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Ein seltsamer Verkehrsunfall. Eine Frau getötet, zwei andere verletzt. Zu einem schweren Zusammenstoß zwischen einem Straßen- bahnzug der Linie 21 und einem zweispünmgen Arbeitsfuhrwcrk kam es gestern nachmittag gegen 545 Uhr in Neukölln an der Ecke Hermann- und Münchener Straße. Eine Frau wurde ge- tötet, zwei weitere erheblich verletzt. Wir erfahren hierzu folgendes: Ein Strnßenbahnzug der Linie 21, bestehend aus Triebwagen und Anhänger, hatte sich nach kurzer Haltepause wieder in Bewegung gesetzt und kreuzte gerade die Münchener Straße. In demselben Augenblick nahte aus der Münchencr Straße in ziemlich flotter Fahrt ein mit zwei Pferden bespanntes Fuhrwerk. Entweder hatte nun der Kutscher das Klingelzeichen der Straßenbahn überhört, oder konnte sein Gefährt nicht mehr zum Halten bringen. Die Wagen- deichsel ging mit lautem Krach durch die Fenstersdieiben des Straßen­bahnwagens. Die Folgen waren entsetzlich. Die Fensterrahmen und die Holzverkleidung auf der ganzen linken Seit« wurden heraus- gerissen. Zwischen dem Klirren der Scheiben und zersplitternden Holzteilen ertönten Angstschreie von Fahrgästen. Die Ehefrau Anna Redecker aus Minden i. W. saß unglücklicher­weise an der Stelle, wo die Deichsel in den Wagen drang. Sie wurde am Halswirbel schwer getroffen. Ein Stück der herumfliegen- den Fensterscheiben zerschnitt ihr die Halsschlagader Ihr Kops wurde fast vom Rumpfe getrennt. Laut- los sank die Berunglückte blutüberströmt zusammen, der Tod ist im gleichen Augenblick euigetreten. Die Leiche wurde zunächst nach der Rettungsstelle 3 und von dort in das Leichenfchauhaus gebracht. Zwei weitere Fahrgäste, eine Frau Ell! St. aus der Steinmetzstr. 54 zu Neukölln und die Ehefrau Mathilde W. aus der Hermannstr. Z3 zogen sich erhebliche Schnittwunden am Kopf zu. konnten aber nach Anlegung von Notverbänden auf der Net- tungsstelle in ihre Wohnungen entlasten werden. Ein Pferd wurde zwischen Straßenbahn und Fuhrwerk eingeklemmt und schwer o e r l e tz t, der Kutscher kam unversehrt davon. Die Feuerwehr nahm die Aufräunmngsarbeiten vor. Der schwer be- schädigte Anhängewagen mußte abgeschleppt werden. Der Vorfall hatte eine große Menschenansammlung und eine längere sehr emp- sindliche Verkehrsstörung zur Folge. Die tödlich verunglückte Frau R. weilte besuchsweise in Berlin und wollte schon am Dienstag die Heimreise nach Minden antreten. AUf Bitten einiger Bekannter verlängerte sie ihren Aufenthalt um einen Tag. um an einer Familienfeierlichkeit in Britz teilzunehmen. Auf dem Wege dorthin ereilte sie gestern nachmittag ihr furchtbares Schicksal. » Beim Hob« rsch reiten des Fahrdammes vor dem Hause Falken- bergstraß« 184 in Weißens«« wurde der Arbeiter Richard G« i ß l« r aus der Kochhannstraß« 12 zu Berlin von einer Kraftdroschke erfaßt und überfahren. Mit schweren inneren Verletzungen und einem Schädelbruch wurde er in das Weißenseer Kranken- haus übergeführt, wo er kurz nach der Einliefsrung starb. Die Echuldfrage ist nicht geklärt._

Aue Wahl öes Staütsthulrates. Der.Lehrerverband Berlin " bittet uns. folgendes mitzuteilen: Die.Tägliche Rundschau" fühlt sich veranlaßt, in ihrer Nummer 448 vom 2S. Oktober ein Urteil derAllgemeinen Deui- fchen Lehrerzeitung" vom 14. Oktober 1021 gegen die Wahl des Herrn Nydahl als Stadtschulrat in die Wagschale zu werfen. Auf Grund der fünfjährigen Tätigkeit des Herrn Magistratsober. schulrats Nydahl sehen wir uns oeranlaßt, folgendes zu erklären: Herr Nydahl hat sich durch seine Sachlichkeit in der Führung seiner Amtsgeschäfte ein außer- ordentliches Vertrauen in der Berliner Lehrer- schaft ohne Rücksicht auf die P a rt e i st e l l u n g er- worden.

So lange üer Vorrat reicht! Bis zum 9. November 1918 hielt der Magistrat von Berlin es für seine Untertanenpflicht, vor dem König in E h r f u r ch t u n d Demut zu e r st e r b e n". Da Berlin die Resi- den; des Königs war, so nannte der Magistrat sich nach altem Her- kommenMagistrat der Königl. Haupt- und Residenzstadt Berlin ". Die aus der monarchischen Zeit übrig gebliebenen Vordrucke, auf denen diese Bezeichnung prangt, sind bis auf den heutigen Tag noch nicht ganz aufgebraucht. Vor uns liegt eine Postkarte, durch die ein Schularzt den Eltern eines Schulkindes bescheinigt, daß das Kind nach Ausweis der bakteriologischen Untersuchung frei von Diphtherie- bazillen ist und daher am Unterricht wieder teilnehmen darf. Die Karte trägt das vom Arzt geschriebene Datum19. Oktober 1 9 2 6", den Poststempel23. Oktober 1926" und auf der Vorderseite in der linken oberen Ecke an ausfälliger Stelle den gedruckten Der- merk:M a g i st r a t der Königl. Haupt- und Residenz- st a d t Berlin ". Der Arzt hat mit eigener Hand die Adrestc ge- schrieben, aber den UnsinnKönigl. Residenzstadt " zu durchstreichen. -st ihm nicht eingefallen. Anscheinend soll die republikanische De- völkerung solche Vordrucke sich gefallen lassen, solange der Vorrat reicht. Der Hinweis auf dieKönigl. Residenzstadt " wirkte schon in der monarchischen Zeit wie übler Knechtstolz, heute aber kann er geradezu als Herausforderung empfunden werden. Da nie- mals mit Sicherheit darauf zu rechnen ist, dach bei der Benutzung solcher aus der monarchischen Zeit übriggebliebenen Vordrucke der Absender die.Königl. Residenzstadt " durchstreichen wird, sollte der Magistrat sich endlich dazu entschließen, anzuordnen, daß die g«- samten Vorräte eingesammelt und vernichtet werden. Es ist möglich, daß der Arzt nicht in böser Absicht, sondern nur aus Unachtsamkeit die Durchstreichung unterlassen hat, und viel- leicht ist er sogar selber Republikaner. Aber der Magistrat hat die Pflicht, auch das zu verhüten, daß aus U n a ch t f a ni k e i t ein im Dienst der Stadt stehender Beamter ein Schriftstück hinausgehen lassen kann, das auf den Empfänger wie eine Verhöhnung der Republik zu wirken geeignet ist.

Die kommende Weltausstellung. Zu den Meldungen über Veranstaltung einer Welt- bzw. In- dustrieousstellung in Berlin im Icchre 1930 gibt das A u s st e l> lungs- und Messeamt der deutschen Industrie im Einver- nehmen mit dem Berliner Messeamt bekannt, daß diese Meldungen den Tatsachen voraus eilen. Es haben bisher lediglich Vorbesprechungen stattgefuuden. Hinsichtlich einer Beteili- gung der Industrie wird darauf hingewiesen, daß das Berliner Messeamt seit längerer Zeit mit dem Fachausschuß für Ausstellungs - fragen der Bauwtrtschaft Verhandlungen gepflogen hat. Mit den beteiligten Industriekreisen werden in der nächsten Zeit die Vec- Handlungen ebenfalls wieder ausgenommen werden. Das arbeitende Palästina. In einer Versanvnlung des Keren Hajessod sprach der bekannte Frankfurter Soziologe Prof. Dr. F. Oppenheimer im Blüthnersaal über das Thema:Kritisches und Posi- t i v e s zum P o l ä st i n a w e r k". Oppenheimer betonte, daß fein Vortrag ein objektives Referat über seine Studien darstelle, das durch keinerlei subjektive Gefühle getrübt werden solle. Der Redner skizzierte die drei Hauptprobleme der palästinensischen Frage: Kamps zwischen Sozialismus und Kapitalismus , Araberfroge und das brennend gewordene Problem der landwirtschaftlichen Be- stedelung Oppenheimer stellte sest, daß in Palästina eine g e w e r k- s ch a s t l i ch bestens fundierte sozialistische Bewe- gong die Ansätze de« spetulattven Kapitalismus mit größter Auf- merkfamteit beobachtet und ihnen erfolgreich entgegentritt. Da der

Aufbau Palästinas in der Hauptsache das Werk meist ostsüdischer Arbeiter. Handwerker und Bauern ist, scheint diese starke sozialistische Strömung selbstverständlich. Oppenheimer üble übrigens an dieser aktiven Arbeiterbewegung und ihren ökonomischen Auswirkungen einige Kritik. Der größte Feind des palästinensischen Sozialismus ist der Vodcnwucher, der, wie der Redner feststellte, großen Schaden anrichtet und in der Geldgier des Großgrundbesitzertums seine Ur- fache hat. Die Araberfrage ist nach O. solange kein Problem, als nicht jüdisch-chauvinistische Tendenzen sich mit der These des Juden- staotes durchsetzen(Revisionistengruppen) und unterdrückte Araber- gruppen in Erscheinung treten. Die landwirtschaftliche Besiedelung ist noch sehr Experiment! in der genossenschaftlichen Siedlung gibt es drei Arten, die große, die kleine.Lwuzah" und die Bauernsicd- lung. Am besten arbeiten die Bauernsiedlungen, auch die kleine Kwuzah(Gemeinschaft weniger Arbeiter und Bauern) hat Chancen für die Zukunfr.

freie Sozialisüsdie Msdiule. Sonnabend, d. 30. Oktober, 7'/i Uhr abd#., im Sitzungssaal des ehem. Herrenhauses, Leipziger Str. 8, Vortrag des Genossen Prof. Kuske-Köln : Europa und die Weitwirtschaft. Eintrittskarten rnrn Preise von 50 Pf. sind zu haben an der Abendkasse sowie an to'genden Stellen; Bureau des Bezirksbiidungsausschusses, Lindenstr. 3, 2. Hof, II, Zimmer R. Buchhandlung I. H,\V. Dietz, Lindenstr. 2. Verband der graphischen Hilfsarbeiter, RitterstraSe Ecke Luisenufer. Zigarrengeschäft Horsch, Engelufer 24 25, Gewerkschattshaus. Tabakvertrieb, Inselstr.6, Buch- gemeinschaftGutenberg ", Dreibundstr. 3, sowie in allen Vorwärts-Spcditionen.

Verurteilung von Neichsbannerleuten. Gefängnisstrafen von 6 bis Ist Monaten! Kein vernünftiger Mensch wird bestreiten, daß die politischen Raufereien auf der Straße zu den schlimmsten Auswüchsen des öffentlichen Lebens gehören. Sie haben bereits so manches junge Menschenleben gekostet. Aber jeder Emsichtige wird auch zugeben müssen, daß es die Rechtsradikalen waren, die durch ihr herausfor- derndes Benehmen die politische Atmosphäre vergistet und die bluti- gen Auseinandersetzungen heraufbeschworen haben. Revolver, Schlagknüppel, Totschläger wurden immer in ganzen Garnimren bei ihnen vorgefunden. So war es auch kein Wunder, daß Reichs- bannerleute schließlich sich hier und da auch ihrerseits hinreißen ließen, den Volkischentatkräftig" entgegenzutreten. Die Verant- wortung dafür tragen zweisellos die Rechtsradikalen. So fällt auf sie auch letzten Endes die Verantwortung für die Vorgänge in Spandau in der Nacht vom 29. zum 39. Mai. Eine Woche vorher war es bereits zu einer Schlägerei zwischen Bismarck- bllndlern und Reichsbannerleuten gekommen. Der in dieser Sache wegen Körperverletzung angeklagte Reichsbannermann wurde vom Gericht freigesprochen: in der Urteilsbegründung hieß es, er habe in Notwehr gehandelt. Am Abend der fraglichen Nacht war es bereits zu verschiedenen gegenseitigen Anpöbeleien gekommen. Auch wurde der Reichsbannermann A. mit einem Dolch bedroht. Die Stimmung war schwül. Vor dem RestaurantPferdemarkr", in dem die Biemarckbündler ihr Vergnügen hatten, war ein Poüzeidoppel- Posten aufgestellt. Als gegen 2 Uhr nachts die Bismarckbundler das Lokal verlassen wollten, ermahnte sie der Beamte, nicht zu singen und auch die schwarzweißrote Fahne zusammenzurollen. Der kleine Trupp, die einen sprechen von 19, die anderen von 18 Mann, setzte sich trotzdem in Bewegung mit aufgerollter schwarz- weißroter Fahne. Häuflein von Reichsbannerleuten befanden sich auf der Straße. Plötzlich erscholl den Vismarckbündlern der Ruf entgegen:Halt, Waffen raus! Wir wollen euch von der Polizei untersuchen lassen! Der Führer der Bismarckbündler kom- mandierte:Vorwärts!" und wollte mit seinen Leuten weiter. Schon aber war die Schlägerei im Gange, bei der einer von den Vismarckbündlern zu Boden geworfen wurde und sehr schlecht davonkam. Auch ein Schuß siel. Auf der Polizei nahm man den Bismarckbündlern Revolver , Totschläger und Knüppel ab. Die Reichsbannerleute waren dagegen unbewaffnet, wenn auch in der Ueberzahl. Das Gericht der ersten Instanz mußte eine Reihe von angeklagten Reichsbannerleuten freisprechen, vier jedoch wur- den verurteilt. Drei von ihnen hatten Berufung eingelegt. Das Gericht der zweiten Instanz bestätigte gestern jedoch das Urteil der ersten Instanz. Es blieb also dabei: der Reichsbannermann A., sonst ein besonnener und ruhiger Gewerkschaftsfunktionär, er- hielt 7 Monate Gefängnis. Ein anderer, Genosse, M.. 6 Monate Gefängnis, bei Bewährungsfrist. B., der nicht mehr Reichsbannermann ist, 19MonateGefängnis wegen Landfriedensbruchs". Das Gericht verwies die Slngeklagten wegen einer Bewährungsfrist an den Vorderrichter. So das Urteil. Milde kann man es gerade nicht nennen. Waren die Reichsbanner- leute diesmal vielleicht auch im Unrecht, so mußte doch in noch häherem Maße als dies vom Vorderrichter bereits gestehen war, die von den Rechtsradikaken vergiftete politische Atmoiphäre berück- sichtigt werden. Hoffentlich besitzt der Vorderrichter Einsicht genug, auch den beiden anderen Angeklagten B e w ä h r u ng s s r i st zu geben._ Zwei Jahre Forftschutz und Naturkunde. Die in weiten Kreisen durch ihr energisches Vorgehen in allen Natur- und Heimatschutzfragen bekanntgewordene Arbeits- gemeinschaft für For st schütz und Naturkunde E. V., Berlin-Friedrichshagen, kann jetzt auf eine zweijährige, erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken. Es wurde in diesen �wei Iahren wichtige Arbeit geleistet. 39 naturwissenschaftliche Wanderungen und Studiensahrten, 4 Wanderungen mit Jugendlichen auf Wunsch der Bezirksämter Schöneberg und Treptow wurden ausgeführt. In befreundeten Verbänden und Ver- einen wurden sechs Vorträge gehalten. Der Schutzpolizei des 16. Verwaltungsbezirks wurde ein Vortrag über die geschützten Pflanzen gehalten. Eine märkische Kunstausstellung fand starken Beifall. Die Heimatabende haben sich besonders wegen ihrer ursprünglichen Frische eingebürgert. In zahlreichen Gutachten und Eingaben wurde auf die Oesfentlichkeit und auf die Behörden ein- gewirkt. Erfolgreich war das Vorgehen in Sachen des p r e n ß i- schen Natur schutzg«setze s. Der Kampf für dieses Gesetz ist in ganz Preußen entsacht worden. In nächster Zeit werden mancher- lei Veranstaltungen geplant. Die Hauptsache ist, daß die tüchtige Vereinigung sich auch in Zukunft der bei allen Naturschutz und Heimatschutz sich bemerkbar machenden Bestrebungen erwehrt, in Romantizismus, Lyrismus und Historismus zu versanden. Natur- und Heimatschutz erfordern einen ganz besonders energischen Kampf gegen privaten Egoismus, der sich nicht scheuen würde, sie Landschaft um seiner besonderen privaten Wünsche zu verhunzen und zu ver- schandeln. Allerdings muß aber manchmal auchder Gemeinde auf die Finger gesehen werden.

Kredite an Privatpersonen. Die in Zürich kürzlich errichtete Kaufkr«dit-A.-G. beabsichtigt in Deutschland Geichästsstellen zu er- richten. Zunächst sind mit der Firma Hermann Tietz in Berlin Verhandlungen dahin zum Abschluß gelangt, daß diese Firma die Kreditscheine der Kauskredit-A.-G. in Zahlung nimmt und sämtliche Waren mit Ausnahme von Lebens, und Genußmitteln zu den Originolpreisen abgibt. Die Kaufkredtt-A.-G. räumt ihren Kun- den für den Einkauf der Waren nack» Anzahlung von 2K Proz. und S Proz. Kostenzufchuß einen Kredit ein, der in fünf Monats- raten zurückzuzahlen ist. Es ist dies in der heutigen kapitalormen Zeit ein oft besprochenes Problem der Volkswirtsthaftler gewesen. dos nunmehr praktisch zur Durchführung kommt. Der Kunde unter. liegt bei dem System, das weder Eigentumsuorbebalt noch Wechsel- Verpflichtung kennt, nicht mehr den Unonnehmllchleiten der Ad-

zahlungsgeschäste, da er weiß, daß ihn die Kreditbeuns pruchuna nicht mehr als S Proz. kostet und daß er im übrigen genau so wie jeder barzahlende Kunde behandelt wird.

Rausch. Der bedrängte Justizwachtmeister. Es mag für einen Justizwachtmeister eins sehr mißliche Sache sein, auf der Anklagebank zu sitzen, die er sonst als Beamter zu über» wachen hat. In dieser Lage war der Justizwachtmeister R. von, Amtsgericht Wedding, der sich vor dem Landgericht II wegen Tot- schlage zu verantworten hatte. Er mutzte die Gerichtsverhandlung zum zweiten Male über sich ergehen lassen. Als die Sache vor einiger Zeit zum ersten Male vor dem Schöffengericht verhandelt wurde, siel sie der Vertagung anHeim. Das Schöffengericht hatte sich für nicht zuständig erklärt und die Angelegenheit an das Landgericht ver- wiesen: Es lieg- nicht fahrlässige Tötung, sondern Tot- schlag vor. Der Angeklagte erklärte aber klipp und klar, daß er in Notwehr gehandelt habe. Das Gericht stimmte ihm zu. Es war wirklich Notwehr! Der Justizwachtmeister R. sah nach Dienstschluß in einer Gastwirtschaft am Brunnenplatz friedlich be, einem Glase Bier. Sein Kollege hämmerte im Nebenzimmer auf dem Klavier. Da erschien eine Frau und fragte den Schankwirt, ob er nicht wisse, wo ihr Mann sei. Kaum hatte sie sich entfernt, als daraus auf der Bildfläche der ziemlich angeheiterte Mann der Frau S. mit seinem Freunde erschien. Er bat, daß man ihm Bier einschenke. Als der Wirt ihm mitteilte, daß seine Frau soeben hier gewesen s-i. rief er ihm Ausdrücke zu. die nicht gut wiederzugeben sind. Es ent- stand ein Wortwechsel. Der Mann wandte sich schließlich der Tür zu. Da schien es ihm als ob jemand gelacht habe. Er kehrte ins Lokal zurück packte den Justizwachtmeister, der sich gerade erhoben hatte, um sein Rad zu nehmen und das Lokal zu verlassen und spie ihm ins Gesicht. Der Wirt stellte den Rowdy zur Rede. Auch der Justizwachtmeister versuchte den Tobenden zu beruhigen. Dieser drang aber auf ihn ein, spie ihn noch einmal an, bohrte ihm die Finger ins Gesicht, daß es blutete, faßte ihn mit aller Wucht an der Nase und begann, sie hin- und herznzerren. Der Wirt und die Gäste faßten den Wüterich an, er riß sich aber loß und stürzte mit den Worten:Jetzt haue ich dir den Schädel ein!" mit erhobenen Knüppel auf den Justizwachtmeister. Dieser, in die Ecke gedrängt, fühlte sich in Todesgefahr: bis zum Augenblick ruhig und besonnen, zieht er nun die Pistole heraus und ehe er sich selbst ver- siebt, sällt der Schuß. Zum Unglück ist es ein Bauchschuß. S. bricht tödlich verletzt zusammen. Der Justizwachtmeister R. eilte selbst zur Polizei. Jetzt erst merkte sein Kollege W., was ge- schehen war. Vielleicht wäre diese Alkoholangelegenbeit günstiger verlausen, wenn irgend jemand von den Anwesenden die Jiu-Jitsu- Griffe gekannt hätte. Für einen Justizwachtmeister wäre diese Kenntnis besonders am Platze. Auch für seinen Dienst im Gerichts- sail. Die Verhandlung ergab einwandfrei, daß der Angeklagte in Notwehr gehandelt hatte und sprach ihn frei. vornehme JTeute untereknonöer. Ein Prozeß im hoäiadel. Ganz vornehme Leute standen sich letztens vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte gegenüber. Selbst die Rechts- anwälte waren von uraltem Adel. Man sah nur noch Exzellenzen, Barone , Grafen und andere Würdenträger der Hocharistokratie, die ihre schmutzige Wäsche in aller Oesfentlichkeit aber in sehr kulti- vierten Formen wuschen. Es handelte sich tatsächlich um große Dinge, um unerhörte Beleidigungen. Man denke.... Also es gibt zwei hochfeudale Institutionen, nämlichDie Deutsche Aoelsgenossens ch a s t" und denDeutsch - adligen Ritterorden von St. Georg". Eine Unmenge Ahnen muß man sein eigen nennen, wenn man darin ausgenommen werden will. Leider herrscht nun zwischen diesen Spitzenorgani- sationen adliger Uebermenschen nicht die berühmte deutsche Eintracht, sondern grimme Fehde. Gegen den Vorsitzenden des Ritter» ordens von St. Georg Major a. D. Hans Erich von Tzschirner- Tschirn ist die Privatklage angestrengt worden, und zwar von demOrdensmarschall" der Deutschen Adelsgenossenschast Exz. von Berg, der außerdem noch Generalbevollmächtigter des ehemaligen Kaisers ist. Und was der Herr von Tzschirner getan hat, das spottet jeder Beschreibung. Man denke nur: besagter Herr soll einen Artikel in eine Berliner Wochenschrift inspiriert haben, der aus das Schwerste die Mitglieder der Adelsgenossenschaft kompromittiert. Der ArtikelD e r F a l l W i ck e d e" betitelt, scheint allerlei liebens- würdige Dinge in die Welt zu setzen. Unter anderem wird darin behauptet, daß der deutsche Adel sich im höchsten Grade u n w ü r- d i g benommen habe, und man bezeichnete es als schamlos, daß er nicht für seinen König eingetreten sei, dem er unendlich viel zu verdanken habe, sondern ihm gewissermaßen noch den letzten T o d e s st o ß versetzt habe. Herrn von Wickede wurde ein Kämpf mit den hinterhältigsten Mitteln nachgesagt, und in diesem Zusammenhange der Ausspruch eines anderen Adligen wieder- gegeben, der gesagt habe, daß sür von W. die schlechteste Reitpeitsche noch zu schade sei. Man bedient sich also eines kernigen Mannes- deutsch. Ja, wo bleibt da die Nibelungentreue? He? Adlige Rechtsanwälte aber zerbrechen sich die Köpfe, ob der Artikel wirklich von Tzschirner ist. O. man unterwirst ihn ein- gehender Stilanalyse. Einige Ausdrücke sind da vorhanden... jedenfalls scheint der Herr Major a. D. von Tzschirner doch einige dunkle Punkte auf seinem strahlenden Zldelxschild zu bcssgen. Mit dem Brustpathos edelster Ueberzeugung weist er alle Verdächtigungen weit von sich. Aber der Redakteur des Blattes erklärt, auf dem Umweg über eine Dame den hochadligen Herrn kennengelernt zu haben. Wer kann noch diesen gordischen Knoten auslösen? Und diese Dame war dazu noch in der Kanzlei, in der Ordenskanzlei des Ritterordens St. Georg beschäftigt. Ei, ei! Und dann wird es immer schlimmer. Man weiß nicht mehr aus und ein. Netzz, aus anderen Quellen stammt das Material. Ein Herr von Bogen tritt auf, der wiederum aussagt..., ach nein, nun ver- wirrt sich alles. Vergleichsvorschläge scheitern, und man tut das Beste, das man tun kann, man vertagt sich. Es ist gut, daß sich der Adel durch solche Bagatellprozesse immer wieder das Zeugnis seines Bestehens ausstellt. Die Ar- b e i t s l o s i g k e i t i st groß, das Elend wächst, aber es existieren noch Leute, die sich um..... in die Haare geraten. Bitte schön, Ihre Sorgen möcht ich haben." Schmarotzer der mensch- liehen Gesellschaft hat es immer gegeben! Das Berliner Aquarium das von Fachleuten und urteilssähigen Laien das schönste Aquarium der Welt gcnaimt wird, erfreut sich nicht in dem Maße des großen Besuchs, wie der Zoolcgische Garten selbst. Dabei aber bietet gerade im Winter, wo an vielen Tagen der Garten öd und traurig ist, das geheizte Zlquarium einen angenehmen Aufenthalt. Um nun möglichst vielen die Gelegenheit zu gebe», das phantastische bunte Leben hinter den Glasscheiben beobachien zu können, sollen die Eintrittspreis« ganz erheblich herabgemin- dert werden und zwar an Wochen- und Sonntagen b>s 2 Uhr nachmittags für Erwachsene aus 1 M?., sür Kinder auf 69 Pf., von 2 Uhr nachmittags ab für jeden Besucher ohne Unterschied des Alters auf 59 Pf. Daneben bleibt die Einrichtung des billigen Sonntags mit einem Eintrittsgeld von 59 Pf. für Erwachsene und 25 Pf. sür Kinder bestehen. Schon d«s Erdgeschoß mit seiner See- und Süßwasserabteilung enthüll in seinen s« 1,80 Meter tiefen Becken der lebende» Wunder viele, die durch 4 Zenttmeter dicke und je 8 Zentner schwere Glasscheiben von der näheren Berührung mit dem Publikum abgeschlossen sind. Da» Aquarium-Cecwasser wird unter der weitestgehenden Berücksichtigung der Meernfauna künstlich hergestellt, während die Felsbildungen, P. die ans Helgoland und von der dalmatinischen Küste von den rsorunasgelloden nach Berlin geschafst wurden, um hier nach mühevoller Arbeit wieder«ufgebovt zu«erde«.