigow, der den Posten eine» politischen Leiters im N-ski Regiment bekleidet, erschien eines Morgens bei Fräulein B. und stellte ihr den Antrag, sofort seine Frau zu werden, d. h. sich sofort mit ihm nach dem Standesamt zur Registrierung der Ehe zu begeben. Fräulein B., die Tochter eines subalternen Beamten, war über diese Eile nicht wenig erstaunt und bat um«ine Bedenk- zeit von 24 Stunden. Sigow setzte ihr aber auseinander, daß kein Grund zum Nachdenken vorliege. Er brauche eine Frau, sie einen Mann. Er müste um so schneller heiraten, als er von seiner ver- storbenen Frau ein Kind habe, das dringend einer Mutter bedürfe. Fräulein B. müste dem verwaisten Kinde die Mutter ersetzen. Fräulein B. gab ihre Bedenken auf. Um 3 Uhr waren sie bereits gesetzlich getraut. Aus diesem Anlaß fand bei den Eltern der Braut ein Festessen zu Ehren der Junavermählten statt. Um 5 Uhr führte Sigow die junge Frau in sein Zimmer. Zwei Stunde« später jedoch,
als er dos Ehebett verlieh, erklärte er seiner Frau:Ich muh Sie für das Geschehene um Entschuldigung bitten. Sie sind aber keine passende Mutter für mein Kind und außerdem sind Sie auch sehr unentwickest. Sie sind nicht die richtig« Frau für mich. Sigow ersuchte seine Frau, seine Wohnung zu oerlassen. Er sei sehr beschäftigt, er müsse um 8 Uhr im Regiment sein und seine Woh- nung zuschließen. Man darf keineswegs behaupten, daß Sigow sich gewisser Ver- pflichtungen gegenüber seiner jungen Frau nicht bewußt war. Er gab ihr zehn Kopeken für die Straßenbahn und bat, ihn nicht länger aufzuhalten, da er in, Dienste der Partei stehe und die Disziplin streng achte. Sie weinte, klagte darüber, daß sie entehrt sei, daß sie sich schäme, zu ihren Eltern zurückzukehren. Alle wüßten doch, daß sie sich heute mit einem Kommumsten verheiratet habe und nun diese Schande! Sigow, mit dem Blick auf die Uhr, erklärte der weinenden Frau, daß das Gefühl der Scham ein Vorurteil, die Jungfernschaft ein noch schmachvollere» Vorurteil sei. Im übrigen habe er es sehr eilig. Zeit ist Geld. Aus dem Gefühl heraus, daß ihr eine Schmach an- getan war, ging dieFrau" Sigows zu dem Staatsanwalt. Dort wurde ihr jedoch erklärt, daß in diesem Fall eine strafbare Handlung nicht nachzuweisen sei. Sigow habe sich verheiratet, Sigow habe sich scheiden lassen. Weiches Gesetz verbiete e», in einer Stunde, nachdem die Ehe geschlossen wurde, sich scheiden zu lassen? In Wirklschkett hat Sigow für zehn Kopeken eine Frau zu Willen gehabt. Eine Prostituierte würde teurer und vielleicht auch gefährlich sein. Das war ihm wohl klar. Di« Kontrollkommission der Kommunistischen Partei hat Sigow einen Verweis erteilt. Der Verweis hat ihn jedoch über seine Handlungsweise nicht aufgeklärt. Einem Journalisten gegenüber drückte er sein Erstaunen.aus, was man eigentlich von ihm wolle. Tränen seien seiner Ansicht nach vom kommunistischen   Standpunkte aus verwerflicher Idealismus. Die Empörung des jungen Mädchens und ihrer Eltern fei nichts anderes als Spießertum, das kein Verständnis für ihn haben könne. In Freundeskreisen wird man Sigow scherzhast auf die Schulter klopfen und zu seiner Ehe gratulieren. Der Verweis wird als eine nichtssagende Formalität uiid eine Konzession an dasSpießertum" betrachtet, er selbst jedoch als ein tüchtiger Kerl bewundert werden. der aus so geschickte Weise ein Mädel zu verführen verstand. Und was die Hauptsache ist alles nur für zehn Kopeken." Sosnowsty scheint durch diesen Fall von moralischer Verwilde- rung sehr beunruhigt zu sein. Er schließt mit den Worten: Dieser Fall erweckt Bedenken. Wenn alle Kommunisten sich in bezug auf die Sowjet-Ehe so verhalten werden wie Sigow, so werden alle unsere Debatten über die Ehegesetzgebung sich in eine nichts- sagende Posse verwandeln.".... Der brave Sigow setzt unterdessen seine nützliche Tätigkeit als moralischer und politischer Erzieher der Rotarmisten ungestört fort.
flesthetit öes Schlachtfeldes. Meinen Bedarf an Büchern decke ich immer bei meinem Freund Felix, der mit seinem Bücherkarren in der Friedricbstadt steht. Zwar ist er nicht Mitglied des Börsenvereins der deutschen Buchhändler, aber der Zufall hat es doch wiederholt gefügt, daß ich zwischen Ladenhütern ein interessantes und billiges Werk erwischte. Da ist mir nun letzthin ein Buch in die Hände gefallen, das zu lesen die halv: Mark schon lohnt, die ich dafür ausgegeben habe. Es sintl die Tagebuchaufzeichnunqen des Barons P c r c y, weiland Ches- chirurgen der großen Armee Bonapartes, In denen er seine Er- lebnisse, die äußeren und dieinnerlichen", in den Feldzügen von 1799 1809 getreulich berichtet. Eine genußreiche Lektüre. Da finden wir gleich aus einer der ersten Seiten de» Buches folgend» Stelle: Man zeigte mir auch einen Soldaten, der an einem Bein, da» schon ganz kalt war, den Brand hatte. Er sah noch verhältnismäßig gut aus, war bei Kräften und machte einen stillen und gleichgültigen Eindruck: gleichwohl fühlte er die Notwendigkeit der Amputation. Nachdem der Verwundete aus einen Stuhl gesetzt worden war, ersuchte ich meine Gehilfen, mir in der Kompression ordentlich an die Hand zu gehen, legte die Instrumente neben mich und fing an zu schneiden. Die Arterie blutete, ich lieh sie zusammenvressen. sie blutete immer noch. Ich wandte den Retrakteur an, der aber schlecht gehalten wurde. Das Abschneiden des Knochens war schwierig: der Mann verlor viel Blut. Kaum waren wir mit dem Verbinden fertig, als der Soldat in Ohnmacht fiel. Ich glaubte, er sei tot. er anderthalb Liter Blut verloren hatte und ließ ihn wie eine Leiche forttragen, aber den nächsten Tag befand er sich sehr wohl. Ich fah noch wenig Schenkelamputierte, denen es am nächsten Tag so gut ging. Da ich ihn nach der Operation für tot oder wenigstens sterbend gehalten hatte, war er nur in aller Eile verbunden worden(!), und ich hatte dem Apotheker gesagt, daß, wenn er ihn in einer Viertelstunde noch lebend fände, er ihm vierundzwanzig Tropfen Opium geben solle. Dieser tat es, und ich bin sicher, daß wir den Mann durchbringen werden: er wird einen schöne» Stummel haben!" Wird sich der Invalide über dieseschöne" Trophäe gefreut haben! Das ruft eine Kriegserinnerung in mir wach. In einem nord- französischen Lazarett lag in unserem Saale auch ein oldenburgische» Grenadier, der einen komplizierten Hals- und Unterkieserschuß hatte. Zudem war ihm der rechte Oberschenkel durch eine Schrapnellkugel zersplittert. Dieser arme Kerl wurde, obwohl nach geraumer Zeit transportfähig, immer wieder im Lazarett zurückgehalten, während die Kameraden noch Deutschland   befördert wurden. Der Herr Ober- stabsarzt machte nämlich seine Studien an ihm. Die Wunde ermöglichte es ihm, irgendeinen interessanten Vorgang, ich glaube in den Speicheldrüsen, zu beobachten, über den die medizinische Wissen- schaft bis dato ziemlich im Dunkeln getappt hatte. Eine ganze Seri» gutbezahlter Artikel in einem Fachblatt und natürlich die Erhöhung des wissenschaftlichen Rufes des Herrn Oberstabsarztes waren di« Früchte dieser sicherlich weniger für ihn als den Verwundeten an- strengenden Tätigkeit. Als aber dessen Heimtransport nicht mehr länger aufgeschoben werden konnte, drückte ihm der Herr Oberstabs- arzt zwanzig Mark(seine Etappenzulage für etwa zwei Tage!) in die Hand mit den anerkennenden Worten: Da, nehmen Sie, junger Freund: Sie haben sich um die Wissenschaft verdient gemacht!" Dieser für die ärztliche Wissenschast so verdienstvolle deutsche  Mann verkaust jetzt am Stettiner Bahnhos denn er war Berliner Streichhölzer.-- Z
Notizen. Der schnellste Zug in Deutschland   verkehtt zwischen München  und Nürnberg   mit 88,4 Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde. Als größte Meerestiefe lotete neuerdings ein japanische» Per- messungsschiff südöstlich von Tokio   9947 Meter. Die tiefste bisher bekanm gewordene Stelle östl'ch der Philippinen   wurde mit 9788 Meiern ermittelt. Aus einem Kilo Maiglöckchenblüten kann man 15 Kilogramm parfümiertes Wasser gewinnen, das 299 Gramm eines genügend starken Auszugs für Taschentuchparfüm liefert. Die erste Kunde, die von dem Kautschuk aus Amerika   kam, ver- danken wir Columbus. Für soziale Zwecke hat die deutsche   Wirtschast im Jahre 1925 rund 2790 Millionen Mark ausgebracht, besonders für Kranken-, Invaliden-, Unfall-.und Angestelltenversicherung, sowie für die Er- werbsioseujürjorge.