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Sonnabend

2. Oktober 1926

Wiſſen

Unterhaltung und Wissen

Klein Tobrah.

Bon Rudyard Kippling.

Der Kopf des fleinen Gefangenen reichte nicht einmal bis zur Anklagebank", berichteten die Zeitungen; viel mehr stand nicht

darin, denn wen hätte der Fall eingehend interessiert? Man fümmerte sich um Leben und Tod Klein Tobrahs so wenig, wie um das Schicksal eines Strohhalms.

Die Herren im roten Hause saßen den ganzen, langen, heißen Nachmittag hindurch über ihn zu Gericht, und wenn sie eine Frage an ihn richteten, verbeugte er sich nur bis zur Erde und wimmerte. Das Urteil lautete auf Freispruch aus Mangel an Beweisen, und der Richter bestätigte es. Die Leiche der Schwester Klein Tobrahs war allerdings auf dem Grunde des Brunnens gefunden worden, und Klein Tobrah war zu jener Zeit das einzige menschliche Geschöpf auf eine halbe Meile im Umkreis gewesen, das als Täter in Betracht kommen fonnte, aber immerhin schien es nicht un­möglich, daß das Mädchen durch Zufall verunglückt war.

Deshalb wurde Klein Tobrah freigesprochen, und man sagte ihm, daß er nunmehr gehen könne, wohin er wolle.

Das flang sehr großmütig, war es aber nicht, denn wohin hätte Klein Zobrah gehen sollen? Er hatte nichts zu essen und nichts an­zuziehen.

Er trollte sich hinaus auf den umzäunten Hofplatz, setzte sich auf den Brunnenrand und dachte darüber nach, ob ein Sturz in das schwarze Wasser da unten, nebst darauffolgendem unfreiwilligen Tauchen eine gewaltsame Reise über ein anderes, noch schwärzeres und wesentlich größeres Gewässer nach sich ziehen würde, da kam cin Stallknecht des Weges und legte einen leeren Futterbeutel auf die Steine.

Klein Tobrah war sehr hungrig und flaubte daher die wenigen feuchten Körner heraus, die das Pferd übrig gelassen hatte.

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,, D, du Dieb du! Und eben erst den Schrecken des Gerichts entronnen!" sagte der Stallknecht. Komm her, Bursche!" Er nahm Klein Tobrah am Ohr und führte ihn zu einem dicken, großen Engländer, der sich sogleich die Geschichte des Diebstahls ausführ­lich erzählen ließ.

" Ha!" rief der Engländer, sodann dreimal hintereinander. Möglich auch, daß er einen stärkeren Ausdruck gebrauchte. Steck ihn ins Netz und nimm ihn mit nach Hause."

So wurde denn Klein Tobrah in einem Netz in einen Karren ge­worfen und nach dem Hause des Engländers gefahren; er zweifelte feinen Augenblick, daß er dort wie ein Schwein abgestochen werden sollte. Aber der Engländer sagte nur wie vorhin dreimal Ha!" und fügte gleich darauf hinzu:" Nasses Getreide! Pfui Teufel. Man füttere den kleinen Bettler! Wir wollen einen Reitburschen aus ihm machen. Nasses Getreide! So was! Es schreit zum Himmel."

,, Erstatte Bericht über dich!" befahl der Oberstallknecht würde­voll, nachdem Klein Tobrah die ihm vorgesetzte Mahlzeit ver­schlungen hatte, und während die Dienerschaft in ihrem Quartier hinter dem Hause der Ruhe pflegte. Du scheinst nicht der Zunft der Bereiter und Pferdepfleger anzugehören, trotzdem dein Appetit dafür spricht. Was hast du mit dem Gericht zu tun gehabt und warum? Heraus mit der Sprache, kleiner Teufelssprößling!"

Ich hab nicht genug zu essen gehabt," sagte Klein Tobrah ruhig. Hier aber ist alles prachtvoll."

Mach feine Umschweife!" mahnte der Oberstallknecht, sonst mußt du den Stall des großen Fuchshengstes auspuzen, und das Luder beißt wie ein Kamel." Delpreffer," berichtete Klein Tobrah und

,, Wir sind Telis

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scharrte dabei mit den Zehen in dem Sand." Wir waren alle Telis,

mein Vater, meine Mutter, mein vier Jahre älterer Bruder und die Schwester."

wann

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und dann hab ich sie hinuntergestoßen. Sie hat ja nicht sehen

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können. Es ist besser so zu sterben, als zu verhungern." ,, Ai, Ai." jamerten die Weiber im Chor; ,, er hat sie hin­untergestoßen! Es ist besser zu sterben, als zu verhungern!" ,, Ich hab mich auch hinunterstürzen wollen, aber sie war noch Und dann ist

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nicht tot und hat vom Grund des Brunnens nach mir geschrien und da hab ich mich gefürchtet und bin davongelaufen. einer aus den Stoppelfeldern herausgekommen und hat gesagt, ich hätte sie getötet und den Brunnen verunreinigt und sie haben mich vor einem Engländer gebracht er war weiß und furchtbar und bann hierher. Aber gesehen hat niemand, daß ich es getan habe, und es ist doch besser zu sterben als zu verhungern. Und dann war fie ja ein Kind und hat nicht sehen können."

War nur ein Kind und hat nicht sehen können," wiederholte die Frau des Oberstallknechts. Aber was bist du denn? Bist schwach wie ein Huhn und klein wie ein eintagaltes Füllen. Was bist

denn du?"

ich

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Ich? Ich hab einen leeren Magen gehabt, aber jegt, jeßt bin fatt," sagte Klein Tobrah und streckte sich im Sand aus. ,, Schlafen möcht ich jetzt."

Die Frau breitete eine Dede über Klein Tobrah und er schlief den Schlaf des Gerechten  .

( Mit Erlaubnis des Paul- Lift- Berlages, Leipzig  , dem foeben erscheinen­den Buche ,, Dunkles Jndien" entnommen.)

Der Juwelenräuber.

Caffense mir doch loosen, Herr Kriminal, die janze natio­nale Presse wird's Ihnen danken, wennse Severing den Erfolg vermaffeln!"

Finger des Alls.

"

Physiker Millitan hätte fosmische Strahlen unbekannter Natur Kirzlich ging durch die Presse die Mitteilung, der amerikanische und ungeheurer Wirkung entdeckt. Nunmehr bringt die Umschau" einen Auszug aus dem Forschungsbericht, der deshalb von allgemein­,, Dieselbe, die man tot im Brunnen gefunden hat?" fragte einer stem Interesse ist, weil er, wie an einem Schulbeispiel die sehr inter­der Leute, der von der Verhandlung gehört hatte. essante Methode moderner experimenteller Forschung erkennen läßt, ,, Dieselbe, ja!" bestätigte Klein Tobrah ernst. Dieselbe, die tot der aber auch die Millikansche Entdeckung auf ihr richtiges Maß im Brunnen gefunden wurde. Einmal ich weiß nicht mehr zurückführt. Es handelt sich dabei um Dinge, die eigentlich schon ist eine Krankheit in unser Dorf gekommen, wo die Del feit Jahrzehnten bekannt waren. Schon 1903 merften die englischen presse gestanden hat. Die Schwester hat es zuerst befallen und, als Forscher Rutherford und Mac Clennau, daß die Ladung ihrer Elettro­stope fich allmählich verlor, ohne daß Konstruktionsfehler ohne ähn­sie aufstand, hatte sie das Augenlicht verloren. Denn es war mata­Die Blatternkrankheit gewesen. Dann sind mein Vater und die fiche äußere Ursachen vorlagen. Bei Umkleidung des Instrumentes mit Metallplatten wurde die Intensität des Ladungsverlustes um so Mutter daran gestorben. Nur wir sind übrig geblieben: mein geringer, je stärker die Metallhülle gewählt wurde. Damit lag bereits Bruder, der damals zwölf Jahre alt war und meine Schwester, ver Schluß nahe, es müsse eine unbefannte Strahlenart von der die nicht mehr hat sehen können, und der Ochse und die Delpresse. Natur der von radioaktiven Substanzen beim Zerfall ausgehenden Nach und nach haben wir es fertig gebracht, wieder Del zu pressen Strahlen von irgendwoher auf das Innere des Elettroffopes wirken, wie früher. Aber Surjun Das, der Kornhändler, hat uns beim die Metallbekleidung durchdringen, das foliergas leitend machen Geschäft betrogen und dann war der Ochs immer so widerspenstig. und so der elektrischen Badung Abfluß verschaffen. Wir haben ihm Ringelblumen für die Götter auf den Nacken gelegt und auch auf den großen Mahlbalken unterm Dach, aber wir haben trotzdem nichts verdient. Surjun Das war ein harter Mann." ,, Bapri- bap!" murrten die Frauen der Pferdeknechte ,,, ein Kind so zu betrügen! Aber wir fennen sie ja, diese Bunnialeute!" ,, Die Presse   war schon alt," fuhr der Kleine fort ,,, und wir hatten nicht viel Kraft, mein Bruder und ich. Und wir konnten auch nie den Balken im Bügel festmachen."

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,, Das glaub ich gern," fiel die aufgedonnerte Gattin des Ober­stallknechts redselig ein und trat in den Kreis. ,, Das ist eine Arbeit für fräftige Männer. Als ich noch nicht verheiratet war und im Haus meines Vaters

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Eines

,, Still, Weib!" befahl der Oberstallknecht, Fahr fort, Bursche!" " No, weiter nichts!" sagte Klein Tobrah. Nur eines Tages ich weiß nicht mehr wann da hat der große Balken das Dach heruntergerissen. Mit dem Dach ist ein großer Teil der Hauswand eingefallen und dem Ochsen auf den Rüden. Es hat ihm das Kreuz abgeschlagen. Wir hatten dann weder Haus mehr, noch die Presse, und auch den Ochsen nicht mehr mein Bruder und ich und die Schwester, die blind war. Wir sind weinend fortgezogen, Hand in Hand, quer über die Felder und hatten nur sieben Ananas und sechs Pies Geld. Dann sind wir in ein Band gekommen, da war Hungers­not. Ich weiß nicht mehr, wie das Land geheißen hat. Nachts, als wir schliefen, hat mein Bruder die fünf Ananas, die wir noch hatten, genommen und ist davon. Ich weiß nicht, wohin er ge­laufen ist. Der Fluch meines Vaters fomme über ihn. Ich und meine Schwester sind in die umliegenden Dörfer betteln gegangen, aber niemand hat uns etwas gegeben: Immer hats geheißen: ,, Geht zu den Engländern, die werden euch etwas geben."- Ich hab nicht gewußt, was Engländer find; ich hab nur einmal fagen hören, fie feien weiß und lebten in Zelten. Wir sind dann weiter gezogen, so ins Ungewisse hinein, aber meine Schwester und ich hatten nichts mehr zu essen. Einmal, in einer heißen Nacht, da sind wir an einen Brunnen gekommen, und sie hat geweint und nach Brot ge­schrien. Da hab ich ihr gesagt, sie solle fich an den Rand feßen,

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Ursprünglich vermutete man, diese störenden Strahlen fämen aus den radioattiven Bestandteilen der Erde selbst. Der Schweizer  Physiker Glöckel mußte jedoch bei seinen Versuchen in 4000 Meter Höhe feststellen, daß die unbekannte Strahlung hier fast ebenso start wie an der Erdoberfläche selbst war, während sie, falls die Erde selbst Quelle der unbekannten Energien, bereits in 80 Meter Höhe über dem Erdboden um die Hälfte geschwächt sein mußte. Der deutsche Physiker Kolhörster fand, daß die Kraft der unbekannten Strahlen mit der Entfernung von der Erde zunahm, woraus man schloß, daß ihre Quelle nicht die Erde fein konnte, sondern im Welten raum felbft sein müsse.

Nach einem durch den Krieg hervorgerufenen Stillstand der Untersuchungen nahm sie Millikan im Jahre 1922 wieder auf, unter­ftüßt von seinem Assistenten Dr. Harvey. Sie ließen fleine Ballons mit Elektroskopen bis zu 15 000 Meter Höhe aufsteigen. Es ergab sich, daß ihr Ladungsverlust in biefen Höhen mit den von Glödel und Rolhörster ermittelten Resultaten übereinstimmte. Der Beweis des fosmischen Ursprunges der vernichtenden Strahlen war damit eigent­lich schon geführt.

Um durchaus sicher zu gehen, verlegte Millitan seine Versuche an den in etwa 4000 Meter Seehöhe liegenden Muirsee auf den Mount Witney in Texas  . Der See war völlig in Eis und Schnee vergraben, so daß eine Radioaktivität seines Waffers ausgeschlossen sein mußte. Eine Berechnung ergab, daß die über dem See liegende Luftschicht die unbekannte Strahlung ebenso start absorbierte wie eine 8 Meter hohe Wasserdecke. Machte man also einen Versuch in 8 Meter Seetiefe, so mußte das Ergebnis dasselbe wie am äußersten Rande der Lufthülle der Erde sein. Es zeigte sich, daß das bis zu 17 Meter Wassertiefe versentte Elettrostop immer wieder seine Ladung verlor. Erst in noch größeren Tiefen blieb seine Spannung gleichmäßig und unverändert.

Millitan hatte nunmehr bewiesen, daß die unbekannte tosmische Kraft ihre Strahlwirkung durch eine Schicht ven 17 Metern Wasser und eine atmosphärische Hülle behält, die in ihrer Absorptionskraft weiteren 8 Metern Wasser entspricht. Die Kraftwirtung fonnte alfo erst durch eine etwa 25 Meter dicke Wasserschicht unschädlich gemacht werden. Die Absorptionskraft dieser Wasserfäule entspricht der einer Bleiplatte von 2 Metern Diefe. Daraus ergab sich weiterhin, daß die unbekannten Strahlen eine rund 100mal größere Durchdringungs­traft als die schärfsten Röntgenstrahlen befizen.

Beilage

des Vorwärts

Wenn zwei sich gut sind.

Bon teha teha.

Ich konnte es nicht sehen, nur hören. Dies aber sehr intensiv, weil sich die weibliche Stimme wirklich keine Mühe gab, diskret zu fein. Mich hatten die Beiden hinter der dicken Gardine sicher auch nicht kommen sehen, sonst hätten sie wohl kaum so ohne jede Deli­

fatesse verhandelt.

Run fißt Du schon über eine Stunde neben mir, aber Du retest fein Romma," freischte sie.

"

Was soll ich denn reden?" verteidigte er sich. Du weißt ja doch alles besser.

"

,, Siehst Du, das ist gehässig; ich behaupte nur, was ich weiß." Er gab darauf keine Antwort.

,, Oder haft Du mich schon mal dabei ertappt, daß ich etwas zu unrecht behauptet habe?"

Mit einer gewissen Müdigkeit in der Stimme und nach langem Zwischenraum sagte der Mann:

,, Gewiß nicht, ich sagte nur fo."

,, Das ist doch auch wieder nicht Deine ehrliche Meinung, das Gegenteil denkst Du."

,, Es hat feinen Zweck, Dir zu sagen, daß ich nicht das Gegenteil dente, weil Du es doch nicht glaubst."

Da ich die beiden Streithämmel nicht sehen konnte, so stellte ich mir im Geiste vor. Sie: so an die Vierzig, spizzes Kinn mit schmalen Lippen und bösen Augen. Er: ein guter, dummer Kerl, der zu Fettansah neigt, jedesmal fragt, ob er noch ein Glas Bier trinken barf, mit Dauerwäsche uſw.

Noch während ich im Genuß der beiden Bilder schwelgie, tönte es wieder von drüben:

Bei anderen Beibern bist Du immer ganz anders. Da fannst Du schmufen und verliebte Blicke machen, nur bei Deiner Frau da fällt Dir gar nichts Liebes ein."

Ich strich im Geist die Dauerwäsche. Es wird doch ein ganz flotter Mensch sein, wenn er anderen verliebte Blicke zuwirft. Ge­spannt war ich auf seine Antwort. Aber es tam feine. Man hörte nur das leise Summen des Ventilators, der Kellner schlich. als wenn er auf Federbetten ging, durch den Raum. Da fing sie wieder an: ,, Nicht wahr, jetzt hab ich Dich an der wunden Stelle getroffen, da mußt Du zugeben, daß ich recht habe?"

Du siehst aber auch alles, Johanna." Es flang ironisch. ,, Was, so etwas nimmst Du so harmlos hin? Müßtest Du Dich nicht empört dagegen wehren?"

,, Wenn Du mich so siehst, wie Du es eben geschildert haft, muß ich wohl so sein."

,, Du tust ,, naiv" und meinst, mir damit zu imponieren." Du bist noch viel schlechter, als ich bachte."

Wollen wir nicht von was anderem sprechen?" unterbrach er. ,, Du bist mir noch die Antwort schuldig, von wegen den Frauen. Gib mir nicht so schnell recht, wenn ich Dich falsch einschätze."

,, Na schön. Also Du bist schief gewickelt. Ich denke nicht daran, andere Frauen zuvorkommender zu behandeln als Dich. Was Du siehst, ist höchstens gesellschaftliche Höflichkeit, fein Flirten", wie Du denkst."

,, Dann sei auch zu mir höflich und siz nicht neben mir wie ein Klog. Das ist keine Liebe. Verstehst Du? Die Leute meinen, Du schämst Dich vor mir. Unterhalte Dich mit mir."

Der Mann tat mir furchtbar leid, ganz entsetzlich leid. Um ihm beizustehen, trant ich meinen Kaffee aus, zahlte, tat, als ob ich eben fäme, und setzte mich an den Tisch der Beiden.

,, Sie erlauben? Es ist so einfam, im Kaffee allein zu ſizen." Sie waren beide froh.

leberrascht war ich. Ein ganz junges Ehepaar. Sie: direkt hübsch, er: ein flotter Mann, beide schick gekleidet. Und so altbadene Gespräche? dachte ich. Als ob sie Bierzig wären.

Wir sprachen über allerlei. Er benahm sich ihr gegenüber galant und liebevoll. Sie streichelte ihm über den Tisch weg die Hand und fagte Ottchen".

,, Solche Heucheler." Wie ich mit ihr mal allein war, sagte ich: ,, Sie haben ja einen reizenden Mann."

,, Ach ja, wir leben sehr glücklich, wir zwei sind uns so gut," beteuerte sie. Und als fie uns mal allein ließ, lobte ich die Frau ihm gegenüber, was ihm die helle Freude ins Gesicht trieb. Er bestätigte:" Die vernünftigste Frau, die Sie sich denken fönnen." Ich bin aus den zwei Menschen nicht flug geworden. Bar es Theater, das sie spielten? Oder brauchten sie das gegenseitige ergern zum Glücklichsein?

Nilgiri, Anilin und Indigo  . Es ist oft reizvoll, den Beziehungen zwischen Wörtern nachzuspüren, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.

Wenn wir eine Karte von Indien   betrachten, so finden wir dort in der südlichsten Ecke Borderindiens ein Gebirge, das mit Nilgiri. fälschlich auch Nilgiri- Gevirge, bezeichnet ist. Die Benennung stammt aus den indoarischen Sprachen und lautet im Sausfrit nila- giri. mörtlich blauer Berg". Da die in Indien   angebaute Indigopflanze den bekannten blauen Farbstoff liefert, ist es ganz natürlich, daß auch dieser sowie die Pflanze nila blau" genannt wurde. Die Araber hatten nun schon früh Handelsbeziehungen mit den Indern, fie entlehnten von ihnen die Zahlen( noch heute bei den Arabern indische Zahlen" benannt, während wir sie nach den Vermittlern arabische Zahlen heißen), Märchenstoffe und Märchenmotive, holten Handelsartikel, wie Kampfer und besonders auch Indigo. Wie auch anderwärts oft, so übernahmen die Arraber auch hier für die Mit dem vorgesetzten Ware gleichzeitig den fremden Namen. arabischen Artikel al, dem wir auch in Alchemie, Algebra, Alhambra. Alkali. Alkohol, Alforan, Allah  ( eigentlich: der Gott, nämlich Gott par excellence, es gibt feinen anderen Gott  ), Almanac) und anderen Wörtern begegnen und beffen I vor n ebenfalls zu n wird, lautet das Wort an- nil. Nach der Eroberung Spaniens   und Portugals  durch die Mauren   tamen neben vielen anderen arabischen   Wörtern auch die von den Arabern selbst erst entlehnten Ausdrücke ins Spanische und Portugiesische, und so finden wir hier als Bezeich­nung des Indigos das arabische Wort anil( mit einem n). Dieses Wort verbreitete sich jedoch in Europa   nicht weiter, sondern dafür fam das Wort auf( bei uns schon im Mittelalter als indich" und endich", im 16. und 17. Jahrhundert Endich, Endig[ bei Grimmels­hausen, Simple] bekannt). Indigo" ist die spanische Form des lateinischen Adjektios indicus und bedeutet einfach" indisch  ", wozu man die Namensbildung des Pfirsichs vergleiche: Pfirsich, früh bereits in althochdeutscher Zeit entlehnt aus lat. persieus eig. persisch", verfürzt aus malus persicus perfischer Apfel, Pfirsich". Als es zwischen 1830 bis 1840 Frizsche gelang, den Farbstoff Anilin durch Destillation von Indigo mit Kalilauge herzustellen, nannte er diesen so gewonnenen Farbstoff nach dem spanischen Wort für Indigo anil" Anilin. Man gewinnt Anilin jezt bekanntlich aus dem Steinkohlenteer. Erich Pagel.

Wieviel Worte gebrauchen wir? Nach den neuesten Ergebnissen legifographischer Forschung, die in der, Literarischen Welt" mitge teilt werden, verfügt ein 5jähriges Rind über 1700 Worte, ein Kaufmann über 3000 bis 10 000 Worte; Persönlichkeiten mit lite­rarischem Geschmack benußen etwa 12 000 Worte. Man hat be­rechnet, daß Shakespeare   in seinen Werten einen Sprachschatz von 24 000 Morten verwendet. Der Chefredakteur einer großen Zeitung muß ungefähr 45 000 3orte fennen. Bräfident Wilson hatte 62 210 Worte zu seiner Verfügung.