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ärztlicher Gutachten als erblich stark belastet und als Psychopath, bezeichnet worden. Ebenso habe der Senat des Reichsgerichts auch den Aussagen des Boeck über die Vorbereitung eines be­waffneten vorgehens gegen Berlin   im Frühjahr 1923 durch Schulz keinen Glauben geschenkt. Was in anderen Bernehmungen über die angeblichen Pläne ber Arbeitskommandos in Gemeinschaft mit der Reichswehr   eine Militärdiktatur zu errichten, ausgefagt worden fei, betreffe nur die Zeit von August bis September 1923, tomme also für die hier fragliche Zeit von Juni 1923 nicht in Be tracht. Wenn die Landsberger   Straffammer ohne die Annahme hochverräterischer Bestrebungen fein Motiv für die Ermordung des Gröschte zu finden glaube, so widerspreche dies den Untersuchungs­ergebnissen in den Fällen Jante und Gädice. Wie in der Denkschrift des preußischen Innenministers zutreffend ausgeführt worden sei,

stamme die Einrichtung der Selbstjustiz aus dem Oberschlesischen Selbstschuh,

der entstanden sei, weil in den damaligen schwierigen Verhältnissen in Oberschlesien   es unmöglich gewesen sei, Verräter im ordentlichen Rechtswege zur Verantwortung zu ziehen. Bei den Arbeits­fommandos habe man sich im besonderen gegen den Berrat an die Kommunistische Partei   sichern müssen(?), die Späher in ihre Reihen entfandt und dann etwaiges Material in ihren Zeitungen ver. öffentlicht und damit zur Kenntnis der interalliierten Kontrollfom­mission gebracht habe. Es spreche alles dafür, daß Gröschke miß­handelt worden sei, weil er im Berdacht gestanden habe, daß er tom­munistischer Spigel gewesen ist. Aus allen diesen Gründen sei eine Zuständigkeit des Reichsgerichts nicht begründet. Der Senat habe fich jedoch auf diese Feststellungen nicht beschränkt, sondern ent­sprechend dem Antrage des Oberreichsanwalts beantragt, das Ber­fahren im Sinne der Anklage vor dem Schwurgericht beim Lend­gericht Landsberg zu eröffnen.

Es wurden dann die Gründe der Straftammer Landsberg   ver­lesen, die das Verfahren an den Staatsgerichtshof abgewiesen hatte. Die Straffammer stüßt sich dabei auf das

Urteil im Prozeß Buchrucker

und auf die Aussagen des Zeugen v. Albert. Aus beiden gehe hervor, daß die Fememorde erfolgt feien zur Sicherung des vor­bereiteten Hochverrats. Aus diesem Grunde sei nach§§ 1 und 13 des Gesetzes zum Schuße der Republik der Staatsgerichtshof die zu ständige Instanz. R.-A. Dr. Sad: Ich verwahre mich dagegen, daß in diesem Beschluß der Strafkammer bereits von e me morden, also von feststehenden Tatsachen gesprochen, obwohl irgendein Urteils beschluß nach dieser Richtung überhaupt noch nicht vorlag. Dann wurden die Angeklagten zur Tat vernommen. Der An­geflagte Schiburr ist, wie der Borsigende nachdrücklich feststellt, 1922 wegen Diebstahls zu zwei Wochen Haft verurteilt worden. Borf.: Weshalb haben Sie denn damals gestohlen? Angell: Wegen Inflation. Borf.: Natürlich, die Inflation muß es ja immer ge­wesen sein. Ich möchte den Angeflagten ganz allgemein fagen  : Sagen Sie heute alles, auch das, was zu Ihrer Berteidigung dient. Wenn Sie damals empört gewesen sind über den Berrat von Kame raden oder über ähnliche Dinge, so schadet es nichts, wenn Sie heute cuch noch dieser Empörung Ausdruck geben. Angell.: Ich habe bei meinem Stiefvater Landwirt gelernt, trat dann 1919, als die Ge­rüchte gingen, daß wieder ein feindlicher Einfall in Ostpreußen   statt finden sollte, einem Freitorps bei und war längere Zeit in Kur land. 1921 war ich dann vier Wochen bei der Reichswehr   in Span­bau und trat in die Deutschen   Werte in Spandau   als Maurer ein. Dann hörte ich auf, als in Küftrin Arbeitskommandos auf gestellt wurden und meldete mich durch einen Bekannten dorthin. Borf.: Warum denn, Sie hatten doch Ihre schöne Stellung bei ben Deutschen   Werten. Weshalb gingen Sie denn nach Rüftrin? Angell.: Aus Nationalgefühl. Borj.: Was machte man denn bei den Arbeitskommandos? Angefl.: Es wurde ein bißchen eger ziert und es wurde ein bißchen gearbeitet. Ich wurde bort als Unteroffizier eingestellt. Borf.: Vorher waren Sie doch aber Gemeiner; wurden Sie bei Ihrem Eintritt irgendwie ver pflichtet? Angeft.: Wir mußten im Fort Gorgast   einen

Eid zur Berfchwiegenheit auf den Degen eines Offiziers ablegen. Borf.: Wie lautete denn der Eid? Angefl.: Das weiß ich nicht mehr genau, aber so ähnlich wie in Friedenszeiten. Vors.: Wurde dabei gesagt, daß Verräter mit dem Tode bestraft werden? Angell.: Jawohl. Vorf.: Was haben Sie sich denn dabei gedacht? Angefl.( nach furzem Ueberlegen): Eigentlich gar nichts, das war

man etwas Ehrenrühriges tut, so begeht man doch damit noch, hin aber wirkt es aufschlußreich, wenn ein deutschnationaler Abge. keinen Berrat. Ehrenrührig ist es zum Beispiel, wenn man seine crdneter die inneren Auseinandersetzungen des deutschen   Volkes Kameraden bestiehlt. mit einer der blutigsten Schlachten des Weltkriegs vergleicht. Das läßt auf die Gefühle schließen, mit denen er andersdenkenden Boltsgenoffen gegenübersteht, und auf seine geheimen oder nicht mehr geheimen Wünsche.

Auf die Aeußerung des Vorsitzenden, der dem Angeklagten meiter vorhielt, er hätte früher einmal angegeben, daß er für Fridericus Reg" angeworben sei, erklärte Schiburr:

Die einen nannten es Fridericus Reg", die anderen Arbeits­fommandos Schwarze Reichswehr  ."

Vorf.: Nun tam doch dort allerlei vor, wie oft bei jungen Leuten, bie aufeinander angewieſen ſind,. B. iit bed) piel geklaut worden, wie wurde das in Ordnung gebracht? Angell.: Nun, der bekam eben Prügel von Kameraden auf der Stube. Borf.: Also schuldige bestraft wurden? Angekl: Ja, es wurde dem Offizier ge­Selbstdisziplin. Wurde denn auch untersucht, damit nicht un­meldet, der hat dann nachgeforscht.

Vorf.: Hat Ihnen Ihr Korpsführer Raphael nicht öfter gesagt, Schiburr, da ist was vorgekommen, forgen Sie dafür, daß der Mann zur Ordnung erzogen wird." Angell.: Leutnant Raphael hat manchmal ein Auge zugedrückt, er hat auch einmal gesagt, wenn etwas vorkommt, dann soll der Betreffende Prügel haben. Vorf.: Nun gehen Sie mal ein bißchen aus sich heraus und erzählen Sie, weshalb Sie den Gröschte verprügelt haben. Angefl.:

Als Gröschte nach Gorgaft fam, wurde gleich erzählt, er fei Kommunist. Daraufhin hat Leutnant Raphael ihn in die Arrest­zelle eingesperrt und ihn einige Tage später in meiner Gegenwart vernommen. Er wurde gefragt, wo die Kommunisten ihre Waffen versteckt hätten und wo die Zentrale ihrer Führer fel. Wenn Gröschte falsche Aussagen machte, dann mußte ich ihn schlagen. Erst schlug ich ihn mit einem Koppel, später holte ich mir vom Fortwächter einen ein Meter langen Ochsenziemer und schlug Gröschte damit.( Allgemeine Bewegung.) Hierauf trat eine kurze Pause ein.

Jarres reist für den Rechtsblock. Ein Gespräch mit den Hamburger Nachrichten".

Herr Jarres war am Dienstag in Hamburg  , um im Kreise seiner dortigen Freunde für den Zusammenschluß der Bolkspartei mit den Deutschnationalen zu wirken. Dabei hatte er eine Unterhaltung mit den Hamburger Nachrichten", über die das Blatt u. a. berichtet:

Zuversichtlich vertraut Dr. Jarres darauf, daß die nationale Gemeinschaft der Rechtsparteien auf dem Marsch ist: Weil sie kommen muß." Auch wenn die Deutsche Volkspartei   noch zögert und zunächst in Preußen noch einmal den Versuch mit der Großen Koalition gemacht hat, da zuviel gerade in Preußen auf dem Spiel steht, namentlich das alte stammfefte preußische Beamtentum, so hat doch die Deutsche Volkspartei   bei diesen Bestrebungen nicht nur eine Ohrfeige" geerntet; bei Neuwahlen, denen sich vielleicht das Dreimännerfollegium nicht lange mehr entgegensegen lann, würde die Deutsche Volkspartei   an der Mitverantwortung für die jetzige Bolitik in Preußen schwer zu tragen haben. Aber davon abgesehen droht die Bildung neuer Parteigruppen. Denn der Landbund verlangt positive nationale Arbeit; und kommt die Gemeinschaft nicht, dann fönnte sich von hier eine Bauern. partei selbständig machen. Die Arbeitsgemeinschaft, feine Ver­Schmelzung, die einstweilen niemand will, wird kommen; denn sie lebt in den Röpfen. Natürlich hängt viel vom Zentrum ab. Aber eine größere Gemeinschaft zur Rechten übt magnetische Kraft, der sich auch das Zentrum nicht entziehen kann."

Um den Landbund und mit ihm die Deutschnationale Partei zu retten, soll die Bolkspartei in die Gemeinschaft der Rechtsparteien" main

Das innere Tannenberg.

Der Traum des Herrn Treviranus.

In Dresden   hielt der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Treviranus   eine Rede, die er mit dem Satze schloß, Deutschland  

marschall an der Spize stehe.

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Im übrigen leitete die Schlacht von Tannenberg   den Zusammen­bruch des reaktionärsten Staates ein, der am Weltkrieg beteiligt war, des zaristischen Rußland  . Wie der Weltkrieg ja über­haupt gezeigt hat, bag bie Staaten in ihrer außeren Selbſt­behauptung am schwächsten sind, die die rückständigsten Regierungs­formen besitzen. Rußland   verlor den Krieg durch den Zarismus, gewesen war. Deutschland   verlor ihn durch sein persönliches der stets das Ideal der Gesinnungsgenossen des Herrn Treviranus Regiment, das jene Leute stets verteidigt hatten. Kommt es also zu einem ,, inneren Tannenberg", so spricht die Logik der Welt­geschichte dafür, daß dabei die Reaktion so gründlich geschlagen werden wird wie Rußland   im Jahre 1914.

ob

Argentinien   stundet.

Eine alte französische   Kriegsschuld.

Paris  , 28. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Am 1. Januar wird eine französische Schuld von 500 Millionen Franken, die die französische   Regierung im Laufe des Krieges bei Argen­ tinien   aufgenommen hatte, fällig. Gestern hat die argentinische Regierung Außenminister Briand   mitteilen lassen, daß sie nicht auf Rückzahlung dieser Summe an dem festgesetten Datum bestehe, und daß sie es Frankreich   frei lasse, die Summe zu einem von Briand   zu wählenden Zeitpunkt zurückzuzahlen. Briand   hat burch Bermittlung des argentinischen Botschafters in Paris   der argentinischen Regierung den lebhaftesten Dank der franzö­fischen Regierung für dieses Entgegenkommen aussprechen lassen.

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Die Schuld, um die es sich hier handelt, stammt aus den Jahren 1916/17. Damals haben England und Frankreich   von Argentinien  und Uruguay   Getreide auf Kredit bezogen. Das geschah in der Form, daß die südamerikanischen Regierungen Getreide, kauften und gegen Kredit an die englische und die französische   Regierung ver­kauften. Diese Kredite hat England längst bezahlt, während Frank­ reich   seine Schuld von 500 Millionen Goldfranken fich von Jahr zu Jahr verlängern ließ. Das einzig Neue an der diesmaligen Ber­längerung ist, daß sie auf unbestimmte 3eit geschieht. So hat der Vorgang an sich feinerlei politische Bedeutung. Die Art aber, wie er von der französischen   Regierung jeßt in die Deffentlich­feit gebracht wird, zeigt, daß sie ihm propagandistisch gelegen kommt. Der Dank an Argentinien   ist diesmal zugleich ein Vorwurf an die Vereinigten Staaten  , daß sie sich nicht ebenso großzügig gegen Frankreich   zeigen wie der kleinere südameri fanische Staat.

Nollet als Scharfmacher.

Zweifel an Teutschlands Abrüftung.

Paris  , 28. Ottober.( Eigener Drahtbericht.) Der frühere Bor sitzende der Alliierten Militärfontrollfommission und Kriegsminister im Rabinett Herriot, General Nollet, der heute noch Mitglied des franzöfifchen Obersten Kriegsrates ift, äußerte fich auf einem Frühstüc des englisch  - franzöfifchen Klubs in London   u. a. auch über die Ab­rüstung in Deutschland  . Er erklärte bei dieser Gelegenheit, Deutsch­ land   habe den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages bei ihrer Durchführung Schwierigteiten jeder Art gelegt und deshalb sei es notwendig, weiterhin die Augen auf Berlin   ge­richtet zu halten. Frankreich   wolle Frieden mit dem Vorbehalt, daß der Frieden die Würde des Landes gewährleiste.

Gefängnisstrafen für franzöfifche Kommuniffen. Der Bruder des Humanité, Bellanger, find von der Strastammer wegen Aufreizung von Militärpersonen zum Ungehorsam zu je acht Tagen Gefängnis und 100 Frants Geldstrafe verurteilt worden.

doch selbstverständlich. Vors.: Hatten Sie damals gehört, daß Ber: brauche ein inneres Tannenberg, solange der Feld kommunistischen Abgeordneten Marty und der Geschäftsführer der räter einmal getötet worden feien? Angefl.: Ich hatte mal gehört, daß sich ein Feldwebel erschossen habe, weil er etwas Ehrenrühriges getan hätte. Borf.: Das ist doch ein himmelweiter Unterschied. Wenn

Der Speisewagen.

Bon Hermann Schüßinger.

Der Speisewagen Tetschen  - Berlin   stampft durch die Nacht wie ein kleines Museum für Bölkerkunde: Reklameblätter aus aller Herren Länder loben die Refs der Firma Müller und Meier, den Kognat der Gebrüder Smith and Griffith, und das unentrinnbare Reklamebild der Elfa- Krüger- 3igarette" mit bem Steinbautaften aller deutschen  Sehenswürdigkeiten im Hintergrund dieser unvermeidlichen Dame fagt unausgefeßt: Ich begleite dich!" In der Glastüre zwischen den beiden Abteilen hat die Hamburg  - Südamerikanische Dampfschiffahrtsgefell­schaft" ihr übliches Reflamebild angeheftet: Den Doppelschrauben dampfer ,, Kap Polonio" mit seinem schianten weißen Rumpf und den drei Schloten mit dem breiten roten Streifen und eine Kokospalmen­gruppe, bie in der Tropenhige erschauert, drumherum.

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Der Speisewagen ist zwischen zwei Bughälften eingespannt, die nicht recht zueinander passen wollen, vorn ber preußisch- sächsische Teil mit seinen afturaten, blitzblant gefcheuerten D- Bugwagen der deutschen  Reichseisenbahngesellschaft und hinten der tschechische Bugtell mit den recht primitiven Dritterklassewagen, die etwas überbetont ihre ,, natio­nalen" Aufschriften selbst auf dem Lotus tragen: ,, Zachod  ", das wird wohl Ziehen!" heißen und Umyvadlo", das weiß schon wieder kein Mensch! Und vor den Abteilungstafeln, die bei uns die Schilder Besetzt" oder Frei" enthalten, stubiert jedesmal das Publikum, das ja gar nicht nach ,, Bratislava  " oder nach ,, Praha  ", sondern nach Kötzschenbroda   will und Necuraci"( Nichtraucher) für eine tschechische Großstadt hält, ob man sich wohl daneben gefeßt hat, wenn der Zeiger auf Zschbreici" ober fo ähnlich steht. Na, schließlich haben die Tschechen recht, wenn sie sich sagen: Lern böhmisch, wenn du dich in einen tschechischen Wagen setzt! Habt ihr etwa tschechische Bezeich­nungen an euren Wagen, die durch die ,, cechoslovenska republika" von Berlin   nach Deutsch  - Desterreich fahren?"

Zwischen diese beiben feindlichen Zughälften ist nun der inter­nationalisierte Speisewagen eingespannt und hält sie zusammen durch den Hunger der Fahrgäste und die Dividende der Mitropa  !" Nicht als ob der Fahrgast mit besonderem Vergnügen in den Mitropa­magen ginge, in dem es zwischen Konstanz   und Königsberg   genau dasselbe Menü, benfelben elfernen Bestand" an falten und warmen Speisen, dasselbe Mitropa  - Kursbuch und dieselbe Mitropa­Beitung gibt! Nein, man schlägt eben die Zeit tot mit etwas Essen und Trinken in dem rollenden Restaurant, das einen an die besten Regnafs und Rets, an die Elfa- Krüger- Zigarette und an die Süd­amerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft gemahnt.

Der schnauzbärtige ,, Ober" faffiert in forretter Haltung mit preu­Bischer Strammheit die Notas der Gäste und die Kellner tragen bie Speifen und Getränke hin und her mit einer erfeulichen Unpersönlich feit. Woche für Woche, Tag für Tag. Da fingt plöglich gestern abend in diesem altgewohnten Speisewagen- Stattato ein neuer Ton mit

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Wir sind nicht geneigt, Herrn Trepiranus, der durch seine fon­fusen Schreibereien befannt ist, übermäßig ernft zu nehmen. Immer

ein zweiter ,, Ober" sekundiert dem ersten mit einem einschmeichelnden Desterreicherdeutsch:

Bitt schön, mein Herr! Ich glaube Ihnen aufs Wort, a Beischl mit Knödl oder a Baar   Weanerwürft mit Rren wär a ganz andre Sach' wie unfer reglementierter Fraß!"

Weiß Gott  , ein öfterreichischer Kellner in der Speisewagenfaserne der Mitropa  !" Alles dreht die Köpfe und sieht ihm zu, wie er plaudernd von einem zum andern geht und horcht auf die weiche Melodie, die von Grinsing über Brag und Teeeeetschen in den Berliner  Schnellzug herübertönt. Da seßt sich der neue ,, Ober", zieht die Rech nungsabschnitte heraus und steckt sie weiß Gott  , er hat ja einen hölzernen Arm!- und stedt sie in die Halteflammer der Brothese hinein. Alle Augen folgen ihm und plötzlich steht der Krieg wieber zwischen den beiden widerspenstigen Zughälften zwischen Berlin  , Prag   und Desterreich.

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Die neuen Literaturpreise. Zu der Ankündigung des preußischen Kultusministers über zwei neue Literaturpreise wird mitgeteilt, daß die Aufstellung der Bedingungen vollkommen der Sektion für Dicht kunst ber Atabemie der Künste überlassen bleibt. Der Staatspreis in Höhe von 3000 Mart erscheint die Zustimmung des Landtages, an der nicht zu zweifeln ist, vorausgesetzt zum ersten Male in dem ab 1. April 1927 laufenden Etat; es wird jedoch nichts im Wege stehen, auf Wunsch der Akademie gegebenenfalls den Preis auch schon früher vorschußweise zu vergeben. Was den Zweitausend­Mart Breis der Eduard- Arnold- Stiftung anlangt, so hat der Stifter feinerlei Bedingungen für den Preis aufgestellt. Die Stimmung innerhalb der Akademie geht überwiegend dahin, einen der beiden Preise, vermutlich den Staatspreis, für anerkannte repräsentative Leistungen, den anderen für die Unterstützung junger Talente zu verwenden; voraussichtlich wird sich die Akademie auch eine Teilung der Gesamtbeträge vorbehalten. Das Kultusministerium hofft, im Laufe der Zeit feine Unterstützungstätigkeit für die Literatur durch weitere private Stiftungen ausbauen zu fönnen; außerdem wird der Minister anläßlich der Etatsberatungen sich das Einverständnis der Landtagsfraktion zur Erteilung von Reisestipendien an Dichter und Schriftsteller aus laufenden Mitteln zu sichern suchen.

Ueber Die Bedeutung geistiger Werte für Arbeit und Wirt­fchaft" sprach im Deutschen   Verband der Soziai. beamtinnen Professor von Harnad. Er führte aus, daß unsere Lage in Arbeit und Wirtschaft durch drei Mächte beherrscht wird, die als schwere Gefahr den Arbeitsprozeß bedrohen: die Souve­ränität der Arbeit, die Rationalisierung der Arbeit und die Eigen­gefeßlichkeit der Arbeit. Unter Eigengefeßlichkeit der Arbeit wollte Profeffor von Harnad die Isoliertheit der Arbeit verstanden wijsen, die feinem anderen Faktor irgendeinen Einfluß darauf zugesteht. Der Vortragende forderte, durch Hinzuziehung getftiger Mächte der Arbeit wieder eine Seele zu geben und dem Arbeiter seine Seele zu erhalten. Für die Beseelung der Arbeit führte Profeffor von Harnad einen( übrigens feineswegs einwandfreien. Die Red.) Bersuch des fürzlich verstorbenen Münchener Psychiaters Kraepelin   an, der sich in der letzten Zeit besonders mit Arbeits- und Arbeiterpsychologie beschäftigte: Einmal wurde Arbeiterinnen, die den ganzen Tag

| eine mechanische Tätigkeit zu leisten hatten, eine freudige Nachricht bei Beginn des Arbeitstages mitgeteilt, das andere Mal eine traurige. Das Ergebnis ihrer Tagesleistungen war im ersten Falle wesentlich höher als im zweiten. Dann verwies der Vortragende auf den Bert der Abwechslung auch bei mechanischer Tätigkeit und auf die Bedeu tung des Rhythmus für die Arbeit. Wichtiger aber noch als die Arbeitspsychologie ist die Arbeiterpsychologie. Menschen, die jahraus jahrein dieselbe ungeistige Arbeit zu leisten haben, müssen das, was ihnen die Tätigkeit felber nicht bieten tann, neben der Tätigkeit finden. Schon die Arbeitsstätte tann freundlich gestaltet fein; daneben aber ist der Wert der Kunst in den Freistunden, der Mufit, auch das zum Sport erhobene Spiel, troß mancher Ueber­schäzungen, die dies heute auf Stoften anderer Gebiete erfährt, schr hoch anzuschlagen. Ueberhaupt alles, was Aftivität schafft. auch die Bedeutung der Erkenntnis; der Erkenntnis der eigenen Arbeit, dann aber auch der Naturerkenntnis, die sich mit dem Natur­genuß verbindet. Als die beiden höchsten geistigen Werte aber er­flärte der Vortragende einmal Moral und damit verbunden Ethik, dann Weltanschauung und Glaube. Der Vortrag, der, wie Profesor von Harnad betonte, nicht erschöpfend sein konnte, war gewiß dankenswert in der Aufzeigung der Mittel zur Entmechanisierung der Arbeit und des Arbeiters wenn auch das schwierigste Broblem, wie die Wege, die zu diesen Mitteln führen, au finden feien, in der 63. Hauptsache unerörtert blieb.

Daher

Bollsmaler" Rjepin. Der berühmte ruffifche Maler Ilja Rjepin  , der zurzeit in Finnland   wohnt, sollte von der ruffischen Alademie der Künste den Ehrentitel eines Bollemalers" erhalten. Die Sowjetregierung hat jedoch ihre Zustimmung verweigert, da der Maler nach ihrer Meinung als Bourgeois verdächtig ist. Daraufhin hat Rjepin in einigen russischen Zeitungen einen Brief veröffent­licht, in dem es u. a. heißt: Die Verweigerung des Titels eines Vollsmalers fommt so spät, daß es gar nicht lohnt, sich darüber auf­zuregen. Ich habe mir nie etwas aus Auszeichnungen gemacht, um so mehr, als mein Bild Die Bolgaschiffer" mir die Anerkennung des gesamten russischen Publikums eingetragen hat. Das russische Bolf selbst hat mich schon durch seine Liebe zum Bolfskünstler ernannt. Wenn mich jeßt eine Partei nicht als Boltsmaler aner­fennen will, so bleibt sie in der Minderheit. Ich höre, daß der Titel eines Boltsmalers mit einer Ehrenpension von 300 Rubel verbunden ist. Da die Sowjetregierung aber sehr arm ist, hätte ich diese Bension von ihr ohnedies nicht angenommen und sie an die ver­wahrlosten Kinder abgetreten."

Doftojewski- Abend der Boltsbühne. Alfred Belerle, der für ben Dofto. jewski- Abend der Volksbühne im Bürgerfaal des Rathau'es am Freitag, bem 29., abends 8 Uhr, verpflichtet war, ist erfranft und mußte fich in ärzt liche Behandlung begeben. An seiner Stelle wird Erwin Kalser   von der Boltsüühne aus Dostojewstis Werken vorlesen.

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Kurt Schwilters, der Merzmaler und Dichter der Anna Blume", lieft am 31., nachmittags 5 Uhr, in der Kunstausstellung Der Sturm Potsdamer Str. 134 a, neue Grotesken und Märchen zum Tee aus Anlaß der Eröffnung seiner Bilderausstellung. Holds aid cha

Wieviel fatholische Priester gibt es? Nach dem Klerusblatt" beträgt die Gesamtzahl der fatholischen Priester auf der ganzen Erde 312 000.

Davon entfallen 200 324 auf Europa  . In Dzeanien fommt 1 Briefter auf 800 Satholifen, in Afrifa auf 400, in China   auf 800, in Indien   auf 860, in Japan   auf 880.