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die Zahl von 211 328 Personen. Allein der englische   Berg­arbeiterstreit, der namentlich die polnische Kohlemausfuhr fo fehr in die Höhe getrieben hat, geht wohl in absehbarer Zeit seinem Ende entgegen und dann wird die Volkswirtschaft Bolens auf die ernste Probe gestellt werden, ob sie aus eigenen Kräften die eingetretene Besserung auch weiter wird auf rechterhalten fönnen.

In sozialer Beziehung aber drängt sich bei diesem Steuer­soll, das auf einem zehnprozentigen Zuschlag zu den bis herigen Steuern beruht, umwillkürlich der Widerspruch auf, in dem es zu dem erst vor furzem veröffentlichten Finanz­programm der Regierung steht, in dem es heißt: Fachleute sind sich darüber einig, daß allzu hohe Steuersäge zu unserem Ziele( der Steuervereinfachung) nicht führen. Im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, daß mäßigere Steuersätze eher zum Biele führen. Ohne die Bevölkerung mehr als bisher zu belasten, fönnen wir vergrößerte Einnahmen durch eine logischere Besteuerung erzielen." Wollte aber die Regierung darauf hinweisen, daß indirekte Steuern vor den anderen Formen der Besteuerung im polnischen Staatsbudget zurücktreten( Boranschlag 1926: indirette Steuern 98 Millionen Zloty, direkte 98 Millionen, Zölle 270 Millionen, Stempel­fteuer 100 Millionen, Vermögenssteuer 300 millionen Bloty), fo müßte ganz abgesehen davon, daß die Zölle eine Art indirekter Besteuerung darstellen auf die volkswirt schaftliche Bedeutung, nämlich die warenverteuernde Wirkung der erhöhten Steuern hingewiesen werden, die abermals im Widerspruch steht mit der kategorischen Erklärung Czechowicz in jenem Finanzprogramm: Entscheidend für die Erreichung normaler Berhältniffe ift die Preisfrage. Denn Preis: steigerungen machen die Erreichung eines Budgetausgleichs unmöglich, bedrohen die Aktivität der Zahlungsbilanz und bilden eine Gefahr für den Balutakurs!"

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Alles in allem ein elendes Herumgehen um die Haupt­sache, die doch darin besteht, daß man erst ein durch das Militärreffort ungeheuer aufgeblasenes, die Bolkswirtschaft belastendes Budget aufstellt und hinterher nach bedenklichen Mitteln sucht, um es zu verwirklichen. Hier wird es zu schweren parlamentarischen Kämpfen fommen. Bei dem heutigen labilen Kräfteverhältnis ist ihr Ausgang unabsehbar.

Das Parlament soll stramm stehen. Pilsudski   verlangt, daß der Sejm   ihn stehend anhört. Warschau  , 30. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Am Freitag ist zwischen der Regierung und dem Sejm   ein scharfer Konflikt ist zwischen der Regierung und dem Sejm   ein scharfer Konflikt entstanden. In einer Unterredung verlangte Bilsudski von dem Sejm  - Marschall  , daß die Abgeordneten die Berlesung des Defretes des Staatspräsidenten, das die neue Gejm- Seffion eröffnet, stehend anzuhören. Dem Sejm  - Marschall wäre es wahrscheinlich gelungen, die Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten und der flamischen Minderheiten, zu diesem Höflichkeitsaft zu bewegen, wenn nicht das Pilsudsti- Organ in einem heftigen Leitartikel aus dieser Angelegen­heit eine Staatsfrage gemacht und im Falle der Ablehnung mit Konsequenzen seitens der Regierung gedreht hätte. Daraufhin haben die Parteien sämtlich beschlossen, den Wünschen der Re­gierung nicht nachzukommen. Als dieser Sachverhalt am Abend bekannt wurde, berief Pilsudski   eine außerordentliche Sigung des Ministerrates ein. Die Regierung beabsichtigt auf ihrer Forderung zu beharren. Sollte auch der heute vormittag zusammentretende Aeltestenrat des Sejm en Entgegenkommen ablehnen, dann besteht für Pilsudski   vorläufig nur der einzige Ausweg zu einer Beilegung des Konfliktes, indem er das Defret des Staatspräsidenten in der Bresse veröffentlichen läßt. Damit dürfte sich die Verlesung im Sejm   erübrigen. Es hat aber den Anschein, daß Pilsudski   von diesem Ausweg feinen Gebrauch zu machen gedenkt, sondern be­absichtigt, den Sejm nicht zu eröffnen, falls er seine Wünsche richt erfüllt, obwohl die Verfassung eine Eröffnung des Sejm   vor dem 1. November vorschreibt.

Die Frattion der PPS. sprach sich am Freitag ent­schieden gegen die Erhebung von den Szen aus.

Schönlank an Engels.

Schon mit dem Beginn der achtziger Jahre des ver: flossenen Jahrhunderts arbeitete fich Bruno Schönlant in die Ideengänge der Marr- Engelschen Theorie hinein. Sein Feldzug gegen den Genossen C. A. Schramm, den sozialdemo­fratischen, nationalökonomischen Theoretifer" der vor- aus­

nahmegesetzlichen Beit, bewies, wie glänzend er die aus dem wissenschaftlichen Arsenal von Marg und Engels ent­nommenen Waffen handhabte. Mit Engels selbst trat Schönlant im Jahre 1885 in Berbindung, als er feinen gemaßregelten Bruder an diesen sozialistischen   Altmeister empfahl. Im Jahre 1887 bat er dann Engels die Widmung seines Buches: Die Fürther   Quedsilberbelege und ihre Arbeiter" anzunehmen. Dieser sehr charat­teristische Brief, der sich im Besiz des sozialdemokratischen Archips befindet, hat folgenden Wortlaut:

Nürnberg  , 20. August 1887. Werter Genosse! Ich wende mich an Sie mit einer Bitte, um deren Erfüllung ich Sie dringend ersuche. Demnächst erscheint bei Gen. Dieß eine größere Schrift von mir: Die Fürther   Quecksilber belege und ihre Arbeiter". Es ist eine wirtschaftspolitische Unter fuchung, in der ich auf Grund von Quellenstudien und Enqueten die Entwidlung der Spiegelbelegindustrie und die wirtschaftlich- soziale Situation ihrer Arbeiter eingehend darstelle. Ich treibe darin etwas mitroffopie, indem ich an einem tonkreten Beispiel auf begrenztem Beobachtungsfeld den Kapitalismus an der Arbeit zeige. Was ich berichte, ist geschöpft aus offiziellen Quellen, aus den Archiven, aus ärztlichen Mitteilungen und eigenen Beobachtungen.

Die Zeitschrift Deutsche Republie".

Ein Begrüßungsschreiben des Reichskanzlers. Das erste Heft der von Dr. Josef Birth, Dr. Haas und Genossen Paul Löbe   herausgegebenen Zeitschrift Deutsche Republit" ist erschienen. Es ist dem Andenken des ersten Reichspräsidenten Ebert   gewidmet und mit seinem Bild geschmückt. In einem Brief des Reichstanzlers Marr zur Begrüßung des neuen Unternehmens heißt es:

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Ich beglückwünsche Sie von ganzem Herzen zu diesem verdienst. vollen Unternehmen. Ich bin mit Ihnen überzeugt, daß sich das deutsche   Bolt nur dann politisch weiter günstig entwickeln, nur dann feine hohen Aufgaben im Kreise der übrigen europäischen   Völker erfüllen fann, wenn seine Politit von dem Idealismus erfüllt bleibt, den es selbst seit Jahrhunderten in sich trägt dem Idealismus des Friedens, dem Idealismus der Arbeit und des sozialen Fortschritts mit anderen Worten: die deutsche   Politit muß durch das deutsche   Volt geführt, fie muß republikanisch und demokratisch sein... Ich weiß nur zu gut, daß die Politik der letzten sieben Jahre noch lange nicht alles erfüllen konnte, was das Weimarer Verfassungswert verhieß; die Gegenträfte im Gerade die außenpolitische In- und Ausland waren zu ſtart. Situation stellte so hohe Ansprüche an die der Republik   zur Ver­fügung stehenden verantwortungsbereiten Kräfte, daß die sozial­wirtschaftlichen und fulturellen Aufgaben zu furz fommen mußten. Heute haben wir eine große, an politischen Opfern reiche Etappe der Parole Durch Arbeit zur Freiheit" eingeleitet hatten. Heute deutscher   Befreiung hinter uns, die Sie einst selbst so mutvoll mit wissen wir auch, wie wertvoll der Zuwachs an innerer Elastizität und Ausgeschlossenheit, den uns die neue Staatsform brachte, für die Beendigung dieses schwierigen

Werkes war.

Das erste Heft enthält außer dem bereits von uns wieder­gegebenen Auffah Scheidemanns auch Beiträge von Birth, Haas, Hermann Müller  , Hermann Wendel  , Dr. Carl Sonnenschein, Julius Hirsch  , Frizz Naphtali u. a.

Die Mecklenburger Blamage. Der Reinfall des deutschnationalen Finanzministers. In Mecklenburg   haben die Enthüllungen des neugewählten Finanzministers, unseres Genossen Asch, über die sträfliche Ber­fäumnis feines Amtsvorgängers, des deutschnationalen Herrn v. Dergen, das größte Aufsehen erregt. Die ganze Rechte ist in Aufrühr gebracht. Durch den Anschlag der Landtagsverhandlungen in allen Orten des Landes ist auch der Boykott der deutschnationalen Bresse gegenüber diesen Enthüllungen gebrochen. Jetzt rückt felbft die Bolts partei von ihren früheren Bundesgenossen ab. In der Nationalliberalen Korrespondenz" schreibt der frühere volksparteiliche Staatsminister Dr. Stammer über Sturmtage im Mecklenburg­Schweriner Landtag". Er schildert die Entstehung des Konfliktes und fährt dann fort:

Eine weitere Klärung der Dinge ist allerdings im Interesse aller Beteiligten und der gesamten Deffentlichkeit durchaus er­münscht. Zwei Fragen, die sich jedem aufdrängen, bedürfen der Klärung. Warum hat der frühere Finanzminister nicht, ehe er sein Amt niederlegte, dem Landtage davon Kenntnis gegeben, daß er die Anmeldung der Ansprüche Mecklenburgs beim Reiche eingeleitet und für eine nicht unerheb. liche Einnahme Borsorge getroffen habe? Warum hat er nicht von vornherein der neuen Linksmehrheit gesagt, daß sie in der glücklichen Lage sei, zu ernten, was er gefät, zu erben, was er gesammelt habe? Und daneben die andere Frage, die sich ebenso zwangsläufig aus den Dingen ergibt. Warum hat Dr. ven Dertzen nicht, als die Linksregierung im Hauptausschuß ihre steuerpolitischen Pläne entwidelte, feinen Nachfolger auf die zu erwartenden Mehreinnahmen hingewie. fen? Auf Grund des Haushaltsgefeßes hätte die Höhe der Landessteuerr, die sich nach dem Bedarf richten und Repartitions­steuern sind, dadurch wesentlich herabgesezt werden müssen."

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Also auch im voltsparteilichen Bager hat man offenbar eingesehen, daß die Bettgenossenschaft mit den Deutschnatio nalen dem Lande nicht gut bekommen ist.

stizziere ich eine Geschichte des Spiegelbelegs und der Fürther  Spiegelindustrie, im zweiten Abschnitt gebe ich eine aftenmäßige Darstellung des Kampfes der Fürther   Aerzte für Schutz gegen den Mercurialismus der Beleger und der kläglichen Bourgeoispolitif, im dritten schildere ich eingehend die Arbeitsweise, die Arbeitsstätte, die Lohn- und Lebensverhältnisse der Beleger, im vierten entrolle ich auf Grund offizieller ärztlicher Daten ein Bild von der chemischen abschnitt weist furz die Notwendigkeit der Beseitigung des Qued. Quecksilbervergiftung der Arbeiter in den Belegen, der Schluß­

filberbelegs nach.

Ich wiederhole nochmals meine Bitte, daß Sie freundlichst die Widmung annehmen mögen, und zeichne hochachtungsvoll als 3hr

ergebener

Bruno Schönlant.

Die Sintflut."

Und zum Schlusse Die Sintflut". Die hebräischen Schauspieler im Theater am Nollendorfplatz führen aber nicht das biblische Mysterium auf, sondern ein modernes Stüd des Standinaven Henning Berger. Wir fahen eine Komödie, die Grauen und Lächerlichkeit durcheinanderwirft. In einem ver lorenen Wirtshaus glauben die Menschen, daß fie vom Hochwasser perschlungen werden müßten. Solange der Tod über ihnen schwebt, find sie gut und voller Nächstenliebe. Denn sie fürchten sich vor dem Jenseits und wollen bei der großen Abrechnung im Himmel eine gute Note erhalten. Da sich die Gefahr von ihnen wendet und es flar wird, daß sie gerettet find, leben die Menschen weiter in ihrer Habsucht und Selbstfucht, mit ihren kleinen Eitelkeiten und Nichtig feiten, d. h.: wir sind alle, ob wir nun Künstler oder Denter oder Dirnen sind, viel winziger als das Schickfal, das auf uns laftet. Dieses Stück von Henning Berger verlangt schauspielerische Charakte= ristiker, die typisch und grotesk auf der Bühne stehen. Die hebräi­schen Schauspieler übertreiben noch das Typische des Dramas, aller­dings nur in Maske und Bewegung. Sie tönnen sich mit ihrem Körper verwandeln. Zu solcher Kunstfertigkeit wurden fie ja in jahrelanger Bucht dressiert. Aber das Wort, das sie dann reden follen, und das die Geheimnisse ihres Inneren verrät, fommt immer schlechte Redner diese hebräischen Komödianten find, wie sie auch im modernen Sprechstück der Deklamation verfallen. Aber die Szenen des Aufeinanderprallens, die alten volkstümlichen Rüpel. und Prügelszenen, mit einem Wort der Radau, das gelingt ihnen vor­züglich.

Daß ich auf dem Boden der kommunistischen   Weltanschauung stehe und von dieser aus fritifiere, brauche ich wohl faum weitläufig auseinanderzusetzen. Ich bin stolz darauf, aus Ihren und aus Mart' Schriften die sozialistische Auffaffung geftockend und pathetisch aus ihrem Munde. Erstaunlich ist, wie wonnen zu haben, ohne welche eine Kritik der ökonomischen Zustände umnöglich ist. Und Ihnen will ich meine Schrift widmen, wenn Sie damit einverstanden sind, Ihnen, dem Begründer der descriptiven( beschreibenden) Nationalötonomie. In Deutschland  haben bis jetzt bloß bürgerliche Defonomen, wie Thun  , Braf, Schnapper- Arendt, E. Sag auf dem Gebiete der Wirtschaftsgeschichte nach Ihnen gearbeitet. Ich bin der erste sozialdemokratische Autor, der ein Stück deutscher   Wirtschaftsgeschichte behandelt. Darum ist es m. E. richtig, wenn ich Sie um die Erlaubnis ersuche, Ihnen dies Buch widmen zu dürfen.

Freund Kautsky   ist in der Lage, Ihnen über dasselbe Näheres mitteilen zu können. Er hat den 1. Entwurf in Händen gehabt und aus einigen Rapiteln für die N. 3t." Auszüge gemacht und veröffentlicht. Die Schrift zerfällt in fünf Abschnitte. Im ersten

Jetzt haben die hebräischen Schauspieler ihr Gastspiel vollendet. Gie nennen ihr Theater ,,) a bima", das bedeutet zu Deutsch  : ,, Die Stanzel". Sie fühlen fich also als Brediger, die in priesterlicher Haltung dazustehen haben. Auch das Theater ist ihnen ein Bet­haus, in dem sie ihre Frömmigkeit fundgeben möchten. Es geschah, daß sie sich der göttlichen Berufung erfreuten, es geschah aber auch, daß fie in ihrem Gottesdienst erstarrten. Sie eigneten sich ein be sonderes schauspielerisches Zermoniell an, das oft priesterlich und pompös wirfte. Aber die Unbefangenheit und Rührigkeit ging ihnen bei allebem verloren. Sie redeten nicht mit der Stimme ihres all täglichen Herzens, sondern wie Kirchenfänger, die Psalmen vor­

Die sozialistische Vierländerkonferenz.

Allseitige Zusagen.

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Noch kein bestimmter Termin. Nachdem, wie wir bereits meldeten, die englische Arbeiter­partei ihre Beteiligung an einer internationalen Konferenz der sozia­ listischen   Parteien Belgiens  , Deutschlands  , Englands und Frankreichs  zugesagt hat, ist das Zustandekommen diefer Konferenz gesichert. Es handelt sich um eine von der deutschen   Sozialdemokratie aus­gegangene Anregung, angesichts der durch die Besprechung von Thoiry angebahnten deutsch  - französischen Annäherung und der im Berlauf der weiteren Berhandlungen unvermeidlich zu erwartenden Schwierigkeiten politischer und finanzieller Art eine gemein­same Linie der hauptbeteiligten sozialistischen Parteien fest­zulegen, wie das schon in früheren Jahren, insbesondere auf der Trantfurter Fünfländerfonferenz vom Februar 1922, mit Erfolg geschehen ist. Als Ort der Konferenz ist, wie bereits erwähnt, die Stadt Luxemburg   in Aussicht genommen. Der Termin steht zwar noch nicht endgültig feft, doch dürfte die Tagung wahrschein­lich bereits in der ersten Novemberhälfte stattfinden. Es ist nicht unsere Art, über Dinge, die noch nicht gereift sind, uns lang und breit auszulassen. Aus diesem Grunde hatten wir die Reise nicht erwähnt, die die Genossen Otto Wels   und Ru= dolf Breitscheid vor mehr als vierzehn Tagen nach Genf  und Paris   unternommen haben, um mit den maßgebenden französischen und belgischen Genossen die Idee einer sozialistischen  Bierländerkonferenz zu besprechen.

Seit einigen Tagen tut sich nun die" Rote Fahne" wichtig

und fragt jeden Morgen, was Wels und Breitſcheid in Paris   machen

und warum der Vorwärts" darüber nichts mitteile. Antwort: Wels

"

und Breitscheid machen" gar nichts in Paris  , denn Wels ist bereits leit zehn Tagen und Breitscheid seit sechs Tagen wieder in

Berlin  .

Was sie gemacht haben? Antwort: Siehe oben.

Warum wir nichts darüber gebracht haben? Antwort: Um der

fommunistischen Bresse Gelegenheit zu geben, zu fchwagen und fich gehörig zu blamieren.

Beispiel: Am Freitag meldete die Rote Fahne" nach der Bariser Humanité", daß Botschafter von Hoesch sich bei der Wilhelmstraße darüber beschwert hätte, daß Breitscheid   auf cigene Faust mit Briand   verhandelt und die offiziellen deutschen  . Berhandlungen damit durchkreuzt hätte. Am Sonnabend völliger Szenenwechsel: Immer nach der Humanité" teilt die Rote Fahne" mit, daß Breitscheid   mit Briand   auf Grund genauer Anweisungen, die er vom Deutschen Auswärtigen Amt, von Stresemann  , erhalten hat," unterhandelt hätte.

Also gestern war Breitscheid   ein Agent Briands, über den sich die deutsche   Diplomatie beschwerte heute ist er ein Agent Stresemanns, nach dessen genauen Anweisungen" er ver handele. Und dieses Gegader soll man noch ernst nehmen?

Nationalratstagung der französischen   Partei

Eine wichtige Tagesordnung.

Paris  , 30. Oktober.  ( WTB.) Der Nationalrat  ( Bartcia ausschuß) der Sozialistischen Partei tritt morgen hier zu einer regelmäßigen Jahrestagung zusammen. Auf der Tagesord nung stehen außer Berwaltungsfragen die Frage der Wiederheraus­gabe einer Tageszeitung in Paris  , der Fall Paul Bon­ cour   und die Einstellung der Partei bei den kommenden Senats­mahlen. Für die Verhandlungen find zwei Tage vorgesehen.

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß im Verlauf des Parteitages in Clermont- Ferrand   der rechtsstehende Flügel unter Führung des Abgeordneten Renaudel beschlossen hat, bis auf weiteres an den Berhandlungen der Parteiorganisationen nicht teilzunehmen. Die Anhänger diefer Richtung werden heute abend in Paris   zusammentreten, um zu beschließen, ob sie diese Stellungnahme beibehalten oder an den Verhandlungen des Na­tionalrats teilnehmen werden.( Diese Schlußbemerkung ist un­richtig: An den Verhandlungen des Nationalrats hat der rechte Flügel immer teilgenommen. Es handelt sich für Renaudel und seine Freunde lediglich darum, ob sie die ihnen im Partei­vorstand zustehenden Bläge wieder einnehmen sollen. Es ist ziemlich sicher, daß sie das beschließen werden. Red. d. Borw.".)

tragen. Sie beschwerten stets ihre Zunge mit solcher Synagogen­Getragenheit. Wir bewunderten sie als Sänger von heiligen Menschen, wir konnten sie aber nicht bewundern als Darsteller von Menschenherzen. Darum blieben, die Schauspieler der Habima uns enthüllten, in aller Berfahrenheit unserer Zeit schwelgenden mich fremd. Bir tamen ihnen nur so nahe, wie mir den Mert­würdigkeiten im Museum der erotischen Bölter nahekommen.

M. H.

Rolf Gärtners will jeden Monat einmal in jedem Arbeiter­

Theater der Masse. Das Theater der Masse unter der Leitung viertel eine dem Fühlen und Denken des Arbeiters entsprechende gab es am Freitag im Orpheum" seinen ersten Kunst- und künstlerische Veranstaltung geben". Unter dem Leitwort Kampf" Werbeabend. Wie leider konstatiert werden ntuß, unter feinem glücklichen Stern. Das Programm war unglücklich zusammengestellt. Eva Solberg fang mit gutem Stimmaterial Kampflieder und eine Arie aus Tosta". Rolf Gärtner sprach nach einem einleitenden Werbevortrag, der sich auch scharf gegen das Schund- und Schmutz­gefeß wandte, mit viel Hingabe revolutionäre Gedichte von Kanehl und Theobald Tiger  . Antonie von Fritsch las wirtungsvoll den Hungerstreit Ale Marions und revolutionäre Gedichte. Der erfte Teil des Abends endete mit einem Dunst der Internationale, einer Geschmacklofigkeit, die ein Teil der nicht allzu vielen Anwesen­ben richtig mit dem Mitsingen der Internationale bie beiden Sänger fangen tapfer weiter beantwortete, während andere Beit­genoffen durch ein wüftes Pfeifen und Lärmen protestieren zu müssen meinten. Die Bühne ward zum Tribunal, Bom Deutschen   Arbeiter. theaterbund stürzte ein fommunistischer Jüngling vor, der energisch gegen das Theater der Masse" protestierte. Rolf Gärtner beffagte sich darauf bitter, daß er von bestimmiter Seite" wegen Mitwirkung eines Trommel- und Pfeifertorps bis zum letzten Augenblick hin­gehalten und zum Schluß sabotiert worden sei. Zwischenrufe! Lärmende Zustimmung und Opposition! Nach einer langen Bause erschien endlich der Chor Rosebery d'Argutos" und rettete durch Jeine ergreifenden Kampfgefänge halbwegs die Situation, so daß auch wieder Roif Gärtner und Fritsch ein aufmerksames Ohr fanden.

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Bur Sache selbst mag bemertt werden, daß ein Theater der Maffe" eine sehr verdienstliche Angelegenheit wäre, doch muß dann auch der Rhythmus und das Empfinden der Maffe durch sie selbst gestaltet werden. Man tut am besten, sich den ersten Abend weg. zudenken und dem zweifellos sabotierten Rolf Gärtner die Möglich feit zu geben, mit Maffen zu beweisen, was er, der Masse geben fann. B. Sch.

Dostojewski  - Abend der Boltsbühne. Im Rathausfaal las für den erfranften Alfred Baterie Dr. Ermin Kalfer, Dostojewski  start gestaltend, erschreckend miterlebend, sogar bisweilen in der Mimif. Den Bekenntnissen des einen Karamafoff, des Durch schnittsmenschen, Ruffen, Offiziers, die nur darum fo erschütternb wirken, weil jede Seelenregung bis in ihre Wurzel hinein bloßgelegt wird, folgte die Beichte aus dem" Dämon". Hier ist dem Vortrag eigentlich eine Grenze gefeßt. Dostojewsti offenbart seine grauen­volle Kenntnis vom Menschen, ber ein Verbrecher ist, weil Bufälle unerwägbar oft den Anstoß gaben, daß er das, was ihm als flüchtiger Gedante durch den Stopf scheß, zur Ausführung brachte. Jeder Satz padt, quält, zieht Parallelen zum normalen" Leben in

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