Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 483 43. Jahrgang Ausgabe B Nr. 239

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

10 Pfennig

13. Oktober 1926

Vorwärts=

Berliner   Dolksblatt

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Faschistenterror gegen Auslandspresse

Die römischen Vertreter sollen verantwortlich gemacht werden. Rom  , 13. Oftober.( WTB.) Popolo d'Italia"," Giornale  | laffen. Die Ueberwachung ist in den letzten Wochen noch strenger d'Italia und Jmpero" erheben Protest gegen die alarmieren- geworden. den Falschmeldungen, die im Innern Jtaliens in Umlauf gebracht und alsdann von den ausländischen Blättern weiter verbreitet werden. Impero" schlägt vor, daß die römi­schen Vertreter der ausländischen Blätter haft­bar gemacht werden für die Veröffentlichung ihrer eigenen Blätter gegen Italien  , auch für den Fall, daß der betreffende römische Bertreter diese Nachricht nicht geschickt hat. Diese römischen Ber­treter sollten einfach ausgewiesen werden.

,, Impero" gilt als das römische Leibblatt Mussolinis. Die dort ausgesprochene Drohung, daß die römischen Aus­landskorrespondenten für Veröffentlichungen verantwortlich gemacht werden sollen, die nicht von ihnen stammen, ist ein­fach ungeheuerlich. Wir sind zwar keine Anhänger von Re­pressalien, aber in diesem Falle würde die Antwort sehr nahe liegen. Und deshalb glauben wir auch nicht, daß die Faschiftenregierung diesen neuen Gewaltstreich wagen wird.

Mussolini   ist ein Dieb und Mörder!"

Ruft der Matteotti  - Mörder Dumini   auf offenem Plaze aus. Man schreibt uns aus Chiasso  : Telegraphisch   ist die

Schluß mit Feme  - Bayern  !

Auf dem Wege zur politischen und kriminalistischen Bereinigung.

Es hat in Bayern   Fe memorde gegeben, wie es an­riffene Personengruppe hat einen Fememord nach dem ande­derwärts Fememorde gegeben hat. Eine ziemlich fest um= ren ausgeführt. Sie hatte Mitwisser in höchsten Beamten­freisen. Täter und Mitwisser standen in engen Beziehungen zu höchsten Stellen. Das ist das bisherige Ergebnis der untersuchung des Reichstagsausschusses in München  - an diefem vorläufigen Ergebnis aber ist auch nicht mehr zu

rütteln.

Ohne daß andere Beweggründe etwa ausgeschlossen wären, hat grundsäßlich die finanzielle Enttäuschung Du mini gegen den Duce aufgebracht. Nach dem Matteotti- Prozeß soll er nur 65 000 Lire als Entschädigung erhalten haben, aber er soll er nur 65 000 Lire als Entschädigung erhalten haben, aber er seine Familie während seiner Einterferung eingegangen war. Kürz­hatte außerdem noch beträchtliche Schulden zu bezahlen, die lich erhielt er dazu noch die Aufstellung der auf ungefähr 30 000 noch einmal unterstrichen, und noch mehr: er hat die Morde Der General Epp hat in seiner Aussage diese Tatsache Lire berechneten Prozeßkosten, die er in einem Schreiben an den verteidigt. Mit brutaler Offenheit sagte er aus: der Feme­föniglichen Präfekten in Rom  ( das wir bereits abgedruckt haben. mordwarein sittliches Recht. Früher einmal schon Red. d. V."), als für die Direktion der faschistischen hat er ausgesagt: der Mord an der Sandmeier war ge­Partei zuständig erklärt hatte. Er traf darauf einen der rechtfertigt. Marie Sandmeier war der amtlichen Führer des Faschismus, Suckert, und überfiel ihn gleich mit öffentlichen Aufforderung zur Mitteilung von einer Reihe von Schmähungen, ging von da zu einer Kette von Be- Waffenlagern an deutsche   Behörden nachgekommen- leidigungen und Anklagen gegen den Berräter Mussolini", sie wurde deshalb ermordet von Organen, die auf a mt= den Polizisten Federzoni  , gegen alle übrigen faschisti- Ii chem Wege davon Kenntnis erhalten hatten. Diese Aus­ichen Häupter über und verschonte dabei nur Farinacci. Du fage des Generals Epp läßt feinen Bertuschungsversuch mehr mini verlangte eine Unterredung mit Mussolini  , die ihm aber nicht zu. Sie weist eindringlich auf die Komplizität von gewährt wurde. amtlichen Organen mit den Mördern hin. Aber weiter: zwischen der Mentalität des Generals Epp und der Mentalität der Erzberger und Rathenau­Mörder besteht ein innerer Zusammenhang. Wer den mordete, der dem Gesetz Gehorsam zeigte, der mußte erst recht den morden, der an der Spize des Staates stand, der das Gesez erlassen mußte. Mit aller Brutalität ist vor dem Feme  - Ausschuß ein Bekenntnis zum politischen Mord abgelegt und deckt und mit ihm sympathisiert, der gehört zur Mord­partei!

"

Hierüber war Dumini   derartig aufgebracht, daß er auf der offenen Piazza Colonna mit lauter Stimme eine Schmährede gegen Mussolini   und die Regierung hielt; die anwesenden Polizeiagenten, die ihn gut tannten, gaben sich alle Mühe, ihn zu beruhigen und zum Weitergehen zu veranlassen. Aber Dumini   bestand weiter darauf und rief u. a. aus: Mussolini  ist ein Dieb und Mörder" und in der Regierung

Mussolinis erfolgte Berurteilung des seinerzeit in Chieti   frei. lien lauter Spigbuben". Um dem Standal ein Ende worden. Wer diesen Epp für sich beansprucht, wer ihn lobt

M

gesprochenen Matteotti Mörders Amerigo Dumini  bereits in der Presse verbreitet worden. Das ist alles gewesen, was die Zensur hat passieren dürfen. Es ist jedoch nicht zu unter schätzen, zu wissen, welchen Verlauf die Dinge eigentlich ge= nommen haben. Wir sind auf Grund uns aus bester Quelle zu­gegangenen Informationen in der Lage, ein Licht in die ganze An­gelegenheit werfen zu können.

Der Eindruck, den die Verhaftung und Verurteilung Duminis in Rom   hervorgerufen hat, ist tiefgehend und hat gleichzeitig ver­anlaßt, den Einzelheiten des Falles forgsamst nachzugehen. Es ist Tatsache, daß Dumini seit einiger Zeit schon bei jedem Schritt von der Polizei wegen seiner er presserischen Drohungen und der, er wolle mit Cesare Rossi  , dem früheren Pressechef Musso­linis, in Frankreich   zusammentreffen, beschattet worden ist. Als sich Dumini   von Rom   nach Parma   begab, um dort den ehemali­gen Generalsekretär der faschistischen Partei, Farinacci  , aufzu­fuchen, wurde er von der Polizei ver warnt, fofort nach Rom  zurückzukehren und das Weichbild der Stadt nicht mehr zu ver­

Ruhe im Landtag.

Hente nur Beratung kleiner Vorlagen. Zu Beginn der heutigen Sigung des Preußischen Landtags  verlangten die Kommunisten, daß über ihre Mißtrauensanträge abgestimmt werden soll. Die Abstimmungen wurden jedoch auf Freitag verschoben. Dann begann man mit der Beratung der Gesetzesvorlage über die Erweiterung des Stadtkreises Wiesbaden  .

Die Verminderung der Rheinbefahung. Ronferenzen in Paris.  - Poincaré   und das Saargebiet. Paris  , 13. Oktober.  ( Eigener Drahtbericht.) Außenminister Briand   empfing am Dienstag abend den kommandierenden General der französischen   Rheinarmee, Guillaumat. Die Aus­sprache drehte sich in der Hauptsache um die Verminderung der Besagungstruppen. Der Generalstad der Rheinarmee hat schon vor einigen Tagen dem Kriegsministerium vorgefchlagen, die Besatzungstruppen abermals um ein Armeetorps 3u vermindern. Es blieben dann noch zwei französische   Korps im Rheinlande. Gleichzeitig soll auch die selbständige Kavalleriedivision aus dem besetzten Gebiet nach Frankreich   zurückverlegt werden. General Guillaumat wird am Mittwoch mit Kriegsminister Pain= Ievé und dann mit dem Ministerpräsidenten Poincaré   über die Herabsetzung der Besatzungsstärke verhandeln.

Ministerpräsident Poincaré  , der am Dienstag, in Elsaß- Loth ringen zahlreiche Schulen besucht und verschiedene Abordnungen und Tolitiker empfangen hat, erklärte bei einer Aussprache über das Sellproblem, daß die französische   Regierung nicht daran denke, das Saargebiet in irgendeiner Form Dorzeitig wieder an Deutschland   zurüdzugeben. Die Regierung sei entschlossen, unter allen Umständen die in Ver jailles festgesetzten Termine einzuhalten.

Der Umschwung in Prag  . Nach den Preffeftimmen ist es gar keiner. Prag  , 13. Oktober.  ( WTB.) Die Morgenblätter beschäftigen sich eingehend mit dem neu ernannten tschechisch- deutschen   Kabinett. Das Prager Tagblatt"( deutsch- linksdemokratisch) bezeichnet den Eintritt der Deutschen   in die Regierung als einen Erfolg des Ver ständigungsgedantens. Thn als einen deutschen Er folg an sich zu werten, sei solange verfrüht, als sich nicht er

zu machen, sahen sich die Poliziften gezwungen, ihn fest zu nehmen und auf die Wache zu bringen.

gibt es mannigfaltige Hypothesen. Was sich aus dieser Angelegenheit noch entwickeln wird, dafür

Muffolini Chriftus!

Rom  , 13. Oftober.( WTB.) Osservatore Romano  "( bas Organ des Batifans. Red. d. V.") führt bitter Klage, daß ein faschistisches Blatt in seinem Enthusiasmus für den Premierminister auch Aus­Blatt in seinem Enthusiasmus für den Premierminister auch Aus drücke angewandt habe, die sonst nur für die Person Christi Anwendung gefunden haben. Besonders rügt das Blatt, daß dieses Organ vom Premierminister geschrieben habe: Venite Adoremus!" ( Kommt, laßt uns anbeten!)

Nur noch Faschistenkneipen?

"

Rom  , 13. Oftober.( WTB.) Wie die Voce Republicana" aus Forli   meldet, wurden dort mehrere Schänken und Cafés ge schlossen, mit der Begründung, daß sie von antinationa len Elementen besucht würden.

#

weise, daß die Teilnahme an der Regierung mehr bedeutet als die Teilnahme am Kabinett. Wenn es nur bei einer Teilnahme am Rabinett bliebe, wäre das, was sich jetzt vollziehe, eine Gefähr dung, fein Erfolg für die Deutschen  , eine nicht geringe Bedrohung auch ihrer politischen Zukunft, da nach einem etwaigen Scheitern einer tschechisch- deutschen Koalition vielleicht noch mehr als bisher die nationalen Rämpfe aufleben würden. Bohemia"( etwa Deutsche Volkspartei  ) erklärt, ein sichtbarer Paft zwischen beiden Völkern sei nicht geschlossen worden; es handele sich vorderhand nur um einen Versuch, über dessen Wert nur sein Erfolg oder Miß­erfolg entscheiden werde. Die beiden neuen deutschen Minister Republit aus der bloßen Tatsache der Beteiligung der Deutschen   an dürften sich nicht überschwenglichen Hoffnungen hingeben. Daß die der Regierung Vorteil ziehe, sei sonnenflar, aber ob das Sudeten  deutschtum einen sichtbaren Gewinn daraus ziehen werde, stehe dahin. Narodny Listy"( tschechisch- nationaldemokratisch) schreibt, die tschechischen Nationaldemokraten, die in der Regierungsmehrheit, aber nicht im Kabinett vertreten seien, betrachteten es als äußerst vorzeitig, daß eine Regierung gebildet worden sei, in der die Deutschen   zur politischen Macht gelangen. In dem Augenblick deutscher   Siege auf Kosten des tschechischen nationalen Charakters des Staates würden die Nationaldemokraten die Folgerungen ziehen. Narodni Politika"( auch tschechisch- chauvinistisch) schreibt, es wäre irrig, sich darüber Illusionen zu machen, daß durch die Bil­dung der neuen Regierung alle Schwierigkeiten, insbesondere solcher nationaler Art, behoben wären. Dadurch, daß sich nunmehr in der Opposition die tschechischen sozialistischen  Parteien befänden, sei zum erstenmal seit Bestehen des Staates der Fall eingetreten, daß die tschechischen Parteien sowohl in der Regierungsmehrheit als auch in der Opposition die entscheidende Mehrheit hätten.

Kabinettskrise in Südslawien  .

Weil Raditsch Parteiführer bleiben will. Belgrad  , 13. Oftober.( WTB.) Infolge der Weigerung Raditschs, von der Leitung seiner Partei zurückzutreten, die die Radikalen gefordert hatten, gelang es im heutigen Ministerrat nicht, über die Erledigung des Aramer 3wischenfalles zu einer Einigung zu gelangen. Ministerpräsident Usunowitsch begab sich zum König, dem er die Demission des Gesamtkabi netts überreichte. Das Präsidium der Skuptschina wurde von der Demission verständigt, worauf die Sigung für die Dauer der Ra­binettskrise vertagt wurden.

Es ist für das Ansehen der bayerischen   Regie­rung nicht günstig, daß sie in der Deffentlichkeit den An­schein erweckt hat, als habe sie diese Aufklärung nicht gewollt. nehmungen in München   vorzunehmen, hat einen Entrüstungs­Der Beschluß des Reichstagsausschusses, die Zeugenver­Sturm in der bayerischen Rechtspresse hervorgerufen, der in eine müfte Hetze gegen den Ausschuß ausgeartet ist. Diese Hetze geht heute noch weiter. Völkische Zeugen bemühen fich, sie anzufeuern, völkische Reichstagsabgeordnete als Ausschuß­mitglieder nehmen an dieser Hetze teil. Am schlimmsten aber hetzen die Freunde der Mörder, die Epp und Röhm.

Die bayerische Regierung ist an diesem Feldzug nicht un­schuldig. Hat sie sich auch, als die Wirkungen der Heze her­fo läßt sie es doch ungehindert geschehen, daß in der baye­portraten, alsbald einer zurückhaltenden Haltung befleißigt, rischen Bresse   der Ausschuß, einzelne Reichstagsobgeordnete sowie der Reichstag   in feiner Gesamtheit in der schwersten Form beschimpft und herabgewürdigt werden. Die Art und Weise, wie sie den Ausschuß in München   empfangen hat und wie die Frage des Tagungsortes gelöst wurde, war eine offenbare Unfreundlichkeit und hat nicht dazu beigetragen, die Hezer zur Ruhe zu bringen.

Die Hetze geht aus von den Kreisen, deren Tätigkeit in den Jahren 1920 bis 1923 das Objekt der Untersuchung des Reichstagsausschuffes ist. Es sind die Kreise um Kahr   und Escherich, die Männer des trockenen Butsches und des Verfassungsbruchs durch Verfassungsaushöhlung, neben ihnen die Männer des offenen Putsches, die Bölkisch- Extremen. Diese Männer sind in den letzten Tagen vom Untersuchungs­ausschuß als Zeugen vernommen worden: der frühere Mi­frühere Justizminister Dr. Roth, der Oberamimann Frid, nisterpräsident v. Rahr, der Oberforstrat Escherich, der die rechte Hand des verstorbenen Polizeipräsidenten Pöhner, Diese Männer repräsentieren das System Kahr  tiefstem Grunde verfassungsfeindliche und verfassungswidrige - jenes in System, das im Jahre 1921 in Bayern   herrschte. Es besteht ein bemerkenswerter Unterschied in den Aus­sagen dieser Männer vor dem Ausschuß der Unterschied zwischen trodenen Putschisten und offenen Butschiften. Die Herren Kahr  , Escherich und Roth können sich nicht er­innern. Sie wissen von nichts, was faul gewesen ist und zum Himmel stinkt. Der Oberamtmann Frid aber gesteht das putschistische Wesen der Borgänge von 1921 ohne weiteres zu: er verteidigt es politisch als gegenrevolutionäre Hand­lungen, er leitet es ab aus der Schlappheit" der Regierung des trockenen Butsches. Hätte Böhner, den ein eigenartiges Geschick ausgerechnet in einem Automobil ums Leben kommen ließ, vor dem Ausschuß gestanden, er hätte wahrscheinlich mit noch größerer Brutalität als Frid frei herausgesagt, was war mit derselben brutalen Offenheit, die die Aussage von Epp fennzeichnete.

-

-

-

Was war das ist dieses: es gab in Bayern   in diesen Jahren ein Verfaffungsleben: einen Landtag und eine dem Landtag verantwortliche Regierung, an deren Spize Herr v. Kahr   als Ministerpräsident stand. Aber dieses Ver­faffungsleben war nur ein Schatten. Daneben stand als eigentliche Staatsmacht die Einwohnermehr, an ihrer Spize Oberforstrat Escherich. Vor dieser Staats­macht zitterten alle Behörden. Sie hatte Vertrauensleute in allen Behörden. Sie handelte troß der Staatsgesetze und gegen die Staatsgefeße, trok des Strafrechts und gegen das Strafrecht. Vor dieser Macht beugte sich auch die Justiz, an ihrer Spitze der Justizminister Dr. Roth. Sie wurde zu einem politischen Instrument. Sie verließ das Legalitäts­