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Nr. 468 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 239

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Dienstag, den 5. Oftober 1926

Vor neuen Maßregelungen in Moskau  .

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Auflage gegen Sinowjew  , Trotzki  , Radek, Pjatakow  , Smilga  , Sapronow. Mostau, 4. Oktober.  ( Telegraphenagentur der Sowjetunion  .)| Wochen in der Moskauer   Parteigruppe von dem Vorsitzenden Ugla­Die Oppositionsführer Sino wjew, Trotti, Radek, Pja- now mit Besorgnis festgestellt und besprochen wurde. tatow, Smilga   und Sapronow begaben sich froh der Be­schlüsse der Kommunistischen Partei über die Unzulässigkeit von Diskussionen über die Partei in die Moskauer Fa­brik Avio pribor, um dort eine Diskussion einzuleiten. Die kommunistischen   Arbeiter dieser Fabrik bezeichneten dies als eine

fraffionelle Handlungsweise der Opposition und nahmen eine Entschließung an, die das Auftreten der Oppositions­führer verurteilte. Das Moskauer   komitee forderte das Zentralfomitee auf, gegen die Mitglieder des Zentral­komitees, die die Parteibeschlüsse verletzt haben, Maßnahmen

zu treffen.

Geheime Beschlüsse des Zentralkomitees.

Mostau, 4. Oftober.( Ost- Expreß.) Die zuerst am 15. Oftober einberufene und dann auf den 25. Oktober verlegte Konferenz der Kommunistischen Partei wirft ihre Schatten voraus. Der Kampf zwischen der Opposition und der Parteileitung, von dem im Früh

herbst wenig zu hören war, ist wieder aufgelebt und dürfte in

nächster Zeit noch mehr von sich reden machen. Das 3entral komitee der Partei hat eine Sonderjigung abgehalten, deren Beschlüsse unbekannt sind, sich aber jedenfalls auf die erhöhte Aktivität der Opposition beziehen, die schon vor einigen

Bundesausschuß des ADGB  .

Englischer Bergarbeiterstreik.- Arbeitslosigkeit. Ueberstundenproblem.

Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund   schreibt uns: Der Bundes ausschuß des Allgemeinen Deutschen Gewert. schaftsbundes versammelte sich am Montag im Sigungsfaale des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates zu seiner fünften Sigung. Er nahm zunächst den Bericht des Genossen Lei part über die Tätig keit des Bundesvorstandes entgegen.

In der Debatte brachten alle Redner zum Ausdruck, daß die Sammlungen für die ftreifenden englischen Bergarbeiter, an die

Die lakonische Meldung der Moskauer   Telegraphen­agentur ist die Ankündigung eines neuen Parteiprozesses gegen die namhaftesten Führer der Opposition in der russischen kommunistischen   Partei. Er wird sich diesmal nicht gegen den Kreis um Sino wjew richten, sondern gegen die Führung der gesamten Opposition einschließlich Trohti. Diese Opposition ist so uneinheitlich, daß man sich schwer vorstellen kann, daß sie zusammenhalten fönnte, wenn sie an die Macht gelangen würde. Trotki und Sinomjem als Führer einer Opposition- dabei handelt es sich nicht um gemeinsames positives Wollen, sondern um gemeinsame Gegnerschaft gegen die innerpolitische Diktatur Stalins.

Jede führende Personengruppe, die heute in der KPR., und damit im russischen Staate an die Macht gelangt, fann von den wesentlichsten Zügen der gegenwärtigen ökonomischen Sowjetpolitik nicht abweichen, ohne Rußland   in neue revo­lutionäre oder gegenrevolutionäre Erschütterungen zu stürzen, die alle Anfäße des wirtschaftlichen Wiederaufbaues zerschlagen würden. Es liegt eine gewisse Tragit darin, daß die gegen wärtigen Machthaber durch die Anwendung diktatorischer Methoden, die die Opposition zur Konspiration treiben, die Gefahr von Erschütterungen heraufbeschwören, die ihrem Lande und seiner Entwicklung zum Aufstieg in der Demo­tratie gefährlich werden können.

fich nicht nehmen, die Deffentlichkeit gegen Dr. Levi scharfzumachen. Der Mentor" des Blattes, der Hohenzollernpfarrer Traub, schreibt in der Dienstagnummer einen eigenen Artikel, der den be= zeichnenden Satz enthält: Wir hoffen, daß diesem Dr. Levi hier, wie man auf gut deutsch   sagt, das Maul gestopft wird." Da­mit macht sich Dr. Traub zweifelsohne der Aufforderung zu mit macht sich Dr. Traub zweifelsohne der Aufforderung zu Tätlichkeiten, wenn nicht gar zu Mord, schuldig; denn die vaterländischen Jünglinge und Hakenkreuzritter, an die dieser Satz gerichtet wird, wissen schon, wie er gedacht ist.

Was gedenkt die Etaatsanwaltschaft gegen diesen Berstoß gegen die Gesetze zu unternehmen?

Leipart bereits in seinem Bericht erinnert hatte, mit Nachdruck Die Revision der Hamburger   Bombenwerfer

fortgesetzt werden müssen. Diese Mahnung fand allge­meine Zustimmung.

Am Schluß der Debatte stellte Genosse Leipart daher fest, daß fich der gesamte Bundesausschuß in der Erkenntnis der großen Be­deutung des Streifs in England der in der Diskussion zum Aus­druck gekommenen Aufforderung, die Sammlungen mit verdoppeltem Eifer fortzusehen, anschließt.

Ferner beschäftigte sich der Bundesausschuß mit Maßnahmen zur Linderung der Arbeitslosigkeit, darunter zunächst mit dem Schußze der älteren Arbeiter. Hierzu hatte der Bundesvorstand eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die beraten und den zentralen Borständen zur Prüfung überwiesen wurden.

Sodann beriet der Bundesausschuß die Frage der gesetzlichen Bekämpfung der Ueberstunden. Die Beratungen darüber werden am Dienstag fortgesetzt.

Femeausschuß in München  .

Neue Hetze des bayerischen Hugenberg- Blattes. München  , 4. Oktober.  ( Eigener Drahtbericht.) Mit der Ueber­siedlung des Femeausschusses des Reichstags nach München  , der seine Sigungen am Dienstag nachmittag hier auf nimmt, hat sich auch der bayerische   Ministerrat befaßt. Die Regierung stellte sich auf den Standpunkt, den amtlichen Verkehr mit dem Ausschuß auf das Mindest maß zu beschränken, das durch die Abwicklung der technischen Geschäfte( Verfügung­stellung des Sigungssaales, Polizeischuß usw.) unbedingt geboten ist. Zur Teilnahme an den Verhandlungen des Ausschusses sind für die Preffe 35 Plätze reserviert.

Die sogenannte vaterländische Presse Münchens  , die seinerzeit auf Geheiß des bayerischen Ministerpräsidenten gegen die lebersiedlung des Ausschusses nach München   in leidenschaftlichen Protestartikeln Stellung genommen hatte, schweigt sich jetzt aus. Lediglich der ,, Bölkische Beobachter" hetzt mit den befannten Beschuldigungen gegen den Genossen Dr. Levi, den Berichterstatter des Ausschusses. Außerdem läßt auch das bayerische Hugenberg­Blatt, die, München   Augsburger Abendzeitung", es

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Vom Reichsgericht verworfen. Leipzig  , 4. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Am Montag be­schäftigte sich der 2. Strassenat des Reichsgerichts nochmals mit den beiden rechtsradikalen Bombenattentätern Both mann und Nie drich, die vom Schwurgericht in Hamburg   am 12. Juni 1926 wegen Sprengstoffattentats verurteilt worden waren. Die beiden Angeklagten, die der Formation Roppe" und Rillinger" angehörten, hatten im Juni 1922 versucht, auf dem Friedhof Hamburg- Ohlsdorf das Revolutionsdenkmal   in die Luft zu sprengen. Außerdem hatten beide ein Attentat auf die Hamburger Boltszeitung" verübt und einen weiteren Handgranatenanschlag auf die Wohnung des Reichstagsabgeordneten Thälmann   in Ham burg gemacht. Frau Thälmann   hatte dabei einen Nervenschock er­litten. Das Schwurgericht in Hamburg   hatte Bothmann zu fünf Jahren Zuchthaus und Niedrich zu fünf Jahren drei Monaten Zuchthaus   verurteilt. Die gegen das Urteil ein­gelegte Revision wurde am Montag vom 2. Straffenat des Reichs­gerichts verworfen.

Enttäuschung über Curtius in Paris  . Im Gegensatz zur Aufnahme der Stresemann- Rede.

Paris  , 4. Oktober.  ( Eigener Drahtbericht.) Im Gegensatz zu der Kölner   Rede Stresemanns, die in Frankreich   einen un­gewöhnlich freundlichen Widerhall gefunden hat und deren von aufrichtiger Verständigungsbereitschaft getragenen Tendenz selbst von einem großen Teil der Rechtspresse unumwunden anerkannt wird, haben die Ausführungen des Reichswirtschaftsministers Curtius hier sehr start enttäuscht. Die von ihm der Politik von Thoiry gegenüber an den Tag gelegte Reserve und seine gegen eine Berquickung der Reparationen mit den inter­alliierten Schuldenfragen gerichteten Erklärungen haben hier um so unangenehmer berührt, als man gerade in dem Reichs­wirtschaftsminister diejenige politische Persönlichkeit sieht, die den Frankreichs   Interessen berührenden Teil eines eventuellen Ab­tommens zwischen den beiden Ländern durchzuführen bestimmt wäre. In den Kommentaren der Blätter wird die Rede Curtius' als wenig ermutigend bezeichnet und man gibt dem Erstaunen darüber Ausdruck, daß Stresemann sich in dieser Weise die von ihm angebahnte Verständigungspolitie von einem Mitglied feines Kabinetts durchkreuzen lasse.

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Hei lewet noch!

Die Wiederauferstehung des Nationalliberalismus. Die Zeit, in der höchste Herrschaften inkognito reisten, ist längst vorbei. Lindström hat längst die blaue Brille abgelegt und heißt wieder Ludendorff  . Der konservative Partei­führer Graf Westarp   ist Diftator der deutschnationalen Partei, die sich somit als Nachkriegsgeburt der alten konser­vativen Partei zu erkennen gegeben hat. Kein Wunder, daß auch Herr Stresemann in Köln   das Inkognito lüftete und schlankweg erklärte, die neue Deutsche Volks­ partei  " sei doch eigentlich nichts anderes als die gute alte

Nationalliberale Partei  .

Trifft diese Feststellung zu, was feineswegs bestritten werden soll, dann erhebt sich die Frage, warum die National­ liberale Partei   einige Jahre lang ihren eigentlichen Namen verbergen mußte. Die Antwort lautet: Sie mußte es des­halb fun, weil sie während des Krieges zu wenig Es war ihr nicht gegeben, die liberal gewesen war. Zeichen der Zeit zu erkennen. Sie unterstellte sich, auch politisch, der militärischen Leitung und wirkte mit den Ronfervativen zusammen für einen annegionistischen Siegfrieden. Den Notwendigkeiten der Demokratie wider­fegte sie sich: ein preußisches Pluralwahlrecht mit Privilegie­manche ſagten auch: rung von Bildung und Befih" Besiz und Bildung" war für sie das höchste der Gefühle. Go fonnte es nicht ausbleiben, daß die Sturmflut des Herbstes 1918 über ihrem Haupte zusammenschlug. Als sie wieder Land gewann, war sie nicht mehr die Nationalliberale Partei  , sondern die Deutsche Volkspartei  .

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Daß sie sich jetzt wieder ihres Liberalismus mehr er innern will, ist erfreulich, und wir sind gern bereit, auch nach dieser Richtung ihr Gedächtnis zu stärken. Die National­ liberale Partei   ist jetzt genau sechzig Jahre alt, denn es war im Oktober 1866, als sich der rechte Flügel der Fort fchrittspartei unter der Führung v. Unruhs, v. Fordenbeds, Hammachers, Lasters u. a. von der Mutterpartei absplitterte und die Nationalliberale Partei  begründete. Die Traditionen der Fortschrittspartei reichen aber bis auf das Jahr 1848 zurück. Kein Wunder also, daß Herr Stresemann in Köln   das Lob des Revolutions= reichstags sang, der 1848 in der Frankfurter Paulskirche  unter schwarzrotgoldenem Banner tagte.

Die liberale Partei in ihren verschiedenen Formen war von Hause aus eine richtige Klassentampfpartei. Sie führte den Klassenkampf des Bürgertums gegen die herrschende adlige Großgrundbesizerklasse. Man stelle sich vor obwohl es sich vorzustellen nicht leicht ist, daß in dem Jahr, in dem der gegenwärtige Präsident der Deutschen

Republik geboren wurde, ein Deutsches Reich   noch nicht

existierte, Preußen aber eine absolute Monarchie war. Es gab fein Parlament und keine Preßfreiheit, und jede politische Parteibildung war gegen schwere Freiheitsstrafe verboten. Verständnislos stand das Junkertum und die ihm versippte Bureaukratie den wirtschaftlichen Notwendigkeiten des sich mächtig entwickelnden Kapitalismus gegenüber, und noch kurz vor der Revolution fonnte es passieren, daß Elberfelder   Fa­brikanten, die in irgendeiner Zollangelegenheit vorstellig zu werden wagten, aus Berlin   die hochnäsige Antwort erhielten, sie sollten sich um ihr Geschäft kümmern, nicht aber um ſtaat­liche Angelegenheiten.

Allerdings hat das deutsche Bürgertum seinen Klassen­fampf mehr um materielle als um ideale Dinge geführt. Es genügte ihm in der Hauptsache, wenn den Notwendigkeiten der kapitalistischen   Entwicklung Rechnung getragen wurde, was ja auch bald in ausreichendem Maße geschah. Und in demselben Maße, in dem die wirtschaftliche Saturierung er­folgte, wurde das Mäntelchen der liberalen Ideologie blasser und blaffer.

Dem preußischen Junkertum freilich, das gewohnt war, aufs Ganze zu gehen, blieb immer noch alles verdächtig, was auch nur entfernt nach Liberalismus roch. So erklärt sich das Bekenntnis Stresemanns, er wünsche nicht die Zeit zurück, in der die Ernennung eines nationalliberalen Land­rats schon als eine Konzession an das Bürgertum" erschien. Das System des preußischen Obrigkeitsstaates ist damit als eine Klassen herrschaft schlimmster Art hin­reichend charaterisiert. Und dieses System konnte bestehen lange noch na ch 1848.

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Ist die Nationalliberale Partei   frei von Schuld daran, daß dem so sein konnte? Und war sie es, die mit diesen Zu­ständen aufgeräumt hat? Sie, die noch heute als ,, Deutsche Bolkspartei" unter schwarzweißroten Fahnen tagt, und die 1866 vor Bismard ihren Fußfall getan hat?

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Herr Stresemann   sagt, die Nationalliberalen feien zwar Monarchisten gewesen, aber feine Byzantiner. Dieser Behauptung muß man leider aus Gründen der geschichtlichen Wahrheit widersprechen. Eher noch konnten die Junter das von sich behaupten; denn sie, die schon vor den Hohen zollern ins Land gekommn waren, wußten zwar den Mon­archen zu Zwecken ihrer Klassenberschaft zu benutzen, aber fie fühlten sich ihrem König einigermaßen gleichwertig. Nicht so