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Nr. 422 43.Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Die Attentats- Affäre von Leiferde .

Auch der zweite Attentäter hat seine Beihilfe eingestanden.

Das von der Polizei wiedergegebene Geständnis des ehemaligen Musiklehrers Schlesinger, über das wir im gestrigen Abend blatt berichteten, schien die vernehmenden Beamten im wesentlichen überzeugt zu haben, daß seine Erzählung der Wahrheit entspreche. Er zeigte dem Kriminalkommissar Reez und dem Eisenbahninspektor Brandt an der Hand der Karte genau, wo er und Weber in der Nähe des Tatortes den Schlüssel gefunden und wo sie sich aufgehalten hatten. Alles das stimmte mit den Ermittlungen, die an Ort und Stelle gemacht worden waren, so genau überein, daß Schlesinger an der Tat beteiligt gewesen sein mußte. Schließlich legte auch Weber ein Geständnis ab.

Mittwoch, 8. September 1926

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nun, bis die nächste Kata­strophe eintritt. Gegen diese Art Verwaltungskunst müssen wir uns ganz energisch wenden und verlangen, daß die Bahnbewachung wieder so hergestellt wird, wie sie gewesen ist. Im übrigen bitten wir, daß die Reichsbahn der Deffentlichkeit sagen möge, was sie unter der Gefährdung einer Strecke ,, aus anderen Gründen" ver­steht. Sieht es mit dem Betrieb so faul aus, daß die Reichsbahn an die Sicherheit der Strecken und Züge selbst nicht mehr glaubt? Dann sollte doch alles aufgeboten werden, um diese Sicherheit zurückzugewinnen. Dazu braucht man allerdings Personal: Beamte und Arbeiter. Wenn man diese aber unaufhörlich abbaut, wird es immer schlimmer und nicht besser. Von selbst sind vernachlässigte Streden noch nie in Ordnung gekommen.

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Unfallbekämpfung der Reichsbahn­

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ein wenig spät

Gesellschaft besondere Ausschüsse ein, die den Sicherheits Wie bereits gemeldet, setzt die Deutsche Reichsbahn­zustand der Reichsbahnanlagen prüfen und alle Mittel zur Bekämp fung der Unfälle erörtern sollen. Die Unfälle der letzten Zeit er­innern an frühere Unfallperioden, wie zum Beispiel im Jahre 1898. Die Reichsbahn stellt die Wahrung der Betriebssicherheit über alle finanziellen Bedenken. Während der Kriegszeit ist, wie wir einer Darlegung der Reichsbahn- Gesellschaft weiter entnehmen, und überhaupt an allen Bahnanlagen getrieben Raubbau an Gleisen, an Brüden, am Wagenpart wieriger Arbeit. Um trotzdem die Betriebssicherheit zu mah­worden. Zur Ausmerzung dieser Schäden bedarf es lang= Der Umbau des Oberbaues wird so gefördert, daß bald wieder der ren, mußte die Geschwindigkeit der Züge start verringert worden. Friedenszustand erreicht ist und auch die Geschwindigkeit der Züge fierung der Arbeit ist zwar ein Teil des Personals abgebaut worden, auf Friedensstand gebracht werden kann. Durch ständige Mechani­jedoch ist der Personalstand heute noch trotz geringerem Berkehr und Allmonatlich werden der Hauptverwaltung der Reichsbahn Berichte trog Bertleinerung des Reichsbahngebietes höher als im Jahre 1913. über die Betriebsführung und den Zustand der Anlagen vorgelegt; diese Berichte stammen direkt aus der Praxis und haben stets be= tont, daß die Betriebssicherheit durchaus gewahrt sei. Nichtsdesto­weniger find jetzt nach dem Attentat bei Leiferte folgende Maß­nahmen angeordnet worden:

Aber der Umstand, daß die Leitung der Reichseisenbahn, bewachung wieder eingeschränkt, bis mit ihrer Annahme eines vorsätzlichen Verbrechens Recht behalten hat, entkräftet den anderen Umstand nicht, daß die Unfälle auf der Eisenbahn in den letzten Wochen und Monaten be= denklich überhand genommen haben. Jedenfalls besteht dieser Eindruck in der Deffentlichkeit, und zwar recht start, und gewisse beiden Leiferder Verbrecher könnten Anlaß geben, die Frage der Einzelheiten der Berichte über die Verhaftung und die Aussagen der Betriebssicherheit zu einem grundsäßlich zu erörternden Thema zu machen. Die Schilderung, die die beiden Schuldigen davon machten, wie fie mit einem zufällig gefundenen Schraubenschlüssel die Schienen gelockert haben, läßt nämlich Der Plan eines Anschlages auf einen Eisenbahnzug, bei dem der erkennen, daß sie eine ziemlich lange Zeit für dieses verbrecherische Postwagen beraubt werden sollte, entstand bereits lange vor Geschäft gebraucht haben. Nun muß man sich in diesem Zusammen­der Ausführung in Herford , als Willi Weber, sein Bruder Walter hange aber vor Augen halten, was aus Anlaß der dann wirklich ein­hange aber vor Augen halten, was aus Anlaß der dann wirklich ein­und Otto Schlesinger dort auf dem Bahnhof im Wartejaal bei- getretenen Ratastrophe aus Eisenbahnerfreisen, im besonderen vom sammensaßen. Schon dort wurde alles beraten, und auch Walter Verband der Lokomotivführer, gesagt worden ist. Bon dieser Seite, Weber hatte erst die Absicht, sich zu beteiligen. Nachdem sich die drei so wird behauptet, soll nämlich schon seit geraumer Zeit hervorge über alles flargeworden waren, stahlen sie auf dem Bahnhof in hoben worden sein, daß durch einen zu weit getriebenen Braunschweig den Hemmschuh. Willi Weber steckte ihn in seinen Abbau der Stredenbewachungsbeamten die Eisen­Rucksack und schleppte ihn darin mit, um ihn für den Anschlag zu bahn nicht mehr in demselben Maße wie früher gegen Anschläge ge= benutzen. Nachdem Walter Weber sich zu guter Leht doch noch von sichert sei. Ob das zutrifft, wird Gegenstand einer ernsten Prüfung den beiden getrennt hatte, wanderten diese von Hannover , wo sie der Reichsbahn- Gesellschaft sein müssen. Die von Seite der Lokomotiv­bereits die Fahrpläne der Züge studiert hatten, nach Leiferde zu. führer geäußerte Auffassung wird jedoch in gewisser Beziehung unter­Hier hielten sie sich noch acht Tage langin den Waldungen stüßt durch die Tatsache, daß die beiden Verbrecher von Leiferde ihre und in Bahn wärterbuden auf. Sie lebten, wie auch vorher Untat in aller Ruhe durchführen, daß sie, wie behauptet wird, stunden­schon auf ihren Wanderungen, von Kartoffeln und anderen Feld- lang an den Schienen herumhantieren fonnten, ohne daß sie hätten früchten. Von einer Waldsenkung aus, in der sie auch schliefen, beob- fürchten müssen, durch den Streckenbewachungsdienst gestört zu achteten sie die Züge. Weil sie in dem Postwagen des Amsterdamer werden. Wie denn überhaupt gesagt wird, daß heute selbst an mich­Expreß die größten Werte vermuteten, so hatten sie es auf dieſen tigen Stellen und selbst auf viel befahrenen Eisenbahnlinien die Be abgesehen. Daß sie schon am Tage vor der Katastrophe einen Ver- aufsichtigung der Streden nicht annähernd aus­such mit dem Hemmschuh gemacht hätten, ist nicht richtig. Wohlreichend durchgeführt werde. Und man hat weiter die Be­hatten sie damals schon die Absicht, sie mußten aber von dem Blane hauptung aufgestellt, daß außerdem der Oberbau stellenweise hinter vorläufig abstehen, weil ein Mann dazwischenfam. In der nächsten der gesteigerten Schwere der Lokomotiven und der Zugschnelligkeit zu­Nacht aber wurden sie nicht gestört und machten sich an ihre ver­rüdgeblieben sei. Bekanntlich ist von leitender Stelle der Reichsbahn­brecherische Arbeit, die von der Mondhelle begünstigt wurde. Ge­meinsam begannen sie die Schrauben abzudrehen. Wenn sie durch Gesellschaft der Abbau der Streckenwärter damit begründet worden, Licht und Geräusch darauf aufmerksam wurden, daß ein Personen- daß diese sowieso ihre Pflicht nicht getan hätten. Eine Angabe, die, oder Güterzug nahte, mußten sie die Arbeit unterbrechen. Jedes ebenfalls von feiten der Lokomotivführer, aus der Praxis heraus ent­mal liefen fie in ein Gebüsch, in dem sie das Vorüberfahren schieden bestritten wird. Es steht jedenfalls fest, daß die Reichsbahn­der Züge abwarteten. Dann eilten sie wieder auf die Strede Gesellschaft all diesen Dingen ernstlich nachgehen muß. Schon rein und nahmen die Arbeit von neuem auf. Endlich hatten sie die Laschen Psychologisch ist zu befürchten, daß verbrecherische Elemente durch die gelöst und glaubten nun, daß der Amsterdamer Expreß entgleisen einander auf dem Fuße folgenden Meldungen von Anschlägen auf müsse. Wie lange Zeit sie gebraucht hatten, wissen sie heute nicht Eisenbahnstreden und Eisenbahnzüge in stärkerem Maße noch als mehr. Bu ihrer größten Verwunderung aber raste der Expreß bisher zu Untaten veranlaßt werden. Unter allen Umständen aber mit voller Geschwindigkeit über die Stelle hinweg, ohne daß ihm muß die Deffentlichkeit in der Frage der Stredenbe­etwas zustie B. Jeht machten fie fich eilends daran, die Gleise wachung völlige Beruhigung und Aufklärung er­auseinanderzubringen, und so traf dann den nächsten Zug das grause halten. Die Begründung", die die Reichsbahn- Gesellschaft für den Geschick, dem der erste entgangen war. Als sie die Wirkung des nach Auffassung der Lokomotivführer zu weit getriebenen Abbau der Anschlages sahen, liefen die beiden Verbrecher pornstreichs Streckenwächter gegeben hat, ist das Gegenteil von ftichhaltig. nach dem Walde, um zu entfliehen. Auf Veranlassung Schlejingers machten sie aber noch einmal fehrt, um aus der Ferne zu beobachten, was geschehe. Sie hörten aber nur ein unheim= fiches Pfeifen und Schrillen, feinen Schrei oder Hilfe­rufe. Der verunglückte Zug lag im Dunkel. Die unheimliche Ruhe steigerte ihre Angst, so daß sie nicht mehr wagten, was sie ursprüng­lich beabsichtigt hatten, sich an den Postwagen heranzumachen und ihn zu berauben. Querfeldein liefen sie nach dem nächsten Ort Dahl­dorf, dann über die Chaussee nach Meinersen , Gifhorn , Wolfsburg , Borfeld, Helmstedt , Neuhaldensleben bis nach Genthin .

Weber ist nach seinem Geständnis vollständig zu­fammengebrochen. Die Aussagen der beiden, die sich gegen­feitig ergänzen, werden protokollarisch festgelegt. Voraussichtlich werden die Verhafteten dann schon bald nach Hannover und weiter nach Hildesheim übergeführt werden. Walter Weber ist unterdessen in Hannover ebenfalls festgenommen worden.

Und die Nuhanwendung?

Der Reichsdienst der Deutschen Preffe", der gewiß nicht in dem Ruf steht, fich allzu kritisch mit der Angelegenheit be­schäftigt zu haben, schreibt jetzt zu der Sachlage folgendes:

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Die Sigurantin.

Roman eines Dienstmädchens von Léon Frapié . Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen von Kunde- Grazia.

Das ist sehr weiblich gesprochen", scherzte Thesaurin galant. Ich bin in Sachen des Besizes weniger Egoist und weniger Geheimniskrämer. Der Hauptpunkt scheint mir zu sein, daß man es versteht, sich bedienen zu lassen; man muß die Diener als Gebrauchsgegenstände ansehen, welche das andere Hausgerät vervollständigen und über die Lohnemp. fänger selbst das Eigentumsrecht ausüben. Mein Pferd bringt mich nicht um den Besitz meines Wagens, weil es sich davor­spannt. Wenn wir unsere Leute magerer entlassen, als fie bei ihrer Ankunft waren, dann haben sie unser Gut weit eher vergrößert als vermindert."

Fräulein Bourdot trippelte schweigsam, mit fleinen und lebhaften Schritten, einher. Schlüsselbunde hingen an ihrem Gürtel. Thésaurin nahm viel Raum für sich in Anspruch, er war grobfnochig gebaut, seine Hände würden das Ber­mögen eines Mörders gebildet haben. Bald durchbohrte sein Blick die Wände, bald las er herumliegende Gegenstände auf. Er hatte einen verhältnismäßig fleinen Kopf und trauſes, rotblondes Haar. Beim Sprechen zermalmte er mit seinem Gebiß die Worte wie Hühnerknochen. Sein Lachen zitterte in einer großen, gekrümmten Naje nach.

Der Notar verwirklichte die wahre Ehe: die Vereinigung der Güter und Kapitalien. Die Braufleute baten den Maire und den Geistlichen, soviel als möglich an Zeit und Kosten zu sparen. Die Trauzeugen wurden eiligst nach einem frugalen Mahl verabschiedet. Die Freude war davon nicht ausges schlossen gewesen, und zwar aus dem guten Grunde, weil niemand sie mitgebracht hatte.

Gleich bei der ehelichen Inventuraufnahme bemerkte Thesaurin, daß seine Frau ihm einen Fehltritt verborgen hatte. Infolgedessen legte er diese eisige und unwiderstehlich beeinflussende Kennermiene ihr gegenüber an den Tag, welche die verstecktesten Geheimnisse hervorlockt.

Einen Monat nach der Trauung, an einem dieser schönen Nachmittage der Normandie , wo die Natur ein vorteilhaftes Abschließen von Verträgen begünstigt, fand wirklich das fa­tale Bekenntnis in dem riesigen, feuchten Speisesaal, in dem die eichenen Möbel vor Alter frachten, statt.

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Nur vorübergehend?

Am 24. Juni hat die Hauptverwaltung der Deutschen Reichs­bahngesellschaft an die Reichsbahndirektionen einen Er­laß herausgegeben, der durch diese teilweise erst nach acht Wochen zur Kenntnis des Personals gebracht wurde. In diesem Erlaß wird die Aufmerksamkeit des Personals und der Dienststellen auf ver­brecherische Anschläge gegen Bahnanlagen und Züge gelenkt und an die einschlägigen Dienstvorschriften erinnert. Zum Schluß aber heißt es dann wörtlich:

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1. Der Streifdienst ist in starkem Maße auf den Strecken und Bahnhöfen auch bei Nacht zu verstärten, zumal es eine alte Erfahrung ist, daß einmal verübte Anschläge in der ersten Zeit zur Nachahmung Anreiz geben.

2. Die beflen Praffiter der Reichsbahnverwaltung bilden so­fort mit Vertretern des Reichsverkehrsministeriums und fachkundi­gen Vertretern des Beamten- und Arbeiterpersonals Ausschüsse, die bereits heute die Bereifung des gesamten Reichs­bahngebietes beginnen, um den Zustand des Oberbaues, den Zustand des rollenden Materials, die Handhabung des Betriebs­dienstes und die Beanspruchung des Personals festzustellen. Be­reits in der nächsten Woche werden diese Ausschüsse ihre ersten Berichte über die Hauptstrecken erstatten.

Die Reichsbahn- Gesellschaft wiederholt ihre frühere Zusage, sich in der Entschädigungsfrage für die Opfer der Katastrophe nicht auf einen fistalischen Standpunkt zu stellen, sondern so weit­gehend Entschädigung zu zahlen, als ob sie recht­

Zur Beruhigung der Deffentlichkeit ist auf Strecken, auflich dazu verpflichtet wäre, was jedoch nach dem Stande denen Anschläge wiederholt vorgekommen sind, oder die aus anderen Gründen als gefährdet zu betrachten sind, die Bahn­bewachung vorübergehend zu verschärfen."

Dies scheint uns eine merkwürdige Methode der Beruhigung der Deffentlichkeit zu sein. Also nur vorübergehend wird nach einer Katastrophe die Bahnbewachung verstärkt, und auch nur zur Beruhigung der Deffentlichkeit. Daraus geht hervor, daß die Reichsbahn aus all den entfeglichen Vorgängen der letzten Zeit keine Lehren ziehen und alles beim Alten lassen will. Sobald die Auf­merksamkeit der Deffentlichkeit eingeschläfert ist, wird die Bahn­

Nach den ersten, mit Anstrengung in Art einer Ouvertüre| hervorgestammelten Worten skandierte Thesaurin eine Er­mutigung mit abgemessenem Zähneaufeinanderschlagen:

Ich erwarte irgendein Geständnis von Ihnen, sprechen Sie freimütig, meine Nachsicht wird die Mitschuld der Um­stände würdigen."

der deutschen Gesetzgebung bei einem Attentat als höhere Gemalt nicht der Fall wäre. In Anbetracht des Umfangs, den der Reichs­bahnverkehr hat, sind die Unfälle der lezten Zeit lange nicht so zahl= reich, als daß ernstliche Zweifel an der Betriebssicherheit der Deut­ schen Reichsbahn berechtigt wären; es handelt sich bei diesen Un­fällen auch gar nicht so selten um eine Uebertreitung belangloser Vorfälle, wie zum Beispiel eines gewissen Rüttelns, weil der Zug von einer Lokomotive vormärtsgeschoben wird, Uebertreibungen, die auf eine gewisse Angstpsychose infolge des furchtbaren Unglücks von Leiferde zurückzuführen sind.

stückchen hätten sie sich gelangweilt! Mit einem Wort, ich machte die entsetzliche Wahrnehmung, daß aus den Händen gleitendes Geld ein Vergnügen gewähren fonnte, das dem­jenigen analog war, welches es bereitete, wenn es in die Kaffetten floß.

Thésaurin t onnte eine verdammende Bewegung nicht beherrschen, die Stimme der Büßerin nahm einen schmerz­lichen Klang an:

Ja, ich, der Abtömmling einer Familie, in welcher nie­,, Wahrhaftig", stöhnte die Sünderin ,,, das war die Lang- mals ein Sou verschwendet worden ist, neigte in diesen unge­weile, welche mich zu dieser nicht wieder gutzumachenden funden Tagen zur Verderbtheit, wobei ich mir Rechenschaft Schwäche verleitete. Die Langweile ist ein furchtbares llebel, ablegte, daß ich in eine böse Sphäre eindrang, mein Recht auf welche eine Zeitlang den freien Willen ausschaltet, um ihn ein Leben in Ruhe verlor. Andererseits hätte ich vor Lang­Ich weile sterben müssen, und da war dies doch das einzige Heil­besser auf eine verderbliche Handlung hinzulenten. lebte allein mit meiner Tante, wir hatten mit niemand Ber- mittel mie mir schien. Ich, die immer in ehrbarem Respett fehr; ich war Verdrießlichkeiten enthoben, meine Einkünfte vor dem Gelde gelebt hatte, fühlte wilde Berlockungen nach vermehrten sich stetig; ich brauchte nur glücklich zu sein. Nun Verschwendung im Blut, in der Brust. Schließlich wurde das gut, im Alter von etwa 30 Jahren ergriff mich plöblich ein Sehnen meines Innern so heftig, daß ich vom Gift des Ber­leberbruß über diese ganze Art der Beschäftigung; die Schnei- gnügens zu fosten beschloß." derei, das Lesen, bekam ich satt; den Hühnern Futter geben, in die Kirche gehen, Häkelarbeit machen, die Gießkanne schwenken, mit der Baumschere hantieren, teine dieser bei. wohlhabenden Mädchen sonst üblichen Zerstreuungen erregte meinen Tätigkeits.drang mehr. Ganze Tage gingen in düsterer Niedergeschlagenheit dahin; ich saß da, um auf die Mahlzeiten zu warten, der Geist stand still, die Augen nahmen nichts wahr, die Hände lagen gefaltet, tot da. Und trotzdem fühlte ich, daß irgend etwas.. das Beste meines Lebens, von mir gehen wollte! Im April bekam die Landschaft ihr junges Grün, die Seele der Pflanzen entströmte in duftender Blütenpracht... Oh! Ich zitterte vor Verwirrung, ich fühlte, daß ich Lust hatte, das Berbotenste, daß Sträflichste zu fun! Ich wußte nicht was; aber bei wiederholtem Nachdenken gestattete mir das bißchen Vernunft, was mir noch blieb, scharf, ohne Möglichkeit des Irrtums, diesen unwürdigen Drang zu erkennen: ich hatte Luft, Geld auszugeben! Meine Qual fonnte aus feiner anderen Quelle stammen, das Beste meines Wesens, das mich verlassen wollte, das fonnte nur die sparsame Besonnenheit sein. Wußte ich nicht aus vagen Gerüchten, aus Erinnerung an Geleſenes, daß Leute sich daran vergnügten, unziemlich Geld zu vergeuden! Wie wenn man Befriedigung darin finden könnte, den Aepfelwein aus dem Faß auf den Boden zu gießen!"

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Seine erschrockene Frau hielt einen Augenblick inne, dann fuhr sie fort: Ich hatte mir besonders gemerkt, daß müßige Kreaturen in den großen Modegeschäften, aus bloßer Freude daran, Einfäufe machten, Geld in der Hand zu haben, ge­währte ihnen 3erstreinmg, ohne das Spielen mit den Gold­

,, Ach, ich wollte wenigstens mein Lafter hintergehen, hoffte mich mit dem Trugbild der Verfehlung zu befriedigen, in der Einsamkeit mit meiner Sünde fertig zu werden. Ich placierte auf die Kommode eine Geldschatulle, die Banknoten enthielt. Wenn die Krisen über mich tamen, mein ganzes Wesen nach einer unmöglichen Entfaltung seufzte, menn ich nicht wußte, wie ich die fieberhaft erregten Hände zur Ruhe zwingen sollte, dann betastete ich die Schatulle, umflammerte fie, fnete den Schlüssel mit den Fingern, schloß auf, und endlich berührte ich, streichelte die Banknoten, strich über sie hin, und mir war, als saugten meine Boren gierig den Eindruck lebender Haut ein!... Das war schon beinahe das Ausgeben"; ich fühlte, wie ich schwach wurde, daß es nicht an mir lag, wenn das Beste meines Wesens nicht von mir ging...

Damals geschah es, daß der Herr Pfarrer, durch die Beichte über die Art meiner Qual unterrichtet, mich zu um­garnen begann.

"

Sie sollten der Kirche eine Schenkung machen," wieder­holte er mehrfach. ,, das würde Sie erleichtern."

,, Thésaurin, Sie haben seine vergnügte, so wenig geist­liche Miene gekannt er spielte täglich eine Partie Besique mit meiner Lante, und lachend sagte er:

,, Sie haben eine Summe zuviel, die quält Sie, ich spreche immer zu meinen Pfarrkindern: geben Sie der Kirche das Zuviel, das Sie quält!" ( Fortfegung folgt.)