arbeit mit den Kommunisten ist demnach heute wie früher gänzlich ausgeschlossen.
Dagegen hat der entfesselte Klassenkampf und die wachsende Reaktion die sozialdemokratischen Parteien rasch zusammengeführt. Die tschechoslowakische und die deutsche Sozialdemokratie haben in dieser Zeit zwei gemeinsame Konferenzen abgehalten, in denen die Probleme der Stellung zum Staate und der Bildung von Koalitionsregierungen fowie die Fragen einer gemeinsamen Aktion innerhalb und außerhalb des Barlamentes besprochen wurden. Es ist auch schon zu gemeinsamen öffentlichen Kundgebungen gekommen. Dieser beiderseitige Wille zu gemeinsamer Arbeit steigert sich durch die bevorstehenden Kämpfe von Tag zu Tag. Das Proletariat der Republik steht heute überall im Abwehrkampf für alle seine revolutionären Errungenschaften. Es sammelt allmählich seine früheren Kräfte wieder, um nach Ueberwindung der kommunistischen Negation wiederum zum Angriff vorzugehen.
Von nun an haben wir in der Republif zwei Möglich feiten parlamentarischer Regierung: eine all nationale und eine Klassentoalition. Und das bedeutet einen großen Fortschritt! Dem historischen" Tag des Ministerpräsidenten Svehla und der ersten bürgerlichen tschechoslowakisch- deutschen Regierung wird in der Zukunft ein wirklich historischer Tag folgen: der Tag, an dem eine neue lebendige Koalition, die Koalition aller produktiven, wirklich demokratischen und wirklich sozialistischen Kräfte der jungen Republik die Macht im Staate ergreifen wird.
Deutschnationale gegen Stresemann.
Im Zeichen Freytagh- Loringhovens.
Die Gegenspieler der französischen Nationalisten rühren fich. Auf dem deutschnationalen Landesparteitag für Brandenburg sprach Freytagh Loringhoven über die deutsche Außenpolitit. Nach seinem Referat wurden Entschließungen in seinem Sinne an
genommen:
Eine Entschließung zur Außenpolitik fordert von der Partei, daß sie als notwendige nationale Oppofition sich mit aller Macht gegen die Politit der hemmungslosen An. biederung an unseren Erbfeind stemmt und darüber wacht, daß keine weiteren Zugeständnisse gemacht werden, ehe nicht die Mordtat von Germersheim gefühnt, die Rheinlandbefagung reft. los aufgehoben und der Versailer Bertrag grund. legend revidiert ist.
In einer weiteren Entschließung wird es als dringendste Aufgabe der Partei bezeichnet, mit allen Kräften für Wiederher. stellung der zentralen militärischen Befehls. stelle des Chefs der Heeresleitung, die der ThoiryPolitik zum Opfer gefallen sei, zu forgen.
Die Regierungsfehnsüchtigen der Deutschnationalen werden diese Entschließungen mit gemischten Gefühlen ansehen. Da sollen sie nun beweisen, daß sie nicht die ,, Ewiggestrigen" sind!
Erledigtes Disziplinarverfahren. Gegen einen republikanischen Beamten. Gemäß den Richtlinien zum Amnestiegefeß vom August 1925 hat jetzt der Reichspräsident die über den Attaché im Reichsaußenministerium, Dr. Jaenice, den Schwiegersohn Friedrich Eberts , seinerzeit im Disziplinarverfahren verhängte Geldstrafe von einem Drittel seines Monatseinkommens im Gnadenwege erlaffen. Die gleichzeitig ausgesprochene Strafpersegung dieses Beamten des Reichsaußenministeriums ist dadurch gegen stands los geworden, daß Dr. Jaenicke aus dem Auswärtigen Dienst ausscheidet und auf seinen Antrag zum 1. November d. 3. in die Preußische Verwaltung übernommen wird.
Der Geist ins Morgen!
Bon Frank Crane, New York . ( Uebertragung von Mag Hayet.)
Eines Nachts brannten die Werkstätten Thomas Alva Edisons nieder, was den Verlust von etlichen Millionen Dollars zur Folge hatte. Edison war damals 67 Jahre alt.
Noch in derselben Nacht wurde er über die Katastrophe interviewt.
Ich denke jetzt gar nicht an diese Sache!" sagte der greise Erfinder. Ich denke daran, was ich morgen anfangen werde!" Das ist der Geist des großen Vollbringers. Der Geist ins Morgen.
Der Geist des Mißerfolges ist der Geist des Gestern. Wohin ist dein Antlig gerichtet? Siehst du ins Künftige, dann lebst du im Sonnenlicht. Denn die Sonne scheint nur für Leute von morgen. Siehst du ins Vergangene, dann lebst du in Zweifel und Kälte und Nebel. Denn die Gestern sind immer ein wenig traurig. Das Leben ist eine Niederlage nach der anderen. Je mehr Energie du hast, desto härtere Schläge erhältst du. Der eine Typ des Menschen, wenn er den Schlag erhalten hat, setzt sich hin und schreit und jammert. Der andere wischt sich das Blut vom Gesicht und fämpft weiter.
Gehen ist ein stetes Vorwärtsfallen genannt worden. Es ist ja auch gar nicht die Frage, ob wir Erfolg haben ober versagen. Wir versagen alle. Die vitale Frage ist vielmehr: was wir mit unserem Mißerfolg, mit unserer Niederlage anfangen? Kein Zurückwurf kann die unbezwingliche Seele auf die Dauer zum Stehen bringen. Kein Triumph das Rückgrat des Weinerlichen steifen.
Es gibt Frauen, die über einen ersten schweren Verlust niemals hinwegkommen. Ihnen bedeutet das treue Gedenken einen ewigen Schatten. Die Bergangenheit zu begraben dünft fie falt und herzlos. Aber sie sollten lernen, daß die Vergangenheit nur den Boden bedeutet, aus dem die Zukunft sproßt. Die Vergangenheit ist nur insoweit von Bedeutung als sie bereichernd auf die Zukunft wirkt. Die Bergangenheit ist die tote Form, die Zukunft die lebende Lilie. Edison , der Erfinder, hat der Menschheit viel Gutes erwiesen. Edison , der Mensch, hat uns allen eindrucksvoll auch dadurch gedient, daß er uns den Geist ins Morgen gezeigt hat. Dieser Geist, der im Angesicht einer Katastrophe, die andere Geister von 67 Jahren einfach zum alten Eifen geworfen hätte, lächelnd in die Zukunft blidt. Ameritas eigentümliche Größe ist auch darin begründet, daß es den Geift ins Morgen hat. Der Stolz Europas sind seine Ahnen, Ameritas Stolz feine Nachfahren.
Das Gestern ist tot.
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London , 25. Oktober. Wie Times" erfahren haben will, hätten die französischen Behörden in Mülhausen einen Mann verhaftet, der der Mörder Erzbergers sein soll. Er habe dort seit zwei Jahren unter dem Namen Fournier gelebt. Vor zwei Monaten sei er den Behörden verdächtig und seitdem forgfältig bewacht worden. Jeht sei genügend Beweismaterial gesammelt worden, um seine Verhaftung vorzunehmen.
Genosse Löbe an die Studentenschaft. Marburg , 25. Oktober( Eigener Drahtbericht.) Am Sonnabend und Sonntag hatten sich Tausende von Reichsbannerleuten zu einer machtvollen Kundgebung hier versammelt. Die Stadt hatte es abgelehnt, aus diesem Anlaß die schwarzrotgolden Farbe zu zeigen; nur das Landratsamt hatte Schwarz- Rot- Goit gehißt. Reichstagspräsident Löbe hatte die Festrede übernommen Er verwies darauf, daß es jetzt gälte, die Institutionen der als gesichert zu betrachtenden Republik mit republikanischem Geist zu erfüllen. Der Redner wandte sich insbesondere an die Studenten ichaft und schloß mit dem Goetheschen Ruf:„ Gebildete, werdet Volk!" Auch der frühere Reichstanzler Wirth nahm das Wort zu einer großzügigen Programmrede.
Polizei gegen Versammlungsfreiheit. In Bayern gilt keine Reichsverfassung. München , 25. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Einen neuen Beweis, daß die bayerische Polizei auch heute noch der Büttel der rechtsradikalen Verbände und jederzeit bereit ist, deren Befehle auszuführen, lieferte jetzt wieder der Nürnberger Polizeidirektor Gareis, einer der größten Scharfmacher gegen links in amtlicher Stellung. Die Deutsche Friedensgesellschaft, Ortsgruppe Nürnberg, hatte für Sonntag eine Bersammlung mit General von Schönaich als Redner angekündigt. Am Samstag morgen legten nun der Ring Schwarz- Weiß Rot" und die Baterländischen Verbände" flammenden Protest gegen das Auftreten des Generals von Schönaich ein und forderten von der Polizei ein sofortiges Berbet mit der Begründung, daß in den Reden Schönaichs erfahrungsgemäß fommunistische Tendenzen sichtbar seien. Rasch untersagte darauf Polizeidirektor Gareis noch am Samstag das Auftreten des Generals aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.
Löbe über den Völkerbund und Desterreichs Weg ins Reich.
Effen, 25. Oktober. ( WTB.) In einer Bortragsreihe der Reichszentrale für Heimatdienst führte Reichstagspräsident Löbe
aus:
eine neue Welt, in der der Krieg gegen die Mitmenschen abgelöst wird durch den
3R
Krieg gegen die Naturgewalten. „ Der Staatsmann, der die politischen Bandé zwischen den einzelnen Ländern enger zieht, gibt damit die Rechte der eigenen Nation nicht preis, er gliedert sie ein in einem größeren Organismus der Boltsgemeinschaft, er zieht die Konsequenzen der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem eigenen von den Auseinandersetzungen des letzten Jahrzehntes schwer betroffenen Bolte. Er muß diese Bestrebungen aufs stärkste unterstützen, sie gehören zum Wiederaufbau Europas und Groß- Deutschlands."
Der„ Ebert- Hof".
Wien ehrt den ersten deutschen Reichspräsidenten .
Wien , 25. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag wurde ier der neue große Gebäudekompleg eingeweiht, der im luftrage der Stadt Wien errichtet wurde, und der nach dem ersten Präsidenten der Deutschen Republit, Ebert, genannt ist. In dem mit farbigem Edelpuz äußerst ansehnlich ausgestatteten Gebäude erhalten 200 Familien helle, luftige und nach allen hygienischen Forderungen der Neuzeit versehene Wohnungen. In dem reizvollen Barf, der den Gebäudekomplex umgibt, befindet sich gleich zeitig ein Kindergarten und der Jugendhort der Stadt. Die Einweihung erfolgte in Anwesenheit des deutschen Gesandten Graf Lerchenfeld durch den Wiener Vizebürgermeister. Er erklärte, mit dem Namen„ Ebert- Hof" habe man nicht nur Ebert selbst ehren, sondern auch zum Ausdruck bringen wollen, daß die Desterreicher sich eins fühlen mit dem deutschen Bolt und dem Reiche.
Sacco und Vanzetti.
Wiederaufnahmeverfahren abgelehnt.
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Der Oberste Gerichtshof des Staates Massachusetts , in dem Sacco und Bangetti zum Tode cerurteilt worden waren, hat. den Antrag nach Wiederaufnahme des Verfahrens verworfen.
Damit reiht sich ein neues Glied in der Kette von Juſtizirrtümern und Rechtsbeugungen, die in diesem Falle seit fünf Jahren begangen worden sind, an die alten an Es erscheint jedoch ausgeschlossen, daß der Gouverneur von Boston daraus die Konsequenzen ziehen wird, der„ Gerechtigkeit", nämlich dem Justizmord freien Lauf zu lassen. Das graufame Spiel hat schon lange genug, viel zu lange gedauert. Es ist eines zivilifierten Staates unwürdig, zwei Menschen, die lediglich auf Grund eines äußerst schwachen Indizienbeweises zum Tode verurteilt wurden, fünf Jahre lang unter diesem Drud zu lassen und sie abwechselnd durch die Hoffnung auf Begnadigung und durch die Drohung mit dem elektrischen Stuhl zu
martern.
Warschau , 23. Ditober.( Eigener Drahtbericht.) Am Sonn abend machte der Außenminister die Pressevertreter mit dem Text der polnischen Note an Rußland bekannt; er stimmt mit unseren schon gemachten Angaben überein und legt besonderen Nachdruc auf den Artikel 3 des zwischen Polen und Rußland abgeschlossenen Rigaer Vertrages, nach dem Rußland fich jedes Angriffs auf die Gebiete, die diesseits der polnischen Oftgrenze liegen, enthalten will.
Durch unseren Eintritt in den Bölkerbund wird eine weitere Frage afut, die großdeutsche Frage, die feine allbeutsche Frage ist. Das Selbstbestimmungsrecht, das jetzt in Europa ziemlich allen Nationen eingeräumt sei, tönne auf die Dauer auch dem großen deutschen Bolte nicht vorenthalten werden. Daß die sechs Millionen Deutsch - Desterreicher, seweit sie ihr Schicksal selbst be. stimmen dürfen, den Weg zum Reiche einschlagen, fönne im Inund Auslande taum 3weifeln unterliegen. Desterreich und Deutschland seien eine natürliche Einheit des Blutes und des Bodens, eine seelische Einheit von Sitte und Sprache, eine geistige Einheit von Kultur und Schicksal. Deutschlands Wiederaufstieg fei die einzige Hoffnung des Landes, Desterreichs Anschluß aber sei unser nationales Recht. Seit Locarno beginne sich das Weltbild in Europa zu verbessern, es forme fich allmählichtischen Länder umfassen.
Theater am Kurfürstendamm ( In der Johannisnacht".) Das in Deutschland herumreisende Gilbert- Ensemble beglückt uns mit einem Bert, das sich selber Luftspiel mit Musik nennt. Musit? Bielleicht. Lustspiel? Nein. Bier Autoren nagen an einem Knochen und zermahlen ihn so, daß das Mittelstück ein Brei wird. Bei den Franzosen wird das alles wohl lustiger und flinter sein als hier, wo es idyllisch und rührsam und mit Gartenlaube aufgezogen wird. Der nicht geliebte Bräutigam, der heimkehrende liebe Junge, der sein Liebchen im Brautkleid zu deren Omama fährt, die Hochzeitsnacht in Ehren und der Sieg der wahren Liabe in Ehren und der Sieg der wahren Liabena ja. Eine dick- füße Angelegenheit der Operetteneinfalt. Friz Schulz, obzwar heiser, spielt den herzigen Jungen herzig und lieb- ungezogen, Uschi Elle oi die blonde Braut, keusch und blond und ehrlich. Ein entzückendes Paar. Aber was sind sie alle gegen Frieda Richard ! Die beiden Jungen lauschen dem wahrhaftigen Leben dieser Gestalterin fast mit einer Träne in den Augen. Die Großmutter aus alter Zeit, die faft zur Kupplerin bei dem gar nicht vermählten Baar wird, die selig an ihren Hochzeitswalzer denkt, ihn mit den Jungen tanzt, einen leichten Schwips friegt, immer Dame, immer echt, im Lächeln wie im Drohen, im Blick und im Erbeben der Stimme. D, wie herrlich ist diese Wahrhaftigkeit in der verlogensten aller Bretterwelten! Ich glaube, man hat in diesem rührsamen Aft mehr geweint als gelacht. Die Musit Gilberts, die er teilweise selbst schwächlich dirigierte, hat feinen eigenen Atem mehr. Golche prosaischen Verse wie:„ Du wirst mit mir gewiß recht glücklich sein" bedenkt er immerhin noch mit einer schlag und zugkräftigen Melodit, versandet aber bei der musikalischen Untermalung johannisnächtiger Stimmungen in einer mehr als blassen, fast schon trivialen Aeußerlichkeit. Und des Wehmütigen, Baghaften ist so viel da, daß man förmlich nach einem frechen, aufreizenden, un- elegischen Ton japst( jazzt). Erstarrung auf allen Seiten. Das Ende ist eine Sympathiekundgebung für einen Mann, der seine Qualität hatte und sie nun durch Massenproduktion von Fertigware( aus eigener Fabrit) entwertet. Er lasse sich wieder einmal ein Jahr Zeit! im Admirals- Palast bei Haller.
,, Alle Puppen tanzen"
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K. S.
Unter der Regie Hermann Feiners wird hier eine Märchen- Revue für kleine und große Kinder gezeigt, in der sie all das zu sehen betommen, was sie sich so recht von Herzen wünschen, ob es nun eine Landparteie im Kremserwagen, ein Dzeandampfer, der erschrecklich schaufelt, oder ein Spaziergang auf dem Meeresgrund ist. Damit auch die alten Märchen zu ihrem Recht gelangen, läßt die Traumfee ( Mia Elis) die beliebtesten Märchengestalten: Schneewittchen mit ihren Liliputanerzwergen, den Froschtönig, den geftiefelten Stater und piele andere unter stürmischen Jubel der Kleinen aufmarschieren. Dann macht er eine Reise in den Himmel, gelangt wieder auf die Erde, will mit einer Pferdebrofchte fahren, was aber an dem energischen Widerstand des Droschkenpferdes Life scheitert, sieht die Klapperstörche mit ihren Babys aufmarschieren, fährt im Zeppelin und sieht, und sieht Ja, man sieht wirklich sehr viel, sieht die TillerGirls in tollem Wirbel sich drehen, sieht die Dodge- Sisters pfeifen und tanzen, sieht die kleinsten Meißner- Borzellan- Püppchen in der zierlichsten Menuette sich drehen und zum Schluß fieht man noch das Riefenmarzipanschwein Ddeo, das alle möglichen ergöhlichen Sachen machen fann. Eine Märchen- Revue, so recht getroffen, KinderF. R.
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,, Laßt die Toten die Toten begraben!" sagte der Christus Jesus. herzen zu erfreuen,
In einer ergänzenden Erklärung sagte der Minister, daß Bolens Recht auf Wilna unbestritten sei.( Litauen und Rußland bestreiten es auf das entschiedenste! Red.) Thoiry bilde für Bolen feinen Grund zu einer Beunruhigung, nachdem sich auch die Beziehun gen zu Deutschland gebessert hätten. Der Streit um das Stickstoffwerk Chorzow und andere Angelegenheiten wirtschaft. licher Natur müßten auf dem Verhandlungswege geklärt werden. Polen sei zu jeder Zeit zu dem Abschluß eines Friedenspattes mit Rußland bereit. Ein solches Abkommen dürfe aber nicht nur diese beiden Staaten umfassen, sondern müßte auch die bal.(
Märchenvorstellung im Theater in der Kommandantenstraße. Jetzt beginnt wieder die Zeit der Kindervorstellungen in den Theatern, und es ist schon häufig die Frage erörtert worden, ob es angängig ist, unserer modernen Jugend noch die dramatisierten klassischen Märchen vorzusetzen. Wiederholt hat sich der Ruf erhoben nach den Märchen des Alltags, der Technik, die die Kinder heute viel lebhafter beschäftigen als die Wunder einer altmodischen Feenwelt. Nun ist es gewiß bedauerlich, daß es noch in sehr geringem Maße wirksame Werte dieser Art für die Kindertheater gibt( einige erlebten erfolgreiche Aufführungen an den Kindernachmittagen der Boltsbühne). Daß aber auch die alten Märchenstoffe, wenn sie richtig dargeboten werden, die Kinderherzen noch gefangennehmen, ist gewiß nicht zu bestreiten. Freilich mit verstaubtem Kulissenbalast und Ballettprunt weiß unsere heutige Jugend wenig anzufangen. Wenn man ihr aber ,, Rotkäppchen" in so netten, von Hugo Döblin gezeichneten Bilderbogenbildern auf die Bühne stellt, wie das im Theater in der Kommandantenstraße geschieht, und dann ehrgeizlos und lustig unter der sehr gewünschten Assistenz der fleinen Zuschauer das Märchen herunterspielt, so fann man ihrer Begeisterung gewiß sein. Margarete Ebinger, die die Regie führt, und ihre Schar erntete denn auch den lebhaften Dank des allerdings nicht sehr zahlreichen- Kinderpublikums. X. 9. 3.
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Das Nachmittagskonzert des Männerchors Fichte- Georginia" fand in der dichtbesetzten Philharmonie statt. Der gute Ruf des Chores wurde wieder bestätigt. Ein famoses Programm, in dem einige Ausgrabungen" aus der frucht- und fangesreichen Mitte des vorigen Jahrhunderts und mehrere neue Chöre den Bogel abschoffen, und eine subtile, feinausgefeilte Ausführung schlugen das Publikum offensichtlich völlig in ihren Bann. Trotzdem muß ich mir einigen Einwendungen gestatten. Wilhelm Knöchel hält seinen über 100 Mann starten Chor gut zufammen. Im Piano und gefühlvollen Falsett ist er ein Meister. Jedes Lied wird ganz von innen heraus gesehen, niemals zu äußeren Mäßchen und Reißereien mißbraucht. Aber die fräftigeren offenen Register werden entschieden zu wenig herangezogen, so daß der Klang auf die Dauer etwas monotom wird, was selbst bei dem zum Teil humoristischen Volksliedern zutage trat. Andererseits müßte die große, weite Ausgestaltung auf folidere musikalische Basis gestellt werden. Die prachtvolle Sturmbeschwörung" des Edinburger Komponisten Johannes Dürrner , das einfachere Morgen im Walde" des großen Balladenmeisters Hegar und der sehr gehaltvolle, in seiner kontrapunktischen Kunst taum hoch genug zu schäzende„ Sinnspruch" des Berliner Erwin Lendvai waren erstklassige Leistungen. Dagegen war der Abfall der„ Maienzeit" von Riz und noch mehr der effektvollen, wenn auch nicht durchschlagenden Meeresstimmen" des jüngst verstorbenen Züricher Tondichters Lothar Kemper um so bedauerlicher. Die mitwirkende Salistin Hetta v. Schmidt gehört weder stimmlich noch gesangstechnisch zu den hervor. ragenden Erscheinungen. Aber ihre sympathische Einfachheit und Innerlichkeit im Vortrag und das ausgezeichnete Festhalten der Grundstimmung ließen doch ihre Mängel vergessen und verhalfen der Sängerin zu einem herzlichen Erfolg.
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H. M.
Ueber Walther Rathenaus Religion spricht Eita Federn- Kohlhaas am 27. abends 8 Uhr, im Reichswirtschaftsrat, Bellevueftraße 15.