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Kampf um Sie Schule. Von Dr. Richard Lohmann. Seit den Tagen von Weimar ist die Schule das O b j e k t politischen Kampfes, politischer Kompro- misse geworden. Und das ist das Seltsame: Solange die Schule unbeanstandet alsunpolitisches" Instrument des Klassenstaates die Jugend zu Nationalismus und Militarismus erzog, so lange gab man sich gar nicht einmal die Mühe, den politischen Zweck der Schule und der Erziehung irgend- wie zu drapieren, feierte man Kaisertage und Sedan , zwairg man Dissidentenkinder in den Religionsunterricht, war die Politik der selbstverständliche Formgeber schulischer Er- Ziehung. Aber in dem Augenblick, wo der politische Charakter der Schule nach außen hin deutlich in die Erscheinung trat, setzten die Bestrebungen derE n t p o l i t i s t e r u n g" der Schule ein: dem Verbot politischer Betätigung der Jugend, das in erster Linie der sozialistischen Arbeiter- jugend galt, folgte dieunpolitische" Organisation der Elternschaft, die sich als reaktionärer Hemmschuh frei- heitlicher Entwicklung bei allen Elternbeiratswahlen nun schon Jahr um Jahr betätigt. Und was unter dem Schlagwort der EntPolitisierung der Schule an sachlicher und p e r s o- n e l l e r Politik getrieben werden kann, Zeigt uns Bayern , zeigt uns die Umstellung der Schulorganisation unter der Re- gierung des Ordnungsblocks in Thüringen . Die Sozialdemokratie hat von jeher diese Taktik der Verschleierung bekämpft, hat ihre Ehre darin gefetzt, zu sagen, was ist. Sie hat darum nie ein Hehl daraus ge- macht, daß der Kampf um die Schule ein Stück, ein u n- lösbares Stück des gesamten politischen und wirtschaftlichen Befreiungskampfes ist und daß es darum zunächst gilt, deN politischen Einfluß der reaktionären Gemalten auf die Schule mit p o l I t i- schen Mitteln zu brechen. Sie hat es lange genug mit ansehen müssen, wie unter der Maske pädagogischer oder religiöserErfordernisse" die Jugend, die Kinder des Volkes, die Söhne und Töchter ihrer eigenen Anhänger zu Demut und Kncchtsinn, zu Bedürknislosigkeit und Anerkennung einer ungerechten Wirtschaftsordnung erzogen wurden, wie Man- archie und Kapitalismus . Kriegesmord und Armut gleicher- maßen als göttliche I n st i t u t i o n en gepriesen und verherrlicht wurden. Sie weiß es, daß umgekehrt Erziehung zu Selbstlosigkeit und Gemeinschaftsbewußssein, zu gegenseitiger Hilfe und Liebe so lange ihren Zweck ver- fehlt, wie die grausame Wirtschaftsordnung den Menschen zum rücksichtslosen Kampf ums Dasein, zu Selbstsucht und Profitstreben zwingt. Jawohl der Kampf um die Schule ist von dem gesamten politischen Kampf, von dem Kampf um wirtschaftliche Gle'chber�chtigung nicht zu trennen. Wer so tut, als ob es möglich wäre, der verschleiert die Front, um eine unhaltbar gewordene Vosition noch bis zu einer etwaigen Wandlung der politischen Machtverhältnisse �zu halten. Aber es geht um mehr, es geht um unendlich viel mehr als um e'nc politische Eroberung der Schule. Nirgends sonst fließen die Strömungen, die aus dem Bett einer ver- s u n k e n e n oder eben ietzt versinkenden Kultur in unsere Zeit hcrüberfluten, so unübersichtlich und verwirrend mit den Ouellflüsscn der werdenden Kultur durcheinander, wie gerade aus dem Gebiete der Schule. Der Schulposititcr, der in klarer Erkenntnis geschichtlicher Notwendigkeiten die Jugend hinaufführen möchte zu Selbst- Verantwortlichkeit, zu Selbständigkeit, zu Eigenleben und zu einem Leben in Gemeinschaft, zu Fre-Heit und Einordnung. sieht Feinde ringsum. Wo er Weagenoffen zu w i r t> schaftlichem und sozialem Fortschritt gewonnen zu haben glaubt, erblickt er vlötzlich rückständigste Gegner auf weltanschaulichem Gebiet und wo ihn die Frei» heitderWeltanschauung mit gemeinsamen Kämvfern zu verbinden scheint, da trennt ihn die soziale Ein- stellung, die politische Engstirnigkeit. Politisch gesprochen: nirgends ist die Koalition von Par- teien. die ein kleines Stück politischen Weges gemeinsam zu wandern gedachten, so schweren Belastungsproben ausgesetzt gewesen, als auf dem Gebiete der Schule. Das gilt nicht nur für Bindungen, wie sie eben die Weimarer Koalition ergab, das gilt auch von dem auf schulpolitischem Gebiet besonders häufig unternommenen Versuch eines Zu- fammengebens mit den Kommunisten. Ansätze zum Neuen, ernsthafte Versuche des Neuen gab es und gibt es in den letzten Jahren genug. Was seit der Novemberrevolution an weltlichen Schulen, an Versuchsschulen, an Lebensgemeinschaftsschulen, an Aufbau. schulen der verschiedensten Art, an Uebergangsmöglichteiten von der Berufsarbeit zur Hochschule, an Bildung?- und Schulung?- kursen geleistet worden ist, wird weit in das Jahrhundert einer grundstürzenden Schulreform, an dessen Schwelle wir stehen, hineinleuchten. Die sachliche wie die personelle Politik von Parlamenten, Regierungen, Verwaltungen und Körper- schaftcn, die den Gedanken einer neuen, auf dem Recht der Jugend, dem Recht der Schaffenden, dem Recht auf das Leben gegründeten Schule mit Bewußtsein in die Tat umzusetzen versuchten, wird nicht in Aeonen untergehen. Aber das ist das D r ü ck e n d e das alles sind doch nur Ansätze, Versuche. Das Gesamtbild der Schulpolitik, das Gesamtbild des deutschen Shulwesens ist für den vorwärts- drängenden Neugestalter unserer Jugenderziehung olles andere eher als erfreulich. Die Mächte des Alten, wohl eine Weile in die Verteidigung gedrängt, sind überall wieder zum Angriff vorgegangen. Kein Entwurf zum Reichsschulgesetz, keine Neuordnung der Lehrerbildung hat bis« her daran einen Deut geändert. Aber und das ist das Verheißungsvolle die Ansätze und Versuche sind d a. Und um aus ihnen eine um- fallende Schulreform zu gestalten, fehlt nur eines, eine Kleinigkeit", die doch das Entscheidende ist: die politische Macht! Die Sozialdemokratie freut sich des ungestümen Bor wärtsdranges ihrer Anhänger gerade auf dem Gebiete der Kulturpolitik, die doch ihrer ganzen Arbelt schließ. sich den letzten Sinn gibt. Se freut sich, daß die Sorge um die Jugend Fühlen, Denken und Wollen der Massen so auf- wühlt, daß der langsame Fortschritt der Reform unseres Schulwesens allenthalben als unerträglich, als un- möglich empfunden wird. Und sie ruft gerade darum in dieser Zeit des Werbens für die Partei ihre Freunde und Freundinnen, ihre Gesinnungsgenossen und Gesinnungs- genossinnen auf, denKampfum dieSchule eines neuen Geists« und einer neuen Form aufderganzen Front aufzunehm«».

Werbt und kämpft dafür, daß alle, die den Kampf um das Schicksal der Jugend mit uns gemeinsam führen, auch o r g a n t s a t o r i sch sich in unsere Reihen eingliedern! Werbt und kämpft dafür, daß die Partei die politische Macht gewinnt, s e l b st ä n d i g Uber das Schicksal der Jugend, der Erziehung, der Schule zu entscheiden! Nicht Außenseiter schaffen es, sondern M i t st r e i t e r nicht die Verzagtheit schafft es, sondern der Wille zur Macht!

Volksbühnen und Arbeiterschaft. Von Dr. S. N e st r i e p t e. In einer Zeit, da Millionen unter der wirtschaftlichen Krise leiden, in einer Zeit, in der Sport, Iilm und Radio so viele Ab- lentungen bringen, ist es keine leichte Aufgabe, in der arbeitenden Bevölkerung Interesse für Theatervorstellungen zu wecken, die Nicht nur leichte Unterhaltung und Zerstreuung bringen, sondern innerlich aufwühlen und in alle Tiefen des Lebens hineinführen wollen. Und besonder? schwer wird es natürlich, größere Massen zu finden, wenn diese sich gar fest verpflichten sollen, so und so viele Vorstellungen in regelmäßigen Zwischenräumen zu besuchen und dafür einen bestimm- ten festen Beitrag zu entrichten. Die Volksbühnen aber müssen, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht werden wollen, in den Mittelpunkt ihrer Veranstaltungen jene Werke

Di« allgemeine Erregung der lllerartschen und künstlerischen tireise in Deutschland gab den unenlbehrllchen Untergrund ab, aber den Steg verlieh erst die Enlschlossenheil und taktische Geschicklichkeit der sozialdemokratischen Fraktion, k u n st, Wissenschast und vildung haben sich in Deutschland unter die Fit- tiche der Sozialdemokratie flüchten müssen.... Wir sind so weit, diese Partei schob garnichl mehrentbehren zu können. Pros, chans Delbrück über den Kampf gegen dieLex Heinze". Das Maß von Bildung, das sich viele von den denlschen Ar- bellern trotz mangelhaftesten Schulunterrichts und fast nie ab­brechender Uaheutig- sorge noch spät aneignen, Ist gar nicht zu unter- schätzen. Für alle aber bedeute! der Eintritt in die Ge- dankenwelt des Sozialismus den gewaltig st en inneren Fortschritt. Sie werden mit einem Male aus ihrer trostlosen geistigen Zsolierlheit in ihrem dumpfen vegetarischen Da- sein cmporgerissen und zum Bach denken über die sozialen und wirlschas.lichen Zusammenhänge gezwungen. Sie erkennen sich selbst als ein Glied an einer großen kelle, ihr Schicksal als die Wirkung von Ursachen, die fast das ganze menschliche Gelriebe beherrschen. Prof. Bücher(Leipzig ) In derZeitschrist für die gesamte Staatswissenschaft".

stellen. In denen ein großer Künstler die tiefsten Probleme der menschlichen Seele und alle großen Erschütterungen des gesellschaftlichen Seins gestaltet. Und sie müssen von ihren Freunden eine bestimmte Verpslichtung zum AorstellungLbesuch verlangen, weil nur dann jene Planwirtschaft, jene Regelung des Theaterbe- fuchs möglich wird, die einerseits eine wesentliche Berbilligung der Teilnahme an den Vorstellungen zuläßt und andererseits diese trotz Verzicht auf sogenannteReißer" fsnanziell sicherstellt. Die Volksbühnen wenden sich nicht nur an die Arbeiterschaft: sie wende» sich an alle Kreise des Volkes, die ein unabhängiges, jedermann zu gleichen Bedingungen zugängliches, ohne geschäftliche Absichten arbeitendes Volkstheater wollen und in diesem Theater einen nicht parteipolitisch eingeengten, aller großen Kunst dienenden» aber zugleich damit auch im Sinne einer neuen frei- heitlichen Gemeinschaftskultur wirkenden Spielplan ver- wirklicht sehen möchten. Indes ist es wohl keine Frage, daß gerade die Arbeiter- klasse allen Anlaß hat, die Voltsbllhnenbewegung zu unter- stützen. Denn gerade die Arbeiterschaft wird ja durch das heute Herr- jchende System der GeschäftStheater benachteiligt, zum Teil geradezu vom Besuch der Vorstellungen ausgeschlossen: gerade die Arbeiterschaft wird in ihren kulturellen Forderungen getroffen, wenn die nach geschäft- liche» Gesichtspunkten geleiteten Theater Ihren Spielplan wesentlich mit Stücken bestreiten, die in ihrer Seichtheit und ihrer tonventlo- nellen Behandlung der Dinge jedes tiefere Eindringen in die sozialen Probleme unterbinden, und wenn sie überdies solche Stücke ängstlich melden, In denen ein neuer revolutionärer Geist sich gegen diebe- stehende Ordnung" auflehnt. Gerade die Arbeiterschaft hat ein Interesse daran, teilhaft zu werden all des Großen und Geist, und SeelcnbXdenden, das in jedem starken und lebendigen Kunst wert vorhanden ist selbst wenn sein Dichter in einer Weltanschauung wurzelt, die nicht mit der des modernen Prolelariais Identisch ist. Es kommt hinzu, daß die deutsche Volksbühnenbewe- g u n g in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gerade au» den Kreisen der sozialistischen Arbeiter. schaft herauswuchs, und daß ihr wirtschaftliches Ziel, die Ueber- wlndung einer planlosen anarchischen Theaterwirtschast durch den Aufbau möglichst aller Theaterunternehmungen auf den, Prinzip der Bedarfsdeckungswirtschaft sie in die Reih« derjenigen Bestrebungen eingliedert, die einer gesunden Neuordnung unseres Wirtschafts - lebens dienen Deshalb gehören die VolksbiihnenorganisalioneN In den Kreis jener Bildungen, die vom Standpunkt des Sozialisten aus werlvoll und wichtig sind. Und deshalb sollten die in der modernen Arbeiter- bewegung tätigen Kräfte sich noch viel mehr, als es heule geschieht, um die VolksbühnengemeinschasteN kümmern, für sie werben und dafür sorgen, daß ihre künstlerische Arbeit Nicht Immer wieder mit dem Widerstreben jener zu rechnen har, die auch vom Theater nichts anderes wollen als Vergnügen und Zerstreuung. Mit Genughiung kann es erfüllen, wenn trotz aller Schwierig- keilen, wie sie oben bereits angedeutet wurden, die deutsche Volks- bllhneubewegung Immer welter erstarkt ist. Gab es bis zur Um- wälzung von 1S18 neben der großen Berliner Volksbühne eigentlich nur noch eine einzige andere Organisation, die es sich zur Aufgabe machte, systematisch an einer innigeren Verbindung zwischen den Massen und dem Theater zu arbeiten, so ist nach 1918 eine immer wachsend« Zahl neuer B o l k s b ll h n e n o r g a n I s a ti o- n e n ins Leben getreten. Der Verband der deutschen Volk«. bllhnenoereine, der 19?0 von den damals bestehenden 14 oder IS Ver. einigungen unter Führung Berlins gegründet wurde, zählt heute be- relts 839 örtliche Volksbühnen und in Ihnen sind weit über 599 999 Menschen vereinigt. Man bedenke, wag das heißt, wenn dergestalt mehr als S90 9V9 Menschen jährlich je 8-,- oder lömal Ins Theater geführt werden, und wenn dafür gesorgt wird, daß)n den Vor- stellungcn für dies- Volksbühnenmitglledsr ganz überwiegend künstlerisch wervolle Stücke zur Aufführung gelangenl Der Verband seinerseits konnte in den letzten Jahren drei ei>rneWand«rbllhn«n in« Leben rusen, dl« nun systematisch

die VolksbüHnengeineindcn in kleineren Orten ohne eigene Bühne zu billigen Bedingungen mit künstlerisch wertvollen Darbietungen versorgen. Bei einer Reihe anderer Wanderbühnen(wie übrigens auch bei mehreren stehenden Theatern) ist der Verband wenigstens als Gesellschafter wlrtschaflllch beteiligt. Neuerdings nahm der Volksbühnen-Verband noch zwei weitere Arbeitsgebiete in Angrisj: Er traf, in freundschasilicher Zusammen- arbeit mit anderen Stellen, auch den Gewerkschaften, weitgreifende Vorbereitungen, um durch Organisation der Kinobe­sucher eine Grundlage zur Verdrängung schlechter Filme und zur Förderung der Produktion guter Bildstreifen zu schassen. Außerdem leitet««r durch eine Tagung in Friedrichroda , zu der er errva SO interessierte Jugendliche und Führer von Jugendorganisationen geladen hatte,«ine planmäßige Tätigkeit zur Bekämpfung alles üblen Dilettantenspiels und zur Förderung solcher Jugend-Laien- spiele ein. die, wie etwa ein richtig gepflegtes Stegreifspiel, bei aller künstlerischen Anspruchslosigkeit für die Pflege des Gemein- schastsgesllhls innerhalb von Gruppen gleichgerichteter Menschen, wie auch für die geistige und sprachliche Ausbildung des einzelnen wertvoll sein können. In Verfolg der auf dieser Tagung gegebenen Anregungen wurde eben jetzt eine besondere Beratungs- stelle für Laienspicler ins Leben gerufen. In erfreulicher Weise gelang es auch, in zunehmendem Maße Ein- fluß auf die theaterpolitischcn Mahnahmen der Behörden zu ge- winnen. Vor allen Dingen konnte in Preußen eine ganz enge Ver- bindung mit der für die gemeinnützige Theaterpslege zuständigen Instanz, dem Ministerium sür Wissenschuft, Kunst und Volksbildung. hergestellt werden: hier kam es zur Bildung der sogenannten Preu- ßischen Landesbühne, einer gemeinnützigen G. m. b. H, die die Aufgabe hat, unter Einsatz namhafter staatlicher Mittel für eine planwirtschastliche Regelung des gesamten Theater- wcscns und eine von sozialen Gesichtspunkten geleitete Kunstpflege zu wirken. Freilich: alles kommt darauf an, daß die bereits Gewonnenen Immer treuere und zielbewußtere Mitarbeiter werden, und daß immer neue Masten sich anschließen. Die Arbeiterschaft i st dabei zur Führung berufen. Möge sie Ihre Pflicht er- füllen! Die Kunst öem Volke! Von Dr. Alfred G u t t m a n n. Auf drei Säulen ruht unsere Bewegung, von denen zwei in ihrer Bedeutung bekannt sind: der politische und wirtschaftliche Kampf der Arbeiterklasse um Befreiung von den Ketten der Abhängigkeit wird schon lang- und mit geschlossener Front geführt. Aber in diesem Ringen wurde ein Bedürfnis des Menschen allzuwenig berücksichtigt das der Seele. Die Kämpfe nahmen vor allem den Intellekt der Massen in Anspruch: Gefühlsbedürfnisse schienen un- wesentlich. Und unsere Bildungsarbeit gipfelte in dem Wahl- spruch:Wissen ist Macht". Heut aber steht auch die dritte Säule, fest untermauert, da: die Kulturarbeit. Neben der Volksbühne, den Festen und Feiern der Arbeiterschaft, den proletarischen Feierstunden, hat seit einigen Jahrzehnten auch die Kunst d e r M u s i k Licht undFreude in Proletarierherzen gebracht. Zuerst waren es die M ä n n e r ch ö r e des Arbeitersänger- bundes, die in ihren Konzerten oder als Mitwirkende bei Partei- und Gewerkschaftsveranstaltungen den Massen künst» lerifchen Genuß boten. Was aber fehlte, war ein übergeord-? netes, von Zielen bestimmtes S y st e m. Wahllos, zersplittert und von Zufälligkeiten diktiert, zudem vielfach mit minder- wertiger Musik erfüllt, blieben diese volksmusikalischen Ber- anstaltungen lange Zeit hinter dem zurück, was der bürger- lichen Welt in reichstem Maße zur Verfügung stand. Wer über einen gut gespickten Geldbeutel verfügte, konnte sich den Genuß aller großen Chor- und Sinfoniekonzerte, aller Opern und Oratorien, aller berühmten Virtuosen leisten. Gelegentlich ja, aber nur gelegentlich wurden auch ein­mal ein paar hundert Arbeiter gewürdigt, von den bürger- lichen Bolkswohlfahrts-Inftitutionen Eintrittskarten zu großen Konzerten zu erhalten. Dies wurde völlig anders, als man den Deutschen Ar- beitersängerbund zu organisieren begann, und vor allem, seit man Volkschöre gründete. Nun begann ein s y st e m a t i- scher Aufbau. Durch Ihre Spitzenorganisation stellten die A r b e i t e r s ä n g er die Fühlung zu den anderen Instanzen unserer Bewegung her. So konnten wir z. B. in Berlin schon vor 14 Jahren den ersten Versuch machen, alle unsere Kultur- organisationen unter Führung unseres damals gegründeten Bezirksbildungsausschusses zu einer Einheit zusammenzu- fassen und durch eine zuerst lose Zentralisation die einander oft widerstrebenden oder sich gegenseitig unabsichtlich Kon- kurrenz machenden Gruppen zu geordneter, gemeinsamer produktiver Tätigkeit zusammenschließen. Ueberall im Reiche schuf dazu die Volkschorbewegung etwas völlig Neues. Nun endlich vermittelten Sänger und Sänge- rinnen aus der Arbeiterschaft selber den Millionen von Klassengenossen die Kenntnis jener großen Meister- werke der Musik, die bis dahin nur dem zahlungsfähigen Bürgertum zugänglich waren. Von hier an können wir einen neuen Aufstieg unserer musikalischen Bolkskultur da- tieren. Die Welt der hohen Musik wurde nun allmählich dem Seelenleben des Arbeiters erschlossen. Unerschöpfliche Quellen ergossen sich in das neue Bett: dem Bolke w'irden neue Werte gegeben Aus der Phantasie der größten Meister im Reichender Musik empfingen die Arbeiter höchste Erhebun- gen, tiefste Erschütterungen. Aber wir streben noch weiter! Zielbewußt hatten fahr» hundertelang Kirche. Staat und alle anderen Machthaber solche Musik gefördert, die ihre Ideale verherrlichte. Nun sind auch wir am Werk, um Musik zu gewinnen, die de? Weltanschauung des Arveiters gerecht wird. Zahlreiche Versuche und Anregungen des Deutschen Arbeiter- sängerbundes zeugen von diesen Bestrebungen. Und trügt nicht alles, so sind wir auf dem rechten Wege, neben den früheren, aus dem Glauben an Gott und das Jenseits ent­standenenKantaten" nun sehr bald auch die ersten p r o l e- tarischen Kantaten unser zu nennen, die aus dem Leben des Arbeiters, der Weltanschauung seiner Klasse ihren Stoff und Ihre künstlerische Formung entnehmen. Das vom Arbeitersängerbund angereate Schönlank-TiessenscheFrüh- l i n g s- M y st e r i u m" ist die erste Frucht dieser Bestre- bungen. Die Kulturbcwcqung Im Arbeitersängerbund ist ans dem Wege zu neuen Zielen. S'e fühlt sich hierin solidarisch mit allen anderen kulturellen Strömungen In der Arbeiterschaft, die sich jüngst auf der Tagung in Blankenburg so verheißungs- voll zusammengeschlossen habe».