Nr. 129.
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Vorwärts
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Sonnabend, den 6. Juni 1891.
Der evangelisch- Toziale gleichen unmöglich ist, daß dieſe fleischgewordene Reaktion
Kongrek.
III. ( Schluß.)
mit uns nichts zu schaffen hat, ist so einleuchtend wie erfreulich. Die Sozialdemokraten hat man, wenn man ihre Weltanschauung afzeptirt, und dann haben vielmehr die Sozialdemokraten denjenigen, der sich diese Weltanschauung zu der seinigen macht.
Die Spiegelfechtereien Stöcker's täuschen Niemanden
es"
Expedition: Beuth- Straße 3.
ficherten Eigenthumerwerbs durch die ländlichen Arbeiter abzielenden gesetzgeberischen Akte bei den Grundbesitzern eine ernste und wohlwollende Würdigung finden möchten. Aufgabe des geistlichen Amtes auf diesem Gebiete set es, u. A. feelforgerisch dahin zu wirken und darüber zu wachen, daß die Anforderungen des wirthschaftlichen Betriebes die ländlichen Arbeiter nicht an der Erfüllung ihrer Aufgaben im häuslichen und kirchengemeindlichen Leben hindern."
Aber wie will er den berechtigten Beschwerden der
Die Thesen Hermann's fielen unter den Tisch, die des Hofpredigers aller Deutschen " wurden vom Kongresse über die Absichten des Wackeren. Seine Versuche, die angenommen. Herr Stöcker hielt den Vortrag, mit wel- Indifferenten und Unaufgeklärten zu umgarnen, werden Kleinbauern und ländlichen Arbeiter" abhelfen, so lange Nobbe chem er nun schon geraume Zeit seine Zuhörer zu unter- aussichtsloser mit jedem Tage, der einen Fortschritt Nobbe und der arme Konz der arme Konz bleibt? So lange der halten pflegt, er sprach über Individualismus und So- unserer Partei erlebt. Und ist dieser Fortschritt aufzu- Großgrundbesitz den Kleinbetrieb aufsaugt und das Bauernzialismus. Wir haben fürzlich seine Broschüre: Sozial- halten, dringt nicht die sozialistische Lehre in immer legen ein rentables Geschäft ist? Bedarf es des monarchie und Sozialdemokratie in diesem Blatte ein weitere Volfskreise? Mußte nicht dieser Tage Zukunftsstaates", um die Bauern zu vernichten, besorgt gehender besprochen. Der Gedankengang seiner Rede und wird ihm schwer genug geworden sein- Stöcker in dies nicht gerade die heutige Gesellschaft? Was der Bauer jenes Schriftchens ist derselbe. Schöne Worte, keine einer Versammlung der christlich- sozialen Partei der Wahr - in der sozialistischen Gesellschaft sein wird, hat Engels Thaten, Vermengung sozialpolitischer Probleme mit reli- heit die Ehre geben, daß es nicht möglich sei, der prächtig dargelegt. Doch sicher ist, daß Herr Nobbe die giösen Fragen, Berkirchlichung der sozialen Frage, Spittel- Sozialdemokratie eine starke„ Arbeiterpartei" gegenüber- Mißstände anerkennt, welche herrschen, wenn er auch Resuppenmoral, die auf eine Verewigung des heutigen zustellen, daß man stets mit den Sozialdemokraten zepte verschreibt, die nichts nützen, sondern schaden. ' Systems hinausläuft, und dann der Knalleffekt: rechnen müsse! Herr Stöcker dient dem politischen und Rentengüter und andere Mittelchen, den Landarbeiter
"
Das Christenthum, indem es die Persönlichkeit wie die sozialen Rückschritt. Die Schafe, die zur Schur geführt wieder zur thatsächlichen Schollenpflichtigkeit und ErbGesellschaft göttlichen Ordnungen unterwirst, welche das Wohl werden, sie sollen geduldig sich scheeren lassen, das ist der unterthänigkeit herabzudrücken, das ist die Litanei der des Einzelnen und der Gesammtheit verbürgen, ist die Einheit Inbegriff dieses„ christlichen Sozialismus", sein Ziel die Feudalen, die doch recht gut wissen, wo den Bauer der Retter in dem Sturm der Zeit. Redner drückt im Anschluß Klerikalisirung der kapitalistischen Ausbeutung. Was für Schuh drückt.
des Individualismus und des Sozialismus und der einzige
an diese Ausführungen seine volle Uebereinstimmung mit der jämmerliche Stümper sind die protestantischen Frommen Erbaulich ist es, das Urtheil der Kreuz- Zeitung " Ansicht aus, daß es eine große Gefahr sei, daß die Klassen, verglichen mit den Taktikern des Ultramontanismus! Und über die Verhandlungen des Kongresses zu hören. Sie welche die führenden Kräfte der Nation sein sollen, dem doch arbeiten beide umsonst. schreibt von ihnen: Christenthum ferne stehen. Gegenüber den großen Aufgaben
müßten alle Kräfte zusammengenommen werden, um die Ver- Ein Großgrundbesizer, wie Herr Nobbe, ist gewiß föhnung der beiden Richtungen Individualismus und So am besten geeigenschaftet, über die ländliche Arbeiterfrage zialismus" zu erstreben. Man muß den Sozialisten nicht blos zu referiren. Seitdem unsere Partei die systematische Landentgegentreten, sondern auch entgegenkommen. Das kann man agitation angekündigt und begonnen hat, ist den Junkern aber nur, wenn man im lebendigen Christenthum steht." In der That, Herr Stöcker versteht es, den Sozia- gefahren. Nobbe betonte die Pflicht, dieser Agitation in und Junkergenossen ein schwerer Schreck in die Glieder listen entgegenzukommen. Alle Gewaltthaten gegen die rationeller Weise entgegen zu treten." Rationell?" Ist Arbeiterpartei rechtfertigte, jede Unterdrückungsmaßregel es rationell", die sächsisch- märkisch- westfälische Dreschverherrlichte er. Für Schutzölle und Ausnahmegesetz, für flegeltaktik zu befolgen, sich mit dem Leibblatt SchorlemerKnebelung der Gewerkschaften und der Presse, für die Alst's für die Wiedertäufer - Käfige am Thurm der St. Polizeichikanen und die Lockspizelwirthschaft war er stets Lambertikirche in Münster , zu begeistern? Sind die und allerorten zu haben. Das ist das„ lebendige Christen- scharfen Argumente von Hatzhundezähnen und die wuchtige thum" des tapferen Gottesmannes. Logit von Schädelbrüchen die richtige, die rationelle" Kampfesweise?
Aber ist er nicht doch" Sozialisten" entgegen gekommen? Zählt nicht die Geschichte des Schneiders Grüneberg zu den lieblichsten Abschnitten seiner Lebenshistorie? Weiß nicht der ehrenwerthe Herr Oberwinder den zweiten Luther zu feiern?
Und ist es im Grunde nicht ein Kunststück, das selbst einem so gewandten Manne fehlschlagen muß, den Sozialdemokraten entgegen zu kommen, nicht aber der Sozialdemokratie? Die Sozialdemokraten sind die Träger der Ideen des Sozialismus; sich ihnen nähern, heißt diesem entgegen kommen. Daß dies für Stöcker und seines
Feuillefont.
Nachdruck verboten.]
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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel
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Dieselben haben erstlich aufs neue gezeigt, daß es für alle Evangelischen, welche den Herrn im Himmel und unser Volk auf Erden lieb haben, einen gemeinsamen Boden giebt, auf welchem sie sich, ungeachtet aller sonstigen Differenzen, die Hände reichen können zu einem gemeinsamen Zeugniß und einer gemeinsamen Arbeit. Wir sind wahrlich nicht gewillt, die vorhandenen Differenzen als nebensächlich zu behandeln und über der Liebe den Glauben und die Hoffnung zu vergessen. Aber brüderliches Zusammenwirten ist ein aussichtsvollerer Weg, auch in höheren Fragen wieder zur Einheit zu gelangen, als dogmatische Disputationen. Diese Einheit muß ja kommen; entschließt man sich nicht, in Einheit mit einander zu leben, so wird man doch unter Umständen nicht umhin tönnen, in Einheit miteinander zu sterben. Wir sehen damit den keineswegs aus dem Bereich der Möglichkeit auszuschließen den Fall einer siegreichen sozialdemokratischen Revolution, deren Führer schwerlich einen Unterschied zwischen Positiv= Unirten und Protestantenvereinlern machen würden. Aber es ist doch schöner, wenn man sich nicht erst auf dem Schaffot die Hand reicht und sein Blut mit dem des kirchlichen Gegners vermischt werden läßt, sondern wenn man sich schon bei Zeiten der zwie fältigen Blutsverwandtschaft erinnert, der geistlichen, als Getaufte, der natürlichen, als Deutsche ."
Man müsse den berechtigten Beschwerden der Kleinbauern und ländlichen Arbeiter Abhilfe zu verschaffen suchen. Die Kleinbauern würden durch mancherlei ungünstige Verhältnisse bedrückt, und nur dies Gefühl treibe dieselben zur Sozialdemokratie, nicht aber eine überzeugte Anhängerschaft an diese Utopien, wobei sie ganz vergessen, daß im gepriesenen sozialdemokratischen Zukunftsstaat sür die Existenz von Bauern über- Das Organ der Mandarinenritterschaft liebt es haupt fein Play sei. Redner, welcher im Uebrigen der Ansicht seit einiger Zeit den - und es ist System darin- ist, daß man den heutigen Großgrundbesitz für die den Bauern Schatten der großen Revolution zu beschwören und mit stand bedrückenden Schäden nicht verantwortlich machen dürfe, entwickelt in längerer Ausführung eine Reihe von Thesen, dem Fallbeil des Dr. Guillotin zu kokettiren. Was für worin er besonders empfiehlt, daß die auf Erleichterung ge- Kreisen sie mit diesen Schreckbildern das Gruseln lehren
ungeheuer über die ungefäuberten Kieswege; die Johannis es in der That nicht. Ich hab's Euch abgeben sollen und und Stachelbeerhecken, die Fliederlauben verwilderten, die die Stafi hat gemeint, daß Ihr schon wissen würdet, wesObstbäume waren voll Raupennester. Angelo Lacedelli be- halb." Alus eigenem Antriebe fügte er hinzu:" Der Ambros merkte das alles kaum. Nur selten sah man ihn hat das Kreuzlein so zugerichtet. Und jetzt will ich denn einmal in dem Garten sich ergehen. Die Entscheidung wieder gehen."
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abwartend, ob er zu bleiben oder sein Zelt anderwärts Afra steckte den Schmuck, ohne eine weitere Frage zu aufzuschlagen habe, arbeitete er fleißig an seiner Wörter- thun, in die Tasche. Sie begriff, daß Stasi ihr die Freundsammlung der ladinischen Dialekte, nicht ahnend, daß das schaft kündigte, warum aber Ambros das Kreuz zertreten erste Werk dieser Art erst siebenzig Jahre später das Licht hatte, blieb ihr ein Räthsel. Nun, er würde es ihr ja Die Frau Landrichter half ihm mit demselben der Welt erblicken würde. Die Passivität, zu der er sich lösen, mußte er doch bald kommen. Die Eifersucht Stasi's Widerstreben mit Bettstücken aus und lieh einstweilen gezwungen sah, wollte freilich seinem feurigen Temperament lockte ein mitleidiges Lächeln auf ihre Lippen. zwei Stühle und einen Tisch. Er mußte selbst nach wenig zusagen. Aber Ambros kam nicht, nicht an diesem Abend noch Bruneck reisen, um ein paar Töpfe und das unent- Noch weniger behagte sie Ambros. Immer wieder kam im Laufe der nächsten Tage, und Afra verlor ihre Ruhe. behrlichste Geschirr einzukaufen. Eine Magd zu finden, er zu Mutschleitner und erkundigte sich, ob das Zeichen zum Sollte Stafi zum zweiten Male den Sieg über sie davonE3 Es wollte fein Mädchen bei Aufstande noch nicht gegeben wäre. mißlang ihm jedoch. Es war ihm lang- getragen, Ambros ihr auch jetzt wieder entrissen haben, jetzt, Endlich ließ sich der weilig, wenn der Sternwirth, Sampogna, der Färber und nachdem sie an seinem Herzen geruht, seine glühenden Küsse dem abtrünnigen Priester dienen. asthmatische Merkur und Cerberus des Landgerichts willig Bäcker bei ihren Zusammenkünften über die Vorbereitungen und auf ihrem Munde gefühlt hatte? Wehe Stasi und ihm finden, ihm Morgens aufzuwarten, die Stube zu kehren, Mittel zum Aufstande rathschlagten. Das Zeichen zum dann! Er hatte ihre Leidenschaft wach gerufen und dieselbe Wasser vom Brunnen zu holen und Holz zu spalten. Sein Aufstande sollte gegeben werden, das wäre alles, was Noth duldete keinen Damm, keinen Bügel mehr. Wie sie ihn Frühstück und Abendessen mußte er sich selbst bereiten. Er thäte. Er hatte für nichts mehr Sinn als den Kampf und liebte, so konnte sie ihn auch hassen. war ein Geächteter. Zu der Debe und Unwirthlichkeit nun kam ein Umstand dazu, der seine Ungeduld aufs Höchste Eines Feierabends saß ihr Mann, nach dem Essen seine seines Hauses paßte der Zustand des Pfarrgartens. steigerte. Pfeife schmauchend, auf einem der Kundhölzer, die Die Gemüsebeete waren noch im Frühjahr bestellt und bis Gegen Abend an dem Tage nach dem Begräbniß des vor der Mühle aufgestapelt waren. Es war ein warmer zum Abzuge Vefa's gepflegt worden; denn das hatte in Pfarrers, erhielt Afra einen merkwürdigen Besuch. David Tag gewesen und die beginnende Kühle lockte auch Afra aus das Küchendepartement gehört. Sie boten daher noch Fenchler, der seinen Fuß noch nie in die Mühle gesetzt hatte, den Hause. Wie sie noch neben ihrem Manne stand,
eine Zeit lang einen verhältnißmäßig frischen Anblick. erschien dort. Afra erwartete eine Botschaft von Ambros, näherte sich Ambros vom Stern her und ein dunkler FeuerUm die Blumenbeete und Ziersträucher, die Herr Molten David aber übergab ein kleines Päckchen und sagte, daß es schein überflog ihr Gesicht. Mit fest zusammengepreßten becher stets selbst in Acht genommen, hatte sich aber Niemand Stasi schicke. Als sie es öffnete, lag der Schmuck darin, den sie einst Lippen erwartete sie ihn. Frisch und frei, wie damals, als gefümmert. Jetzt wucherte auf den Beeten das Unkraut, die Stafi geschenkt hatte. In dem Zustande, in den ihn er den Pfarrer befreit hatte, den Spitzhut keck auf das rechte Stockrosen, für welche der Vorstorbene eine große Vorliebe Ambros versetzt hatte, erkannte sie ihn nicht gleich wieder Dhr gerückt, kam er heran. gehabt hatte, waren wie der Sonnenglanz verkümmert und und verwundert fragte fie, was sie damit solle? Wißt Ihr schon?" rief er mit ungewöhnlich leuchten
vertrocknet. Rauhhaarige Kürbisstengel krochen wie Wurm-" Ja, ich weiß nicht," versette David, denn er wußte den Augen und ohne die Gegenfrage abzuwarten, fügte