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Abendausgabe

Nr. 395 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 195

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10 Pfennig

Montag

23. August 1926

Vorwärts==­

Berliner   Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Unblutige Revolution in Griechenland  .

Der Diktator Pangalos gestürzt und verhaftet.

Paris  , 23. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Der Führer der nationalistischen Republikaner   General Kondilys hat in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag sämtliche Minister des griechischen Kabinetts verhaften laffen und die Dittatur" Pangalos gestürzt. Der Diktator selbst befand sich auf der Insel Spetsai  . Die gegen ihn angeordnete Berhaftung wurde durchgeführt. Der neue Macht­haber berief den Admiral konduriotis, den von Pangalos gestürzten Präsidenten, wieder auf sein Amt zurück.

Die Garnison von Athen   und die der Provinzen haben sich der Bewegung bereits angeschloffen. Kondylis verspricht in einem Aufruf dem griechischen Bolt, die Zwingherrschaft Pangalos zu stürzen und die Wahlen zum Parlament schnellstens durchzu­führen.

Die Bewegung bedeutet nicht die geringste Ueberraschung. Sie If hervorgerufen durch die unerträgliche Herrschaft des Generals Pan­galos, von dem man fagen kann, daß er sich in dem einen Jahre seiner Regentschaft überall und selbst bei feinen Freunden auf das tiefste verhaßt gemacht hat. Die Einmütigkeit, mit der Heer und Flotte fich ebenfalls in einem Aufruf an das Volk richteten und die Diszi­plin der Bevölkerung zeigen am besten, daß Pangalos nicht mehr die geringsten Sympathien in seinem eigenen Vaterland besaß. Sein

Sturz und sein Ende hinter Gefängnismauern, wie es jetzt zu er­

warten ist, waren schon seit Wochen nur eine Frage der Zeit.

Die amtliche Meldung.

Athen  , 23. August.  ( WTB.) Die Agence d'Athènes   verbreitet folgende amtliche Meldung:

Bolt und Armee, haben einstimmig die Diftatur Bangalos ge­Stürzt. Der Führer der Revolution, General Kondylis, hat den Admiral Ronduriotis aufgefordert, die Präsidentschaft der Republit zu übernehmen. Konduriotis hat die Aufforderung angenommen und

wird heute abend in Athen   eintreffen.

Hauptzwed der Revolution ist: Bollständige Wiederherstellung der Freiheiten des Volkes, Ansetzung von Par­lamentswahlen, Gefundung der nationalen Währung. General   Ron dylis ist beseelt von den herzlichsten Gefühlen für die Serben, seine Waffenbrüder, war er doch der erste, der im Jahre 1916 für die Verteidigung des griechisch- serbischen Bündnisses kämpfte. Er ist ebenso beseelt von herzlichen Gefühlen gegen die großen Alliierten, mit denen zusammen er im Weltkriege kämpfte.

Unmittelbar nach der Ankunft des Präsidenten der Republik  Konduriotis wird die Frage der Bildung eines neuen Rabinetts gelöst werden. Morgen wird General Kondylis mit ben Parteiführern zusammentreffen, um über ein Zusammenarbeiten zu beraten, mit dem Ziele, das Land zum normalen parlamentarischen Leben zurückzuführen.

Der frühere Diftator Pangalos wird von der Flotte verfolgt. Seine Verhaftung steht unmittelbar bevor. Die einzigen vorgenommenen Verhaftungen sind diejenigen des früheren Kriegsministers Tferulis und des früheren Unterstaats­sekretärs Matris. Im ganzen Lande herrscht vollkommene Ruhe. Die öffentlichen Dienste arbeiten in normaler Weise. Das Volk peranstaltet Feiern aus Anlaß der Abwerfung der Tyrannei.

Im Juni 1925 hatte General Bangalos mit Hilfe der Armee das damals amtierende fonservativ- republikanische Kabinett Michalakopulos gestürzt und die Regierungsgeschäfte selbst übernommen. Sein Putsch war die Ausnutzung des allgemeinen Unwillens gegen die Regierung Michalakopulos, besonders wegen ihrer außenpolitischen Schlappe, da Süd­flawien damals gerade den Bündnisvertrag mit Griechenland  gefündigt hatte; aber auch auf innenpolitischem Gebiet, haupt­fächlich wegen der Finanzpolitik und der Geldentwertung. Bangalos betonte in seinem ersten Manifest an das Bolt den ernsten Willen, die Steuergesetzgebung demokratisch zu gestalten, forrupten Beamten den Garaus zu machen, das Parlament nicht anzutasten, im Gegenteil noch zu stärken. In der Tat ließ er sich auch einige Tage nach dem geglückten Butsch von der Kammer das Bertrauen votieren und ein Ausschuß sollte die Verfassung in demokratischem Sinne revidieren. Es dauerte aber nicht lange, bis sich all dies als bloße Ma che herausstellte. Bangalos war fich bewußt, daß das griechische Bolt, das einen König nicht hat dulden wollen, sich noch weniger dem Diktat eines Generals beugen werde und deswegen versuchte er, seine diftatorischen Absichten mit dem parlamentarischen Mäntelchen zu decken. Als er aber schon im Sattel saß und die Zügel fest in der Hand hielt, war es ihm nicht schwer, zur offenen Diftatur überzugehen, um so mehr, als er sich in der Armee eine Garde von Getreuen gesichert hatte. Die Rammer wurde aufgelöst, der Verfassungsausschuß beiseitegeschoben, dem Lande eine nach eigenem Gutdünten ausgearbeitete Ber­faffung aufgezwungen, die Bangalos im Januar b. 3. auch noch ganz außer Kraft fette. All dies angeb­lich, um die Finanzen zu fanieren, die Flüchtlingsfrage un­gestört vom politischen Tagesstreit zu lösen und schließlich,

begegnen, mußte sie aber immer wieder rückgängig machen, da die öffentliche Meinung es gebieterisch forderte. Als vor einigen Tagen die Aufstände auf der Insel Kreta  losbrachen, wußte man, daß dies nur der Anfang des all­gemeinen Aufstandes sein werde. Bangalos ließ zwar den festnehmen, den Aufstand tonnte der Diktator nicht mehr ver­Führer der liberalen republikanischen Partei, Karfandaris, hindern. Der Führer des Aufstandes, der republikanische Nationaldemokrat General Kondylis darf als Wortführer aller Parteien betrachtet werden. Die neuen Männer ver­sprechen, baldigst Neuwahlen vorzunehmen. Die schwere wirtschaftsfrise ist in Griechenland   nur durch eine Stabilisierung der Währung aufzuheben. Die neue Regierung ist sich dessen bewußt und sie wird dementsprechende Maß nahmen treffen müssen, denn dieser Aufstand hat nicht nur einen politischen, sondern auch einen wirtschaftlichen und fozialen Hintergrund.

um dem seit Jahrzehnten dauernden Bruderstreit zwischen| Revolution durch Verbannung der politischen Führer zu Venizeliften und Antivenizelisten ein Ende zu machen. Die Finanzen hat er nicht janieren können, das Budget des vergangenen Jahres schloß mit einem großen Defizit ab, das diesjährige Budget zeigt ein Defizit von 700 mil lionen Drachmen. Das englische Pfund, das im Juni, wert war, ist inzwischen auf 450 Drachmen gestiegen und als Bangalos zur Macht gelangte, noch nicht 300 Drachmen dementsprechend war auch die Teuerung. Um die Koloni­sierung des Flüchtlingsheeres aus Kleinasien   durchzuführen, erklärte Bangalos eine zweite Völkerbundsanleihe nötig zu haben; der Völkerbundsrat zeigte jedoch keine Nei gung, einer nichtparlamentarischen Regierung eine Anleihe zu gewähren. Deswegen berief Bangalos vor einem Monat den alten Rechtsparteiler Eftagias als Ministerpräsidenten, nachdem es mißlungen war, irgendeine andere bedeutendere Persönlichkeit für dieses Amt zu gewin­nen. Von der angekündigten Rückkehr zum Parlamentaris­mus sah man nichts. Im Gegenteil, die Generalratswahlen, die für den August angesetzt waren, wurden auf den Dezember verschoben. Die Presseknebelung wurde immer ärger.

Aber eines war Bangalos gelungen: Unter dem Druck feiner Ungefeßmäßigkeiten vereinigten sich alle Par teien, Republikaner   und Monarchisten, zu einer Einheits­front. Die Republikaner   hatten die monarchistischen Par­teien davon überzeugt, daß Bangalos nur auf dem Wege der Gewalt beseitigt werden könnte, da er bei der Präsident schaftswahl durch unerhörten Regierungsdruck die Wähler zum größten Teil von der Urne ferngehalten und dadurch eine fcheinbare große Mehrheit erlangt hatte. Schon seit Anfang 1926, seitdem Pangalos die Diktatur offiziell ausgerufen und den Präsidenten der Republit, Konduiotis, zum Rücktritt gezwungen hatte, mußte man auf eine revolutionäre Entladung gefaßt sein. 3weimal versuchte der ehemalige Widersacher König Konstantins, General Plastiras, Pan­galos gewaltsam zu stürzen. Die Versuche mißlangen an der noch fehlenden Einheit aller Parteien. Seit April aber waren alle Parteien mit Bangalos' Beseitigung einverstanden, Armee und Marine hatten sich gegen Bangalos erklärt.

Das griechische Volk hat sich immer gegen die Diktatur, wer fie auch ausübte, gewendet und die Armee hat diese Gefühle geteilt. Bangalos versuchte, der aufkommenden

Friedensschluß in Mexiko  ? Besprechung Calles' mit den Bischöfen. Megito, 22. August.( Reuter.) Präfident Calles hatte zum ersten Male feit Beginn des Kirchenstreits mit hohen Würden­frägern der katholischen Kirche   eine Besprechung. Obwohl fein Uebereinkommen erzielt wurde, wird das Ergebnis doch als zu­friedenstellend bezeichnet. Präsident Calles betonte aus drücklich, daß die Gottesdienste wieder aufgenommen werden könnten, wenn die Kirche den Grundsah anerkenne, daß Kirchengebäude  Nationaleigentum seien. Der Episkopat gab nach seiner konferenz mit dem Präsidenten Calles die formelle Erklärung ab, daß Hoff­nung auf baldige Wiederaufnahme des Gottesdienstes bestehe. Die Besprechungen feien von beiden Seifen in äußerst freund­schaftlichem Geiste geführt worden.

Die Eupenfrage bleibt bestehen. Belgische Vermutungen.

Brüffel, 23. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) In ganz Belgien  ist man überzeugt, daß das Problem der Rückgabe Eupen  - Malmedys an Deutschland   auf die Dauer immer wieder in den Vorder­grund treten wird. Immerhin dürfte die französische   Attion gegen die Rückgabe auch für spätere Zeiten ihren Einfluß auf die Haltung der Regierung nicht verfehlt haben und es ist anzu­nehmen, daß man in Zukunft versucht, die Fragen Eupen- Malmedy  und Mart- Einlösung unter feinen Umständen mehr miteinander zu verknüpfen. Auch auf die Absicht, eine Rückgabe ohne Volks abstimmung vorzunehmen, dürfte ein für allemal verzichtet sein. Man stellt sich die Dinge hier jetzt so vor, daß ganz unabhängig von der Mark- Frage eines Tages nach erfolgter Volksabstimmung die Rückgabe von Eupen- Malmedy   gegen eine reichliche Entschädi­gung von Deutschland   für die in Eupen- Malmedy   gemachten Auf­wendungen erfolgt. Vorläufig herrscht hier der Eindruck vor, daß Berlin   nicht gewillt sei, die Fragen Eupen- Malmedy   und Mart­Rücklauf gänzlich voneinander zu trennen.

Ein deutsch  - belgisches Grenzabkommen.

Die Ratifilationsurfunden zu dem Abfommen zwischen dem Deutschen   Reiche und Belgien  , betreffend die Ausübung der Heil tunst in den Grenzgemeinden vom 28. Oftober 1925 find am 19. b. M. im Auswärtigen Amt   zu Berlin   ausgetauscht worden. Das Abkommen ist damit in Kraft getreten.

Armee und Flotte stimmen zu.

Paris  , 23. Auguft. Ueber die Revolution in Griechenland   bringt " Havas" folgende Meldung:

Athen  , 11,30 Uhr: Die Militärbewegung ist um 3 Uhr morgens ausgebrochen. Die Truppen der Garnison und die republikanische Garde, von Offizieren, die über den Verfuch auf dem laufenden eingedrungen und haben die Post und das Telegraphenamt, das waren, angetrieben, haben die Rafernen verlassen, sind in die Stadt Kriegsministerium, sowie die übrigen militärischen Behörden be­setzt. Kriegsminister General Tserulis, der sich während der nacht nach der Kaserne der republikanischen Garde begeben wollte, die als General Bangalos ergeben angesehen wurde, sah sich plötzlich den Führern des Aufstandes gegenüber und wurde sofort ver. haftet. Sämtlige übrigen Minister wurden in ihren Wohnungen festgenommen und werden weiter bewacht. Städten haben sich zustimmend ausgesprochen, ebenso auch die Die Garnisonen von Saloniti, Patras   und den anderen großen

Flotte.

Pangalos romantische Flucht und Gefangennahme. London  , 23. Auguft.( WTB.) Die Blätter berichten ausführlich Einer Meldung zufolge über die Revolution in Griechenland  . bereitete sich General Pangalos vor, von Spets at an Bord eines Seeflugzeuges zu entkommen, das dort zu seiner Ver­fügung stand. Aber ein Seeflugzeug der Revolutionäre verhinderte sein Entkommen. Pangalos ergab sich nach geringem Widerstand und wurde an Bord des Zerstörers Pergamos unter Eskorte eingeschifft. Es heißt, daß der Kommandeur des Bergamos ein Anhänger von Bangalos ist. Zwei weitere Zerstörer und einige Seeflugzeuge wurden entsandt, um nach dem Bergamos zu suchen mit dem Befehl, ihn zu verfenten, wenn er Widerstand leisten sollte.

Eine um 7,30 Uhr gestern abend aus Athen   abgesandte Meldung des Berichterstatters des Daily Telegraph  " lautet: Eine soeben beim Marineminister eingelaufene Meldung besagt, daß der Per­gamos von Seeflugzeugen nördlich der Insel Hydra  , nordwestlich Spetfai festgestellt wurde, und daß er von dem ihn verfolgenden blinden Schuß erwiderte der Bergamos nicht. Es wird erwartet, Zerstörer den Befehl erhielt, sich zu ergeben. Auf den ersten daß er sich ergeben wird, da er nicht entkommen fann, weil der verfolgende Zerstörer schneller ist und schwerere Geschütze benützt.

Eine weitere Meldung aus Athen   besagt: Ein kurzes Gefecht fand zwischen dem Zerstörer Bergamos mit General Bangalos an Bord und dem Kriegsschiff Kiklis und einem Seefiug­zeuggeschwader ohne endgültigen Erfolg statt. Der Zer störer Leon verfolgt den Bergamos, der in Richtung des Kap 3ante in südlicher Richtung abgefahren, anscheinend um General Matapan fährt. Kapitän Kolialegis ist mit anderen Zerstörern aus Bangalos bei seiner Flucht zu unterstüßen. Ein entschei dendes Treffen wird jeden Augenblick erwartet. Reuter zufolge ist die Haltung der vom Kapitän Kolialegis befehligten Flottilie gegenüber der Revolution nicht bekannt..

London  , 23. Auguft.( WEB.) Reuter berichtet aus 2 then: Dem Zerstörer Leon gelang es, den Zerstörer Pergamos zu über­holen und Pangalos zu verhaften. Der Zerstörer Leon ist mit Pangalos an Bord in Keratsini eingetroffen.

Gericht über Pangalos.

London  , 23. Auguft.( EP.) Wie aus Athen   gemeldet wird, er­flärte General Kondylis Pressevertretern, daß gegen alle diejenigen, die für den Sturz der alten Regierung verantwortlich seien, also auch gegen den nach den letzten Nachrichten verhafteten General Ban. galos, gerichtliche Verfahren eingeleitet würden. Eine befondere Kommiffion foll ernannt werden, um die Verantwortlichkeit des Generals Pangalos und seiner Minister zu untersuchen. Die Benfur werde aufgehoben, so daß die Presse wieder wie vor dem Regime Pangalos ungehindert erscheinen könne. Alle politischen Gefangenen würden sofort in Freiheit gesetzt werden. In Kürze werde er dem souveränen Volte sein Wiederaufrichtungsprogramm bekanntgeben.