Arbeitsbeginn im Staütparlament. Die Berliner Stadtverordnetenversammlung hatte gestern ihre erste Sitzung nach den Sommerferien. Die Ver Handlungen fielen durch eine Friedlichkeit aus, die man im Rathaus kaum gewöhnt ist Eine lebhaftere Aussprache gab es nur bei der Vorlage des Magistrats über seine Stellungnahme au der Stoffe lung des Schulgeldes höherer und mittlerer Schulen. Hier stieß der Magistrat bei fast allen Parteien auf Mißbilligung, so daß der Oberbürgermeister bereits einen Rückzug antrat. Die sozialdemokratische Fraktion forderte scharfe cheran Ziehung der Eltern mit besonders hohem Einkommen. * Die Stadtverordnetenversammlung hatte gestern vor Eintritt in die Tagesordnung sich mit der Frag« der Neu- wähl eines Stadtkömmerers zu beschäftigen, die der Ma gistrat. in einer Dringlichkcitsvorlage beantragte. Ohne Debatte wurde Ausschreibung der Siell« beschlossen.— Gegen zu billige Vermietung des früheren Feuerwehrgebäude« in der Mouerstraße an einen privaten Unternehmer wandten sich zwei Anfragen und ein Anttag. Ueber sie soll in einer späteren Sitzung verhandelt werden.— Die Kommunisten hatten eine Reihe Anträge zur Arbeitslosensrage eingereicht. Die meisten wurden ohne Debatte dem Erwerbslosenausschuß über- wiesen. Bei einigen verhinderte die Rechte das durch ihren Wider- spruch. Der Ausschuß wird schleunigst zusammentreten.— Auch die W iederbesetzung der Stadtschulrats stelle soll nun endlich erfolgen. Die Vorbereitung wurde einem Ausschuß übertragen.— Zu einer Anfrage der Kommunisten wegen einer für die Schupo angelegten Radrennbahn in der chasenheide teilt« Stadtrat W u tz t y mit, daß das betreffende Gelände für die Erholung wertlos gewesen ist. Bedenken gegen diese Anlage äußerte auch Genosse Heitmann. Das als Grünfläche ausgewiesene Ge- lände hätte erhalten bleiben müssen. Handgranateuübun- ge» sollten dort nicht mehr zugelasse» werden.— Zur Durch. führung des Ilotstandsprogramms, soweit bisher Beschlüsse darüber vorliegen, müssen neue Mittet beschafft werden. Die Kosten der für die Stadtentwäf- serung auszuführenden Rofftandsarbeiten sollen zum Teil durch Erhöhung der Entwässerungsgebühr von 12 Pf. auf 14 Pf. je Kubikmeter gedeckt werden. Es wurde so deschloffen.— Als ,K ü n st l e r h I l f e� wurden 100 000 M. bewilligt. Für er- werbslofe Künstler soll eine Arbeitsverwittlungsstelle eingerichtet werden. Ein Teil der Mittel soll auch zur Schaffung von Existenzmögltchteiten dienen.— Zur Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse auf dem Großkraftwerk Rummelsburg , über die in der Stadtverordnetnwerfamm- lung aus Anlaß der vorgekommenen schweren Unfälle eingehend verhandelt worden ist, glaubt der Magistrat»icht» tun zu können. Dm Stadtverordneten teilte er i» einer Vorlage zur Kenntnisnahme mit, er Hab« weder direkten roch indttekten Ein- fluß auf die Lohn- und Arbeitsgeftaktung der dort beschäfttgtsn Ar- beiter. Der Kommunist Repschläger bemängelte, daß noch Ueberftunden gemacht werden. Stadtrat E ch l i ch t i n a antwortete, daß der Magistrat hiergegen einzuschreiten sich bernöht.— Den Stadtoerordnetenbefchlüffen über das Schulgeld für höhere und mittler« Schulm hat der Magistrat nicht zugestimmt. Da die Er. höhung abgelehnt ist, hält er die neue Staffelung für unmöglich. Genosse Witte bedauerte diese Stellungnahme des Magistrats. In einer Entschließung forderte er Einführung eines besonder» hohen Schulgeldes bei außergewöhnlich hohem Einkommen. Deutsche Volkspartei , Demokraten und Kommu- nisten wandten sich gleichfalls gegen den Magistrat. Oberbürger- meister Löß versprach dann nochmalige Prüfung. Die Versamm- l lung wiederholte dann ihrm früheren Staffelungsbe- f ch l u ß und stimmte auch der von der sozialdemokratischen Frak- tton beantragten Entschließung zu:„In der Verfügung vom 12. Sep- tember 192Z ermächtigt der Minister für Wissenschäft, Kunst und Volksbildung die Provinzschulkollegien, für Erziehungsberechtigte mit einem besonders hohen Einkommen ein Schulgeld zu genehmigen, das den st a a t l i ch e n Saß übersteigt. Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Magistrat, eine solche Staffelung In ihrer finanziellen Auswirkung für Berlin zu prüfen und eventuell der Stadtverordnetenversammlung«ine Vorlage zu machen."— Die Sitzung mußte wegen«ingetretener Beschluß- Unfähigkeit vorzeitig abgebrochen werden. Zu den unerledigt bleibenden Resten gehört auch der folgende, von der sozial- demokratischen Fraktion während der Sitzung einge- reichte Dringlichkentsantrag:„Die Sladtverordnetenver- sammlung beschließt, den Magistrat zu ersuchen, die seinerzeit zurückgestellten Einträge der Besoldungsordnung nunmehr zur Ausführung zu bringen."_ Sonüerbare Gerichtsverhanölungen. Ai Zivile Militärgerichtsbarkeit in der Republik . Leben wir nicht in der besten aller Republiken? Alle Bergehen nichtmilitärischer Natur sind der Militärgerichtsbarkeit«nt- zogen und werden vor den bürgerlichen Gerichten abgeurteilt. Ein Fortschritt, nicht wahr? Ein bedeutender Fortschritt sogar! Auf dem Papier gewiß. Sieht man sich aber die Sache in der Praxis an, dann wird die republikanische Freud« erheblich gedämpft. Da fand neulich in Moabit ein« mehr als merkwürdige VerHand- lung statt, wie man sie sich, hätte es sich um«in« gewöhnliche Zivil- person gehandelt, nicht vorstellen könnte. Der Unterwachtmeister H. vom IS. Infanterieregiment ist von einem Soldaten des Diebstahls bezichtigt. Aber weder der Angeklagte, noch der Haupt- zeuge find vorgeladen. Man hat sie hinter den Kulissen des Tribunals vernommen und lieft das Protokoll vor. Zwei weitere Belastungszeugen, ebenfalls Unteroffiziere, sind gleichfalls nicht erschienen. Die beiden Frauen, die ver- nommen werden, können nichts Wesentliches aussogen: die ein«, die Wirtin des Lokals, in dem sich der Soldat mit dem Wachtmeister. kennengelernt hat, war bei der inkriminierten Handlung, die sich � außerhalb der Wirtschast abgespielt hat. nicht zugegen, und die andere ist besangen, weil der Verdacht der Mittäteifchaft auf sie fällt und geht deswegen naturgemäß nicht recht aus sich heraus. Das mußt« jeder Laie bemerken— wie viel mehr der Richter und der Amts- amvatt! Man tonnt« unter diesen Umständen diese Verhandlung— ganz milde ausgedrückt— unsachlich nennen Aber selbst diese mangelhafte Verhandlung ergab ein klares Bild des Vorfalls. Der Reichswehrsoldat Z. war in schwer betrunkenem Zustand in das Lokal gekommen, in dem sich mehrere Unteroffiziere befanden. Er hatte, wie man so sagt, die„Spendierhosen" an. und stiftet« den Borgefetzten, unter denen sich der Unterwachtmeister H. befand,«ine Rund«. Dieser lud noch eine neugewonnene Freundin dazu ein. Es Sab anschließend an diese Verbrüderungsszene«inen kleinen Unfall, essen Spuren aber gegen ein« Reinigungsgebühr von 1 Mark aus der West geschafft wurden.(Das Gericht interessiert« sich auffallend für diese wenig appetitlichen Vorgänge weit weniger für die viel wesentlicheren, die außerhalb des Hauses folgten.) Unser Unterwacht- meister stand dem seekranken Vaterlandsverteidiger mit rührender Kameradschaftlichkeit bei und beglich, als beide von einem„schweren Gang" zurückkamen, au» Z.'s Brieftasche die Zech«. Er mußte also genau wissen, wo der sein Geld stecken hatte und wie viel es war. Dann brachte er ihn, unterstützt von seiner Freundin, nach der Kaserne. Der Sotdot gibt an, das Mädchen habe ihm wiederholt in die Brufttosch« gefaßt und der Angeklagte habe sich erkundigt,„ob sie es habe?" Als er ani anderen Morgen den Verlust seiner Bar- schaff, acht Mark, bemerkte, erstattete er gegen H. An, zeig«. Der Unteroffitter kam zu ihm auf die Stube und bat ihn, indem er vier Mark auf den Tisch legte und die anderen vier Mark nachzuzahlen
versprach, die Anzeige zurückzunehmen: gleichzeikig verpflichtet« er ihn zu strengstem Stillschweigen. Ferner äußerte der Unterwacht meister zu zwei Stubengenossen bei verschiedenen Gelegenheiten: „Die Hauptsache ist, daß man ohne Geld ausgeht, sich einen antrinkt, und wenn man nach Hause kommt, noch obendrein Geld in der Tasche hat." Weder dies« Zeugenaussagen noch die Tatsache, daß er dem Soldaten Z. acht Mark angeboten und ihn zur Zurücknahme der An zeige zu überreden versucht hatte, konnte der Angeklagte leugnen. Der gesunde Menschenverstand— und im Fall«, sagen wir«in mal eines Arbeiters, als des Angeklagten auch der Iuristenverstand — hätte die Schuld des H. für erwiesen erachtet. Aber nein: der Amtsanwalt beantragt wegen„mangelnder Beweise" Freisprechung und das Gericht schließt sich in liebenswürdigster Weise diesem Antrag an. Es scheint demnach, als hätten die Tressen ihren magischen Zauber noch immer nicht«ingebüßt.
Jugendweihe der Arbeiterschaft Groij- Berlins am Sonntag, den 12. September 1926, vormittags 11 Uhr, im Groden Schauspielhaus, Karlstra�e. Mitwirkende: Berliner Volkschor; Leitang Dr. Zander• An der Orgel: Willi Jacger» Cello-Trio: Armin Licbcrmann, Friir Hoppe, Karl Lenzewtki» Weiherede; Dr. Loh mann* Der Spredb- dior der proletarischen Feierstunde, Leitung Albert Florath tmd Elnzelspresher Helmich Witte» Eintrittskarten in den Dekannten Verkaufsstetten.
ver betrunkene Autofahrer. Zwei Menschenleben ruiniert. Da» schwere Straßenunglück, das Mitte Juni d. I. in der Ber» Lner Straß« zu Charlottenburg durch den frivolen Leichtsinn eines Autofahrers hervorgerufen wurde, ein Menschenleben kostete und ein zweites gefährdete, stand jetzt vor dem Großen Schöffen- gericht Eharlottenburg zur Verhandlung an. Die Forderung, daß sich Autochauffeure vor und während der Ausübung ihres Berufes jedes Alkoholgenusses zu enthalten haben, findet durch den vorliegenden Fall eine besonders eindringliche Unterstützung. Angeklagt wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperver- letzung, Fahrens ohne Führerschein war der Kaufmann Gerhard H o r st i g. Der Beschuldigte, der sich seinerzeit als Verkäufer bei einer hiesigen Autovertriebsgesellschaft betätigte und auch dort als guter, zuverlässiger Fahrer die Autos beim Polizeipräsidium vor- führte, hatte eines Abends eine Schwarzfahrt mit einem Kol- legen gemacht. Diese Fahrt gestaltete sich zu einer Kneipsahr t, bei der erheblich ge t r u'n k e n und der nur zwei Personen fassende Wagen mit zwei weiteren, der Frau des Kollegen und der Braut des Angeklagten überladen wurde. Zuletzt war der An- geklagte so angetrunken, daß die Frauen Bedenken hatten, weiter mit ihm zu fahren. Er erwiderte aber beruhigend, wenn er a m Steuer sitze, werde er nüchtern. Das erfolgte jedoch nicht. Im Gegenteil fuhr der Angeklagte so unsinnig schnell, daß die Frauen ansingen zu weinen und die Braut dauernd rief, sie wolle hinaus. Diesem Ruf begegnete der Angeklagte damit, daß er das Tempo noch beschleunigte. So fuhr er 12 Uhr nachts mib großer Geschwindigkeit in die Berliner Straße hinein. Anstatt nun auf dem schlüpfrigen Pflaster vorsichtig zu fahren, verstärkte Horstig noch seinen Leichtsinn und sauste förmlich die dunkle Straße her- unter, so daß die Braut sich vor Angst die Augen zuhielt, und ein den Wagen beobachtender Straßendabnschasfner sich im stillen fragt«, ob das Auto wohl heil zum Knie kommen würde. Als zwei Arbeiter, Gurek und Jaeowski, bei Nachtarbeit mit einem Karren aus der Leibnizstrahe in die Berliner Straße eingebogen waren, gerieten sie unter das rasende Auto, dessen Lenker nichts von ihnen gesehen haben will. Gurek erlitt einen tödlichen Schädelbruch, der andere schwere Rippenbrüche. Der Angeklagte, der nach dem Unfall gehalten hatte, suchte sich dann zu drücken, indem er plötzlich wieder in den Wagen sprang und !>avonsauste. Jedoch mußte er bald wieder halten, da er gegen einen Bauzaun fuhr. Ebenso nutzlos war für ihn die An- gäbe eines falschen Namens bei der Polizei. Jetzt stellte sich auch heraus, daß der Angeklagte, der Autos bei der Polizei vorführte, nicht einmal einen Führerschein besaß, was allerdings eine Firma nicht gewußt hat. Wegen der Schwere der Tot wurde Horstig in Untersuchungshaft genommen. Nur dem Umstände, daß er sehr jung ist und ihm von der Firma ein gutes Zeugnis aus- gestellt wird, hat er es zu verdanken, daß das Gericht es bei 114 -Jahr Gefängnis und insgesamt 300 M. Geldstrafe beließ. „Der Ratgeber.� Das Urteil in dem großen Betrugsprozeß Zimmer- mann und Genossen, der seit mehreren Wochen das Große Schöffengericht Berlin-Mitte beschäftigt, konnte jetzt endlich gefällt werden. Es handelte sich im wesentlichen um eine Art Ver- s i ch e r u n g s s ch w i n d e l, der mit Hilfe einer Zeitung„Der Rat- geber" begangen wurde. Die Abonnenten dieses Organs sollten gegen Unfälle versichert sein. Ferner war von der Gesellschaft eine sogenannte„Landwirtschaftliche Einkaufszentrale" betrieben worden, mit deren Hilfe sie sich allerlei Waren, wie Motore, Schreibmaschinen, Weine usw. billig verschafften. Insbesondere hatten die Weine die Eigentümlichkeit, bald zu verschwinden, ohne daß ihr Verbleib auf- geklärt werden konnte. Das Gericht verurteilte den Angeklagten Zimmermann zu 1 Jahr 6 Monaten, den Angeklagten Rottmann zu l Jahr und den Angeklagten Schiller zu 1 Jahr 2 Monaten Ge- fängnis. Die übrigen Angeklagten erhielten Geldstrafen von 800 bis 1800 Mark.__ Vorsicht vor einem Wohnungsschwindler. Ein falscher Wohnungsvermittler trieb in Neukölln sein Unwesen. Ein gewisser Willy K o l o s ch k e machte öffentlich bekannt, daß er als konzessionierter Vermittler in der Lage sei, auf red- lichem Wege Wohnungen zu verschaffen. Den Be- Werbern zeigte er jedesmal auch ein Schriftstück, daß er bevollmäch- tigt sei, die angebotenen Wohnungen zu vermieten. Beim Abschluß des Vertrages ließ er sich erhebliche Anzahlungen geben: damit war seine Tätigkeit aber beendet. Später erfuhren die Mieter zu ihrem Leidwesen, daß sie die Wohnungen gar nicht beziehen konnten. Betrogene, die noch keine Anzeige gemacht haben, werden ersucht, sich im Zimmer 62 des Polizeiamts Neukölln zu melden._ Neue Zugsicherung. Ein neues selbsttätiges Anhalten elektrischer Züge in Form einer Zugbeeinslussungsanlage hat die Firma Sie- mens und Halste herausgebracht. Die abschließende Probefahrt, die dieser Tage in Gegenwart des Vertreters des Reichsoerkehrs- Ministeriums stattfand, fiel so befriedigend aus, daß beschlossen worden ist, sämtliche elektrisch betriebenen Bahnen, milbin also auch die elektrisch betriebenen Berliner Vorortstrecken, mit dieser Sicherungsanlage auszurüsten. Proletarische Berufsschauspieler. Die Notgemeinschaft proletarischer Berufs- f ch a u s p i e l e r veranstaltete kürzlich in Erbes Festsölen. Hasenheide, zugunsten von Kinderheimen einen Bunten Abend. Man spielte eine Zeitglosse„Bombast und Schwung". In sechs Bildern wurde Polizei und Justiz auf satirischer Basis ins Gebet genommen und es ging hierbei allerdings ziemlich bunt zu. Das Bureau eines
Komttee» zur Abwehr des Faschismus— in der modffcheu Kür- zungssprache„Cozahusa" benannt— wird durch die bösartigen Intrigen eines streberhaften Polizeipräsidentaspiranten ausgehoben, vorsichtshalber weiht die Geschäftsleitung aber die Korrespondenz vorher dem Feuertode: die Polizei wird also genasführt, die ge- fesselten Missetäter nehmen sich volle Redefreiheit, und machen kräftigst Radau. Erst bei sich im Bureau, dann im Polizeibureau und es ergibt sich letzten Endes aus diesen ziemlich drastisch geführ- ten Polemiken ein starkes Minus auf Seite der Vollstreckungsorgane. Bei der darauffolgenden Gerichtsverhandlung holt sich auch Justitia eine tüchtige Schlappe, indem ihre kürzlich begangenen kleinen und größeren Sünden— übertragen auf den vorliegenden Fall— in komprimierter Fassung Revue passieren. Dazwischen spielen noch kleine, heitere Intermezzi, worin dargetan wird, daß ein gestrenges Amtsorgan, umgirrt von lockenden Frauenaugen, halt auch nur Mann ist und so fort mit Grazie. Gespielt wurde nach besten Kräften, einmütig und feurig beseelt von der Devise: Feste dnrn. Wenn auch manchmal, im Uebereifer, ein wenig übers Ziel ge- schlagen wurde, so ist doch die Geißelung unliebsamer Vorgänge des öffentlichen Lebens entschieden wertvoller, als die dramatisch« Aus- beutung romanhaften Kitsches._ IrauenmoSe. Im Lichthof des Kunst- Gewerbe- Museums. Prinz- Albrecht-Straße 7, findet augenblicklich eine sehr interessante Aus- st e l l u n g der Frauenmode vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart in kostümlicher und bildhafter Darstellung statt. Wir sehen Porträts aus dem Ansang des 18. Jahrhunderts in den schweren, starren, überaus kostbaren Brokat- und Damasttoiletten des Rokoko, dazu die jeweils moderne höhere oder niedrigere Lockenperücke, reich beladen mit wertvollem Schmuck. Frauen mit Reifrock und Spitzenmanschette, andere im ossiziellen Hojdckollette, starre, bildhaste.' stolze Gestalten, steif und strenge wie ihre Ge- wandung. Gegen die Mitte und das Ende des Jahrhunderts kommt eine leichtere, fast kokette Note in die Kleidung. Die Röcke werden reich gerafft, die Falbeln, Rüschen und Bänder erscheinen immer häufiger, die Stoffe sind zur Abwechslung auch au» leichten, duftigen Geweben, die Frisuren werden aus eigenem Haar getragen und die scharf markierte„Wespentaille" mackt der loser gehaltenen Mode des Empirekleides und der hohen dicht unter der Brust abschließenden Gürtung ä la Königin Luise Platz. Als kostümlicher Text dieser Bildnisse sind immer die einzelnen Kleidungen der verschiedenen Modecpochen ausgestellt. Man sieht die schweren, kostbaren Gewebe in zarten Pastell-' oder stark leuchtenden Farbtönen, die Verarbeitung ber Stoffe und somit die Wirkung in malerischer und modischer Beziehung. Daran schließen sich die Moden des 19. Jahrhunderts. die in Kleidung, Frisur und Allgemeinausdnick eine viel natürlichere. ganz individuelle Note zeigen. Strenge, herbe Kleidung und Frisur. lose zeitlose Gewänder, Rembrandthiite, Lockenfrisuren, alles bunt durcheinander gewürfelt. So geht es über in unsere heuttge, jünglte Mode mit ihren vielen Raffinements in Farbenstimmungen. Ge- weben und Art der Verarbeitting. Die Bilder zeigen nervige Frauengestalten mit klugen Augen, schmalfrisierten Köpfen in ihrer Eigenschaft als Repräsentantinnen des heuffgen Frauentyps auf dem Gebiet der Mode. Direkt im Gegensatz zu den herben Linien steht die ganz auf Phantasie, Kostbarkeit und Laune aufgebaute Art der Gewebe, Farbenstimmungen und Verarbeitung der Kleider. Es gibt einfach kein„kann man nicht tragen" mehr. Die Stoffe sind auserlesen und wirken durch geschmackvolle Drapierung. Bekannte Modefirmen liefetten die kostbaren modischen Neuschöpfungen, die ausgestellten Bilder wurden teils aus Privatbesitz , teil» aus den Beständen der staatlichen Schloßverwaltungen zur Verfügung ge- stellt. Als Veranstalter der Ausstellung zeichnen die Staatliche Kunstbibliothek, Abteilung Lipperheide-Kostümbibliothek, der Reichs- verband der Deutschen Modeindustrie und der Reichsverband der Innungen für das Damenschneidereigewerbe. Republikanischer Tag in Spreenhagen . Lachender Sonnenschein, festlich geschmückter Ort. Ein Er- eignis für die Bevölkerung. Der Vorsitzende der neugegründeten kleinen Kameradschaft Spreenhagen , Kamerad Engel, in Verbin- dung mit dem Kreisoorsitzenden, Kamerad Benz, hatten es gewagt und' zu einem tepublikanischen Tag eingeladen. Der Einladung waren die Kameradschaften Charlottenburg , Schöneberg , Friedenau , Tempelhof , Mariendorf , Erkner , Fürstenwalde, Buckow , Storckow und noch eine Anzahl anderer Kameradschaften gefolgt. In den frühen Morgenstunden rollte ein Lastauto nach dem anderen durch die stillen Straßen de» Ortes, mit Musik, schwarzrotgoldenen Fahnen und mit Reichsbannerkameraden besetzt. Ein gewaltiger Uipzug formierte sich um 1 Uhr und begab sich zum dortigen Denkmal der Gefallenen, wo der Kamerad Bauer in einer zu Herzen gehenden Rede wiederum den Beweis erbrachte, daß„wir vom Reichsbanner" ohne Lärm wohl verstehen, unsere Toten zu ehren. Mancher Mutter, manchem Mütterchen und auch manchem Vater wurden die Augen feucht. Danach kam eine kurze Minute stillen Gedenkens. Auf dem Festplatz die Festrede des Kameraden Polizeifekretär Hildebrandt. Mit einem Hoch auf die deutsche Republik und ihre Verfassung schloß Kamerad Hildebrandt die Kundgebung. Der Sonntagsausflug in die Sächsische Schweiz . Ein außerordentlich gut besetzter Sonntagssonderzug der Reichsbahndirektion Berlin, der diesmal aus Wagen dritter Klasse bestand, brachte die Berliner Reisenden in die Sächsische Schweiz . Ein großer Teil der Sonderztcgsgesellschaft nahm die Gelegenheit wahr, sich Dresden anzusehen, die Mehr- zahl fuhr aber weiter nach Wehlen , Rathen , Schandau , um das selten schöne Spätsommerwetter auszunutzen. Von der Masse der Berliner Ausflügler, die den Sondcrzug benutzt hatten, war aber bald nichts mehr zu sehen. Aus(jut instandgehaltenen Wegen wurden die be- kamitesten Punkte dieses kleinen Hochgebirgsidylls im Herzen Deutschlands , Bastei und Kuhstall, aufgesucht. Hoffentlich gibt der Herbst den Sonntagsreisenden auch weiter gutes Wetter, damit den Erholungsbedürftigen durch die Sonderzüge auch weiterhin Gegenden crschlojsen werden, die sie sonst vielleicht nie zu sehen bekommen. Aber geht es nicht doch an, die Fahrzeit etwas zu beschleunigen? Herabsetzung der Pfandleihgebsihren. Der Polizeipräsident teilt mit:„Durch Verordnung vom ö August d. I. hat der Minister des Innern eine anderweitige Regelung, und zwar ein« Herabsetzung der Zinssätze im Pfandleih- gewerbe angeordnet. Danach darf sich der Pfandleiher vom 1. Ok- tober d. I. ab nicht mehr ausbedingen oder zahlen lassen, als s) vier Pfennige für jeden Monat und jede Mark von Darlehensbeträgen bis zu S0 Mark, b) 314 Pfennige für jeden Monat und jede den Betrag von 50 Mark übersteigende Mark bis zmn Betrage von 100 Mark, c) 2% Pfennig« für jeden Monat und jede den Betrog von 100 Mark übersteigende Mark bis zum Betrage von 800 Mark,<i) zwei Pfennige für jeden Monat und jede den Be- trag von 800 Mark übersteigende Mark." Sleingarlenbau-Auoslellung Weißensee. Am Sonntagmsttag wurde die 3. Kleingarte nbau-Aus st ellung des Be- z i r k s o e r b o n d e s W e i ß e n l e e, die auch heute und morgen noch stattfindet, in der Stadthalle, Pistoriusstraße, eröffnet. Stadt- baurat Marx hielt die Eröffnungsansprache, in der er ausführte, daß die Kleingartenbewegung leider immer noch verkannt werde. Sie sei in volkswirtschastlicher wie in erzieherischer Hinsicht von großer Bedeutung. In den Hungerjahren haben die Kleingärten nicht wenig dazu beigetragen, die Not zu überwinden. Bei den Kindern erwecken die Kleingärtner den Sinn für die Nawr: fest- gestellt sei, daß unter den Kindern der Kleingärtner die geringste Zahl Erkrankungen vorliegt.— Daran schloß sich ein Rundgang durch die Ausstellung, die geschmackvoll geordnet den besten Ein- druck hinterläßt. Alles, was der Garten hervorbringt, fft hier ver- treten, an hundert verschiedene Blumen- und Gemüsearten, Kür- bisse. Gurken, Birnen in allen Größen, Kartoffeln. Aepsel und Erb-