Es bleibt abzumarten, wie es dem Paneuropakongreß gelingen wird, die vorhandenen A b g r e n z u n g s s ch w i e- r i g k e i te n zu überwinden. Uns scheinen sie einstweilen noch nicht so brennend zu sein, weil bis zu ihrer Lösung noch sehr viel anderes zu tun ist. Wirtschaftsverträge, die Verkehrs- politische Erleichterungen bringen, Schiedsgerichts- und Garantieverträge, Vereinbarungen über.den Schutz der natio- nalen Minderheiten können abgeschlossen werden, ohne daß der Kreis, in dem sich diese Abschlüsse vollziehen, nach außen begrenzt ist. Außerdem ist England bereits als Garantiemacht in den Pakt von Locarno mit ein- getreten, und niemand wird daran denken, es aus dieser Rolle verdrängen zu wollen, weil sie sich mit den strengen Linien des Coudenhoveschen Plans nicht verträgt. Soviel ist klar, daß die Einigung Europas in jedem Umfang und in jeder Gestalt nur ein schöner Traum bleiben muß, so lange Europa durch den Gegensatz seiner beiden Kernvölker, des deutschen und des französischen, zerrissen bleibt. Ein dauerndes enges Einvernehmen zwischen Frankreich und Deutschland herzustellen, das ist also das ent- scheidende Stück der ganzen Arbeit. Und die Notwendigkeit dieses Einvernehmens ist heute, darf man sagen, von der über- wältigenden Mehrheit beider Völker erkannt. Es sind nicht mehr die Arbeiter allein, die schon vor dem Kriege zur Ver- ständigung drängten, es find heute auch weite kapitali- st i s ch e Kreise, die erkannt haben, daß sie nur noch die Wahl haben, entweder gegenüber dem amerikanischen Kon- kurrenten auf der Strecke zu bleiben oder sich über die Grenzen hinweg wirtschaftlich zu verbünden. Wenn der Führer der Nationalliberalen Partei, Herr Stresemann , heute der entschiedenste Vorkämpfer der Verständigung ge- worden ist und wenn die Annäherung fortschreiten kann unter der Präsidentschaft des deutschen Kriegsmarschalls auf der einen Seite und der des französischen Kriegspräsidentcn auf der anderen, Hindenburgs und P o i n c a r 6 s, so ist das ein Beweis mehr für die sieghafte Kraft einer großen Idee, die vorwärts getragen wird durch die ge- schichtliche Entwicklung. Kinder sind, die glauben, eine solche Entwicklung könne durch Zwischenfälle, wie die von Germersheim in andere Bahnen gelenkt werden. Verbrecherische Narren, die das wünschen! Die Sozialdemokratische Partei hat die deutsch -französische Verständigung auf ihr Banner geschrieben. Sie tritt ein für die Vereinigten Staaten von Europa . Sie arbeitet daran, alle Hindernisse wegzuräumen ans dem weltweiten Feld, auf dem dje künftigen Entfcheidungskämvfe um die soziale S t r u k- t u r der menschlichen Gesellschaft geschlagen werden sollen.
Kronprinzensohn unü Reichswehr« Antwort auf das Dementi des Reichswchrministers. Stuttgart , 2. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Das Dementi des Reichswehrministers, daß der älteste Sohn des Krön- p,r i n z e n in keine Beziehungen zu der Reichswehr getreten sei, erscheint in einem inerkwürdigen Licht, wenn nian den Tat- fachen mehr auf den Leib rückt. Das Reichswehrministerinm be- hauplet, daß Prinz Wilhelm lediglich seinen Sommerurlaub in Münzingen bei der Rauhen Alb verbracht habe. MünzingeN ist der größte Truppenübungsplatz in Württemberg . Inter- cssant wird der Sommeraufenthalt chadurch, daß der Hohenzollern - '"fprSßlidg vom 14. August bis 9. September in Munzingen weilte, also genau in der Zeit, als das 9. Reichswehr -Jnfanterieregiment, das sogenannte Traditionsregiment, in Mllnzingen sich aufhielt. Nach unseren Feststellungen ist der Prinz a u f Veranlassung eines höheren Offiziers des Regiments 9 nach Auingen bei Münzingcn gekommen, wo der Truppenübungsplatz liegt. Er bat sich während seines Aufenthaltes an sämtlichen Uebun- gen des Regiments im inneren und äußeren Dienst aktiv bei sämtlichen Formationen, ferner an Sportveranstaltungen des Regi- ments beteiligt.
Von nahestehender Seite wird ferner mitgeteilt, daß der Prinz an Kompagnieausslügen, namentlich nach der Burg Hohenzollern , teilgenommen hat. Im Hotel Hardt, wo der Hohen- zoller wohnte, fanden täglich abends Zusammenkünfte nit den höheren Offizieren des Regiments 9 statt. Wir haben in Münzingen weiter einwandfrei festgestellt, daß Prinz Wilhelm wiederholt Uniform getragen hat. Ferner mußte der Beginn eines Reichswchrkonzertes verschoben werden, weil nach Aussoge des Burschen des Lagerkommandanten„der Prinz noch nicht eingetroffen sei". Nach dem Abzug des Re- giments aus Münzingen in das Manövergelände ist der Prinz ebenfalls abgereist. Er nahm allerdings in Zivil an den Manövern um Mergentheim teil._ Das neue Polizeibeamtengesetz. Konferenz der Regiornngs- und 1. Polizeipräsidenten. Am Sonnabend waren im Preußischen Ministerium des Innern die Ober- und Regierungspräsidenten gemeinsam mit den Preußischen Polizeipräsidenten oersammelt. Nach einleitenden Begrüßungsworten des Ministers S e v e r i n g hielt Ministerialdirektor A b e g g einen Vortrag über die Gestaltung des im Entwurf im Preußischen Innenministerium fast völlig fertiggestellten Polizeibeamten - g e s e tz e s. Er wies darauf hin, daß in den sechs Iahren feit Bestehen der Schutzpolizei immer wieder mrf Verlangen der Entente Aenderungen mehr oder weniger einschneidender Be- deutung in der Organisation der Polizei vorgenommen werden mußten. In dem neuen Schutzpolizeibeamtengesetz sind die jüngsten Forderungen der Ententemächte berücksichtigt, die sich vor allem in einer Verminderung der Zahl der staatlichen Polizeibeamtcn schon ausgewirkt haben. Ministerialdirektor Abegg gab der Hoffnung Ausdruck, daß nunmehr die Polizei- organisation zu einem gewissen Abschluß kommen würde, weil im Zeichen des Völkerbundes auch eine Befriedung in der äußeren Politik zu erwarten sei. In seinen Ausführungen ging der Vor- tragende dann ausführlich auf die Einzelheiten des Gesetz- entwurses ein. Nachdem noch Ministerialdirektor(Sraefer einige Ergänzungen vorgetragen, fand eine rege Aussprache statt. Minister S e v e r i n g dankte am Schluß der Konferenz den anwesenden Polizeipräsidenten für ihre Mitarbeit am Auf- und Ausbau der Polizeiorganisation und wies auf die große Polizeiaus- st e l l u n g hin, in der zum ersten Male nach dem Weltkriege ein« herzliche internationale Verständigung gerade auf dem Gebiet der Polizei zum Ausdruck gekommen sei. In diesem Sinne könne man schon heute das Werk der Polizeiausstellung als völlig gelungen bezeichnen.
Die Germersheimer Verhaftungen. Holzmann und Heinrich Fechter in Haft. Germersheim , 2. Oktober. (WTB.) Wie bereits kurz gemeldet, wurde heute gegen 6 Uhr der Germersheimer Einwohner Hein- r i ch Fechter oerhaftet, weil er einer Vorladung auf Mittwoch nicht Folge geleistet hatte. Er wurde von zwei Gendarmen nach Landau übergeführt. Sein Bruder Otto Fechter wurde eben- falls, auf seiner Arbeitsstätte in Germersheim , gegen 9 Uhr ver- haftet und auf der französischen Gendarmerie in Germersheim ver- nommen, nach der Vernehmung aber wieder auf freien Fuß gesetzt, wobei ihm mitgeteilt wurde, daß er möglicherweife noch nach Landau vprgeladen werden werde. Zu dem Bericht über die gestrigen Vernehmungen in Landau ist noch nachzutragen, daß H o l z m a n n schon vorher aufgefordert worden war, sich den sran- zösischen Behörden zu stellen. Holzmann dies aber ablehnte, va er noch nicht reisefä hig sei. Als ihm dann«ine Zwangs- Vorführung in Aussicht gestellt wurde, falls er am Freitag nicht nach Landau käme, fuhr er gestern vormittag mit seinem Dater und drei weiteren Vorgeladenen aus Germersheim , dem Geschäftsführer Beißmann, den Schlosiern Schardt und Klein in einem Auto nach Landau . Di« Vernehmung der Genannten dauerte von 9, IS Uhr vormittags bis gegen 6 Uhr abends mit einer Mittagspause von 12 bis 142 Uhr. Das Verhör endete damit, daß Holzmann, wie
potemkin-pfpchose. Ein Beilrag zur Geschichte der menschlichen Dummheil. Die schlimmsten Erwartungen wurden dieses Mal nicht erfüllt. Die F i l m- O b e r p r ü f st e l l e spielte am Soimabend beinahe die Rolle eines Vertreters der„reinen Vernunft". Man verbot tat- sächlich nicht die Ausführungen des„Panzerkreuzers Potemkin", trotz- dem �die Länder Bayern , Württemberg und Thüringen Ankläger aus Staatskosten nach Berlin geschickt hatten, Ankläger, die den Er- weis erbringen sollten, daß der Film„Panzerkreuzer Potemkin " selbst nach seiner Kastration die Staatsordnung untergraben könnte, und es bestimmt, wenn auch nicht heute, so doch spätestens in zwei Jahren tun würde. In sechsstündiger Redeschlacht wurden schließlich die Verteidiger absoluter Staatsautorität besiegt und der Film b l c i b t f r e i. Der ganze Fall, der jetzt nach dem abschließenden Urteil der Film-Oberprüfstelle erledigt erscheint, würde kaum ein weiteres Interesse beanspruchen, wenn er nicht für die Art charakteristisch wäre, in der gewisse Schichten der Bevölkerung, für die„Fridcricus Rex" die höchste Offenbarung bedeutet, arbeiten und wenn er nicht das bedenkliche Symptom einer ernsthaften Psychose wäre. Im Grunde bleibt es gleichgültig, welche Bedenken die einzelnen Ver- treter der Länder äußerten, denen sich würdig die Vertreter des Kommissariats für öffentliche Ordnung und des Reichswehrministe- riums anschlössen. Alle hatten dieselbe Meinung, die ungefähr in diesen Sätzen gipfelte: Der Film ist nichts weiter als eine Propa- ganda für die bolschewistische Welttevolution, er soll die revolutio- nären Ideen in die Massen tragen und ist damit eine nicht zu ver- kennende Gefahr, die den Autoritätsglauben an den Staat erschüttert. Für Bayern liegt die Angelegenheit nun besonders schlimm, da hier die Gruppierung der Parteigegensätze schärfer ist als sonst im Reich. Bis hierher ist alles noch sehr nett und verständlich. Dann kann man aber beim besten Willen kaum mehr folgen, denn die Herren ver- irren sich in eine mystische Psychologie. Also zugegeben, daß der Film zersetzend wirken könnte, so steht doch die Tatsache fest, daß er, der ungefähr seit vier Monaten in Preußen und anderen Bundes- staaten gelaufen ist, niemals einen Sturm der Erregung entfesielt hat. Ach, das macht nichts, lächelt man wissend, die Wirtungen zeigen sich nicht sofort, nein, das Gift ist schleichend wie das der Borgias. In ein paar Jahren wird man schon merken, was die Uhr ge- schlagen hat. Man rafft sich zu warnendem Pathos auf, und'allein die Möglichkeit, daß der Film agitatorisch wirken könnte, genügt, wie Herr Dr. M ü h l e i s e n ausführt, um ein Verbot zu recht- fertigen. Man hört nun vollkommen oerwirrt zu. So viel tiefschürfende Psychologie kann nur allmählich verdaut werden. Sind die Leute denn noch normal, kennen sie denn überhaupt das Tempo der Gegenwart? Wie Dr. Bandmann vom preußischen Innen- Ministerium eingehend ausführte, der Film ist bereits außer Mode gekommen, nirgends haben sich Störungen ereignet, warum will man ihn denn jetzt verbieten? Das hieße doch, diesen tot gelaufenen Film künstlich galvanisieren. Er wie auch Rechtsanwalt Grosse Dr. L ö w y zeigen, daß die Wirkung bereits ver- pufft ist. Nichts nützt, die Vertreter absoluter Stoatsauwrität
halten mit der Starrsinnigkeit junger Dackel an ihrer Behauptung fest, vertiefen sich in die subtilen Fragen, ob dieser Film die Mechanik oder die Technik moderner Revolution enthüllt. Rein, die Leute sind nicht so einfältig, wie es scheint. Ein anderes Moment ist dabei ausschlaggebend. Der Film soll unter allen Um- ständen verboten werden, auch wenn die' Behauptungen, er fälsche die Geschichte, er säe revolutionäre Anschauungen in Heer und Marine, er werde nach ein paar Jahren seine Früchte zeigen, wider- legt werden. Er soll verboten werden, weil man hier Morgenluft wittert. Der Film ist nicht mehr Film, er wird zum Propaganda- mittel politischer Parteien. Aber die Herren, die auf einmal hier so feinfühlig sind und sich als regierungstreue Männer aufspielen, vergesien, daß die Produkte schwarzweißroten Charakters viel gefähr- licher wirken, sie vergesien den Fridericus Rex und andere Rummel. Die Film-Oberprüfstelle kümmert sich nicht um diese Argumen- tationen. Der Film darf in den drei bedrohten Ländern gespielt werden. Der Vorsitzende Dr. von Zahn führt in seiner Urteils- begründung aus,„Panzerkreuzer Potemkin " bedrohe keineswegs die Ruhe, Sicherheit und Ordnung des Staates, und aus politischen Gründen dürfe kein Film nach Z 1 des Filmgesetzes allein verboten werden. Die Dunkelmänner haben die wohlverdiente Abfuhr er- litten, und man fragt sich, leiden diese Leute tatsächlich unter einer Psychose? Ach nein, sie sind so gesund wie die anderen, aber sie scheuen nichts, wenn es gilt, der Reaktion zum Siege zu verhelfen, dann schaffen sie sogar eine Potemkin-Philologie und-Psychologie, dann behaupten sie sogar, daß in ruhigen Zeiten ein gut inszenierter Film zur Revolution führen könnte. Trösten wir uns mit dem Faustzitat:„Es muß auch solche Käuze geben." Felix Scherret.
Komödienhaus(„E inbruch" von Landsberger und Ralph Roberts). Polizei, Polizei! Ein halbes Dutzend Witze auf die Wächter der Ordnung, und die Leute, die im Frack erschienen waren, waren vorbereitet, auf den Polizeiball zu gehen. Man sagt, daß es eine großartige Sache sein wird. Wenigstens ist der Rückenausschnitt mancher Damen an diesem Abend so tief, daß nichts mehr zu entlarven ist. Der Fassadenmaxe, der auf der Bühne das halbe Dutzend Witze gegen die Polizei zu verzapfen hat, wird auch nicht entlarvt. Denn er ist ein fixer Kerl. Außerdem hat sein Freund Emil den 8 Sl, und die dunkle Paula, die am Schluß etwas blaß aussieht, sinkt ihrem Fassadenmaxe in guter Hoffnung auf einer Erholungsreise in die 2lrme. Also muß der Fassadenmaxe nicht ins Kittchen. Also wird der Polizei eine Nase gedreht. Üeber diese Nase freut sich alles, was zum Polizeiball geladen ist. Den Dreh haben übrigens die lustigen Herren Landsberger und R o- berts ganz geschickt heraus. Wird die Geschichte manchmal etwas lahm, dann kommt doch wieder ein fröhlicher Puff nach vorwärts. So können Heiterkeit und viel Beifall quittiert werden. Auch für den Schauspieler Roberts, der fein eigenes Stück gar nicht virtuos, sondern nur lustig spielte. Neben Roberts gab Herr Hans Sternbcrg einen verschlagenen Einbrecher, dem sein Jagdschein die niedlichsten Frechheiten gestattet. Dummdreistigkeit und Blöd- sinn, der sich als fabelhafte Schlauheit herausstellt, gehören zu dieser Roll«, und Herr Sternberg machte das vorzüglich. M. H.
bereits gemeldet, verhaftet und in das Militärgefängnis ge- bracht wurde. Den Vernommenen wurde ein Protokoll in franzö- sischer Sprache zur Unterzeichnung vorgelegt, die sie jedoch mit der Begründung ablehnten, daß sie der französischen Sprache nicht mäch- tig seien. Die Vernommenen mit Ausnahme von Holzmann wurden auch mit zwei französischen Soldaten konfrontiert, wobei es sich darum handelte, ob die französischen Soldaten in den drei Deutschen die Leute wiedererkannten, mit denen sie in eine Schlägerei ver- wickelt gewesen sein wollen. Nachdem die französischen Soldaten die Identität verrneint hatten, wurden die drei Germersheimer Bürger entlassen. Engcrs am Rhein geräumt. Mainz , 2. Oktober. (WTB.) Die Besatzungstruppen von E n g e r s am Rhein , von einem Bataillon, haben den Ort g«- räumt, wodurch für die kleine Stadt wesentliche Erleichterungen geschaffen werden._
örianü über Germersheim . Erklärung nach der Unterredung mit Chamberlain. Paris . 2. Oktober. (WTB.) Minister Briand empfing im Anschluß an die heutige Besprechung mit Chamberlain Pressevertreter, denen er folgende Erklärung abgab: Die Be- sprechungen, die Chamberlain mit Musiolini und Chamberlain mit mir gehabt hat, können nur zur Aufrechterhaltung und Konsolidierung des Friedens beitragen. Die beiden Staatsmänner haben sich übrigens nur über Fragen unterhalten, die ganz besonders Groß- britannien und Italien interessieren, aber etwas außerhalb des Blick- feldes der allgemeinen Politik stehen. Ich bin ein großer An- Hänger der direkten Besprechungen zwischen Staats- männern. Was die französisch-englische Politik betrifft, so bestätige ich, daß wir über sämtliche Punkte vollkommen einer M e i n u ng waren, um unsere Aktion mit den andern in Einklang zu bringen. Chamberlain war sofort über den Plan der deutsch - französischen Annäherung und über die Bedingungen, unter denen diese Annäherung durchgeführt werden könne, im Bilde. Unsere Besprechungen mkt Berlin werden zweifellos bald wieder ausgenommen werden. Augenblicklich ist das vor allen Dina?-. eine Angelegenheil der Sachverständigen. Ich habe noch nicht mit Chamberlain über bestimmte Einzel- Helten gesprochen. Aber unsere Besprechungen mit Deutschland können nur durchgeführt werden in engem Kontakt mit den interessierten Ländern. Wir sind nicht allein. Locarno ist ein Mittel, die Verträge anzuwenden, aber wodurch gewinnt ein Ver- trag an Wert, wenn nicht durch den Geist, in dem man ihn aus- führt. Die kontrahierenden Parteien können, wenn sie daraus ver- zichten, sich gegeneinander zu stellen, gemeinsam die Lösung für die Probleme finden, die sie interessieren und die sie bisweilen auch trennen. Die bereits erzielle Verständigung geht daraus hinaus, mehr oder weniger die Reibungspunkte oerschwinden zulassen. Die Politik, die Chamberlain und ich selbst eingeleitet haben, ist gegen niemand gerichtet, da wir ja beabsichtigen, die Beziehungen zwischen sämtlichen Mächten enger zu knüpfen und so die Konfliktsursachen auf ihr Mindestmaß zu beschränken. Es kommt darauf an, sich auf diesem Wege durch keinerlei Hindernisse irgendwelcher Art ablenken zu lassen. Ich denke an den Zwischenfall von Germershelm. Ist« nicht ein rein örtlicher Zwischenfall an dem erregte Nationalisten nicht unbeteiligt sind? Man darf nicht vergessen, daß sich der Vorfall am Eingang eines Cafes abspielte. Unsere Regierungen müssen sich bemühen. die Wiederholung solcher Zwischenfälle durch geeignete Vorkehrungen unmöglich zu machen. Ich kann versichern, daß sie das tun."
Der Gemeinderat von Cupen hat auf Vorschlag eines Sozio- l i st e n mit acht gegen fünf Stimmen beschlossen, die französische Volksschule in Cupen aufzuheben.
Richard Dehmels Drama„Die Menschenfreunde" ist fraglos ein Werk voll hohen sittlichen Ernstes: aber es ist, trotz der strengen Bühnenarchitektur, kein bühnenwirksames Werk. Der Ekel vor aller „Menschenfreundlichkeit", von der Gesellschaft wie von den Gliedern der Gesellschaft geübt, ist schon oft ausgesprochen worden— und Dehmel zeigt ihn in diesem Werk, das im Kriege geschrieben und 1917 in Berlin zum ersten Male aufgeführt wurde, nicht in neuer Form. Das Drama ist interessant, denn es beweist das innere Er- leben des Dichters, der als Kriegsfreiwilliger ins Heer eingetreten war. Ihn mag dort das Grauen vor den Menschenfreunden so stark gepacki haben, daß dieses Drama ihm die notwendige Entspannung wurde. Aber dieses � betonte Tendenzwerk hat nicht einmal den vollen Mut zur Folgerichtigkeit. Oberbürgermeister, Oberregicrungs- rat, Regierungspräsident repräsentieren die„Menschenfreunde"— die Gestalt des Ministers ist verschwommen; er bringt die Erhebung in den Adelsstand, die Verneigung der.höchsten" Menschenfreunde vor dem Gelde, aber er stärkt den einsamen Multimillionär gleich- zeitig mit den banalen Worten, daß die Ehren nicht dem Menschen, sondern den Taten gelten und.zur Nacheiserung anspornen sollen. Und da der sonst so Kampfbereite diesen Trost dankbar weinend an- nimmt, so muß der Zuschauer wohl glauben, daß es Dehmel ernst mit dieser Ueberzeugung war. Damit endet der Sinn des Dramas dort, wo er eigentlich beginnen sollte, und daß der rachsüchtige und nach menschlicher Gerechtigkeit strebende Vetter unbekehrt bleibt, ist eigentlich nach diesem Äusklang ein dramatisch unberechtigter Rück- schlag. Immerhin errang die gute Aufführung im Kleinen Theater unter Georg Johns geschickter Regie einen Achtungs- erfolg. Auch als Darsteller des armen Reichen Christian Wach be- währte sich Georg John , und Margarete Albrecht zeichnete gut die einfältige Frömmigkeit und Güte der alten Wirtschafterin. Otz Tollen spielte den Vetter Justus, den„Gerechten ", nicht eigentlich als inneren Schurken, sondern als Teil der Gesellschaft, die er repräsentierte, und in dem erst der wirkliche Haß durchbricht, als ihm nur die Wahl bleibt: den anderen zu hassen oder sich selber zu verachten. Tes. „Dirnenkragödie."(Trianon-Theater.) Der Schluß ist wüstes Theater, der Anfang breit angelegtes, naturalistiiches Drama. Dazwischen bemüht sich Rolf Braun, Seelisches zu geben. Vier Personen beherrschen die Szene, abgebrauchte Typen, die aber hin und wieder Zeugnis für die Gestal- tungskraft Brauns ablegen. Ein junger Mann steht zwischen der alternden Frau und dem verführerischen Mädchen. Die Frau kämpft um ihn vergeblich, er geht zu der jungen. Und aus Rache läßt sie durch ihren alten Freund das junge Mädchen ermorden und erhängt sich. Ein Thema, das das Dirnentum nicht als notwendige Boraus- fetzung braucht, es ist In jedem Milieu möglich. Manche Szenen, wi« die der ersten schüchternen Annäherung, wie die des Ringens um den Mann, sind gitt gegeben, aber doneben stehen Brutalitäten und Unmöglichkeiten, die nur auf billigen Effekt spekulieren, genau so, wi« der Titel und das Milieu. Ein Bruch klafft durch das Ganze: Die beiden Episodenfiguren sprechen Berliner Dialekt, die ijanpt- Person aber, die demselben Lebenskrcis entstammt, bewegt sich in hoch- trabenden Phrasen. Uneinheitlichkeit in allem ist das Charakteristikum dieses dramatischen Versuchs. Aber vielleicht stammelt hier ein Dra- motiter trotz der billigen Effekte und trotz der groben Umrisse der