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Nr. 492 43.Jahrg. Ausgabe A nr. 251

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Telegramm- Abreffe:

Sozialdemokrat Berlin  "

Morgenausgabe

Vorwärts

Berliner Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Dienstag, den 19. Oktober 1926

Vandervelde   feiert Matteotti  .

Vergleich mit dem Mörderregiment der Borgia.

Brüffel, 18. Oktober( EP.) Außenminister Bander| velde hielt am Sonntag bei einer Gedächtnisfeier für den ermordeten italienischen Sozialistenführer Matteotti   eine Rede, in der er den Mord an Matteotti mit der Ermordung des Herzogs von Gandia   im Jahre 1497 durch Cesar Borgia   ver­glich. Bandervelde fagte weiter, es stehe jetzt fest, daß man in ge­wiffen Ländern un gestraft einen Menschen ermorden könne, der Sozialist oder Revolutionär jei.

Neue Haussuchung bei Genoffin Oda Olberg- Lerda?

Einem Telegramm von WTB. aus Rom   zufolge sind wieder

Haussuchungen bei verschiedenen bekannten Persönlichkeiten der Opposition vorgenommen worden, darunter in Bologna   beim republikanischen Abgeordneten Bergamo  , beim republikanischen Rechtsanwalt Bini und in Rom   bei der Vertreterin des Ber­ liner   Borwärts".

Gemeint tann nur féin die Genoffin Oda Olberg- Lerda, bie, wie allgemein bekannt, in den Zeiten der italienischen Breffe freiheit, also vor dem faschistischen Regime, ständige Korre fpondentin des Vorwärts" in Rom   war.

eberwachung Guglielmo Ferreros.

Wie die ,, Boce Repubblicana" meldet, ist der berühmte italienische  Historifer Guglielmo Ferrero   beim Berlaffen seiner Wohnung in Rom   in Begleitung des Sekretärs der Republikanischen Barbei, des Abgeordneten Bergamo  , und des Direttors des genannten Blattes, Dr. Schiavetti, von der Polizei festgehalten worden, die

Karl Renner   in Berlin  .

Drei Reden für den Anschluß. Abg. Genosse Dr. Karl Renner   Wien  , der der erste Staats­tanzler der Republik Deutschösterreich gewesen ist, hat am Sonntag. mittag neben Gen. Scheidemann   auf einer imposanten Kund­gebung des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold, am Sonntagabend in einer Versammlung des Desterreichisch- Deutschen Volksbundes im Grotrian- Steinweg  - Saal und am gestrigen Montagabend im Ber­ liner   Rundfunt gesprochen. Nach einer Schilderung der ge­schichtlichen Entwicklung Desterreichs von seiner Errichtung als schützende Dstmart für das übrige Deutschland   durch die Habsburger­zeit bis zum heutigen Elend des selbständigen" aber nicht lebens­fähigen, und an der naturnotwendigen Heimtehr ins Reich gewalt­jam verhinderten Staates, führte Gen. Renner noch aus:

Wir haben uns in Desterreich stets eins gefühlt mit allen deutschen   Ländern. Wenn wir auch die von den Siegesdiktatoren be­schlossene Trennung einstweilen respektieren müssen, wollen wir im Geiste eins sein und immer wieder den Anschlußwillen befunden. Für die Anschlußfreunde im Reich und in Desterreich bedeutet der Zusammenschluß die Heimkehr eines in die Fremde verirrten Familienmitgliedes. Darüber hinaus ist er aber zu einem europäischen   Problem geworden. Nach dem Kriege hat sich zwar die Bildung von Nationalstaaten vollzogen, aber die fleinen Staaten tönnen heute wirtschaftlich taum beſtehen. Desterreich als Kleinstaat tann nicht leben. Wirtschaftlich unumgänglich notwendig erscheint die Herstellung von Wasserstraßenverbindungen Donau­Rhein und Donau- Ostsee- Nordsee. Dann wäre der Verkehr mit der Weltwirtschaft hergestellt. Um die Besorgnisse gewisser Staaten gegen den Anschluß wegzuräumen, müßte ein Locarno   an der Donau   geschaffen werden.

Die gedankenreichen Ausführungen Renners haben die all­gemeine Ueberzeugung von der Selbstverständlichkeit des Anschlusses noch vertieft.

Deutschösterreichs republiktreue Wehrmacht. Wien  , 18. Oktober.  ( Eigener Drahtbericht.) Trotz allem offenen Terror gewiffer Offiziere und trotz der Abkommandierungen und Bersetzungen, durch die der reaktionäre Wehrninister Baugo in das Wahlglück zu forrigieren versuchte, hat auch die diesjährige Bertrauensmännerwahl in der Wehrmacht, wie bisher immer, einen überwältigenden Sieg der Sozialdemokratie ergeben. Es erhielten: der sozialdemokratisch- freigewerkschaftliche Militärver band 11 130 Stimmen und 201 Mandate, während der christlich­soziale Wehrbund es trotz aller Förderung von oben nur auf 3770 Stimmen und 49 Mandate bringen fonnte. Bon den 2000 Jung­

männern" haben 1500 rot gewählt, obwohl bei den Neueinstellungen immer versucht wird, möglichst viel sichere Wehrbündler" in die Wehrmacht hineinzubringen. Die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen beweist aufs neue, daß lange nicht jene 30 000 Mann im Behrdienst stehen, die dem Staat in den Bestimmungen von Saint­Germain gestattet sind; da man die Truppe nicht reaktionär ge­stalten tann, hält man sie eben möglichst tlein!

Preußisch- österreichischer Schulvertrag.

Am Montag wurden im Breußischen Kultusministerium die Ratifizierungsurfunden über den preußisch österreichischen Soulvertrag ausgetauscht. Der Bertrag verpflichtet beide

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alle drei nach ihren Berfonalien befragte. Nach einem lebhaften Protest des Abgeordneten Bergamo   wurden die Personalien an­gegeben. Die Polizeibeamten gaben zur Rechtfertigung ihres Bor­gebens an, man habe einen polizeilich gesuchten Studenten an­zutreffen vermutet. Fügen wir noch hinzu, daß der berühmte Historiker berühmte Hiftorifer Guglielmo Ferrero   neben dem nicht minder hervorragenden Philosophen Benedetto Croce   wegen seiner entschiedenen anti­gehaßte Mitglied der italienischen Gelehrtenwelt ist.

faschistischen Haltung das von der Regierung Muffolini beft­

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Weder Krieg noch Frieden!

Der Moskauer   Ausgleich.

Bon D. Dalin.

Der amtliche Bericht aus Moskau   bringt die Nachricht über einen Friedensschluß innerhalb der Kommunistischen Partei. Was ist der Sinn dieses Pattes? Der Versuch einer aufrichtigen Versöhnung, ein Locarno des Kommunismus? Oder die endgültige Niederlage einer Partei, ein Brest­Litowst, ein Bersailles? Nein, weder das eine noch das andere. Eher ist er ein Waffenstillstand, bei dem noch ganz unbestimmt bleibt, ob und wie es zu einem Friedens­schluß tommen wird.

Mussolini   verdient 30 Jahre Gefängnis." bem amtlichen Kommuniqué nur das Mindest maß der

Neues zum Fall Dumini  .

Aus Chiasso   wird uns geschrieben:

Amerigo Dumini  , der für die Ermordung matte ottis unmittelbar Berantwortliche, ist, wie schon berichtet, von der Straftammer in Rom   wegen beleidigender Aeußerungen gegen Mussolini   am 11. Oftober zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Jetzt erfährt man, daß die von mehreren Zeugen vor Gericht wiedergegebene Aeußerung folgende ist:

Wenn ich für das Berbrechen an Matteoffi zu fieben Jahren verurteilt worden bin, so hätte der Ministerpräsident zu dreißig Jahren verurteilt werden müssen!"

Wenn einer in der Lage ist, dies richtig zu beurteilen, so ist es Dumini, der nur einen Auftrag ausgeführt hat.

Staaten, die Schulpflicht der Staatsangehörigen durchzuführen, so daß Kinder von Desterreichern, die in Breußen leben, der gleichen Schulpflicht unterworfen sind, wie die Kinder von preußischen Staatsbürgern. Preußische Kinder in Desterreich unterliegen den ge­feßlichen Bestimmungen, die dort über den Schulbesuch getroffen find. Bisher mußten Desterreicher, die in Breußen leben, für ihre fchulpflichtigen Kinder Fremdenschulgeld zahlen, wie andere Aus­länder. Der jetzt ratifizierte Vertrag tritt 14 Tage nach Austausch der Urkunden in Kraft.

Holland   und der Exkaiser. Besuch des Innenministers in Doorn  . Amsterdam  , 16. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Der Innen­minister Dr. Ran hatte heute nachmittag eine Unterredung mit dem Wilhelm Hohenzollern  , Deutscher Kaiser a. D., in Doorn  . Ueber den Inhalt der Unterredung wird nichts mitgeteilt. Man vermutet, daß die holländische Regierung durch ihren Innen­miniſter dem Ertaiser habe eröffnen lassen, sie würde ihre Zu­Stimmung zu einer Abreise aus Holland   nicht zu geben ver­mögen, da fie feinerzeit den Ententemächten gegenüber gewisser­maßen die Verpflichtung übernommen habe, daß der ehe. malige Kaiser Holland nicht verlasse. Ob diese Bermutung zutrifft, läßt sich nicht sagen. Der Minister des Innern hat den Schloß herrn von Dorn im Laufe der Jahre öfter besucht.

Dorpmüller bestätigt.

Als Genereldirektor der Reichsbahngesellschaft. Amtlich wird gemeldet: Die Berhandlungen der Reichsregie rung mit dem Verwaltungsrat der Reichsbahn in der Frage einer möglichst engen fünftigen 3usammenarbeit zwischen Reichs bahnverwaltung und Reichsverkehrsministerium sind heute zum Ab­schluß gekommen. Nachdem die diesbezüglichen Richtlinien sowohl seitens der Reichsregierung als auch des Berwaltungs­rats der Reichsbahn am vergangenen Sonnabend ihre offizielle Zustimmung gefunden haben, konnte nunmehr durch den Herrn Reichspräsidenten   heute nach seiner Rückkehr nach Berlin   auf Vor­schlag der Reichsregierung die Bestätigung der Wahl des bis­herigen stellvertretenden Generaldirektors der deutschen   Reichsbahn Dr. Dorpmüller zum Generaldirektor der Deutschen Reichs­Dr. Dorpmüller zum Generaldirettor der Deutschen Reichs­bahngesellschaft ausgesprochen werden.

Zweite Werbebeilage des ,, Vorwärts":

Sozialistische Kultur

A. Stein: Kulturmission des Sozialismus.

E. Ollenhauer: Partei und Jugend.

R. Lohmann: Kampf um die Schule. S. Nestriepke: Volksbühne und Arbeiterschaft. A. Guttmann: Die Kunst dem Volke. F. Rothenfelder: Der Höhe zu!

Darauf deutet sogar der Mostauer Bericht selbst. Die Opposition der Sinomjew, Trotti und Genossen hat ihre Truppen zurückgeblasen und sich insofern den Forderungen der Stalinschen Zentrale unterworfen; damit ist aber, laut Anforderungen erreicht". Die Opposition hat teine Buße ge­tan. Bon einer Reue ist keine Rede. Im Gegenteil ,,, unseren Auffaffungen bleiben wir treu", sagt die Opposition. Sie bleibt nach wie vor bei ihrem politischen Programm. Ein Waffenstillstand, nichts als Waffenstillstand! Zugleich aber der wichtigste Wendepunkt in der ganzen Geschichte der Richtungs­fämpfe im russischen Kommunismus.

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Der Ausgleich war der einzig mögliche, der einzig gegebene vorläufige Abschluß der dramatischen Parteifrise der legten Wochen. Ein anderer Ausweg war zunächst unmöglich. Die Parteizentrale, d. h. die Regierung, hat ihre Gegner im offenen Kampfe, d. h. in den Parteiversammlungen fiegreich geschlagen; sie hat es erreicht, daß die überwältigende Mehr­heit sich gegen jede Parteidistusfion auflehnte und die Redner der Opposition oft gar nicht zum Wort tommen ließ. Sie hat es ferner erreicht, daß auf der Parteifonferenz die für den 25. Oftober vorgesehen ist, die Opposition durch eine sehr schwache Minderheit vertreten sein wird. In mehreren Leit­artikeln hat ferner die Prawda" die bekannten Drohungen offen ausgesprochen, und es unterliegt feinem Zweifel, daß die schwere Hand Stalins alle Hebel in Bewegung gesetzt hätte, um die Auflehnung gegen feine Parteidisziplin durch Ausschluß zu bestrafen. Für Mittwoch, den 20. Oktober, war bereits der obere Gerichtshof der Partei, die sogenannte ,, Kontrollkommission", einberufen, die die Befugnis hat, Parteimitglieder auszuschließen. Und davor gerade graute es den Führern der kommunistischen  3entrale. Es war nicht schwer, vorauszusehen, daß die Ausgeschlossenen weiter in Verbindung mit bestimmten Partei­freisen bleiben und eine illegale Tätigkeit entfalten werden. Was dann? Die GPU.  , die politische Polizei, in Bewegung sezen, um die meuternden Kommunisten, mit Sinomjem an der Spitze, in die Gefängnisse zu schicken? Die glänzendsten Namen des Kommunismus, feine Päpste und Priester in die sibirische Tundra, auf die Inseln des weißen Meeres ver­bannen? Stalin   hat flug gehandelt, wenn er jetzt versuchte, einen schlechten Pakt zu schließen, statt sich in den gefährlichen Krieg auf Leben und Tod einzulassen. Denn so lautete das Dilemma für ihn: Entweder Waffenstillstand- oder Ver nichtung des Gegners mit allen Mitteln des polizeilichen

Terrors.

Aehnlich stand die Frage für die Opposition. Sie hat nicht nur den Einfluß ihrer Namen, sondern auch die poli­tische Aktivität, die Energie und Hingebung der Mitglieder­masse weit überschäßt. Es war eine fürchterliche Niederlage, als man feststellen mußte, daß nicht einmal 1 Broz. der Mit­gliedschaft für die Opposition gestimmt hatte, die doch min­destens drei Viertel der in der Welt bekannten Führer des Kommunismus in ihren Reihen zählt. Einen Sinowiem wollte man in den Butilow- Werken beinahe nicht anhören. Sapro­now wurde niedergeschrien.

Sicherlich besitzt die Opposition viel mehr Anhang, als in diesen Abstimmungen zum Ausdruck fam. Aber die große Parteimaschinerie, die in den Händen Stalins verblieb, hat alle Abstimmungen zu einer Farce gemacht. Offen wurde die Parole ausgegeben, die Opposition nicht zum Reden kommen zu lassen. Offen wurde die Diskussion, d. h. der Ideenkampf für Kommunisten, verboten. Und jedes Mitglied dieser Partei meiß ganz genau, welche Gefahr es läuft, wenn es versucht, sich diesem Befehl zu widersetzen. Wurden doch schon im Laufe der lekten Wochen sehr viele Mitglieder aus der Partei aus­

gefchloffen, und unzähligen anderen wurde eine Rüge" ins

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Parteibuch eingetragen. Bersehungen und Berbannun­gen standen auf der Tagesordnung. Die mächtige Diktatur hat nichts unversucht gelassen, um die große Parteimasse vor einer offenen und ehrlichen Diskussion abzuschrecken.

Und es tam noch eins hinzu. Die russischen Kommu­nisten von heute sind feineswegs die unentwegten, furchtlosen Meuterer, die Himmelsstürmer von anno dazumal. In neum Jahren hat sich der größte Teil dieser Partei in gehor= same und ruhige Beamte verwandelt, als man die heldenhafte, aber schreckliche Reit der Bürgerkriege und der Hungerjahre noch nicht vergessen hat. Man sehnt sich