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Nr. 50743. Jahrgang

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Ausgabe B Nr. 251

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Dolksblatt

27. Oktober 1926

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Severing und Schwarze Reichswehr  .

Eine amtliche Erklärung der preußischen Regierung..

Auf die Angaben des in Landsberg   angeklagten Oberleutnants| reich untersuchten Fälle auch nur andeu

a. D. Schulz erklärt der Amtliche Preußische Pressedienst:

1. Eine Denkschrift des Oberleutnants a. D. Schulz ist im

Preußischen Ministerium des Innern nicht eingegangen und Preußischen Ministerium des Innern nicht eingegangen und auch sonst gänzlich unbekannt.

Es ist unwahr, daß die von Schulz geleiteten Arbeits­kommandos" mit Wissen des preußischen Ministers des Innern auf­gestellt oder aufgefüllt worden sind.

Der Wert der Aussage von Schulz.

Die sensationelle Aussage des Oberleutnants Schulz im Landsberger   Prozeß gibt Anlaß, sie mit gewissen Ergeb­nissen des preußischen Feme   ausschusses zu vergleichen.

Schulz ist bereits vor geraumer Zeit, wie bekannt, vom

preußischen Femeausschuß als 3euge im Fall Meyer Behrens vernommen worden. Dabei hat er zweifellos unwahre Angaben gemacht und wichtige Tatsachen ver­schwiegen. Er hat zum Beispiel seine Flucht aus dem Ge­bäude des Landarbeiterverbandes bei der Fahndung der Kriminalpolizei geleugnet, die der Ausschuß durch spätere Beugenausfagen feststellen konnte, ferner hat Schulz seine an die Flucht knüpfende Reise zu Major Buch rucker nach Gollnow   mit feiner Silbe erwähnt, die später Buchrucker selber vor dem Ausschuß bezeugt hat. Schulz ist danach alles andere als ein flassischer Zeuge, seine Aussagen sind reine Zweckaussagen.

Was nun seine Behauptungen über die Rekrutierung der Schwarzen Reichswehr anbelangt, so hat der preußische Femeausschuß in den Fällen Bannier, Grütte- Lehder und Mener- Behrens zahlreiche Stichproben machen fönnen, wie diefe Rekrutierung zustande kam. Es sei besonders verwiesen auf das Referat des Berichterstatters, Genossen Kuttner, in Sachen Pannier, das eine große Anzahl solcher Fälle auf Grund der Gerichtsaften darstellt. Danach war der Weg in die Schwarze Reichswehr   in allen Fällen fast schematisch der gleiche: Angehörige früherer Selbstschutzverbände, rechts­radifale Organisationen, des Oberschlesischen Selbstschußes ufw. warben Bekannte aus diesen Organisationen an. Die Angeworbenen wurden zu Oberleutnant Schulz und Leutnant Stanfin geschickt, die im Gebäude des Wehrkreiskom­mandos III, Kurfürstenstraße, ihr Bureau hatten. Dort wurden die Betreffenden mit Ausweisen versehen und weiter nach den Einkleidungsstellen dirigiert, namentlich nach Fort Hahneberg  . In einzelnen Fällen kamen die Betreffenden fofort nach Fort Hahneberg  . Für eine Mitwirkung des preußischen Innenministeriums war auf diesem Wege überhaupt fein Raum, sie ist auch tatsächlich in feinem einzigen der zahl­

Westarp und die Regierung Marx. Er fordert Entscheidung zwischen rechts und links. Der Diktator der Deutschnationalen, Graf We starp, hielt gestern in Leipzig   eine Rede, in der er ausführte:

" Wir verlangen und erwarten von den Parteien der Mitte nicht, daß sie sich ihrerseits grundsätzlich" oder ein für allemal" auf den gleichen Grundgedanken( der Ablehnung der Sozialdemokraten) festlegen. Wenn sie nicht geneigt sind, die Vor­teile ihrer Zwickmühlenstellung preiszugeben, indem sie jedes Zu­sammengehen mit der Sozialdemokratie ablehnen, so haben wir Mitte nicht ersparen können, das ist die Wahl zwischen der Sozial­demokratie und uns, und wir sind dabei wieder einmal diejenigen, die den Grundgedanken des parlamentarischen Regierungssystems, solange er einmal besteht, in größerer Klarheit anwenden, als seine Anhänger. Wenn die jetzt regierende Minderheit glaubt, im Winter­quartier dieser Wahl auszuweichen, mit anderen Worten nach wie per als Minderheit mit wechselnder Unterftügung von rechts und links regieren zu fönnen, so wird sie sich davon überzeugen müssen, daß auf diese Weise weder feste Regie­rungsverhältnisse geschaffen, noch positive Erfolge erzielt werden fönnen."

Der Deutschen Zeitung" gibt diese Rede Anlaß, ent­zückt auszurufen:

Die Tage des Kabinetts Marg, wie es ist und wie es als Minderheitsregierung je nach Gelegenheit sich einmal mit Hilfe der Sozialdemokraten und einmal mit Unterstügung der Deutschnatio­nalen am Begetieren erhielt, sind gezählt!"

Die Schlußfolgerungen, die die Deutsche Zeitung" zieht, scheinen uns nicht unbedingt zwingend. Denn die Regierung Marg braucht ja nur auf Vorlagen, die nur mit Hilfe der Deutschnationalen durchgebracht werden könnten, zu ver= zichten, um sich die Verlegenheiten zu ersparen, die Bestarp ihr androht.

Genosse Badt Ministerialdirektor. Beschluß des Gesamtministeriums.

Das preußische Gesamtministerium hat am Dienstag beschlossen, den Genossen Ministerialrat Badt zum Ministerial direttor und Leiter der Verfassungs- und Rechtsabteilung des preußischen Ministeriums des Junern zu ernennen.

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tungsweise in Erscheinung getreten. Dagegen stellt das Schwurgerichtsurteil in Sachen Pannier an zwei Stellen ausdrücklich fest, daß in den Kreisen der Schwarzen Reichswehr gegen Severing und das preußische Innenministerium das schärfste Mißtrauen herrschte, daß das preußische Innenministerium direkt als Feind dieser Formation angesehen wurde. Die angeklagten Mitglieder der Schwarzen Reichswehr sagten aus, daß das preußische Innenministerium Spigel" in der Schwarzen Reichswehr gehabt habe, die diese beobachteten und in ihrem illegalen Treiben behinderten. Dies hält das Urteil in Sachen Pannier ausdrücklich den Angeklagten zugute, indem es ihnen zugesteht, daß sie sich bei dieser Sachlage nicht an das preußische Innenministerium und die Polizei wenden konnten. Die Auffassung dieses Urteils deckt sich durchaus mit den Aussagen der Zeugen, die bekundeten, daß die Erregung Daß ernsthafte Pläne zu seiner Ermordung geschmiedet gegen Severing in der Schwarzen Reichswehr so groß war, wurden.

Schon diese Angaben dürften genügen, um den Wert der Schulzschen Enthüllungen zu fennzeichnen, soweit sie das preußische Innenministerium betreffen.

Der dritte Tag in Landsberg  . Dramatische Zuspikung.

Die dritte Verhandlung des Schwurgerichts in Lands­ berg   a. d. W. verlief dramatisch. Gestern hatte der Ange­flagte Schulz die Existenz des Femesystems und seine Her­funft von den vaterländischen Verbänden zugegeben. Heute lernte man Männer und Auswirkungen des Systems fennen. Mit bitterer Ironie stellte der Vorsitzende die großsprecherischen ,, nationalen" Tiraden der Fememörder und die feige Gesinnung, die aus den heimtüdischen Morden spricht, gegeneinander. To hon

Er stellte fest, daß in einer deutschen   stramm völti fchen Siedlung in Guatemala   längst die Eristenz der Schwarzen Reichswehr, ihre Verbindung zur Reichswehr  , ihre Zweckbestimmung dargestellt worden war. Und hier" so schloß er wäre beinahe die Deffentlich teit ausgeschlossen worden."

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Das Ausland wußte Bescheid. Die deutschen   Staats­bürger aber sollten nichts erfahren- damit man die des Landesverrats beschuldigen könnte, die dem deutschen  Volke sagten, was die sogenannten ,, Nationalen" selbst dem Auslande sagten.

Der Staatsanwalt beantragte gegen den Angeklagten Kowalewski wegen Beihilfe zum Morde 6 Jahre 3ucht­haus sowie 30 Tage Zuchthaus wegen Hehlerei. ( Bericht siehe 3. Seite.)

Sinowjew's Ende.

Enthebung von der Leitung der Komintern  . In Moskau   ist jetzt auch das letzte J- Pünktchen auf das Urteil gegen die Opposition gefeßt. Sino wjem ist jetzt nicht mehr Präsident der Kommunistischen Internationale. Bei den Beratungen des russischen Zentralfomitees gaben die Vertreter der kommu­ nistischen   Filialen folgende Erklärung ab:

" In Anbetracht der leninistischen Linie des Oppositionsblods in der KPSU., in Anbetracht der leitenden Rolle, die Genosse Sinowiem als Vorsitzender der Komintern bei der Durchührung dieser falschen Linie spielte, in Anbetracht der in der Geschichte der bolschewistischen Partei unerhörten desorganisatorischen Fraktionsarbeit des Oppositionsblocks und in Anbetracht der Ueber­tragung dieser fraktionellen Treibereien durch Genossen Sinowjew  in die Reihen der Kommunistischen Internationale hält die Dele­gation des EKKI. auf dem Vereinigten Plenum des 3. und der 3KK. der KPSU. im Einklage mit den Beschlüssen der wichtigsten Seftionen der Komintern   das weitere Verbleiben und die Arbeit des Genoffen Sinowjew   an der Spitze der Komintern für un­möglich."

Diese Entschließung ist dann in der Sigung des Präsidiums des Etti einstimmig bestätigt und von den Vertretern aller Barteien unterschrieben. Von der deutschen   Partei unterschrieben dieses Todesurteil des Helden von Halle  - Klara Zetkin  , Geschte, Heinz Neumann   und Remmele. Sic transit gloria mundi.

Nach dem preußisch- österreichischen Schulvertrag entrichten die Kinder von Staatsbürgern Preußens oder Desterreichs jeweils noch das Inländerschulgeld.

Kein sowjetrussisches Finnland  . Die Meldung über einen angeb lichen Beschluß des Zentraleretutivfomitees der Sowjetunion  , ini Ge­biete des Gouvernements Leningrad   eine finnische autonome Sowjet­republik als Basis zur Verstärkung der Propaganda gegen Finnland  zu bilden, ist vollkommen aus der Luft gegriffen, erklärt die Mos­fauer Telegraphenagentur.

Der Uebertriff Kenworthys zur Arbeiterpartei hat unseren Segerkobold ganz aus dem Häuschen getrieben und ihn aus den britischen Rechtsliberalen Rechtsradikale" machen lassen. Aber London   ist doch nicht Landsberg  !

Das Reichsentschädigungsamt wird zum 1. April 1927 nicht aufgelöst, wie behauptet worden war, sondern zunächst nur ab gebaut.

Ländlicher Bodenbesih.

Ergebnisse der Berufsstatistik.

Von Robert Schmidt.

Das Reichsstatistische Amt veröffentlicht in den letzten Heften ,, Wirtschaft und Statistit" Teilergebnisse der Berufszählung vom Jahre 1925.. Die Veröffentlichun­gen werden mit dem Hinweis versehen, daß die bisherigen Ergebnisse nicht zu allgemeinen Schlußfolgerungen dienen können. Das wird zutreffend sein; aber da das Material über einige Länder in sich abgeschlossen ist, so ist schon einiges von Bedeutung über die Struktur der Wirtschaft zu erkennen, und da auch zum Teil Vergleiche mit den Ergebnissen der Be­rufszählung vom Jahre 1907 angestellt sind, gewinnt die Ver­öffentlichung erheblich an Wert.

Wir erlangen u. a. einen Einblick in die Betriebsgröße, Zahl der Betriebe und Art des Anbaues in der Landwirt­schaft der Staaten Württemberg, Sachsen  , Bayern  , Hessen  , Oldenburg  , Mecklenburg   und Anhalt  . Das sind Länder, die in der Landwirtschaft kein einheitliches Gepräge zeigen. Neben dem typischen Kleinbetrieb in Hessen   stehen Anhalt   mit einem starten Einschlag an Großgrundbesiz, die beiden Großgrundbesiß, und schließlich haben wir in den übrigen Mecklenburg   mit ihrem alles beherrschenden feudalen genannten Ländern eine Mischung von klein- und großbäuer­

lichen Betrieben.

Welche beachtenswerten Aenderungen haben sich nun hier vollzogen?

Da fällt zunächst auf, daß in Württemberg, Sachsen  , Hessen  , Bayern  , medlenburg und Anhalt   ein nicht unbedeutender Rückgang in Anbaufläche, d. h. um nicht weniger als 435 576 Heftar gegen das Jahr 1907 eingetreten ist. Man fragt sich ver­wundert, wo dieses Land geblieben ist. Dafür gäbe es ver­schiedene Erklärungen: Es fann landwirtschaftlicher Besitz als Bauland für die Stadt zur Verwendung gelangt sein und dadurch sich ein Wechsel vollzogen haben. Daben schaltet aber der Uebergang etwa zur Verwendung für Kleingärten aus, denn der Besitz an Kleingärten ist in die landwirtschaftliche Nußfläche mit eingeschlossen. Es ist ausgeschlossen, daß für den Wohnungsbau in erheblicher Menge Terrains aus wirtschaftlichem Besiß in Anspruch genommen sind. Möglich wäre es, daß Ackerland in Forstbetrieb übergegangen ist, ober dafür läßt die Statistit feine vollgültige Schlußfolgerung zu. So ist es überraschend, daß. Württemberg eine Ber= ringerung der landwirtschaftlich benutten Fläche von 30 907 Heftar angibt und bei der Forst­fläche eine Verminderung von 9997 Heftar. Für diese auffallende Differenz wird es wohl feine andere Erft- i- rung geben als die, daß aus Steuerfurcht die Angaben etwas niedriger eingesetzt würden, als der Wirklichkeit entsprach.

Das Statistische Amt macht in der Erläuterung zu diesen Zahlen eine dahingehende Andeutuna, deren Berechtigung wohl kaum bestritten werden kann. Das gleiche wiederholt sich schon seit Jahren bei unserer Erntestatistik. die die Anbau­fläche in bedrohlicher Weise verschwinden läßt, damit der Ernteertrag nicht so hoch erscheint mit Rücksicht auf die Steuer­veranlagung.  

Bayern. das eine Einbuße an landwirtschaftlicher Anbau­fläche von 286 292 Heftar angibt, hat wenigstens versucht, einen Ausgleich klarzumachen, indem behauptet wird, daß der Forstbesik um 79 939 hektar, Weide und Hutung um 37 433 Hektar und Ded- und Unland um 153 673 Heftar zugenommen haben. Nicht ganz so grobe Bahlen tischen uns die übrigen Länder auf. In Württemberg hat man das Ded- und Un­land um 8396 hektar, in   Mecklenburg- Strelig um 2632 Heftar, in Mecklenburg-   Schwerin um 10 734 Heftar, in   Hessen um 2923 Heftar und in   Sachsen um 4968 Heftar seit 1907 vermehrt.

Eine Ausnahme macht   Oldenburg, dessen landwirt­schaftliche Anbaufläche um 27 155 Heftar zugenommen hat und dessen Dedland um 28 628 Heftar zurückgegangen ist. Diese Aenderung ist auf die in   Oldenburg betriebene Kulti­vierung der Moore zurückzuführen, die eine nicht un­beträchtliche Ackerfläche neu geschaffen hat.

In den Besißverhältnissen ist keine große Verschiebung erfennbar. Schaltet man die Betriebe unter 2 Heftar aus, da sie in ihrer überwiegenden Zahl als land­wirtschaftlicher Betrieb nicht von Bedeutung sind, weil fie dem Besitzer eine Eristenz aus der Bewirtschaftung nicht bieten, so ergibt sich folgende Gegenüberstellung:

Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe 1925 im Jahre 426 366 71 852  

Bayern. Sachfen. Württemberg

. Mecklenburg-  

Schwerin  

Mecklenburg- Strelig  

Oldenburg

Anbalt

Hessen

145 688

1907 428 269 74 911 146 951

24 125

22 862

3141

2874

53 798

53 946

32 098

7 205

29 667 6.981

Der Bergleich läßt erkennen, daß   Oldenburg die stärkste 3unahme in der Vermehrung des Besizes zu verzeichnen hat. Hier handelt es sich aber, wie schon er­wähnt, um einen 3uwachs der landwirtschaft= lichen Fläche aus der Moorfultivierung, die auch neue Bauernstellen geschaffen hat. Der Zuwachs ver­teilt sich nahezu restlos auf   flein- und mittelbäuerliche Be­