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Nr. 47243. Jahrg.

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Ausgabe A nr. 241

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Donnerstag, den 7. Oftober 1926

Seeckt zurückgetreten.

Konflikt mit Geßler um den Prinzen in der Reichswehr. in der Reichswehr. scheidung des Reichspräsidenten .

Vor der Ent­Vor der Ent­

Nach scharfen Auseinandersetzungen mit dem Reichswehr -| hinter der Kulisse seit Tagen betrieben wurde, nicht etwa nur innen­minister hat der Chef der Heeresleitung, Generaloberst v. Seedt, politische Motive hat. In den Verhandlungen, die seit Monaten geffern sein Rüdtrittsgesuch eingereicht. Ursache des Kon- zwischen der Reichsregierung und der Militär- Kontrollfommiffion flikts ist die zeitweise Einstellung des ältesten Sohnes des ehemaligen über die Festsetzung der Bestimmungen für die Vollmachten des Kronprinzen in die Reichswehr , für die Seeckt die Berantwortung militärischen Leiters der Reichswehr geführt werden, hat die Militär­trägt. Die Entscheidung liegt beim Reichspräsidenten ; sie kontrollkommiffion mehrfach indirekt die Beseitigung des General­wird nach Anhörung des Reichskanzlers erfolgen, der heute oberst von Seedt gefordert. nachmittag in Berlin zurüderwartet wird.

Die Nachricht, daß der älteste Sohn des ehemaligen Kronprinzen in Münsingen beim 9. Reichswehrregiment Dienst getan hatte, wurde vom Reichswehrministerium zu nächst bestritten. Bald stellte sich heraus, daß diese Bestrei tung den Tatsachen widersprach. Es stellte sich heraus, daß in der Reichswehr alles, bis zu Herrn v. Seedt hinauf, vom Zeitfreiwilligendienst des Kaiserenfels unterrichtet war und ihn begünstigt hatte, und daß nur einer davon nichts gewußt hatte: nämlich der dem Reichstag verantwortliche Reichswehr minister Dr. Geßler.

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Das war nun endlich einmal selbst Herrn Dr. Geßler zu­viel. Die Aufnahme des Zollernsprosses in das 9. Infanterie­regiment war eine offenkundige wenn auch heimliche- Fortsetzung der monarchistischen Tradition. Mit den gefeglichen Bestimmungen, die nur einen Dienst von 12 Jahren für Mannschaften, von 25 Jahren für Offiziere fennen, ist sie in feiner Weise zu vereinbaren. Dazu kam die wahrheits­widrige Ableugnung, das sicherste Zeichen des schlechten Ge wissens.

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Herrn Geßler blieb nun zweierlei übrig: entweder er mußte gegen feine beffere Ueberzeugung die Deckung dieser Vorgänge vor dem Reichstag übernehmen und das wäre ihm und dem ganzen Rabinett schlecht bekommen- oder er mußte Remedur schaffen und den Verantwortlichen seiner Berantwortung überlassen. Verantwortlich war aber Herr v. Seeckt , denn er hatte von der geplanten Einstellung gewußt und sie gebilligt.

An dieser Darstellung ist jedes Wort eine Lüge. Eine Hezze gegen Seedt ist nicht geführt worden; vielmehr richteten sich die Angriffe in der Münsinger Angelegenheit gegen den verfassungsmäßig verantwortlichen Minister. Die Rolle, die Seedt in der Sache gespielt hatte, war bis gestern überhaupt nur engsten Kreisen bekannt. Die Militär- Kontrollkommission hat auch nicht die Beseitigung Seedts gefordert; vielmehr sind seit Monaten Erörterungen darüber hin- und hergegangen, ob die Stellung des Chefs der Heeresleitung", wie sie bei der Reichswehr vorgesehen ist, mit den Bestimmungen des Friedensvertrags in Einflang steht oder nicht. Wir glauben aber, daß auch diese Frage längst ziemlich bedeutungslos ge­worden ist.

den Anschein zu erweden, als ob es eine Verschwörung gegen Die Gesellschaft um Hugenberg sucht also wahrheitswidrig Seedt gebe und als ob die Fäden dieser Verschwörung bis in die Militär Rontrollfommission, also bis ins Ausland hinein reichten... Der Reichswehrminifter Geßler erscheint dann in dieser Phantasie als das Werkzeug des Auslands und als Dolchstößler in den Rücken der Front.

Ueberflüffig, zu sagen, daß es sich um eine ganz infame Erfindung handelt, aufgebracht von Leuten, deren Be­ruf es ist, das öffentliche Leben zu vergiften. Diese Leute möchten den Reichspräsidenten gegen die Regierung und den Reichstag hetzen, fie möchten alles bis auf den Grund auf rühren, um dann im Trüben zu fischen.

Man erzählt, daß im Lauf der Unterhaltung zwischen dem Minister und dem Heereschef aus dem Munde des Mi- fanzler wird dem Reichspräsidenten empfehlen, das Rück nisters das Wort gefallen sei, er wolle fich nicht länger zum Harlekin machen lassen". Wäre die Geschichte nicht wahr, so wäre sie zum mindesten gut erfunden; denn dieses Wort ist durchaus das Wort der Situation.

Der Reichspräsident kann das Rücktrittsgesuch Seeckts zurückweisen. Aber das würde den Rücktritt Geßlers und des ganzen Kabinetts zur Folge haben. Der Reichspräsident würde in einem solchen Falle feine Regierung finden, die mit dem Reichstag zusammenarbeiten kann. Daraus folgt, daß die Annahme des Rücktrittsgesuchs nicht verweigert wer­den kann, wenn nicht schwere Erschütterungen hervorgerufen werden sollen.

Solche Erschütterungen hervorzurufen ist Herrn Hugen­bergs eifriges Bemühen. Und so läßt er in seiner ,, Nacht ausgabe" einen Artikel erscheinen, der den Zweck verfolgt, die vollkommen flare Situation durch erlogene Behaup tungen in verhängnisvoller Weise zu verwirren. Da wird u. a. ausgeführt:

Die Angelegenheit ist von allergrößter politischer Bedeutung, da die Heze gegen den Generaloberst von Seedt, die

Indes spricht alles dafür, daß die Dinge ihren ordnungs­mäßigen Verlauf nehmen werden. Das heißt, der Reichs trittsgefuch anzunehmen, und der Reichspräsident wird dem Rat feines verantwortlichen Ratgebers entsprechend han­deln. Dann wird aber der Beweis dafür geliefert sein, daß man auch in der Reichswehr Ordnung schaffen fann, wenn man nur will. Jeder Reichswehrminister, der diesen Willen betätigt, wird dabei die überwältigende Mehr­heit des Reichstags und des ganzen Volkes auf seiner Seite haben.

Noch ein Prinz in der Reichswehr . Aus Weimar meldet die Telegraphen- Union:

Wir verlautet, ist am 1. Oktober der Erb prinz Johann Leopold von Sachsen- Koburg und Gotha als Offi­ziersanwärter in das Reichswehr - Infanterieregiment 14, und zwar in das in Meiningen stehende Bataillon, eingetreten, nachdem er die Ritteratademie in Brandenburg mit dem Reifezeugnis verlassen hat. Bring Johann Leopold wird die normale Laufbahn der Offiziersanwärter im Reichswehr - Infanterieregiment 14 durch machen und hat sich zu der gesetzlich vorgesehenen Dienst zeit in der Reichswehr verpflichtet.

Aus dem Ministerrat.

Paris , 6. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Im heutigen Ra­binettsrat hat nach dem amtlichen Kommuniqué Briand über die auswärtigen Angelegenheiten berichtet. Die Form dieser Mitteilung läßt darauf schließen, daß die Frage der deutsch - französischen Be­ziehungen abermals vertagt worden ist. Im übrigen wurden die am Dienstag zwischen Poincaré und dem Vorsitzenden der Finanzkommission getroffenen Vereinbarungen gutgeheißen, wo­nach bei Wiederzusammentritt der Kammer die zunächst von der Regierung während der Ferien erlassenen Verordnungen und dann das Budget und die Ratifikation der Schulden abkommen zur Diskussion gestellt werden sollen.

Ein Ausländererlaß in Frankreich . Folge des Faschistentreibens. Paris , 6. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Ein Erlaß des Innenminifters an die Präfekturen nimmt in schärffter Weise gegen die Verlegung des französischen Gastrechtes und der französischen Gefehgebung durch politische Machenschaften und Kundgebungen gewiffer Gruppen von Ausländern und ihrer in Frank­ reich in eigener Sprache erscheinenden Organe Stellung. Der Erlaß führt aus, daß diese Ausländer ihre innerpolitischen Streitig keiten auf französischem Boden austrügen und dabei so weit gingen, fich nicht nur gegenseitig zu beschimpfen und zu bedrohen, sondern von den französischen Behörden die Ausweisung der Anders­denkenden zu verlangen.( Das fun nur die Faschisten Red. des B.".) Der Erlaß weist die Behörden an, gegen diesen Mißbrauch des Gastrechtes mit der Schärfe des Gesetzes einzuschreiten und jeden Versuch einer Einmischung in die französische Paris , 6. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Die spanische Re­Souveränität aufs energischste zurückzuweisen. In der gleichen gierung hat neuedings auf die Einleitung von Verhandlungen über Weife follen fünftig allen Ausländern politische Beranstaltungen die Revision des Tanger Statuts gedrängt. Das fran­und Demonstrationen verboten werden. Dieser Erlaß ist durch zösische Außenministerium hat diesem Ersuchen nachgegeben, und es die mannigfachen Ausschreitungen der italienischen Faschi - ösische ften veranlaßt worden. Er scheint zugleich die Antwort der fran- foll in den nächsten Tagen hier eine Borbesprechung zwischen fran 3öfifchen Regierung auf das gelegentlich des jüngsten Attentats auf 3öfifchen und spanischen Regierungsvertretern beginnen. Wenn es Muffolini von der italienischen Regierung an Frankreich gerichtete dabei zu einem Einvernehmen tommt, sollen unter Zustimmung Anfinnen nach Auslieferung der flüchtigen Führer der demo- Englands und wahrscheinlich auch Italiens die offiziellen Berhand­fratischen Parteien darzustellen. fungen eingeleitet werden.

Das Tanger - Statut.

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedtonto: Berlin 37 536

Bankkonto: Bant der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Devontentaffe Lindenstr. 3.

Streik und Gewerkschaften.

Gegen kommunistische Demagogic. ADGB . wird uns geschrieben: Aus dem Bureau des Bundesvorstandes des

Die tommunistische Presse bringt fortlaufend, und zwar immer dann, wenn die Gewerkschaften einen Streik, den sie nach Ansicht der Kommunistischen Partei führen sollen, nicht durchführen, längere Artikel, in denen die Gewerkschaften in demagogischer Weise angegriffen werden. Regelmäßig werden folgende Behauptungen aufgestellt:

1. Der ADGB. wolle das Streifrecht der Arbeiter be­seitigen,

2. der ADGB . sei zu dieser Maßnahme infolge seiner Ar­beitsgemeinschaft mit den Unternehmern verpflichtet, und

3. das geltende Arbeitsrecht verbiete den Gewerkschaften in keiner Weise, gegen einen Zwangstarif den Streik auszu= rufen und Streifunterstützung zu bezahlen.

schaften, die sich vor keiner politischen Partei zu rechtfertigen Die Gewerkschaften sind durchaus selbständige Körper­brauchen. Außerdem ist es vollkommen aussichtslos, die Kom­ munistische Partei aufzuklären, da diese ihre falschen Behaup tungen wissentlich aufstellt und nicht daran denkt, fich eines Besseren belehren zu lassen, weil sie glaubt, nur durch demagogische Mittel ihre Ziele erreichen zu fönnen.

Damit die Gewerkschaftsmitglieder sich gegen derartige Berleumdungen wehren fönnen, feien hier die wirklichen Tat­fachen geschildert:

fchaften irgendwie auf das Streifrecht verzichten 1. Niemals hat der ADGB . oder haben die Gewerk­wollen. Im Gegenteil, der Streit wird nach wie vor als die schärffte Waffe der Gewerkschaften angesehen, die an­gewendet werden muß, wenn es unbedingt notwendig ist. Da­her lehnen die Gewerkschaften jede Behinderung in der An­mendung dieses letzten Rampfmittels unter allen Umständen ab. Daß das geltende Schlichtungswesen allerdings die Anwendung des Streits immer dann unmöglich macht, wenn durch die Verbindlicherklärung eines Schiedsspruches ein 3wangstarif entstanden ist und daß insofern eine Ein­schränkung der Streitfreiheit besteht, darauf haben die Ge= werkschaften die Arbeiter immer wieder hingewiesen. In den Jahrbüchern des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes für 1924 und 1925 ift dies in dem Kapitel Schlichtungs­wesen" besonders eindringlich gefchehen. Wären nicht nur ein Teil, sondern die Mehrzahl der Arbeiter Mitglieder der Ge­werkschaften, dann würden die Gewerkschaften auf die 3wangstarife verzichten können. Aber auch dann würden die Gewerkschaften zu feinem Streif aufrufen, der sich gegen den Bestand eines geltenden Tarifvertrages richtet, weil zu den Grundlagen der Gewerkschaftsbewegung die Tarif= treue unbedingt gehört.

2. Es ist selbstverständlich absoluter Unfug, wenn be= hauptet wird, daß die Gewerkschaftsführer, insbesondere die ADGB. - Führer, auf den Streit verzichten müßten, weil sie sich den Unternehmern gegenüber hierzu verpflichtet hätten. Die Gewerkschaften haben sich in gar keiner Weise gegenüber den Unternehmern zur Aufgabe oder Preisgabe irgendwelcher Ar= bei terrechte verpflichtet. Das war selbst zu der Beit nicht der Fall, als die Zentralarbeitsgemeinschaft beſtan­den hat und ist heute erst recht nicht der Fall. Das Wesen der freien Gewerkschaften schließt es garadezu aus, daß sie etwa den Unternehmern zuliebe Arbeiterrechte preisgeben können. Wenn Rechte vorübergehend preisgegeben werden müssen oder neue Rechte nicht errungen werden können, so ist dies immer nur allein darauf zurückzuführen, daß die Ar­beiterklasse den Wert der Gewerkschaften nicht genügend er­fannt hat und daß Millionen Arbeiter feine Gewerkschafts­mitglieder sind. Aber irgendwelche Verabredungen kommen niemals in Betracht.

Infolgedessen ist es eine gemeine Verleumdung, wenn die Kommunistische Partei immer wieder die Behaup­tung aufstellt, daß die Gewerkschaftsführer die Arbeiterrechte an die Unternehmer verkaufen. Jeder Gewerkschafter hat die unbedingte Pflicht, derartige Behauptungen entschieden zurückzuweisen.

steht nun darin, daß die kommunistische Presse immer wieder darauf hinweist, die heutige ,, Rechtslage" verpflichte die Ge wertschaften nicht. Streits gegen Zwangstarife zu unterlassen. Auch hier ist es überflüssig, gegen die Kommunistische Partet zu polemisieren, denn ihre Behauptungen sind unsinnig und werden wider besseres Wissen erhoben. Außerdem sind Kom­Unter" Rechtslage" verstehen die Kommunisten immer das, munistische Partei und Rechtslage gegensätzliche Begriffe. was ihnen gerade in den Kram paßt. Was in dem Lande, in welchem die deutschen Arbeiter leben, rechtens ist, spielt für die Kommunisten gar keine Rolle.

3. Die bedauerlichste Irreführung der Arbeiterklasse be­

sperrung regelmäßig nicht verboten. Es gibt auch keine zivil­Strafrechtlich sind in Deutschland Streit und Aus­rechtliche Haftung der einzelnen Arbeiter wegen Zarifbruch