Sonntag
5. September 1926
Alus der Film- Welt
Die Filme der Woche.
„ Die Geschichte des Prinzen Achmed."
( Gloria- Palast.)
Als dieser Märchenfilm aus Tausend und einer Nacht legten Winter in der Volksbühne seine Uraufführung erlebte, war es wohl der stärkste Erfolg, den je ein Film auf deutscher Bühne gehabt hat. Viele Bilder lösten dank ihrer Stimmungsherrlichkeit lautes Jubeln aus. Der Film hat jetzt erfreulicherweise den Weg in die großen Filmtheater gefunden, es wird am Publikum sein, ihm dort den gleichen Erfolg zu sichern, den er bei der Uraufführung hatte. Freitagabend war das Publikum wieder entzückt und machte die Unkenrufe der Konkurrenz und eines Teils der Filmpresse, die diesen Film nicht filmisch genug und zu ästhetisch findet, zuschanden. Man tann von diesem Film nur schwärmen. Die vierjährige Arbeit, die darauf verwendet ist von Lotte Reiniger und ihren Mitarbeitern, is bewundernswert. Aber das Resultat ist all der Mühen wohl wert. Hier ist ein Film geschaffen, der mit reinen Kunstmitteln, wie sie nur dem Film zu Gebote stehen, eine in sich geschlossene und künstlerische Wirkung erzielt. Im Anschluß an orientalische Vorbilder wird durch die bewegte Silhouette in der graziösesten Form der ganze Märchenzauber vor uns ausgebreitet; die erstaunlichsten Wunder, die eine orientalische Phantasie erfinden konnte, werden hier möglich. Die Naturlandschaft, die sonst die große Ueberlegen heit des realistischen Films darstellt, wird hier feineswegs vermißt, die Landschaften des Silhouettenfilms sind von einer Bartheit und Feinheit der Abstufung, daß sie alle Naturvorbilder leicht vergessen laffen. Gewiß, alles ist eine künstliche Welt, aber für das Märchen scheint dies die einzige Möglichkeit der Filmverwirklichung. Für das Publikum ist es zweifellos anstrengender und schwieriger, einem selchen Film zu folgen, der immer neue und ungewohnte Reize bietet, als den Trivialitäten der Filme aus dem Alltagsleben. Aber der Ertrag ist auch unendlich reichhaltiger. Die Bilder und Formen, die von feinfühliger Künstlerhand geschaffen sind, prägen sich ganz anders ein, und eine kongeniale Musik von Wolfgang 3eller hilft vollends dazu, die Phantasie aus dem Alltag zu befreien und ins Reich der Wunder und der Kunst spielend zu entführen.
Leider war die Introduktion, die man im Gloria- Palast dem Film gab, nicht sehr glücklich. Man hat dort zwar die Bühnenschaut von einst erfreulicherweise wieder abgeschafft, aber war es zwed entsprechend, einem solchen Filigranwerk eine Wochenschau und die zwar sehr interessanten Charakter- und Karikaturtänze der Balesca Gert, die aber auch in gar keiner Beziehung zu dem Nachfol genden standen, vorangehen zu laffen?
Wenn wir jetzt in Berlin die schon seit langem diskutierte Organisation der Filmbesucher hätten, so müßte diese sich mit allen Kräften für diesen Film einsehen. Damit würde sie Pionierarbeit leiften. D.
Zwei luftige Sachen.
( Ufa- Palast am 300, Mozart- Saal.)
Die Zeit, in der man nach dem Lustspiel suchte, war eine wahre Katastrophe für den Film. Man fam uns damals so albern, so idcenlos, daß schließlich viele an der Möglichkeit des Filmluftspiels zweifelten. Doch seit geraumer Zeit ist es nicht nur da, es bebauptet sich auch. Selbst eine solche kleine Harmlosigkeit wie„ Die Borerbraut, die im Ufa Palast am 300 uraufgeführt wurde, hat inimierhin noch ein gewisses Niveau. Wäre sie im Uranfana der Filmluftspiele erschienen, hätte der Regisseur Johannes Guter Lobeshymnen über Lobeshymnen geerntet. Jetzt stehen einer großen Begeisterung zu viele amüsante Borgängerwerfe entgegen. Das Manuskript für die Bogerbraut schrieb Robert Liebmann. der ein junges Mädchen für einen Boxer schwärmen und einen jungen Mann sich für einen Borer ausgeben läßt. Auf dieser Lüge basiert die Ehe. Daher ist sie gleich in ihren Anfangstagen schweren Er. schütterungen ausgefeßt, denn ein Borkampf steht bevor. Die junge Frau hat doch Fighting Bob geheiratet, einen Schwarzen. Durch den erforderlichen schwarzen Anstrich wird die Doppelrolle, die der junge Ehemann spielen muß, nicht zu ihrem Nachteil mit vielen tomischen Möglichkeiten beschwert. Am Schlusse des Borkampfes fieht endlich die besorgte Frau, daß der so mörderlich zusammen. gehauene Fighting Bob nicht ihr Mann ist. Beglückt und versöhnt finft sie ihrem Mann, dem Schwindler aus Liebe, in die Arme und beginnt ihre Ehe, die infolge des scharfen Trainings vor dem Borkampf noch keinen Anfang nehmen fonnte. Dr. Guter hatte oft glänzende Einfälle: beispielsweise wenn der schwärmende junge Mann als künstlich hergerichteter Borer im Ballsal Triumphe seiner Kraft feiert oder als Fighting Bob Ursache der wüsteſten Auftritte ist. Xenia Desni war die junge Frau, sie sah stets so fabelhaft aus, daß man bei ihr eben alles schön fand, sogar die bedenklich albern anmutende Schwärmerei für das Kraftmeiertum. Bilin Fritsch war der junge Mann. Ebenso liebenswürdig wie ergöklich als schwärmender Liebhaber und als Pseudoborer in tausend Nöten. Erwähnt sei noch Teddy Bill , der dadurch gefiel, daß er Proben seines guten Appetits vorführte.
„ Die Kleine vom Varieté" ist die zweite lustige Sache, mit Schmiß und Tempo, die im Mozart Saal" eine freudige Aufnahme fand. Ein alter, guter Schwant, mit dem lieben Erbonfel, einem Freund, der alles macht, und einer weiblichen Doppelrolle, hat herhalten müssen. Ein Zahnarzt ohne Praxis hat eine Kleine vom Barieté geheiratet. Der Onkel hat entschieden andere Pläne, darum muß, als der Onkel auf der Bildfläche erscheint, die Kleine, in dem ihr so schick stehenden Cowboykostüm, den unehelichen Sohn ihres Mannes spielen. Nachdem die Situationstomit gründlich ausgenutzt ist, findet aller Wirrwarr die gewünschte Lösung, und zwei glückliche Baare und ein zufriedengestellter Onkel empfehlen sich. Offi Oswalda ist die bewußte Kleine; wenn ihr die Sache zu bunt wird und sie ihren Koller bekommt, dann ist wirklich ihre ganze Umgebung. ob Basen oder Menschen, elementaren Kräften ausgeliefert. Georg Alexander ist der feschen Ossi ein glänzender Partner, dessen erstauntes, dummes oder ver
legenes Geficht mehr als einen Lachsturm entfesselt. Eine an erkennenswert gute Leistung bot Mar Hansen, der Freund für alles, stets elegant, drollig und sympathisch. Ebenso war Silta als Erbonkel ganz und gar an seinem Plaze. Hanns Schwarz ward mit Einfällen sichtbar gesegnet, als dieser Film unter seiner Regie entstand. Wie keck er zu spotten und zu übertreiben versteht, als er die unglaublichsten Räubergeschichten über die Herkunft des Jungen" dem wundergläubigen Onkel erzählen läßt. Es gelang ihm wirklich, in schönen Bildern vorzüglich zu unterhalten.
„ Cohen contra Miller."
( Ufa- Theater, Kurfürstendamm.)
e. b.
Romeo und Julia in New York . Also teineswegs mit tragischem Doppelselbstmord endend, sondern happy: mit Babyglück, Wohlstand und allgemeiner Umarmung. Aber die Liebesangelegenheit als folche tritt ziemlich in den Hintergrund gegen die Auftritte erbitterten Haders zwischen den beiden Familien. Die Capuletti- Cohen haben ein fümmerliches Konfektionsgeschäft in der zweiten Avenue, die Montecchi- Miller sind Polizisten und wohnen auf demselben Flur Immerzu gibt es Krach, Beschimpfungen, Ausbrüche. Cohens sind dabei im Grunde die friedlichsten Leute, ausgestattet mit dem weichen Gemüt ihrer Rasse. Und auch Millers find gewiß keine bösen Menschen, dazu haben sie viel zu schöne Lieder und sonstige musikalische Regungen. Aber sie haben nun mal eine schreckliche But aufeinander. Armer Romeo, arme Julia! Heimlich schleichen fie fich zum Standesamt, das hier den Bruder Lorenzo zeitgemäß vertritt. Als dann Gottes Segen sich in Gestalt einer Millionenerbschaft auf die braven Cohens herniederläßt und sie nun in die vornehme fünfte Avenue ziehen, vermehrt sich nur noch der Konfliftsstoff. Millers entschließen sich sogar, uneingeladen ihr inzwischen auf der Bildfläche erschienenes Enfelchen zu besuchen. Das Ergebnis der Visite ist einfach fatastrophal, der Koller steigert sich zu rabiater Fassungslosigkeit. Aber auch die überspannte Wut fann fich wohl plöglich in Nichts verflüchtigen, und so reichen sich denn endlich die Cohens und die Millers statt über der Bahre ihrer Kinder über der Wiege des quäfenden Babys gerührt die Hand. In der Bühnenkomödie, nach der der Film gemacht ist, mag das dauernde Schimpfen und Krafehlen einigermaßen auf die Nerven gegangen sein. Im Bilde jedoch ist ihm alle Beinlichkeit genommen, zumal es der selbst im Drafischen immer humorvoll erwärmten Spielführung Harry E. Bollards gelingt, noch durch die groteskesten Auftritte die Grundlosigkeit des ganzen Banks empfinden zu laffen. Vor allem trübt feinerlei farifaturistische Taftlosigkeit unser Bergnügen. Kostbar veranschaulicht Georges Sidney die händeringende Unraft des kleinen jüdischen Ladeninhabers, der doch ein patriarchalischer Zug nicht fehlt. Nicht minder gelungen Charles Murray als Bater Miller mit seinem inquifitorischen
RUDI
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Beilage des Vorwärts
Polizistenblick, grob und mürrisch noch, wenn er gemütlich" zu Hause sitzt und die Geige malträtiert, reizend im Auftauen der Großvaterfreude. Ebenso echt, ebenso drollig die beiden gewichtigen Ehehälften und die kampferpichten Jungens. Das Ganze ist ergöglichstes
Leben.
Ein den Trabersport famos veránschaulichender Vorfilm„ Um bei, mit dem sich also das renovierte Kurfürstendammhaus der Ufa das blaue Band" trug zum Gelingen des Eröffnungsabends durchaus glücklich dem üblichen Novitätenspielplan wieder eingefügt hat, nachdem man an dieser Stelle einige Monate hindurch versucht hatte, eine auf ältere Filme von künstlerischer Bedeutung zurückgreifende Sonderbühne einzurichten. Offenbar ist das wichtige Experiment infolge der ganz unproduktiven Durchführung mißlungen; man sollte es schnellstens wiederholen Wdt.
„ Der goldene Schmetterling."
( Capitol.)
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Die Revuen beherrschen das Theater, also wird es Zeit, daß Kerte13 seine geschickte Regie geliehen hat, stellt das Leben einer auch die Filme sich damit beschäftigen. Dieser Film, dem Michael die Proben auf der Bühne, schließlich die großen Galavorstellungen Tänzerin in den Mittelpunkt der Vorgänge. Der Tanzunterricht, in dem Riesentheater ergeben den Inhalt. Die große Szene, in der die Tänzerin Lilian verunglückt, stellt ein über die ganze Bühne ausgespanntes Spinnennet bar, in der der goldene Schmetterling Lilian von einer häßlichen Spinne eingefangen wird. Lilian gewinnt nun den Freund ihrer Jugend wieder, der sie während ihrer verunglückt so, daß sie nicht zur Bühne zurückkehren kann, aber fie Glanzperiode von sich wies. Allerdings muß vorher noch ein etwas seltsamer Ringkampf zwischen dem Millionär, der die Tänzerin hat ausbilden lassen, und dem Jugendfreund stattfinden, damit auch dieser endlich einsieht, daß Lilian ihn allein liebt. Den flotten und lustigen Bildern aus dem Theaterleben gefellen sich Szenen aus einem vornehmen Restaurant mit allerlei ergöglichen Intermezzi. Als bloße Augenweide betrachtet bietet der Film, für den Paul Leni stimmungsvolle Architekturen schuf, vie!
Amüsantes. Die Tänzerin ist Lily Da mita. Sie hat Gelegenheit, Interessantes und die Varieté- Tanzkünfte ihres geschmeidigen Körpers in mannigfachen Bariationen zu zeigen und in einer Fülle von Kostümen sich zu präsentieren. In den Revuenummern wird all das aufgeboten, was bir von unseren Revuetheatern her gewöhnt sind: eine Fülle von Rocktheit, Pracht der Kostüme, verschwenderische Lichteffekte. Nils 2 st her und Jac Trevor sind die beiden Liebhaber der Tänzerin, der erste der Mann mit den ernsten Grundsätzen, der zweite als leichtlebiger aber gutmütiger Millionär. Ein paar sehr gute Chargen stellen Kurt Bois als Ballettmeister und Ferdinand Bonn als Theaterdirektor.
„ Da lachen die Hühner". ( Primus- Palast.)
r.
Chaplin bort. Frierend schlurft er mit seinem Hund durch die Straßen. Arbeitslos, nichts im Magen, ein fleines, gedrücktes Eristenzchen. Ein Plakat verfündet, daß ein großer Bormeister Partner sucht. Chaplin meldet sich, an der Schwelle findet er ein Hufeisen. Das wird ihm Glück bringen, zärtlich streichelt er es. Und er schlägt den renommierten Helden des Ringes fnockout, eigentlich tut es das Glückseisen, das er im letzten Augenblick noch in den Borhandschuh steckte. Chaplin wächst schnell zu einem bedeutenden Mann, besonders noch, nachdem er einen gefährlichen Gegner im Handumdrehen erledigt hat. Das ist ein Borkampf in wirbelndem Tempo, von mitreißender Komit. Chaplin hat nun Geld und gilt als großer Mann. Er besucht ein Theater, leistet sich einen teuren Play, er trägt sogar einen tadellosen Frack und anständige Schuhe, aber trotzdem bleibt er der getretene Mensch, auch wenn er sich noch so anmaßend benimmt. Er sitzt au seinem Parkettplatz, als ob er ihn nicht bezahlt hat, er sitzt dort mit dem Gefühl, daß er tatsächlich dort nicht hingehöre, ganz oben auf dem Olymp ist sein eigentlicher Platz. Dort sitzt aber ein anderer Chaplin, ein betrunkener Mann des Boltes mit einem unwahrscheinlichen Schnurrbart. Allerhand Unfug stiftet er an. Als sich auf der Bühne ein Feuerfresser produziert, ergreift er die große Sprize und duscht Artisten und Publikum ab, auch der elegante Chaplin erhält sein Teil. Man verläßt in wilder Flucht das Theater. Der Film hat nicht das Niveau von„ Goldrausch" oder„ Ein Hundeleben", er erinnert an die alten, fleinen Zweiafter. 3mei Handlungen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, sind hier verknüpft worden, die vielleicht heißen fönnten Chaplin als Borer" und" Chaplin im Varieté". Ganz lose laufen die Fäden. Aber der Stoff bleibt im Grunde gleichgültig. Chaplin ist herrlich hier wie überall. F. S.
Intrigen einer Tänzerin." ( Mozart- Saal.)
Wer die Spannungen einer richtigen Kriminalgeschichte vereint wünscht mit mannigfachen Darbietungen aus dem Sportleben, der tommt hier auf seine Rechnung. Die Intrigen, die die Tänzerin anfpinnt, um sich an ihrem Lord zu rächen, weil er seine Liebe der Tochter seines Trainers zuwendet, sind in der Tat abenteuerlich genug. Der Herr Lord, der ein großer Sportsmann ist, hat alles verjurt. Ein Borer und ein Pferd, ersterer aus seinen Diensten, letzteres aus seinem Stall, sollen ihn retten, aber die Tänzerin und ihr früherer Freund, ein ausgemachter Halunke, stellen die unglaublichsten Dinge an, um die Chancen des Lords zu ruinieren. Die Veranstalter des Films sind nicht sehr wählerisch in der Wahl ihrer Mittel; die ältesten Ladenhüter sind ihnen hier gerade gut genug. Vom Schlaftrunk bis zur Kaschemme wird alles aufgeboten, um Spannung zu erzielen. Selbstverständlich siegt der Lord über alle Hindernisse und geht triumphierend aus allen Kämpfen hervor. Mehr Reiz als die Kriminalhandlung bieten die Bilder aus dem Sportleben: ein vorzüglich aufgemachter Borkampf, mehrere Rennen und anderes mehr. Bert Lytell gibt den Lord sehr sympathisch, das reine brave Mädchen, das seine Hand erringt, ist Marion Nigon, die wirklich hübsch genug ist. Der Tänzerin gibt Paulette Duval ein genügend dämonisches Air.
Bei Nieren-, Blasen- und Frauenleiden
Harnsäure; Eiweiß, Zucker 1925: 16000 Besucher
Wildunger Helenenquelle
r.