Einzelbild herunterladen
 

. jr;... Unterhaltung unö

Chamberlains Geniestreich.

Der Geüanke. Die Vorbereitung.

vie Lanöung. Bon Karl Hermann Franz. Das war der große Willi Döhler, toi, toi, toi, war das ein Kerl! Dir kegelten jeden Montag abend in der Loge, aber neben ihm oerblaßten wir alle wie die Dreierkerzen neben der strahlenden Sonne. Schon wie er mit breiten, wuchtigen Schritten die Bahn betrat, ob man sein Tun auch gebührend bemerkte! Das war etwas, was ihm so leicht niemand nachmachte, diese Sicherheit, diese Ueber- legenheit über uns andere, die wir in respektvoller Entfernung herumstanden. Und dann sauste die Kugel in mächtigem Schwünge die Bahn hinunter. Der Junge brüllte:Alle Neune!" Das war Willi Döhler. vor dem wir nicht nur seiner Kegelkunst wegen heillosen Respekt hatten. Auch im prosaischen Leben war er ein Mann, der von unserer Sorte mindestens ein Dutzend aufwog, der im kleinen Finger mehr Grütze hatte als wir in unseren diversen Wasserköpfen zusammen. Döhler scheffelle das Geld, er verstand einfach unsere Unfähigkeit nicht, die uns zwang, für kargen Lohn uns Monat um Monat zu verdingen. Und kam die Rede darauf, stellte er sich in unsere Mitte und sprach: Wie kann man so verzagt sein, das ist Schlappheit! Ein tüch- tiger Mensch setzt sich immer durch, ganz gleich, was er beginnt! Wenn ich heute als Hausdiener anfange, bin ich doch in kurzer Zeit Direktor! Geht es aber schlecht, trägt man allein die Schuld daran!" Wieso?" warf der Ingenieur Kern ein.Ich bin vier Jahre bei meiner Firma gewesen und werde abgebaut, weil keine Austräge mehr eingehen. Wo liegt da mein Verschulden?" Nur die Leute werden abgebaut," sagte Döhler belehrend,die dem Unternehmen Kosten verursachen. Hättest du deiner Firma etwas eingebracht, also mehr geleistet, säßest du heute noch in aller Ruhe auf deinem Platze!" Kern bekam einen roten Kopf und verkrümelte sich unter den anderen. Da mischte sich Albert Janßen, der Chemiker ein.Beurteilst du die Dinge nicht zu einseitig?" fragte er.Ich habe für meine Gesellschaft zwei Patente ausgearbeitet, habe also unbestritten etwas geleistet. Trotzdem bin ich auf fünfzig Prozent meines Gehaltes gesetzt worden mit dem Bedeuten, daß ich gehen könne, wenn ich damit nicht einverstanden wäre." Döhler blähte sich wie ein Hahn.Was ist das?" sagte er verächtlich,zwei Patente! Du bist ein kleines Rad im großen Betriebe, und deshalb entbehrlich. Wärst du ein fähiger Kopf, der die Dinge auch im großen überschaut, hätte man nicht gewagt, dein Gehalt zu kürzen." Auch Janßen schob ab. Da oersuchte es der Prokurist Fritz Zoller, der die Methode Döhlers noch nicht kannte.Du tust uns Unrecht," behauptete er. Ich habe mich im Laufe eines Jahrzehntes zum Prokuristen herauf- gearbeitet und stehe heute doch am Rande des Nichts. Meine Firma hat vor einem halb vi Jahre ihre Betriebe geschlossen, und wie habe ich mich seitdem bemüht, eine andere, gleichwertige Stellung zu finden." Das Leben stellt die Menschen immer auf den Posten," erklärte Döhler,der ihnen zukommt. Als Prokurist deiner allen Firma hast du nicht verstanden, dir den Einfluß zu sichern, der dir heute über deine Notlage hinweghelfen könnte. Deshalb fegt dich das Schicksal von einem Posten herunter, der dir nicht gebührt, und du wirst da landen, wo du hingehörst!" Es ist noch nicht aller Tage Abend," lachte Zoller verbittert. warten wir ab, wo du einmal landen wirst!" Selbst wenn meine Gesellschaft aufgelöst würde," sagte Döhler sehr von oben herab,gäbe es noch mehr Gesellschaften, die einen Mann, der etwas versteht, noch heute mit der Laterne suchen." Wir anderen schwiegen, und ein leises Gefühl des Neides stahl sich in unser Herz. So sicher wie Döhler durch das Leben zu gehen, das mußte doch etwas Großes sein. Wenige Tage nach dieser denkwürdigen Aussprache halle ich Gelegenheit, Direktor Döhler in seiner beruflichen Tätigkeit zu be- wundern. Er hatte mich um eine Gefälligkeit gebeten, den Erfolg meiner Bemühungen sollte ich ihm auf seinem Bureau berichten. In der Mittagsstunde suchte ich ihn auf, wurde umständlich an- gemeldet, in das Sekretariat geführt und dort veranlaßt, einen Fragebogen über den Zweck meines Besuches auszufüllen. Zunächst entrüstete mich diese Art des Empfanges eines Privatbesuchers. Als mir aber die Sekretärin einigermaßen verschüchtert versicherte, sie habe strengsten Befehl, ohne den Fragebogen niemand vorzulassen, gewaFn ich der Situation Geschmack ab und beantwortete alle Fragen des Vordruckes mit peinlichster Gewissenhaftigkeit. Endlich, endlich öffnete sich die Pforte zum Allerheiligsten. Ich betrat ein großes, dreifenstriges Zimmer, mein Fuß versank in einem weichen, das ganze Gemach bedeckenden Teppich. Ueberall standen schwere Klubsessel herum, auf einem Rauchtisch luden Importen und Zigaretten zum behaglichen Genießen ein. Und der Herr der Herrlichkeit thronte hinter einem mächtigen Schreibtisch und lächelle mir entgegen.Was führt dich zu mir?" fragte er und schüttelte mir die Hand. Du hattest mich doch gebeten," sagte ich erstaunt,dir in der Mittagsstunde Bericht zu erstatten." Richtig!" erwiderte Döhler.ich vergaß es. Ich habe auch an so viele komplizierte Dinge zu denken, da entfällt mir das Unwefent- «che. Nimm Platz und erzähle, was du erreicht hast." Ich berichtete. Schön!" sagte er.Ich danke dir. Rauchst du?" Er bot mir eine aufgeklappte Zigarrenkiste an. Du host es recht gemütlich." steMe ich fest.Slubsesiel und Importen." Der Schein trügt," lächelle der Direktor,dieser Raum ist ein« Stätte ernstester Arbeit! Von hier aus dirigiere ich die vier großen Fabriken meiner Gesellschaft. Ich bin der Kopf, die Tausende meiner Arbeiter die Glieder!" Da» ist kolossal!" rief ich.Wie hast du es nur angefangen, einen so einflußreichen Posten zu bekommen?" Döhler zuckte nachlässig die Achseln.Glaubst du, daß mir die gebratenen Tauben in den Mund geflogen sind?" lächelle er.Ich habe gearbeitet, Tag und Nacht, das ist mein ganzes Geheimnis! Und sitze heute noch tagein, tagaus bis Mitternacht im Bureau! Leistet das, was ich leiste, dann werdet ihr das gleiche erreichen!" Es klopfte: mit einer tiefen Verbeugung trat ein jüngerer Mann in das Zimmer.Verzeihung, Herr Direktor," sagte er,das Schreiben an Berger und Kolani ist ellig, morgen ist der letzte Termin, sonst geben sie der Konturrenz den Auftrag."

Oie Verwirklichung.

Ich weiß von keinem Schreiben," rief Döhler unwillig,was ist das für eine Sache?" Ich habe Herrn Direktor doch vorgestern perfönlich den Brief übergeben," erklärte der Angestellte,mst der Bitte, zu unter- schreiben." Unsinn." sagt« Döhler grob,mir haben Sie nichts vorgelegt! Wer weiß, wohin Sie den Brief wieder verirödell haben? Suchen Sie ihn sofort, in spätestens einer Stunde will ich ihn sehen! Verstanden?" Sehr wohl, Herr Direktor!" Mit einer Verbeugung verschwand der Eingetretene. Döhler erhob sich, ging zum Schreibtisch und kramte in den darauf wild durcheinanderliegenden Papieren. Verdammte Bummelei." schimpfte er,daß man sich nie auf das Personal verlassen kann! Ich habe den Brief nicht!" Er zerriß ein Schreiben und warf es in den Papierkorb.Dieses Schreiben ist auch lange erledigt! Schließlich sucht der Esel den verbummelten Brief noch stundenlang! Er soll einen neuen anfertigen! Verzeih«. ich will es dem Menschen selbst sagen." Als die Tür hinter ihm in das Schloß gefallen, trat ich von ungefähr an den Papierkorb. Das zerrissene Schreiben interessierte mich, rasch hielt ich die beiden größten Fetzen zusammen, die Auf- schrift lautete an Berger und Kolani. Ich saß lange wieder am Rauchtisch, als Döhler zurückkehrte. Das ist ein Kreuz," sagte der Direktor,mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. Stellst du es dir noch so leicht vor, mit diesen Idioten das Unternehmen zu dirigieren? Nichts geschieht von allein, um alles muß ich mich kümmern! Nicht einmal der Papier- korb wird geleert." Er drückte auf einen Knopf am Schreibtisch. Friedrich soll sofort kommen," sprach er in das Haustelephon,der Papierkorb ist wieder tagelang nicht ausgeschüttet worden." Ich empfahl mich, der Direktor begleitete mich zur Tür.»Auf Wiedersehen am Montag," rief er,hoffentlich hast du heute ge- lernt, daß die Götter vor den Erfolg den Schweiß gesetzt haben»! Fräulein Schulte, bringen Sie den Herrn hinaus!" Sagen Sie, verehrtes Fräulein," erkundigte ich mich, nachdem wir die Räume durchschritten,ich wollte nicht selbst fragen. Wann ist der Herr Direktor mit Bestimmtheit im Bureau zu treffen?" Zwischen zehn und eins," erwiderte die Sekretärin. Und sonst ist er nicht anwesend?" forschte ich. Das Fräulein schüttelte den Kopf.Außerhalb dieser Zeit ist er nur in seiner Privatwohnung erreichbar. Dort wünscht er aber geschäftlich nicht gestört zu werden." Weil er schläft oder Karten spielt," hätte ich beinahe hinzu. gesetzt. « Kern, Janßen und Zoller gelang es im Laufe der Zeit, andere Stellungen zu finden, allerdings war mtt diesen ein Domizilwechsel verbunden, der sie unseren Kegelabenden für immer entzog. Damtt flogen unsere Montage auf. denn die in der Stadt bleibenden Männer reichten nicht aus, einen richtigen Kegelstamm zu bilden. So kamen auch die Ätzten auseinander, die Freundschaft schlief ein, neue Interessen regelten das Leben. Nur zuweilen hörte man von dem einen oder anderen aus der Ferne. Großes Aufsehen erregte es aber doch, als dos Gerücht zu uns drang, auch die Gesellschaft, die unter Leitung des tüchtigen Direk- tors Döhler stand, sei in Liquidation getreten. Wir konnten es nicht glauben, daß einem solchen Kerl das gleiche Schicksal wie un» bereitet würde. Aber was machte das schließlich einem Döhler aus? Der hatte zehn Direktorenstellungen für die eine, die er verlor, denn ein Mann, der etwas versteht, wurde er nicht noch heute mit der Laterne gesucht? Uns machte das Schicksal Willi Döhlers keine Sorge, der hieb sich das Dasein schon zurechtl Umso größer war aber mein Erstaunen, als ich kürzlich einen abgelegenen Vorort durchstreifte und einer kümmerlichen und ver-

ver Effekt, See die Welt in Erstaunen setzte.

grämten Frau begegnete, in der ich Frau Direktor Döhler er» kannte. Gnädige Frau," rief ich,wie kommen Sie in diese Gegend?" Wissen Sie denn nicht?" fragte sie,mein Mann hat doch seine Stellung verloren, seine Gesellschaft hat liquidiert. Wir haben dabei unser ganzes Vermögen verloren, das wir in den Aktien des Unternehmens hatten. Dadurch ist er doch nur Direktor geworden." Und was machen Sie jetzt?" forschte ich.Hat Ihr Herr Ge- mahl schon ein« andere Direktorenstelle?" Die Finger hat er sich wund geschrieben," klagte sie,aber er bekommt nichts. Und wenn er irgendwo hätte Lagerverwalter werden können. Wir waren schon ganz verzweifelt und wußten nicht mehr ein noch aus". Wie ist das möglich?" entfuhr es mir.Für ihn müßte es doch ein« Kleinigkeit sein, ein großes Amt zu finden." Wenn wir Geld hätten," jammerte sie.Direktorenstellungen sind nur bei Beteiligungen zu haben." Das ist schlimm," sagte ich,was will er machen ohne Geld?" Wir haben in unserer Not ein Restaurant an der Ecke über- nommen," berichtete sie,das Geld dazu haben wir uns geborgt." Ich verabschiedete mich unter einem Vorwande und oersprach, gelegentlich in der Ferdinandstraße vorzusprechen. Müde und ge- beugt schlich Frau Döhler davon. Eine halbe Stunde später kam ich an der Eckkneipe vorbei, der Name Willi Döhler leuchtete In goldenen Lettern über der Tür. Hinter dem Schenktisch stand mit aufgekrempelten Aermeln der Direktor und spülle mit großen, schwingenden Bewegungen schmutzige Gläser. Das war der große Willi Döhler, toi, toi, toi, war das ein Kerl.

Zranz von Msi. (Zu seinem 700. Todestag am 4. Oktober.) Ein katholischer Kirchenheiliger und Ordensstifter? Dann würde er alle außerhalb der Kirche stehenden Geister nicht sonderlich in- teressieren. Franz von Assisi ist weit mehr gewese,, als das: ein sozialer und kultureller Crweckcr größten Formats. Die Lebcnsgeschichte erinnert an die Buddhas. Wenn auch kein Königssohn, so war Giovanni Bernardone doch eines reichen Kauf- manns Kind, dem alle Genüsse des Lebens zufielen. Er verschwärm:« eine üppige Jugend, bis ihn plötzlich der Ekel überkam und er sich in die Einsamkeit zurückzog, ein paar Gefährten um sich sammelte und arm und vollkommen bedürfnislos, von seiner Familie ge- schieden, erst 44 Jahre alt, zu Assisi in dem von ihm gestiftets» Mönchekloster starb. Wir sind heute allzuleicht geneigt, über mönchische Aszese und Weltflucht mißbilligend den Kopf zu schütteln, Wir vergessen dabei nur eins: die sozialen Verhältnisse des Mittel- otters. Sie berühren sich insofern mtt den indischen zur Zeit Buddhas, als sie eine in Klaffen scharf geschiedene Gesellschaft auf- weisen. Ob diese nun Kirche, Adel und Zünfte, oder Kasten heißen: einer reooluttonären Einzelpcrsönlichkeit lassen sie keinen Raum. Luther hat am End« des Mittelattcrs eine zerfallende Gesellschaft vorgefunden, die er mit Leichtigkeit auseinandersprengen konnte. Anders ein Reformator des 13. Jahrhunderts. Die kirchliche und weltliche Hierarchie stehen uncrfchüttcrt auf dem Gipfel ihrer Macht. Man kann, wenn man ihre Schäden bessern will, nichts anderes tun als sich abseits von ihnen, reinlich getrennt, in einem neuen Verbände zu organisieren. Die Güter der Welt sind in festen Händen ihnen muß man, um eine neue, besiere Gesellschaft herauszuführen, entsagen. Es ist schon viel, wenn man auf die Grundlage des Er- werbslebens, auf die Familie verzichtet. Besitzlosigkeit des einzelnen schreiben auch die anderen geistlichen Orden vor. Franziskus der neue Name zeigt die Ausscheidung aus der Sippe an fordert aber mehr: die Besitzlosigkeit des Ordens. Er sieht, was die Gütererwerbung der geistlichen Gemeinschaften, namentlich der Benediktiner , für Unheil anrichtet: wie in den reichen Klöstern die Mönche und Nonnen faul und genuß-