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Nr. 47043. Jahrg. Ausgabe Nr. 240

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Mittwoch, den 6. Oftober 1926

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Severings Rücktritt.

Voraussichtlicher Nachfolger: Polizeipräsident Grzesinski .

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Frage kommen. Für das frei werdende Amt des Berliner Polizei­ präsidenten wird eine bereits in gleicher Stellung befindliche Per­fönlichkeit aus dem Rheinland genannt.

Pressestimmen zu Severings Rücktritt.

Das ,, Acht- Uhr- Abendblatt" schreibt:

Im übrigen sei bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß der Rücktritt Severings nicht bedeutet, daß dieser ausgezeich nete Politiker und Staatsmann für dauernde Zeiten sich dem politischen Leben Deutschlands fernhalten will. Abgesehen davon, daß Severing nach wie vor Reichstagsabgeord neter und Landtagsabgeordneter bleibt, dürfte

Der preußische Innenminiffer Genoffe Karl Severing | den schwersten Jahren der tollen Inflation bewährte. Die fritt heute aus Gefundheitsrücksichten von seinem Amt zurüd. Wahnsinnstaten rechtsradikaler Verschwörer Die Ernennung feines Nachfolgers durch den preußischen führten mehr als einmal in den Jahren 1922/1923 Deutsch Ministerpräsidenten wird voraussichtlich noch im Laufe des land an den Rand des Abgrunds. Daß nicht wilder Bürger­heutigen Tages erfolgen. Als aussichtsreichster Kandidat wird frieg in jenen Zeiten das Elend namenlos steigerte, danken der bisherige Berliner Polizeipräsident Genosse Grzesinski wir Severing, der in all den Jahren mit fester Hand das genannt. Schicksal Preußens meisterte und die Feinde der Demokratie niederhielt. Und neben dem Aufbau der Schutzpolizei arbeitete er mit zäher Mühe unverdrossen daran, aus dem Gefüge der alten Staatsverwaltung einen Stein nach dem andern zu brechen, überall in die Verwaltung hinein Männer zu bringen, die nicht einer bevorrechtigten Menschentlasse an­gehörten, sondern wie er aus der Masse des Volkes ftammten und den Zielen und Ideen der Republik anhingen. ſein Rüdiritt nur erfolgen, damit er in der Lage ist, wenigstens Seine Personalpolitit das System Severing - wurde gar ein Jahr lang sich der ihm so notwendigen Ruhe widmen zu können. bald ein Schlagwort, mit dem die Gegner der Republik in Sobald Severing sich wieder im Vollbesiz seiner Gesundheit befindet, ihrer Presse und in den Bersammlungen hausieren gingen. wird er wohl wieder auf einen Bosten berufen werden, der ihm So hat er in langen und an unendlich harter Arbeit die Möglichkeit gibt, fein reiches Rönnen in den Dienst Breußens reichen sechs Jahren Stein auf Stein gefügt und erreicht, daß und des Reiches zu stellen. Jedenfalls rechnet man im preußischen das einstige Preußen der Junter der Köller, Buttfamer Staatsministerium nicht damit, daß Severings Rücktritt einen völ­und Jagows heute als der festeste Hort der demoligen Verzicht auf eine weitere Betätigung für den Staat bedeutet. fratischen Republik Deutschland. dasteht. Der Darüber ist man sich aber im flaren, daß sein Ausscheiden aus der Proletarier Severing hat in diesen Jahren mühseligsten. Auf- preußischen Regierung den Berlust eines baues bewiesen, daß er ein Staatsmann ist. Wenn nun vollsten Minister darstellt, über die Preußen je heute die Hände des 51jährigen müde von der Arbeit ablaffen, verfügt hat. er nach Ruhe und Erholung begehrt, so darf ihm dies feiner mehrener hat eine Arbeitspause wahrlich verdient. Genosse Severing wird das darf man zuversichtlich erwarten- bald wieder mit ganzer Kraft zur öffentlichen Tätigkeit zurückkehren. Und so verbindet sich mit unserem tiefen Bedauern über seinen Abschied die Freude, daß wir ihn haben und daß er uns bleibt!

Genoffe Karl Severing hat schon seit langer Zeit um fein Recht auf Entlastung von der Bürde seines Amtes ge­fämpft. Man hat ihn wiederholt gebeten zu bleiben, weil feine Arbeitskraft, auch wenn sie durch Krankheit geschwächt war, immer noch unerfeßlich schien. Schließlich aber hat Severing , wie gewöhnlich, seinen Willen doch durchgefeßt, und schließlich muß man ihm auch recht geben. Es ist besser, daß feine Kraft durch Erholung wiederhergestellt wird, als wenn fie in verzweifelten Anstrengungen verbraucht würde. Severings Entschluß ist der eines Mannes, der es mit feinem Amte ungewöhnlich ernst nimmt. In sechs Jahren Arbeit auf schwierigstem, verantwortungsvollstem Bosten hat er einen großen Teil seiner Nervenkraft erschöpft. Der Ge­danke, als Invalide nur halbe Arbeit tun zu können, oder Minister auf dauerndem Krankheitsurlaub zu sein, ist ihm unerträglich. Das ist der einzige Grund für sein Scheiden. Es gibt feinen anderen.

Vor allem hat sein Rücktritt mit Parteifonstellationen, Regierungsbildungen usw. nicht das allergeringste zu tun. In dieser Beziehung bleibt nach seinem Rücktritt alles so, mie es vor ihm gewesen ist.

Die Verdienste, die sich Severing in seiner Ministertätig­feit erworben hat, wird vielleicht erst die Zukunft richtig er­messen können. Aber was er für die junge deutsche Republik als Minister gewesen ist und als freier Mann und Partei­genosse bleibt, das läßt sich vielleicht jetzt schon an dem ebenso grenzenlosen wie ohnmächtigen Haß ermessen, den alle Feinde der Republik ihm entgegengebracht haben.

Und ihr Geschickt ist wahrhaft tragikomisch. Denn wäh­rend sie, die Parteien der Diftatur, unaufhörlich nach dem großen Führer schrien und einen ihrer persönlichen Gözzen nach dem anderen verbrennen mußten, stand einer da, der mit leichter aber fester Hand wirklich führte, und das war ein Mann des Marrismus" und der Demokratie, ein Sohn des arbeitenden Volkes.

Vor 51 Jahren als Sohn eines Arbeiters in Herford ge­boren. Schlosserlehrling. Früh schon Sozialdemokrat. Maß­regelungen, Wanderjahre in der Schweiz . 26jährig Leiter der Bielefelder Metallarbeiterverwaltung. 32jährig Reichs­tagsabgeordneter. Dann Leiter des Parteiblattes in Biele­ feld

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Der Zusammenbruch kommt. Die Bielefelder Genossen senden ihn in das Preußen- wie in das Reichsparlament. Schon im Jahre 1919 wird Severing als Reichs- und Staats­tommissar in das Industriegebiet Rheinland- Westfalens ge­schickt, um das von Streits und Arbeiterbruderkämpfen durch tobte lebenswichtige Gebiet zu beruhigen, Arbeit und die Pro­duktion dort wieder zu ermöglichen. Severing vollführt diese fast unlösliche Aufgabe; er vermag es, die widerstrebenden Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen, die Ordnung wiederherzustellen. Während er dort am Werke ist, droht der Wahnsinn des Kapp Butsches alles Erreichte wieder zu zerschlagen. Nicht nur im westlichen Industriegebiet, sondern im ganzen Lande gerät alles ins Wanten. Die preußische Regierung wird umgebildet, und auf den Posten des Mi­nisters des Innern, des Polizeiministers, wird am 29. März 1920 Severing , der ehemalige Schlossergeselle, vom Ver­trauen seiner Parteifreunde gerufen.

In harter sechsjähriger Arbeit hat Severing , wie selten einer, dieses Vertrauen gerechtfertigt. Er, der Proletarier, hat durch ungeheure Gefahren hindurch den größten deutschen Staat zusammengehalten und als demokratisch- republikanisches Gemeinwesen fest und fester gefügt. Um der Erhaltung der Republik willen mußte er im Frühjahr 1921 gegen irre= geleitete Proletarier in Mitteldeutschland vorgehen, so schwer ihm das auch angekommen sein mag. Gar bald wurde er der gefährlichste Gegner der Reattion im Parla­ment wie im Lande; unbekümmert um die Hetze, die die Rechte gegen ihn entfesselte, ging er den von ihm als richtig erfannten Weg. Stets fand die Stunde höchster Gefahr ihn auf dem Posten, entschloffen zur Tat, unermüdlich von früh bis in die späte Nacht in der Arbeit. Severing allein ist es zu danken, daß die Republik in der Schußpolizei ein zu­perlässiges, verfassungstreues Instrument befizt, das sich in

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Weiterer Wechsel in den Aemtern. Der Soz. Pressedienst" meldet:

Mit Severing wird auch der bisherige Staatssekretär im preus Bischen Innenministerium, Meister, aus dem Amte scheiden. Als engster Mitarbeiter des neuen Ministers dürfte eine bekannte Persönlichkeit aus dem preußischen Innenministerium in

Und selbst die Nachtausgabe" des Herrn Hugenberg sieht fich genötigt, zu erklären:

In diesen Jahren hat Severing nicht nur, weil Preußen das größte deutsche Land ist, sondern auch weil viele besondere Auf­gaben der Nachkriegszeit eng mit dem großen Problem der Reichs­politik zusammenhingen, direkt und indirekt den stärksten Einfluß auf die Entscheidung des Reichs ausgeübt. Dem Ein­fluß des preußischen Innenministers hat sich fein Reichs= tanzler, fein Außenminister und kein Reichsinnenminister ent­ziehen können, auch wenn es sich nicht um Angelegenheiten der be­fezten Gebiete, der Wehrverbände, um Polizeifragen oder um den Schutz der inneren Ordnung handelte. Severing hat der preußischen Regierung und hat ganz gleich, ob die Sozialdemokraten in der Re­gierungsfoalition des Reiches vertreten waren oder nicht, der Po­

Gemeinsamer Aufruf in Koblenz .

Friedensappell des Reichskommissars und der Rheinlandkommission.

Koblenz , 5. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Der Reichs-| Organisationen zurückzuführen seien, die offenbar damit den tommissar für die besetzten Gebiete und die Interalliierte 3wed verfolgten, die Verständigungspolitik zu sabotieren und Rheinlandtommission haben am Dienstag folgende die Fortführung der deutsch - französischen Aussprache zu verhindern. Die Widerstände gegen Poincaré . Erzwungene Einberufung des Parlaments. Paris , 5. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Poincaré , der fich mit der Absicht trug, den Wiederzusammentritt des Parlaments aufgegeben angesichts der starken Opposition, auf die er auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben, hat diesen Plan bamit bei den Parlamentariern gestoßen war. In einer Unter­redung mit dem Borsitzenden des Finanzausschusses hat er erklärt, daß die außerordentliche Session am 26. Oftober oder spätestens am 4. November beginnen soll. Der endgültige Termin hängt in erster Linie von dem Stande der Haushaltsberatungen im Finanzausschuß ab. Poincaré hat dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß die Ausschußberatungen des Haushaltes sowie die Prüfung der Schuldenabkommen mit England und Amerika nach Möglichkeit be­schleunigt werden sollen, da die Regierung es für dringend nötig erachtet, daß bis spätestens Ende des laufenden Jahres nicht nur der Haushalt verabschiedet, sondern auch die Entscheidung über die Ratifizierung der Schuldenabtommen

und gebung veröffentlicht: Der Reichskommiffar für die be­fehten theinischen Gebiete und die Interalliierte Rheinlandober­fommiffion, tiefbewegt durch die traurigen Zwischenfälle, die fich in den letzten Tagen in verschiedenen Garnisonstädten des besetzten Gebietes ereignet haben, appellieren gemeinsam an die Be­sonnenheit und das Verantwortungsgefühl sowohl auf alliierter wie auf deutscher Seite, um die Atmosphäre zu erhalten, die glücklich hergestellt ist durch die neuen Abmachungen, welche entsprechend den Wünschen der Völker zwischen den Regie­rungen getroffen wurden. Die Juftizbehörden werden die bei ihnen anhängigen Verfahren gemäß den geltenden Gesetzen regeln, in dem einzigen Bestreben, die Wahrheit festzustellen. Alle diesem Zwed dienenden Ermittlungen werden angestellt werden. Alle be­leiligten Behörden auf der einen wie auf der anderen Seife wollen dahin wirken, diesen Zwischenfällen ein Ende zu machen und ihre Wiederholung zu verhüten."

Paris vermutet deutschnationale Friedenssabotage.

Paris , 5. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Ueber den neuen 3wischenfall in Neustadt i. d. Pfalz wurde am Dienstag eine halbamtliche Darstellung veröffentlicht. Danach soll der Attentäter den französischen Unteroffizier ohne jeden Grund angefallen und schwer verwundet haben. Die amtliche Mitteilung hebt hervor, daß sich die deutsche Polizei sofort den franzöfifchen Be hörden zur Verfügung gestellt und diese bei ihrem Bemühen, des Attentäters habhaft zu werden, aufs befte unterstüßt habe. Bei einem Empfang der französischen Presse im Auswärtigen Amt murde der Vermutung Ausdrud gegeben, daß die Zwischenfälle der letzten Zeit auf die Lätigteit der deutschnationalen

gefallen ist.

Vertagung des Kongresses der Partei Briand­Painlevé.

Paris , 5. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Der Parteitag der Republikanisch- sozialistischen Partei, der unter Borsiz Bainlevés am 8. und 9. Oktober in Lille stattfinden sollte, ist in letzter Stunde auf Anfang Dezember vertagt worden. An­laß zu dieser Verschiebung dürften Beschlüsse mehrerer Bezirks verbände der Partei gegeben haben, in denen die Innenpolitik der Regierung, in der die Partei durch Briand und Painlevé ver­treten ist, aufs schärfte mißbilligt wurde.