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Abendausgabe

Nr. 473 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 234

= Vorwärts

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Dolksblatt

10 Pfennig

Donnerstag

7. Oktober 1926

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag Gmb. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Die Entlassung des Generals Seeckt .

Heute nachmittag Entschluß des Reichspräsidenten .

Berlin ein, so daß der Reichspräsident mit ihm über die Der Reichskanzler trifft heute am frühen Nachmittag in Erledigung des Entlassungsgefuches des Chefs der Heeresleitung beraten kann. Eine Sigung des Reichstabinetts zur Be­sprechung dieser Angelegenheit ist nicht einberufen.

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Verschiedene Blätter bringen das Entlassungsgesuch in Zu sammenhang mit Forderungen der Entente in bezug auf die Stellung des Chefs der Heeresleitung. Ein solcher Zusammenhang ist aus agitatorischen Gründen erfunden und unmöglich; denn über die Stellung des Chefs der Heeresleitung ist durch einen Notenwechsel zwischen der Reichsregierung und der Militärfontrollfommission im November 1925 Klarheit geschaffen worden. Die Note der Militärkontrollkommission, die im Juli d. J. bei der Reichs regierung eingegangen ist, betraf die Funktion eines General­inspetteurs der deutschen Reichswehr; diese Stelle war durch eine Verordnung im Jahre 1919 geschaffen worden. Diese Ber­

gesehen. Nicht nur, daß die Republik sich start erweist, ist nun rins bei Seedt einen geheimen Bundesgenossen Rußlands auch noch dieser Seedt gestürzt! Also rückt das Berliner Organ der russischen Botschaft in eine Front mit der deutsch­

nationalen Presse.

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Die macht sich ohne Ausnahme die infame Unterstellung der Hugenbergpresse zu eigen, als handle Geßler als Agent der Interalliierten Militärkontrollkommission, indem er Seeckt beseitige. Diese verlogene Behauptung wird von der Deut­schen Tageszeitung", der Kreuzzeitung " und der" Roten Fahne" gemeinsam aufgestellt. Um die monarchistische Demonstration in der Reichswehr zu decken, wird Seeckt als Opfer der Entente hingestellt. Der Roten Fahne" steht das besonders gut an.

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Rivalisierende Generäle."

Tirpitz klagt an.

Die Unfähigkeit des alten Systems.

In den nächsten Monaten werden die Bände der großen Aftenpublikation des Auswärtigen Amtes erscheinen, die den

leitung aus. Dagegen unternimmt Tirpitz eine Ent­Beginn des Weltkrieges umfassen. Sie belasten die militäri­schen Kriegstreiber vom Standpunkt der politischen Reichs­lastungsoffensive. Er erinnert sich zum dritten Male. Nach laftungsoffensive. Er erinnert sich zum dritten Male. Nach den ,, Erinnerungen" und Politischen Dokumenten" erscheint soeben ein Band von fast 700 Seiten Deutsche Ohn= machtspolitit im Weltkriege". Tirpig scheint zu denken: die beste Parade ist der Hieb. Aber sitzen die Hiebe, die er austeilt? Trifft er den Gegner, den er treffen will? Der kaiserliche Ex- Großadmiral will dem deutschen Volke die Schuld am Kriegsverlust aufbürden. Er behauptet von den Fehlern, der oberen Führung, daß sie nur deshalb so verhängnisvoll sich auswuchsen, weil irregeleitet und ver­blendet ein Teil des Volfes den kämpfenden Volksgenossen in den Rücken fiel; die sozialistische Linke und ihre Mitläufer aus dem bürgerlichen Lager trifft eine ausschlaggebende Schuld an unserer Niederlage...

oidnung aber ist längst nicht mehr in Kraft. Mit dem Hinweis auf Leitartikel zum Rücktrittsgesuch des Generalobersten von Seedt zur Dolch stoßlüge zu liefern. Die Arbeiterschaft und das

diese Tatsache ist die erwähnte Note beantwortet worden.

Nachworte zum Rücktritt von Seedt.

entdeckt, daß die Republik fester steht, als fie geglaubt hat und Die reaktionäre Breffe hat zu ihrer großen Verblüffung daß die Zivilgewalt allen Treibereien in der Reichswehr mit Leichtigkeit ein rasches Ende machen kann, ohne daß die be­rühmten ernstesten Folgen für das innere Gefüge unserer Reichswehr " eintreten, von denen die ,, Deutsche Tageszeitung" heute morgen wieder phantafiert. Es ist so, wie die ,, Ger­ mania " schreibt:

,, Und die Moral aus dieser Geschichte wäre die erneute Er­fenntnis, daß die deutsche Republik feststeht, und daß man fich nicht ungestraft an ihrem Geiste versündigt. Der Reichskanzler Luther fiel, weil er, sicher auch nicht mit Vorbedacht, das Hoheitszeichender Republit in seinem Ansehen schmälerte, und ein Mann von der starken Stellung Seedts muß gehen, weil er unbedacht eine Demonstration gegen die Re= publit zuließ. Eine Warnung für alle, die glauben, ungestraft gegen den Geist von Weimar sündigen zu können."

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Das ist den Reaktionären aller Schattierungen sehr un­angenehm man fühlt die Betroffenheit bei Hugenberg , in der Kreuz- Zeitung ", in der Deutschen Tageszeitung" und in der ,, Roten Fahne". Das Berliner Organ der russischen Botschaft kann seine geheime Sympathie mit Seedt nicht ver­bergen. Es hat in ihm nach dem Seftfrühstück Tschitsche

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Severings Abschied.

Programmatische Antrittsrede des neuen Innenministers.

Der bisherige preußische Innenminister Genosse Severing verabschiedete sich heute vormittag im preußischen Ministerium des Innern von den Beamten des Ministeriums. Er nahm in tief bewegten Borten von den Beamten Abschied und dankte ihnen für

ihre Mitarbeit.

Im Anschluß daran erfolgte die Einführung des neuen Innen. ministers, des Genossen Grzesinsti. Er begrüßte in längeren programmatischen Ausführungen die Beamten des Innenministeriums. Wir werden auf diese Rede von programma­tischer Bedeutung zurüdtommen.

Hilfe für die Ausgesteuerten. Fürsorge in gleicher Höhe wie die Unterstützung. Amflich wird gemeldet: Nach Abschluß wiederholter Berhand­lungen hat der Reichsarbeitsminister in einem Rund­schreiben an die Länder die Grundfähe über die Hilfe für ausge. fteuerte Erwerbslofe mitgeteilt. Danach werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die ausgesteuerten Erwerbslosen, fo­weit sie der öffentlichen Fürsorge bedürfen, eine gleich hohe 21nferffühung erhalten wie die unterstützten Erwerbslosen . Durch enges Zusammenwirken der Fürsorgestellen mit den öffent­lichen Arbeitsnachweisen und durch verstärkte Maßnahmen der Ar­beitsbeschaffung wird sichergestellt, daß den ausgesteuerten Erwerbslofen foweit irgendmögülch Arbeit vermittelt wird. Die Be­zirksfürsorgeverbände, denen die Unterstützung ausgesteuerter Er­werbsloser obliegt, erhalten hierfür vom Reiche Beihilfen in Höhe von 50 Pro 3. des Unterstühungsaufwandes. Die ur­sprünglich gedachte Beschränkung der Maßnahme auf Bezirke mit befonders hohen Erwerbslofen- und Ausgesteuertenziffern ist auf­gegeben worden.

Die Sehnsucht der Volksparte.

Die Landtagsfraktion der Deutschen Volkspartei nahm heute vor der Plenarsizung den Bericht des Abg. Dr. Leidig entgegen über feine privaten Besprechungen hinsichtlich Erweiterung der preußischen Regierung im Sinne der Bildung der Großen Koalition. An den Bericht schloß sich eine politische Aussprache, die durch den Beginn der Plenarsizung unterbrochen wurde. Die Aussprache wird fortgelegt werden.

Der Berliner Lotal.Anzeiger" entwickelt in seinem Gedankengänge, die überaus beachtlich scheinen. Er führt nämlich aus, daß fein Nachfolger, wer auch immer dazu gemacht werden fischen Militärpartei hatte erreichen wollen: Die Reichswehr sollte, die Autorität Seedts mitbrächte", und sagt dann weiter: ,, Damit tritt ein, was General Walch als Exponent der franzö­muß( diefes muß ist auch im Lotal- Anzeiger" gesperrt ge druckt!) zu einem Iummelplay rivalisierender Generäle werden."

Rivalisierende Generäle!' Bangalos, Plastiras und Kondylis vor den Toren! Man mag zur Auffassung des Scherl- Blattes, vor allem zu der finnlosen Hineinziehung der französischen Militär­partei" in den rein innerdeutschen Hohenzollernprinzen- Skandal, stehen, wie man will: Ueber die Generals psyche zeigen sich die Herren ungemein unterrichtet. In der Tat: Rivalisieren und contrecarrieren ist seit Menschengedenken eine der hervorstechenden Eigenschaften des höheren Offizierforps gewesen. Schon Bismard hat 1866 und 1870 die größte Mühe gehabt, der rivalisierenden Generäle mit und ohne Fürstenrang auch nur halbwegs Herr zu werden, und dem letzten Kaiser ist dies gegenüber seinen rivalisieren den Generälen und Admirälen zu unserem Schaden nicht ge= lungen. Nun, was die Reichswehr betrifft, so ist der Gefahr freilich zu begegnen: Eine rücksichtslos energische und selbst bewußte Zivilgewalt wird die Herren sehr rasch zur Ordnung bringen. Es ist allerdings nicht zu hoffen, daß der Berliner Lokal- Anzeiger" gegebenenfalls der Zivilgewalt, nicht aber den rivalisierenden Generälen den Rücken steift!

Stresemann über Genf und Thoiry.

Aussprache im Auswärtigen Ausschuß.

Im Auswärtigen Ausschuß des Reichstages er­stattete heute Minister Dr. Stresemann über die Ber­handlungen von Genf und Thoiry Bericht. Danach sprachen Graf West arp( Dntl.), Dernburg ( Dem.), 3apf( D. Bp.) und Rosenberg( Komm.), worauf Dr. Stresemann mit längeren Ausführungen erwiderte. Gegen 1 Uhr mittags ergriff Genosse Hermann Müller das Wort.

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Tirpik nimmt sich in der Einleitung vor, einen Beitrag freiheitlich gesinnte Bürgerium sollen an der Niederlage schuld sein. Aber Tirpik Anklageversuch gegen das deutsche Volk bricht zusammen. Das ganze Buch ist nichts als eine Selbst­Müller, Valentini, alles weiche Gesellen ohne Rüd­anklage der herrschenden Klassen des alten Systems. ,, Man soll sich die Leute mal ansehen, Lynker, Treutler, grat", das ist ein von Tirpik mit Zustimmung zitiertes Urteil des Kronprinzen über die Adjutanten und Kabinettschefs feines faiserlichen Baters. Gänzliche Kopflofigfeit der politischen Leitung; dem Reichskanzler sind die Züge! gänzlich aus den Händen geglitten", das ist Tirpitz' eigener Eindruck von einer Besprechung bei Bethmann Holweg in der Nacht vom 1. zum 2. August 1914, über die er sich sofort eine kurze Aufzeichnung machte. Die Marine besigt in den oberen Stellen feine Bersönlichkeit von ausgesprochen innerer Kraft; es werden von den verschiedenen Stellen Druckschriften über Druckschriften geschrieben, der stolze Wille einer einheitlichen Führung verschwindet immer mehr hinter diesem Haufen Papier , mit denen letzten Endes immer nur eine Stelle der anderen die Verantwortung zu= schiebt", so zeichnet der Kapitän zur See v. Trotha das Bish der obersten Marineleitung, an der Tirpitz als Staatssekretär des Reichsmarineamts zuerst nur beratend, später dann laum noch mehr teilnimmt. In dem Reichstanzler Beth­mann Holweg war eine geradezu verhänignis­Dolle Wahl getroffen; die Tatsache, daß er nicht bei Aus­bruch des Krieges verabschiedet wurde, wie es dem innerften Gefühl des Kaisers und dem Rate der militärischen Spitzen entsprochen hätte. hat in ihren damals schon von mir vor­geahnten Auswirkungen den Berlust des Krieges bedeutet". , Auch von dem Chef des Generalstabes habe ich in den beiden ersten Kriegsjahren nicht den Eindruck gehabt. dah der rechte Mann an der rechten Stelle ſtehe", so urteilt Tirpik über Moltke . Der Chef des Marinefabinetto und vertrat Bethmanns unflare und schwach mütige ordnete sich dem Kanzler blindlings unter Anschauungen über die Verwendung der Seestreitfräfte ohne Einschränkung bei dem Kaiser, auf den er den größten

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v. Müller

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Einfluß hatte..

Bom Kaiser selbst schweigt Tirpik; gegen den hat er seine Bfeile bereits verschossen. Sonst fügt er ein vernichtendes Urteil an das andere über die gottgewollten Führer" des deutschen Volkes in den ersten Jahren des Weltkrieges.

Botschafter de Margerie bei Briand . Erörterung der Zwischenfälle im besetzten Gebiet. Tirpitz' Buch ist in der Hauptsache den Fragen der Führung des Seefrieges gewidmet. Sein Kampf Paris , 7. Oftober.( Eigener Drahibericht.) ( Eigener Drahibericht.) Außenminister für die frühzeitige Einsehung der Hochfeeflotte gegen England Briand empfing am Mittwe spät abends den französischen Bot- und für den verschärften und unbeschränkten U- Boot- Krieg schafter in Berlin , Margerie, mit der er eine längere Unterredung füllen die Seiten. In ermüdender Breite häuft Tirnik Aften­hatte, die sich, wie die Morgenpresse zu wiffen glaubt, in der Hauptstück auf Artenstück, Denkschrift auf Denkschrift, Brivatbrief sache um die jüngsten 3 wischenfälle im bejezten Gebiet drehte. auf Privatbrief, um die Unzulänglichkeit der Männer zu Der Botschafter soll neue Instruktionen erhalten haben, um die zeigen, die über die Seekriegführung entschieden. Dabei era Berhandlungen mit Deutschland beschleunigt durchführen zu können. hebt sich die Darstellung dom über das Bersönlich- Bittere Dementierte Hekmeldungen. in das fachlich- soziologische. Tirviz' Buch wird unversehens zu einer Kritif an der Organisation, an dem mangel­haften organisatorischen Aufbau der Marine.

Deutsche Pressemeldungen, wonach der Germersheimer Leut­nant Roucier nicht mehr in Haft sei, werden von zuständiger französischer Stelle ebenso als unrichtig bezeichnet, wie andere Meldungen, wonach der französische Ortskommandant in Germers heim den dortigen Befagungstruppen befohlen hätte, wenn sie be­läftigt oder beleidigt würden, sofort von der Waffe Gebrauch zu Kriegsausbruch beantragte, wobei ich nach bestem Wissen und Ge­machen.

Die von uns gerügte mangelhafte Berbreitung der gemeinsamen Aussprache Tirards und Langwerths erklärt sich jetzt aus einem ganz eigenartigen Umstand: das Reichskommissariat für die besetzten Gebiete in Koblenz , also eine der wichtigsten politischen Behörden Deutschlands , hat nicht einmal einen Preise

referenten!

Eine deutsch - britische Industriellenkonferenz tritt Ende dieser Iand gekommen und das Auswärtige Amt hat sie an den Reichs­ verband der Deutschen Industrie weitergegeben. Es handelt sich in der Hauptsache um eine Besprechung der wirtschaftlichen Situation, wie sie durch den Abschluß des deutsch- französisch- belgisch- luxembur­gischen Rohstahlfartells geschaffen worden ist.

Woche in London zusammen. Die Anregung dazu ist aus Eng­

,, Keiner der Chefs der Hochseeflotte und des Admiralstabes stand unter dem Druck der vollen und ganzen eigenen Berant­wortung. Die Einheitlichkeit des Befehls, die ich mit vielen meitblickenden Seeoffizieren für unbedingt notwendig hielt und vor wissen nach Lage der Personenverhältnisse nur mich selbst für die Stellung des Leiters der zu vereinigenden Behörden Reichs,- marineemt und Admiralstab in Vorschlag bringen fonnte, sich und die Marine einen anderen setzen", von der Leitung der war nicht zustande gekommen. Der Kaiser wollte nicht zwischen Armee praktisch abgedrängt, glaubte er, die kleine Marine" selbst führen zu sollen. So fühlte sich der Chef der Hofeeflotte an den von seinem Obersten Kriegsherrn erlassenen Operations. befehl gebunden, der Chef des Admira istabes mar nicht die Persönlichkeit, die wirkliche Leitung des Seefrieges an sich zu

reißen und Autorität über die Grenzen seines Resorts beanspruchen

zu können, die Front wollte ihn nur als Berater des Kaisers enerkennen. Selbst schon defensiv gerichtet, vermochte er nicht ein­mal das von ihm als notwendig Erfannte beim Kaiser gegen den Einfluß des Kabinettschefs durchzusehen. Dieser griff meh