scheiterten nun sowohl die wiederholten Friedensvorschläge Sowjetrußlands(vom 22. Dezember 1919 sowie vom 28. Januar 1920) als auch die wiederholten Friedens- bemühungen der Entente insbesondere durch die Ziehung von Demarkationslinien, und so kam es Anfang 1920 zum russisch -polnischen Krieg. Die Einzelheiten dieses Krieges können hier nicht besprochen werden. Doch seien aus ihm zwei Grundtatsachen hervorgehoben, die psychologisch bis auf den heutigen Tag fortwirken: Der Vormarsch der Polen nach Kiew weckte eine antipolnische Stimmung selbst in antisowjetischen Kreisen auf, ja führte(unter Brussilow) zu einer Einigung antibolschewistischer und bolschewistischer Kreise in einen patriotischen Widerstand gegen die Invasion; den bolschewistischen, aber auch sonstigen sozialistischen Par- teien Rußlands erschien— zweitens— P i l su d s k i als Verkörperung des kriegerischen, imperialistischen polnischen Sozialismus. Der Rigaer Frieden vom 18. März 1921, der von Rußland weite Gebiete im Westen Wolhyniens und Weißrußlands losriß, befestigte diese Stim- mung. Auf der anderen Seite aber erblicken, wie beispiels- weise die offenmütigen Ausführungen von E. Paszkowfki im kon ervativen Krakauer„Czas "(1924, Nr. 282, 283) beweisen, selbst Kreise, die zu einem Ausgleich mit Rußland hinneigen, in dem Rigaer Frieden und den durch diesen annektierten Gebieten eine unerläßliche Existenzbedingung des polnischen Staates(in teilweisem Widerspruch übrigens mit Dmowski , der in der erwähnten Druckschrift sagt:„Der Aufbau Polens auf diesem ganzen Gebiete— d. h. dem östlichen Gebiete bis zu den Grenzen von 1772— würde den polnischen Staat mit einer über seine Kräfte gehenden Aufgabe belasten"...) Mit dem Abtritt Pilsudskis von der politischen Bühne schien für das polnisch-russische Verhältnis indessen eine Mög- lichkeit der Besserung gegeben zu sein. Verschwand doch mit ihm vom politischen Horizont für Moskau die persona in xratissima des heutigen Polens . Dazu kamen aber auch objektive Gründe. Vor allem erwachte wieder die alte Sehn- sucht der polnischen Industrie(insbesondere der Textilindustrie) nach den russischen Absatzmärkten, die, bei dem Warenhunger Sowjetrußlands und bei der Valutakrifis Polens (die die Waren verbilligte und zugleich jene Exportsehnsucht steigerte) auf russischer Seite eine Art Gegenliebe fanden. So bahnte sich zwischen den beiden Ländern eine wirtschaftliche Annäherung an, die am 31. Januar 1926 in der Grün- dung einer polnisch-russischen Handelskammer in Warschau sowie einer gemischten polnisch-russischen Handelsgesellschaft „Sowpoltorg" auch eine organisatorische Gestalt fand. Unter der Regierung des diplomatisch gewandten Scrzynski gesellte sich dazu auch eine Art politischer Annäherung. Sie wurde durch eine andere Annäherung— zwischen Deutschland und den Westmächten—, insbesondere Frankreich , die in L o c a r n o eingeleitet wurde, veranlaßt. Das Gespenst eines polnisch-russischen Bündnisses sollte nach polnischer Absicht, Frankreich an seine Verpflichtungen aus der„politischen Ver- einbarung" vom 19. Februar 1921 Polen gegenüber erinnern und es Deutschland gegenüber abkühlen. Tschitscherin aber kam diese Diplomatie gleichfalls zu paß, da sie ihm das Mittel an die Hand zu geben schien, Polen von dem verhaßten V ö l- kerbund loszureißen. Doch das Ganze blieb nur ein Scheinmanöver. Die westlichen Bindungen Polens . die mit seiner Entstehung selbst verknüpft sind, erwiesen sich als stärker nud dauerhafter. Dazu kam im April 1926 die Wiedererneuerung des polnisch-russischen Freundschaftsvertrages vom 2S. Juli 1921, die der Sowjetunion das bessarabifche Problem sofort in schmerzliche Erinnerung brachte. So begann abermals eine Epoche offensichtlicher Abkühlung zwischen Rußland und Polen . Und als dann im Mai d. I. die Moskau so peinliche Gestalt Pilsudskis wieder machtvoll auf der politischen Bild- fläche auftauchte, begann vollends ein eisiger Wind zwischen Moskau und Warschau zu wehen. Dennoch überwand sich der Kreml noch einmal— was seiner Diplomatie Ehre tut — und machte an Polen noch im S e p t e m b e r d. I. das
Sieben fthone Zrauen unö 750 Galgen. von A. Aranyosi. Seit Monaten bringen die Blätter Mitteilungen über einen in Borbereitung befindlichen Film:„Die sieben Töchter der Frau Eyurkovics" nach dem berühmten Roman des ungarischen Schrift- stellers Franz Herczeg, und mit Interesse verfolgte man den intcr- nationalen Wettbewerb, der diesen Film mit Europas schönsten Mädchen beschicken sollte. Alle, denen der ausgezeichnete Roman bekannt ist, erfüllte angesichts des Films besondere Erwartung, und wir alle zitterten um das Filmschicksal der sieben Töchter der gewitzigten Frau Gyurkooics, die ihre Sprößlinge nicht nur geschickt, sondern auch mit mütterlicher Klugheit unter die Haube zu bringen wußte. Dieser Tage kam nun eine neue Mitteilung über den Film ans Tageslicht, die geeignet war, einem Grauen und Empörung einzujagen. Man erfuhr daraus, daß die Außenaufnahmen zu diesem Film in Ungarn , und zwar unweit der Stadt Kecskemöt, auf dem Gute eines Herrn Hstas, stattfinden sollen, der sich liebens- würdigerweise bereit erklärt hat, sein Besitztum den deutschen Herren vom Film zur Verfügung zu stellen. Euer schwergeprüftes Gedächtnis, liebe Leser, ist sicher viel zu sehr belastet, um noch so berühmte, noch so viel genannte Namen in Erinnerung zu behalten. Sicher wißt ihr nicht mehr, daß dieser liebenswürdige Herr H�jas mit jenem Iwan Höjas identisch ist, der ISIS, nach Sturz der ungarischen Räterepublik, als Spiritus rector des ungarischen weißen Terrors mit der Parole:„Das Volk urteilt, das Volk hat gesprochen!" Hunderte von unschuldigen Opfern ab- schlachtete und ungestraft als Madjariens„Gottesgeihel" sein fluchwürdiges Wesen trieb. Er war ein Staat im Staate, der es sich erlauben konnte, der Nationalversammlung Befehle zu erteilen und allen Scheinmachthabern Trotz zu bieten. Das Grauen wuchs, wo er an der Spitze seiner Horden erschien. Zuletzt aber hatte er sich freiwillig zurückgezogen, da er seine„Mission" als beendet an- sah. Zuvor mußte er seinem Werk allerdings erst noch die Krone aufsetzen. Es war in jener grauenvollen, blutgetränkten Nacht, da er plötzlich in Kecskemet erschien, aus Gefängnissen und Privathäusern hundertfünfzig politische Gefangene und friedliche Bürger, meistens Juden, nach dem benachbarten Orgovänyer Forst verschleppen und dort unter geradezu bestialischen Mißhandlungen aufknüpfen ließ. Entsetzen und Schrecken erfüllten das Land. Hunhertfünfzig Leichen pendelten tagelang im Orgovänyer Forst. Keiner wagte sich an den entmenschten Wüstling. Auch wurde dieses Blutbad nie gesühnt. Herr H�jas wurde nicht einmal unter Anklage gestellt. Heute ist er„friedlicher Bürger", ja sogar„Ehrenbürger"(I) von Kecskcmät, dem Schauplatz seiner Blutorgie. Sein Gut ist am Waldesrand von Orgoväny gelegen, wo zwischen den rauschenden Zweigen heut« noch das Grauen stöhnt.
Angebot eines Neutrali tätspaktes. Diese Neutralität würde aber stillschweigend auch für den Fall eines Konflikts zwischen der Sowjetunion und Rumänien gelten. Daher blieb das Angebot— obwohl polnischerstits die Exi- stenz eines Bündnis vertrage? mit Rumänien stets ge- leugnet wird— ja doch kennzeichnenderweise ohne Folgen. Nun war das Tischtuch zerschnitten. Die Folge war ein Gegencoup Rußlands : der Abschluß des r u s s i s ch- l i t a u- ischenPaktesam28. September d. I., in dem die Sowjet- regierung abermals, wie schon am 12. Juli 1920 im Friedens- vertrag mit Litauen , dessen Ansprüche auf das Wilnaer Ge- biet anerkannte. Dieser neue Pakt kann somit, nach all dem Gesagten, als ein Spiegelbild der Mächtegruppierung im Osten betrachtet werden: auf der eine Seite stehen Polen und Rumänien(mit Frankreich , das ja neuerdings gleichfalls einer Freundschaftsvertrag mit Rumänien einging, im Hinter- gründe); auf der Gegenseite— die Sowjetunion und Litauen ; zwischen ihnen die drei übrigen Nachfolgerstaaten des russi- scheu Reichst Finnland , mehr eigenbrötlerisch, und Estland und Lettland in ziemlich enger politischer und wirtschaftlicher Union (doch keineswegs als die lachenden Dritten inmitten dieser ganzen Zerklüftung). Dies ist d as— wenig erfreuliche— Bild der osteuropäischen Gegenwart. Doch aus ihm auf eine unmittelbare Kriegs- gefahr zwischen den beiden östlichen Großmächten Polen und Sowjetrußland zu schließen, wäre übereilt. Polens territoriale Ansprüche sind befriedigt, wenn es auch kein„glücklich be- sitzendes" ist: feine Wirtschaft gebietet ihm außenpolitische Ruhe; auf der anderen Seite ist für die Sowjetunion , trotz der An- erkennung der Ansprüche Litauens auf das Wilnaer Gebiet, natürlich die Rückeroberung dieses Gebiets für die Litauer keineswegs das Ziel; dies Ziel ist vielmehr die Zerschlagung der Einheit der Randstaaten: der Verlust Bessarabiens schmerzt sie ganz anders. So sind hier die Vorbedingungen für einen Frieden, wenn auch für einen schlechten Frieden, und für die Erhaltung des labilen Gleich- gewichts noch gegeben. Erst die Aktualisierung des bessarabi- schen Problems, diese aber auch bestimmt, würde dieses Gleich- gewicht stören— und zerstören.
das Aeugniszwangsverfahren von Löbati. Eingreifen des sächsischen Justizministeriums. Das sächsische Justizministerium hat gegen das Zeugnis- Zwangsverfahren gegen den Redakteur der„Löbauer Volks- zeitung", E f f e r o t h. eingegriffen. Die gesamte Presse hatte sich sofort solidarisch gegen die Einleitung des Zeugniszwangs- verfahren? erklärt. Im übrigen stellt das sächsische Justizministerium gegen- über der von uns übernommenen Behauptung der„Dresdener Volkszeitung", daß«in Abkommen zwischen dem Iustizmini- ster Bünger und dem sächsischen Richterverein getroffen worden sei, gegen jede Kritik an Gerichtsurteilen klagbar vor- zugeben, fest, daß ein solches Abkommen niemals getroffen worden fei._
Sapern und Württemberg . Konflikt mit dem Reich wegen des Potemkinfilms. Slullgarl. 18. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Der Polizei. Präsident in Stuttgart Hai die Vorführung des Films „Panzerkreuzer Potemfin" für den Polizeibereich Stutt gart , also für ganz Württemberg, a b e r m achs verboten. Ln der Begründung der aufsehenerregenden Maßnahme wird ausgeführt, daß der aufreizende und auf die Untergrabung der Staatsordnung gerichtete kommunistische Hetzfilm Anlaß zu Zusanimenstößen zwischen Freunden und Gegnern dieses Filmwerkes geben könnte, die sich auch bei entsprechenden polizeilichen Dorbeugungsmaßnahmen nicht ganz vermeiden lassen würden. Mit diesem Verbot hat sich Württemberg bewußt an die Seite Bayerns und in einen offenen Konflikt mit dem Reich begeben.
Und am Waldesrond von Orgovsny, auf dem Gute des Herrn Hejas wird der heiter-froh« Film gedreht, in dem die sieben schönsten Frauen von Europa inmitten eines biederen Milieus ein sorglos-ausgelafsenes Dasein mimen sollen. Es soll ein Lustspiel werden. Der Operateur wird ober ahnungslos noch hundertfünfzig Galgen in die Linse fassen und eine Komparserie von hundert- fünfzig unsichtbaren Menschen, von hundertfünfzig unschuldig Ge- henkten auf die Leinwand bannen,— den lächelnden Herr H6jas mit der Reitpeitsche im Vordergrund. Das erstarrte Lachen wird einem die Kehle würgen.
,vie Solüaten� von Lenz. (S ch i l l e r- T h e a t e r.) Bor genau 1S0 Jahren wurden durch Herder„Die Soldaten " von Michael Reinhold Lenz herausgegeben. Das Stück ist heute noch aufregend genug. Wir sehen, wie ein gut bürgerliches Mädel durch die Verführung der Kriegslcute leichtsinnig und schließlich zur bettelnden Landstreicherin wird. Das spielt sich alles wie ein be- drückendes Exempel ab, das die Soldateska schwer belastet. Das Mädel kommt so herunter, daß sie auch aus dem Hause einer mensch- freundlichen Gräfin fortläuft, die sich die Rettung der Gefallenen zur Aufgabe macht. Ein Dramatiker unserer Tage würde die Gräfin durch ein« Hauptmännin der Heilsarmee ersetzen. Wie aber ist dem Skandal, daß die anständigen Mädels durch ihre Neigung zum bunten Tuch um Stand und Ehre kommen, abzuhelfen? Lenz empfiehlt da ein kurioses Rezept: Gebt jedem Regiment fein Weiberreqiment bei, dazu bestimmt, den Offizieren und Mannschaften ihre Wollust zu befriedigen. Di« Regimcntsweiber dürfen nicht verfemt fein, sie müssen von Staats wegen organisiert und reichlich bezahlt werden. Wo aber die gefälligen Damen hernehmen? Der Bürger hat aus seiner Familie zu opfern, damit der Soldat die Lust an seinem staatserhaltenden Handwerk nicht verliert. Die These galt vor 150 Jahren als durchaus diskutabel. Irren wir nicht, so wurde das Rezept noch während des letzten Krieges von vorsorglichen Generalstäben durchaus sachgemäß angewendet. Der Regisseur Jürgen Fehling unterdrückt die Moral des Stückes. Die Dramaturgen von 1926 führen eben den Rotstift gern derartig, daß sie die Idee beseitigen und nur die gröberen, auf Amüsement zielenden Bedürfnisse des Parketts und der Galerie be- friedigen. Der Regisseur macht glänzendes Theater, indem er alles Sinnfällige heraushebt. Er läßt hinter geschlossenem Vorhang Trommeln rasseln und Signale trompeten. Ein militärisches Leit- motio für die Kasinoszenen entsteht. Die Einbildung marschiert soldatisch mit. Die Offiziere werden famos typisiert, die Bürger- wohnung wimmelt von Philifterei und Hausbackenheit. Liest man das verstaubte Regiebuch Lenzens, dann bewundert man die phan- tasievolle Regie noch inehr. Hohe Bewunderung gebührt Lucie Mannheim , die das lockere Soldotenmädel spi«lt. Sie ist eine Naive, die ein Weib ist. Sie ist nie ganz Luder, sie ist niemals ganz Puppe, Fräulein Mann- heim wurde zur vorzüglichen Charakterdarstellerin. Die Rolle könnte zur Gemeinheit oder zur Sentimentalität verführen, auch zu falscher
ZranzösischerEingriffin öeutschepreßfreiheit Haussuchung bei der Landauer Tageszeitung „Der Rheinpfälzer". Landau . 18. Oktober. (WTB.) Im Verlag und in der Rcdak- tion der hier erscheinenden Tageszeitung„Der Rheinpfälzer" wurde. wie das Blatt mitteilt, Sonnabend vormittag nach Redaktionsschluß des Hauptblattes eine Untersuchung durch zwei fraii- z ö s i s ch e. Gendarmen vorgenommen. Die Untersuchung stand im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines Interviews eines Landauer Journalisten mit dem französischen Kriegsgerichtsrat Tropet am Freitag.„Der Rheinpfälzer" hatte den Text dieses Inter- views in einem Extrablatt bei einem hiesigen Zigarrenhändler an- schlagen lassen. Das Extrablatt wurde in der Nacht zum Sonnabend von unbekannter Hand abgerissen. Di« Haussuchung hatte den Zweck, das unauffindbare Extrablatt wieder ans Tageslicht zu schaffen. Die Personalien sämtlicher verantwort- lichen Redakteure wurden auf das genaueste auf- genommen. Gleichzeitig wurde der technische Betrieb etwa drei Stunden lang unt er sucht. Später sollten die Redak- teure ein in französischer Sprache abgefaßtes Protokoll unter- schreiben, was sie verweigerten. Landtagsabgeordneter Bsrnzott, der Chefredakteur des„Rheinpfälzer", wird am Montag vormittag vernommen werden.
Das interalliierte Schulöenproblem. Interview mit einem Poincarck-Minister. Paris , 18. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Das„Echo de Paris" veröffentlicht ein Interview mit einem Minister des Kabinetts Poincare , dessen Name allerdings nicht näher genannt wird. Dieser Minister wertete zunächst den Ausgang des Radi- kalen Parteitages als Erfolg des Kabinetts über- Haupt und Poincares insbesondere. Dann teilte er mit, daß mir Ausnahme Marinys sämtliche Minister für die Rückkehr zum Arror- difsementwahlrecht einträten. Auch Poincare , der allerdings dos reine Verhältniswahlsystem vorziehe, sei für das Einmann-Wahl- recht als das geringste Uebel. Weiter gab dann der Minister einige Erklärungen über das Problem der interalliierten Schul- den ab, woraus deutlich hervorgeht, daß Poincare tatsächlich seine Haltung in dieser Frag« erst in den allerletzten Tagen g e ä n- d e r t hat. Der Minister betont, daß man vorläufig an eine Debatte in der Kammer nicht denke. Der Ministerpräsident habe erst kürzlich den Besuch einer Reihe von Abgeordneten empfangen, die ihm nicht verheimlicht hätten, daß die gesamte Gruppe der Nationalen Union, also die Mutterpartei des Nationalen Blocks, gegen die Regierung stimmen werde, wenn das Washingtoner Abkommen in der jetzigen Form vorgelegt würde. Im übrigen teilte der Minister mit. daß die Bereinigten Staaten schriftlich erklärt hätten, auf die Schulden- kommerzialisiermg zu verzichten, aber bis jetzt sei noch keine Möglichkeit vorhanden, die Garantieklausel durch- zudrücken. Pertinax ergänzt diese Mitteilungen aus eigenen In'or- mationen noch dahin, daß nach der Abreise Caillaux ' aus Washington im Herbst 1925 tatsächlich aussichtsreiche Verhandlungen über die Ein- fügung der Garantieklausel bestanden hätten, aber Paiulevc habc diese Verhandlungen abgebrochen und habe Briand genötigt, einen durchaus ungenügenden Botschafter in der Person Berengers nach Washington zu senden._ Zusammenstöße zwischen Hindns und Mohamnredanern. Bei einer großen Hindufeier, bei der Taufende von Männern, Frauen und Kindern Götterbilder in Prozessionen umhertrugen, kam es zu mehreren Zusammenstößen mit Mohammedanern, wobei über 20 Personen verletzt wurden. Eine Person ist bereits im Hospital ihren Verletzungen erlegen. Viele Verhaftungen wurden vorgc- nommen. Ein ilasienischer Dampfer in Amerika beschlaguahmk. In Haiiiax hat das Gericht die Beschlagnahme des italienischen Dampfers „Dori" bestätigt, weil er 129 sizilianische Auswanderer heimlich an der kanadischen Küste habe landen wollen. Die Beschlagnahme cr- folgt bis zur Erlegung von 17 500 Dollar, welch« für die Verpflegung und den Rücktransport der Auswanderer an Kosten aufgelaufen sind.
Koketterie und allzu süßlicher Traurigkeit. Doch Fräulein Mann- heim entgeht dieser Gesahr und zeigt sich als Beherrscherin der Zwischentöne. So schlicht wie sie sind Nur Jakob T i e d k e als Grübler mit Pluderhosen und Kavalleristenstiefeln und Krausneck als Feldprediger mit milder Wcltmoral. Es tritt ein verliebter Grafensohn auf. dessen Liebesklage Rolf Müller mit eigentüm- licher und sehr charakteristischer Dümmlingsstimme herunterleiert. Es sind famos aufgetakelt Frau P a t e g g als zimperliche alte Jung- fer und Walter W« r n e r, der wie ein Gras Mikosch aus dem Witz- blatt aussieht. Lina Lossen spricht mit taktvoller Grandezza den Part der Gräfin von freundlicher Gemütsart. Alles ist stimmungs- voll und bunt von Caesar Klein ausgemalt. Ein großer Theaterabend!_ Max Hochdorf . Das Vorbild des Bersiner Doms. Der Berliner Dom ist nach dem Urteil aller Sachverständigen eins der mißlungensten Baudenk- mäler, die die Reichshauptstadt besjtzt. Das Verhältnis der 77 Meter hohen Zentralkuppel zu den vier Türmen, die sie umgeben, ist voll- ständig verfehlt, und die Kuppel erdrückt außerdem noch die beiden herrlichen Bauwerke in der Nähe, dos Schlütersche Schloß und das Schinkelsche Museum. Hans Grafs untersucht nun in einem Aufsatz des„Kunstwanderers', woraus diese Fehler zurückzuführen sind. Er weist aus die wenig bekannte Tatsache hin, daß das Vorbild des Berliner Doms die Kolsterkirche von Ettal ist. Dieser wundervolle Bau, der von zwei Türmen slankiert ist, befindet sich an der einen Seite eines in der Mitte offenen Vierecks von Gebäuden, und durch dieses Viereck wird die Wirkung der gewaltigen Kuppel aufs glücklichste gehoben. Beim Berliner Dom aber hat man die tragende Wirkung des Vierecks übersehen. So erdrückt die Klippel nicht nur die Seitentürmc, sondern die ganze Gegend. Der frühere Berliner Dom , der von 1750 bis 1894 stand, ruhte auf einem langgestreckten Rechteck, und die von Schinkel aufgesetzten kleinen Kuppeln standen in einem durchaus harmonischen Verhältnis zu der Hauptkuppel. Uebrigens ist auch der Eindruck der Ettaler Kirche jetzt durch eine grobe kunstgeschichtliche Sünde beeinträchtigt worden. Dem Kloster gegenüber steht nämlich ein schönes mittelalterliches Haus, der Klostergasthof. Dies Haus mit seinem riesigen Satteldach gab zusammen mit dem Kloster der ganzen Gegend ihr Gepräge. Run hat man an dies alte Klosterbräuhaus unmittelbar ein Hotel angebaut und damit die ganze Wirkung zerstört.
Ein«<ve«rg Eogel-Zcier veranlinltete der Verband Deutscher Crzäbler Sonntag mittag im ehemaligen Herrenbanle zum SO. GedmISIage de» Gchrilifleller«. Kultusminister Becker überbrachte die Glückmünlche der Regierung. Die Sing-Akademie tritt Mittwoch ihre eiste AuSIand-Kanzertreise nach dem Kriege an. Sie wird unter Leitung Ihres Direktors Pias. Georg Schumann in Prag , Brünn , Wien und Budapest BachS H■ Moll» Messe, Beethovens Missafolemnis und HändelS Israel ln Aegypten zur Aus» sührunz bringen. .Europäische Dichtung an der Schwelle der Segenwortt, wird in einem VorlesungS-ZykiuS an der L e s i l n g- H o ch I ch u l e behandelt, in dessen Verlaus sprechen werden: Dr. P. Fechter über.Rietz! che", Dr. C. D. MarcuS: b s e n", H.G.Schissauer:.OScar Wilde -, Adolf Paul : .Strindberg-, Stefan Zweig :.Dostojewski ". Di« Vorträg« be« ginnen am Dienstag im ReichSwirtschaftSrai, Bellevueftr. 16, abends 7 Uhr
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