Abendausgabe
Nr. 393 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 194
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Sonnabend
21. August 1926
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Ein Ruf aus Bierville.
Paris , 21. August.( Eigener Drahtbericht.) In der gestrigen Schlußfizung der Kommiffionsarbeiten des internationalen Friedens fongresses in Bierville hat die frühere Reichstagsabg. Genoffin Adele Schreiber eine Rede in französischer Sprache gehalten, in welcher sie alle Teilnehmer in ergreifenden Worten auffordert, ihr ganzes Leben dem Kampf um den Frieden zu widmen. Es genüge nicht, äußerte sie, hier auf dem Kongreß aktiv zu sein, mun müsse es auch zu Hause sein, und dort um so mehr, je mehr die Gesellschaft, in der man derkehre, den Friedensgedanken noch nicht aktiv zu verfechten bereit seien.
Reichstagsabg. Professor Dr. Bergstraßer( Dem.), erklärte in einer Unterredung über die Stellung der deutschen Parteien zum in einer Unterredung über die Stellung der deutschen Parteien zum Pazifismus u. a.: Deutschland ist gegenwärtig in seiner großen Mehrheit wirtlich pazifistisch, und in dieser Hinsicht ist zu wünschen, daß die Frage der vollkommenen Räu mung des Rheinlandes bald geregelt wird, denn dadurch würde den Gegnern des Bazifismus ein Argument genommen, dessen würde den Gegnern des Pazifismus ein Argument genommen, dessen sie sich mit Vorliebe bedienen.
Die Möglichkeit des Gaskriegs. Williamstown , 21. Auguft.( WTB.) Auf der Tagung des Instituts für Politik erklärte Sir James Irvine von der St. Andrews- Universität , Schottland , eine Herabsetzung der Flotten rüftungen nüze wenig, solange der Gaskrieg erlaubt sei. Diejenige Nation, welche die leistungsfähigste chemische Industrie besize, habe auch die wirkungsvollste Kriegswaffe.
300 neue Marineflugzeuge im Jahre. Washington , 21. Auguft.( WTB.) Wie Konteradmiral Moffatt, der Leiter des Marineluftwesens, mitteilte, werden im laufenden Rechnungsjahr rund 12 Millionen Dollar für den Ankauf neuer Marineflugzeuge ausgeworfen werden. Die Luftrüftung der Vereinigten Staaten zur See foll um 282 Flugzeuge vermehrt werden, und zwar um 100 Kampfflugzeuge, 47 Beobachtungsflugzeuge, 61 Torpedoabwurf- und Auf flärungsflugzeuge und um 74 Schulflugzeuge. Die neuen Flugzeuginpen werden auf Grund eines Ausscheidungswettbewerbs festgesetzt werden, an dem 24 Fabrikanten teilnehmen werden.
Die Flotten sollen abbauen.
Paris , 21. Auguft.( WTB.) Wie„ New York Herald " aus Paul Smiths meldet, gedenkt Präsident Coolidge für den Fall, daß die Hoffnung, die er in den Erfolg der Genfer Abrüstungskonferenz jeze, fich nicht erfüllen sollte, eine zweite 3usammenkunft der auf der Washingtoner Konferenz vertreten gewesenen Mächte einzuberufen, besonders im Hinblick auf die Einschränkung der Tonnage der nicht in die Bestimmungen der letzten Washingtoner Konferenz einbezogenen Fahrzeuge. Senator Swanson werde nach Genf tommen, um gegenüber dem Bölkerbundsrat die ame= fanischen Vorbehalte für den Beitritt zum Haager Inter
nationalen Schiedsgerichtshof zu vertreten.
Die Genfer Schwierigkeiten. Spanien und Polen .
London , 21. Auguft.( EP.) Troß der Schwierigkeiten, die bei den kommenden Verhandlungen in Genf zu überwinden sein werden, glaubt der diplomatische Korrespondent des„ Daily Tele graph ", daß sich ein Erfolg erreichen lassen wird, wenn die englische Regierung eine offene und furchtlose Haltung einnehme, mit der sich Höflichkeit verbinden laffe. Die Tangerfrage habe an sich nichts mit den Verhandlungen in Genf zu tun, und ebenso auch nichts mit dem Eintritt Deutschlands , ganz abgesehen davon, daß die Verhandlungen über Tanger sich Monate hinziehen müßten, um die Lage zu klären und zu einem Ergebnis zu gelangen. Des ferneren sei nicht einzusehen, warum die englische Regierung sich in die Besprechung aller möglichen Ansprüche hineinziehen lassen soll. Die Studienkommission tonne nur Anträge stellen. Die letzte Entscheidung liege bei der Vollversammlung. Diesen geraden Weg fönne und müsse Großbritannien verfolgen und mit den durch schlagendsten Argumenten verteidigen, da es Garant der Locarnoabkommen sei.
Warschau , 21. Auguft.( EP.)„ Glos Prawdy"( Stimme der Bahrheit), das neue Organ Pilsuditis, fündigt die Schaffung einer Dölferbundsfeindlichen Gruppe im Völker bund an, wenn die Forderung Polens nach einem ständigen Ratssitz nicht erfüllt werden sollte. Diese Gruppe, der auch die fleine Entente( Benesch wohl nicht! Red.) und Griechenland angehören würden, werde eine allgemeine Demokratisierung des Bölterbundes durchsetzen, der in seiner gegenwärtigen Fassung eine absolutistische Institution sei. Die polnische Telegraphen agentur meldet aus Rom , Staatssekretär Grandi habe dem polnischen Gesandten Italiens Unterstügung der polnischen Ansprüche zugesagt.
Französisch- polnische Oftseeflotte?
London , 21. Auguſt. ( WTB.) Daily News," deren Marinemitarbeiter betont, daß im Oktober in Cherbourg mit dem Bau des größten Unterseebootes der Welt begonnen wird, erklärt, die französischen Flottenmanöver in der Ost jee mürten viel erörtert. Die Erörterung hänge zufammen mit
Berichten aus Danzig , daß Frankreich Kriegsmaterial, ein schließlich Flugzeugteilen, in großer Menge nach Danzig sende. Es heiße, daß Schweden über die Schaffung einer französisch - polnischen Ostseeflotte nicht wenig beunruhigt sei.
Kein Eupen- Malmedy - Tausch. Meldungen der Pariser Presse.
Paris , 21. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die Morgenblätter melden aus Brüssel , daß die Angelegenheit von Eupen- Malmedy endgültig als gescheitert anzusehen sei. Die belgische Regierung habe sich geweigert, auf den deutschen Vorschlag einzugehen, und zwar sei die Ansicht, daß der Vorschlag abgelehnt werden müsse, dem„ Echo de Paris" zufolge im Ministerrat von drei Ministern, darunter Bandervelde, vertreten worden. Unter wird insbesondere die Gefahr angeführt, daß durch eine Aenderung den Argumenten, die für die Ablehnung angeführt worden sind, der territorialen Klauseln des Versailler Friedens dieser und selbst der Dames Plan bedroht würden. Also scheine die belgische Regierung zu befürchten, die französische und englische Regierung zu verstimmen, wenn sie auf den deutschen Vorschlag eingehen würde.
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England hat nicht eingegriffen.
London , 21. Auguft.( WTB.) Wie Reuter amtlich erfährt, entbehren die Andeutungen der franzöfifchen Breffe je der Begründung, wonach Austen Chamberlain in der Angelegenheit der Grenzgebiete von Eupen und Malmedy eingegriffen habe, hinsichtlich deren behauptet war, daß Belgien über den Verkauf an Deutschland unterhandle, daß aber der Plan nicht weiter verfolgt werden würde, weil Sir Austen diesen Besprechungen ungünstig gegenüberſtünde.
In Uebereinstimmung mit einer Erklärung ber belgischen Regierung betont man auch in Berlin , daß offiziell Berhand. Iungen zwischen Deutschland und Belgien über Eupen- Malmedy überhaupt nicht geführt worden sind, also auch nicht ab gebrochen werden konnten.
Die spanischen Tangerwünsche. Angeblich verlangt Spanien nur eine Vorzugstellung in der Verwaltung.
Sozialismus im Zeitungsgewerbe
Entdeckungen einer Unternehmerseele.
Daß die vielen Zeitungsverlage von Hugenberg über Mosse und Ullstein bis zur Frankfurter Zeitung ", von der Nachrichten" für einen Teil ihres Betriebes freiwillig ,, Germania " über die ,, Rote Fahne" bis zu den ,, Hamburger den Sozialismus eingeführt haben, das ist gewiß eine Entdeckung, an die bis vor kurzem noch niemand gedacht haben wird. Wenn nicht ein so wachsames Organ für die Unternehmerinteressen vorhanden wäre, wie es die ,, Deutsche Bergwertszeitung" ist, so hätte die Mitwelt von dem großen Geschehnis überhaupt nichts erfahren. Glücklicherweise aber hat sich die Schwerindustrie in der Bergwerksgeitung" einen solchen Wächter hingestellt, der die kapitalistifchen Unternehmer auf ihre Interessen aufmerksam macht, auch wenn sie selbst sie verschlafen hätten.
Welche Gefahr der bürgerlichen Presse droht, ist weder den Verlegern, noch den Redakteuren bisher bekannt geworden. Sie sind nach der Bergwerks- Zeitung" dringend verdächtig, in ihren eigenen Angelegenheiten selbst SoAnschauungen" zu hegen! zialisten zu werden", ja sogar bolichemistische
Wenn solche Vorwürfe erhoben werden, dann muß schon etwas Ungeheuerliches geschehen sein. Man ist deshalb ge= spannt, was der Anklage zugrunde liegt.
Der Vorwurf wird erhoben, weil die Zeitungsverleger durch ihren Arbeitgeberverband für das deutsche Zeitungsgewerbe" in Gemeinschaft mit der Organisation der Redakteure, dem ,, Reichsverband der deutschen Presse ", eine Ber= forgungsanstalt gegründet haben zu dem Zwecke, den Redakteuren der Tageszeitungen und den festangestellten Mitarbeitern eine Bersicherung für das Alter, für die Invalidität und auch für die Hinterbliebenen zu schaffen. Diese in einem Tarifvertrage vereinbarte Bersicherung ist auf Antrag vom Reichsarbeitsamt für allgemein verbindlich erklärt worden. Ausgenommen von der Versicherung find nur zwei größere bürgerliche Verlage, die eine eigene Bersicherung für ihre Redakteure haben, und die Redakteure der sozialdemokratischen Presse, für die eine besondere Unterstügungsvereinigung besteht.
Bisher waren die bürgerlichen Redakteure stolz darauf, einem fogenannten freien Berufe anzugehören, der weder Examina fennt, noch einer bestimmten Laufbahn zu folgen brauchte; stolz auch darauf, daß sie als freie Geistesarbeiter durch ihre Tätigkeit das fulturelle und politische Leben des Boltes widerspiegeln und gleichzeitig beeinflussen tönnten. Der Gedanke, sie als eine Gruppe von Angestellten innerhalb kapitalistischer Betriebe zu betrachten und sie als solche in eine große Sozialversicherung einzureihen, ist von ihnen immer weit von sich gewiesen worden.
Paris , 21. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Außenminister Briand hat gestern die Vertreter der Großmächte und nach ihnen den spanischen Botschafter empfangen. Die Besprechungen beAber die Entwicklung der Zeitungsverlage aus Unter80gen sich auf anger. Den Morgenblättern zufolge soll der nehmungen einzelner Personen zum Eigentum und Werkzeug spanische Botschafter die Erklärungen Primo de Riveras großfapitalistischer Konzerne ist unaufhaltsam bedeutend abgeschwächt und geäußert haben, daß seine Regie- fortgeschritten. Immer mehr hat sich der Charakter der jourrung nicht daran dente, die„ Souveränität“ des Sultans von Manalistischen Tätigkeit verändert. An die Stelle einzelner Verroffo zu verkürzen, sondern sich darauf beschränke, eine Vorzugs ftellung in der Verwaltung des Hafens von Tanger zu erhalten. Der Botschafter soll hinzugefügt haben, daß Primo de Rivera die Absicht habe, Hand in Hand mit der englischen und französischen Regierung diefe Frage zu lösen.
Noch ein Rakofiprozeß? Wegen seines Volkskommissariats 1919! Gegen den so ungeheuer schwer verurteilten Mathias Ratosi hat die Bethlen- Regierung noch einen Prozeß eingeleitet, und zwar, weil er der Räteregierung angehört hat, also vielfachen Mordes, Raubes, der Notenfälschung usw. schuldig sei: kurz jener Verbrechen, in denen das Horthy- Regime feine kommunistischen Vorgänger und Wegbereiter gewaltig übertroffen hat.
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Die Räteregierung hatte 33 Mitglieder, von denen nur 10 nach dem Einmarsch der Rumänen nicht flüchteten; sie wurden denn auch prozeffiert, zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthaus ufw. Der urteilt, aber dann nach Rußland ausgetauscht, da die Sowjetregierung einfach die entsprechende Zahl ungarischer Offiziere, deren ja genug friegsgefangen in Rußland faßen, als Geifeln festgesetzt hatte.
Benn nun Ratosi, der in der Räteregierung gar teine Rolle gespielt, an den Terroraften auch gar feinen Anteil gehabt hat, angeklagt wird, so will stelleicht die Regierung nur die Möglichkeit erlangen, auch ihn auszutauschen, nachdem sie ihn wegen der bloßen Heimtehr hat zu langjährigem Zuchthaus verurteilen lassen. Da er gleich nach seinem Eintreffen in Ungarn verhaftet wurde, fann er nicht einmal das schwere Staatsverbrechen der Werbung für seine been vollbracht haben.
Hinrichtungen als Stühungsaktion. Nach allerdings zweifel hafter Meldung hat der Mandschureiherrscher Tichangtfolin 3 wölf chinesische Banfiers, darunter fieben Millionäre, in Mulden, Tschangtschun und Charbin hinrichten lassen, weil sie entgegen seinem Befehl in der sehr entwerteten mandschurischen Währung spekuliert hatten.
Die bulgarische Polizei entdeckte in der füdhulgarischen Stadt Sliven die Zentrale einer weitverzweigten fommunistischen Organisation"," die in Bulgarien verboten ist. 30 Personen, darunter Frauen, die Kurierdienste verrichteten, wurden festgenommen. Der Führer der Organisation hat sich der Verfolgung angeblich wider. jetzt und wurde beshalb fofort grigollen
leger, die mit ihrer Zeitung selbst gewachsen und verwachsen waren, sind Verlagsdirektoren und Generaldirektoren getreten. Der geschäftliche Charakter der Zeitungsunternehmungen wird im inneren Betriebe immer flarer erkennbar. Die zermürbende Tätigkeit angestrengter journalistischer Arbeit bringt die Redakteure in immer größere soziale Abhängigkeit. Die Erkenntnis davon bricht sich langsam, aber ficher Bahn in den Reihen derer, die ideologisch immer noch an dem Begriff eines freien Berufes festzuhalten geneigt sind. Sie sahen, daß zahlreiche ihrer Kollegen, die ihre Kräfte im Dienste tapitalistischer Zeitungsunternehmungen aufgerieben hatten, in ihrem Alter plöglich hilflos dastanden. Das hat den Wunsch nach einer sozialen Versorgung und nach einer tariflichen Regelung der Arbeitsbedingungen auch in diesen der individualistischen Weltanschauung ergebenen Schichten feimen und wachsen lassen.
Der Ruf nach dem Journalistengeseß, das gleichzeitig eine staatliche Versicherung der Redakteure umschließen sollte, wurde immer lauter erhoben. Vor einem solchen staatlichen Eingriff aber hatten die Zeitungsverleger einen Heidenrespekt. Um das Journalistengeset abzubiegen, haben sie sich bereit gefunden, auf dem Wege der Tarifvereinba rung die erwähnte Bersorgungsanstalt zu schaffen.. Diese paritätisch verwaltete Anstalt hat mit drei großen Lebensversicherungskonzernen einen Vertrag geschlossen, der die Versicherungen sicherstellt. Jeder Redakteur wird, soweit er nicht ausdrücklich bei der Allgemeinverbindlichkeitserklärung ausgenommen ist, vom Verleger zur Versicherung angemeldet. 10 Proz. des. Gehalts werden als Versicherungsprämie gezahlt. Davon tragen der Verlag und der Redakteur je die Hälfte. Außerdem zahlen die Verleger auf Grund vertraglicher Verpflichtungen noch 2½ Proz. des Redakteurgehalts in einen besonderen Fonds, aus dem für die älteren Redakteure, die nach dem normalen Versicherungslauf nicht mehr in den Vollgenuß der höchsten Rente kommen können, gewisse 3usazversicherungen
werden.
geleistet
Für jeden sozialpolitisch Denkenden bedeutet diese Art
Bersicherung einen großen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustande, besonders da durch die Allgemeinversicherung auch die Freizügigkeit der Redakteure gesichert wird. Das ist um so wichtiger, als die einzelnen Journalisten dadurch unabhängiger von ihren Berlagen I werden.