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Abendausgabe

Nr. 52743. Jahrgang Ausgabe B Nr. 261

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10 Pfentig

8. November 1926

Vorwärts=

Berliner   Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Dem Gedenken Robert Dißmanns.

Die Trauerfeier in Stuttgart  .

Stuttgart  , 8. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag murde die Beisetzung des Genossen Dißmann vollzogen. Unzählige Beileibstundgebungen waren in den letzten Tagen bei dem Hauptvorstand des Metallarbeiterverbandes eingelaufen. Delegationen aus fast allen Staaten des Erdenrunds hatten sich eingefunden, um dem Führer der Metallarbeiter das letzte Geleit zu geben. Zahlreiche Kranzspenden zeugten von der Verehrung für den toten Kampf­genoffen. Die Stadt stand unter dem Bann der Trauerfeier.

Die Kundgebung begann um 10 Uhr in Siegle- haus.

Parteivorstand und Reichstagsfraktion senden ihrem Mitarbeiter die legten Grüße. Genosse Crispien spricht: Was Dißmann start gemacht hat, war sein unerschütterlicher Glaube an die Maffen. Wie wenige hatte er erkannt, daß Partei und Gewerkschaften sich ergänzen müssen. Was die Arbeiterbewegung aus Dißmann gemacht hat, hat er ihr mit 3ins und Zinseszins zurückgegeben.

Krisenfürsorge.

Acnderungen in der Fürsorge für die Ausgesteuerten.

Der Haushaltungsausschuß des Reichs= tages hat den Beschluß des Sozialen Ausschusses, die Be­zugsdauer in der Erwerbslosenfürsorge zu verlängern und damit die ausgesteuerten Erwerbslosen in die Erwerbslosen­fürsorge zurückzuführen, abgelehnt. Nach den Beschlüssen des Haushaltungsausschusses soll die Reichsregierung unver­üglich eine Gesetzesvorlage einbringen, die in Form einer besonderen Krisenfürsorge die Unterstützung der Ausgesteuerten regeln soll.

Die heimischen und auswärtigen Vertreter der Gewerkschaften und der stehen. Leidenschaftlich und rücksichtslos, so führt er aus, war Diß vollste Lösung einer Fürsorge für die Ausgesteuerten; sie be

Partei füllten Schulter an Schulfer den schwarz verhängten Saal. In schwarzem Sarg lag auf der Empore der verstorbene Führer und Gefährte. Fahnenabordnungen der Sozialdemokratischen Partei, der Gewerkschaften und des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold flankierten

den Katafalt. Ein Trauermarsch, gespielt vom Philharmonischen Or­chester, ein Trauerchor des Freien Volfschors und Genosse Brandes vom Vorstand des Deutschen Metallarbeiterverbandes hält die Gedächt nisrede. Noch einmal führt er die Größe des Verstorbenen, der ihm ein guter Freund war, der Versammlung vor Augen. Er rühmt den uner­müdlichen Fleiß, den Arbeitswillen, das Organisationstalent und die Treue des Toten, auf den die Kampfgefährten tros mancher Meinungs­verschiedenheiten mit Bewunderung blidten. Wochenlang hatte Diß mann die Nächte im Zuge verbracht in rastloser Arbeit für den Auf­stieg seiner Arbeitsbrüder, wie sein Leben überhaupt in den letzten Jahren ebenso aufreibend wie aufopfernd war. Aus Hunderten von Rundgebungen, so schließt der Redner, kommt der Schmerz über den Tod Dißmanns zum Ausdruck. Viele können es nicht faffen, daß Robert Dißmann   nicht mehr ist.

Genoffe Lei part tritt vor im Namen des ADGB  . Er begrüßt den Toten im Namen der Millionen, die in der Arbeiterbewegung manns Rampf. Mitunter auch den Kameraden gegenüber. Stets aber mußte man den ehrlichen, den unerschrockenen und namentlich den umeigennützigen Kämpfer in ihm achten und verehren. Wie der ADGB  . so steht der IGB. trauernd an seiner Bahre.

Redner folgt auf Redner. Für den Zentralverband der Ange stellten spricht Aufhäuser, Reichstagsabgeordneter Schmidt für das Präsidium des Reichstages, Quindt für den Frankfurter  Wahlkreis Dißmanns, Klüger für den Landesvorstand der Sozial­demokratischen Partei Württembergs, Spiegel für die Ortsver­waltung Bielefeld   des Deutschen   Metallarbeiterverbandes und Bromly- London für die englischen Metallarbeiter. Dann der Chor Das stille Tal" und die Trauerfeier im fleineren Kreis hat ihr Ende erreicht.

Inzwischen haben sich die Stuttgarter   Arbeiter zum Trauerzug in den benachbarten Straßen versammelt. Eine Menschen menge fäumt die Straßenzüge, durch die der Zug, von den Stutt­ garter   Metallarbeitern geführt, seinen Weg nach dem Brag- Friedhof Genosse Ilg, der Sekretär des Internationalen Metallarbeiternimmt. Hier geben dem Toten noch einmal Tausende das Geleit bundes, nimmt das Wort. Dißmann, dem großen Streiter der Inter­nationale, gilt sein Gedenken. Oft wird Dißmann fehlen, so ruft er aus, man wird ihn vermissen, aber nie vergessen. Millionen Metall­arbeiter aller Länder werden heute Abschied von ihm nehmen. Sein Herz hat ausgeschlagen, aber in den Massen schlägt es fort.

Der Garibaldi- Skandal. Auch der Attentäter" Lucetti von ihm geworben! Die Affäre Garibaldi zieht immer weitere Kreise. Jetzt hat fich herausgestellt, daß dieser Spikel Mussolinis in Berbindung mit jenem ffentäter" Lucetti gestanden hat, der vor einigen Mo­naten eine Bombe auf Muffolinis Wagen geworfen hatte, welche auf­fallend wenig Schaden angerichtet hatte. Offenbar war Lucetti im Auftrage Mussolinis selbst von Garibaldi   angeworben worden, um einen Anschlag mit einer ungefährlichen Bombe aus zuführen. Schon dieser Anschlag" hatte den Faschiffen den Vorwand geboten, nicht nur Repressalien gegen die Opposition zu ergreifen, fondern auch, da Lucetti aus Frankreich   gelommen war, gegen Frank­ reich   zu hetzen und die Auslieferung aller antifaschistischen Emi­granten aus Frankreich   zu verlangen, was übrigens von der fran­zöfifchen Regierung kategorijch abgelehnt worden war.

In einem äußerst gewundenen italienischen Kommuniqué wird die übrigens gar nicht zu leugnende Tatsache, daß der Polizeibeamte Lapolla in Beziehungen zu Ricciotti Garibaldi   gestanden habe, zu gegeben. Die Art dieser Beziehungen und ihr eigentlicher 3wed werden natürlich mit Stillschweigen übergangen. In Frankreich   wächst die Erregung über den Mussolini­Garibaldi- Standal begreiflicherweise immer mehr. Es sind bereits mehrere Interpellationen eingebracht worden, die zu Beginn der bevorstehenden Kammerfession zur Beratung gelangen dürften. Im Zusammenhange mit dem Attentat" von Bologna  werden immer neue Verhaftungen vorgenommen.

Polizeispitzel- Kirchenräuber. Paris  , 8. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag vormittag fand die Gegenüberstellung des Obersten Garibaldi und feines älteren, aus Amerifa zurückgekehrten Bruders, des Generals Sante Garabaldi, statt. Dabei soll sich Ricciotto seinem Bruder zu Füßen geworfen und erklärt haben: Ich habe zwar Geld ge­nommen, aber ich habe niemals meine Brüder verraten, ich habe unentwegt der greßen Sache gedient." Im Laufe der Ver­nehmung soll Garibaldi   das Geständnis abgelegt haben, von der un­längst geplanten Beraubung der Kirche Notre Dame   in Baris gewußt zu haben.

Sacco- Vanzetti.

Erfolgsaussichten des Weltprotested.

bis an die Pforten des Krematoriums. Der Sarg verschwindet unter einem Berg von Kränzen. Ein Lied, einige furze Abschiedsworte der Genoffen Heise vom Hauptvorstand und Quindt aus Frankfurt  , die Fahnen neigen fich und langsam unter Orgelflängen versinkt der Sarg im Dunkel.

Das Folkething aufgelöst.

Welcher Weg endgültig zu beschreiten ist, wird das Plenum des Reichstages zu entscheiden haben. Die Berlängerung der Bezugsdauer für die zweek­fozialdemokratische Reichstagsfraktion hält nach wie vor die findet sich darin in Uebereinstimmung mit allen Gemeri fchaftsrichtungen und dem Deutschen Städte= ta g. Es zeigt sich auch hier, daß die Sozialdemokratie die mirtliche politische Interessenvertreung aller Arbeiter und An­gestellten ist. Obwohl namhafte Führer der christlichen Ge= werkschaften dem Zentrum angehören, gelingt es diesen nicht, ihre Partei für eine so selbstverständliche Forderung, wie es die Verlängerung der Bezugsdauer ist, zu gewinnen und damit eine parlamentarische Mehrheit zu schaffen. Das muß mit allem Nachdruck den in diesen Gewerkschaften organisier­ten Arbeitern und Angestellten gesagt werden, weil ein solcher politischer Anschauungsunterricht auf die Dauer nicht ohne Nutzen sein kann.

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Entscheidet sich auch das Plenum des Reichstags für eine besondere Krisenfürsorge, so wird es die Aufgabe der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sein, diese Krisen­fürsorge so zu gestalten, daß sie ihrer Aufgabe in ausreichen­dem Maße gerecht wird.

Dank einer eindringlichen Kritik der Sozialdemokratie hat sich jetzt wenigstens die Mehrheit des Reichstages zu der Auffaffung befehren laffen, daß die llebertragung der Für­sorge der Ausgesteuerten auf die Wohlfahrtspflege ( Armenfürsorge) un haltbar ist. Das Reichsarbeits­ministerium hat selbst früher darauf hingewiesen, daß die öffentliche Fürsorge ihrem Zwecke nach eine Einrichtung zur Bekämpfung individueller Not ist und sie organisatorisch wie fachlich der Aufgabe einer Fürsorge für die Ausgesteuerten gar nicht gewachsen ist. Da es sich um vermittlungsfähige Arbeitskräfte handelt, muß auch ihre Fürsorge den öffentlichen Arbeitsnachweisen belassen bleiben.

Die Sozialdemokratie erzwingt Neuwahlen mit einem Ausgesteuerten die organisatorischen Einrichtungen der allge­Programm gegen die Arbeitslosigkeit. Kopenhagen  , 8. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Ein föniglicher Erlaß verfügt die Auflösung des Folfething am 1. Dezem­ber. Die Neuwahlen finden am 2. Dezember statt.

Kopenhagen  , 8. November.  ( Eigener Drahtbericht.) Wie er­wartet, führte im dänischen Reichstag die zweite Lesung des Krisen gefeßvorschlages zu einer neuen politischen Situation. Die radikale Benstre, mit deren Stimmen das sozialistische Kabinett über eine Mehrheit im Foltething verfügte, sträubte fich zwar bis zum legten Augenblick verzweifelt gegen eine Neuwahl, nahm aber ihre Aenderungsanträge nicht zurück, so daß die Haupt­punkte des Gesetzes gegen die Sozialdemokratie abgelehnt wurden. So wurden sämtliche Borschläge, nach denen die Regierung direkte 3uschüsse an die Industrie leisten konnte, abgelehnt. Bon den 23 Paragraphen des Gesezentwurfes fanden mur 10 eine Mehr heit. Ministerpräsident Stauning erklärte, daß das Kabinett unter diesen Umständen die Verantwortung für die Führung der Geschäfte nicht weiter tragen fönne.

Dem Korrespondenten des Soz. Pressedienstes" erklärte der Genesse Stauning folgendes: Die Verhandlungen über Stügung des Erwerbswesens Dänemarks  , wodurch der Arbeitslosigkeit ab­geholfen werden sollte, haben zu einer Sprengung der demo­fratischen Mehrheit im dänischen Reichstag, wie fie die Wahlen 1924 ergeben hatten, geführt, indem die radikale Venstre  in einzelnen Punkten gegen uns waren. Es muß deshalb an die Wähler appelliert werden. Das Ministerium erwartet von dem Bahlergebnis eine Stärkung der Partei. Die Sozialdemokratische Barte: steht fest und geschlossen hinter der Regierung. Es herricht im Lande Begeisterung für die sozialistische Politik und tiefster Miß mut gegenüber den Parteien, die wirksame Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit verhindert haben."

Aus dem Landtag.

Daraus ergibt sich, daß auch eine Krisenfürsorge für die meinen Erwerbslosenfürsorge beibehalten muß, sie muß aber auch ihre rechtlichen Grundlagen übernehmen. Dazu gehören insbesondere: die Voraussetzungen für den Unter­ftüßungsanspruch, die Höhe der Unterstützung und die Be­schwerdemöglichkeiten zur Geltendmachung der Ansprüche. So unzureichend diese sind, sie geben doch den Selbstverwaltungs­organen der öffentlichen Arbeitsnachweise ein bescheidenes Mitwirkungsrecht.

In welcher Form auch die Fürsorge der Ausgesteuerten geregelt wird, sowohl bei einer Verlängerung der Bezugs­dauer wie auch bei einer besonderen Krisenfürsorge muß felbstverständlich sein, daß allen Ausgesteuerten diese Neu­regelung zugute fommt. Es wäre verantwortungslos, in diese Fürsorge etwa nur die feit dem 1. Juli dieses Jahres Ausgesteuerten einzubeziehen. Ein solch äußeres Merkmal kann und darf nicht maßgebend sein für den Kreis derjenigen, die Anspruch auf diese Fürsorge haben. Liegen die allgemei­nen Voraussetzungen der Arbeitsfähigkeit und Arbeitswillig­feit vor und fann angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nach­gewiesen werden, dann muß für jeden Erwerbslosen, gleich­gültig, wie lange er erwerbslos ist, nach den Grundsägen der allgemeinen Erwerbslosenfürsorge gesorgt werden.

Es gehört ein besonderes Maß von Verständnislosigkeit dazu, wenn von der Regierung und den bürgerlichen Parteien in diesem Zusammenhange so häufig das aufreizende Wort Dom mangelnden Arbeitswillen gebraucht wird. Die arbeitslosen Arbeiter und Angestellten, es muß gegenüber solchen ungeheuerlichen Unterstellungen immer wieder gesagt werden, haben keinen dringenderen Wunsch, als wieder in Arbeit zu fommen. Es ist eine Ver­höhnung ihrer Leiden, immer wieder vom mangelnden Ar­beitswillen zu reden, der doch nur den Vorwand abgeben soll, die unzulängliche Unterstützung ganz zu entziehen. Die all­gemeine Erwerbslosenfürsorge enthält bereits viel zu weit­gehende Bestimmungen über die Prüfung des Arbeitswillens. Bor Eintritt in die Tagesordnung verlangte heute Abg. Bartels- daß jedes Mehr ein leberspannen des Bogens bedeuten Krefeld  ( Komm.) im Landtag, die sofortige Beratung eines würde. Bedürftigkeitsprüfung, Notstandsarbeiten, Pflicht­tommunistischen Urantrages, der auf die Veröffentlichungen der Berliner   Presse über den Inhalt der vom preußischen Innenminister arbeiten und nicht zuletzt die Vorschriften des§ 13 der Er­am Sonnabend angekündigten Dentfchrift wegen des Verwerbslosenfürsorge sind solche Möglichkeiten. Danach ist die bots ber Organisationen Wifing" und" Olympia  " Unterstüßung zu versagen oder zu entziehen, wenn der Er Bezug nimmt. werbslose sich weigert, eine nachgewiesene Arbeit anzunehmen, die auch außerhalb seines Berufs und Wohn­orts liegen darf und ihm nach seiner förper. lichen Beschaffenheit augemutet werden noch weiter erfinden will. tann. Man weiß wirklich nicht, was ein unsozialer Geist

"

Abg. Leinert( Soz.) bemerkt, daß es vollkommen genüge, daß der Minister angekündigt habe, dem Landtage werde die Dentschrift zugehen. Eine fofortige Behandlung erübrige fich daher. wird ber kommunistische Wunsch durch den Einspruch des Abg. Leinert Nach weiteren Ausführungen des Abg. Bartels Krefeld  ( Komm.) für erledigt erklärt.

New Yort, 8. November.  ( Meldung der Associated Preß  .) Gouverneur Fuller von Massachusetts versprach vor seiner Abreise nach Europa   den Herausgebern von dreißig fremdsprachigen Zeitungen, daß er ihr Ersuchen, um Entfernung des Richters Thayer wegen Verweigerung der Wiederaufnahme Das Haus verabschiedet dann ohne Debatte in allen Lesungen des Prozesses Sacco Banzetti forgfältig erwägen und der Schlußabstimmung einen Gefeßentwurf, wonach das Gebiet werde. Die Gesuchsteller behaupten, die fürzliche Entscheidung des früheren Gutsbezirks Saarow   unter Abtrennung vom Amts beruhe auf ein Vorurteil, nicht auf rechtlicher Ueberlegung. gericht in Storfow dem Amtsgericht in Beeskow   zugelegt wird.

Die Fürsorge der von der Erwerbslosenfürsorge Aus­gesteuerten muß sich auch auf jene erstrecken, die von der Wohlfahrtspflege nicht unterstützt werden, weil sie noch nicht so weit heruntergekommen sind, daß Hilfsbedürftigkeit im