Sinne der Armenfürsorge vorliegt. Nur solche dürfen doch nach den geltenden Bestimmungen von der Wohlfahrtspflege weiter unterstützt werden. Deshalb darf es auch nicht heißen, daß in die Krisenfürsorge nur solche Erwerbslose aufzunehmen sind, die 52 Wochen unterstützt wurden. Wir haben keine allgemeine Unterstügungsdauer von 52 Wochen, fondern nur von 39 Wochen. Ueber dieses zulässige Höchstmaß von 39 Wochen kann durch den öffentlichen Arbeitsnachweis nur ausnahmsweise zur Vermeidung unbilliger Härten hinausgegangen werden. Es liegt auf der Hand, daß all diesen Erwerbslosen ihre Hilfsbedürftigkeit im Sinne der Wohlfahrtspflege verneint wird, wenn sie nicht einmal bedürftig im Sinne dieser Bestimmungen der Erwerbslosenfürsorge waren. Das dürfte ein wesentlicher Grund mit dafür sein, daß die Zahlen über die von der Wohlfahrtspflege unterstügten Ausgesteuerten geringer sind wie das tatsächliche Heer der Ausgesteuerten. Der letzte Geschäftsbericht des Arbeitsamts Ludwigshafen bestätigt, daß man statistischen eine soziale Krise nur Es heißt
doch das Mißgeschick, daß sie ihrem Brotestartikel unmittelbar einen anderen Artikel voranstellt, in dem eine Revolu= tionserrungenschaft in den höchsten Tönen gepriesen wird.
Herr Baeder, der frühere Chefredakteur, jezige parlamentarische Mitarbeiter des Agararierorgans, ist in das Verhältniswahlsystem so verliebt, daß er seiner Reform, wie sie vom demokratischen Reichsinnenminister geplant wird, den schärfsten Widerstand entgegenseßt. Er weiß zwar nicht genau, wie die Reform des Herrn Külz aussieht, aber er will unter allen Umständen, daß auf diesem Gebiet alles so bleibt, wie es ist. Zunächst, so seht er auseinander, ist das Listenwahlsystem viel besser als das alte System der Einzelwahl freise:
Für jeden Kenner steht es fest, daß die Fühlungnahme zwischen den Abgeordneten und ihren Wählern heute im allgemeinen
Die Tirpitz- Methode.
Ein Erziehungsversuch an Tirpis.
Der ehemalige Botschafter in London , Lichnomiti, tichtet an Tirpitz einen Offenen Brief ", in dem es heißt:
Euer Exzellenz haben mir die Ehre erwiesen, einen unter dem 26. Dezember 1914 an Sie gerichteten vertraulichen Brief in Ihrem foeben erschienenen neuen Dokumentenwerke der Deffentlichkeit zu übergeben.
Ich habe nicht den geringsten Grund, meine damalige Ansicht zu verleugnen, daß es uns nicht gelingen wird, den Frieden zu diftieren", und daß daher der Verständigungsfrieden über England das zu erstrebende Ziel sei. Diesen Standpunkt habe ich sowohl im Gegensatz zu Euer Exzellenz als auch zu den meisten politischen und militärischen Persönlichkeiten während des ganzen Krieges leider ohne Erfolg vertreten, und die Ereignisse haben mir nur zu sehr Recht gegeben. Es ist aber bisher Sitte gewesen, daß die Veröffentlichung von Schriftstücken, die weder dienstlichen einen geschäftlichen Charakter
papier tilberechten lagen fans het ba: auf dem Denkt des 9. November! ne zustimmung des Abſenders erfolgt, und ich
,, Von den ausgesteuerten Erwerbslosen waren 644 verheiratet, und 334 ledigen Standes.
Eine Ende Juli 1926 gepflogene Erhebung über das weitere Schicksal der männlichen Ausgesteuerten hat ergeben, daß 226 in Fürsorge der öffentlichen Wohlfahrtspflege standen, 53 Notstandsarbeiten verrichteten und 191 eine dauernde Arbeitsstelle inne hatten. 62 verrichteten Aushilfsbeschäftigung bei Landwirten und Kleinbetrieben, während 268, meist Ledige, ohne Arbeit und ohne Unterstüßungsbezug er. mittelt wurden. Die restlichen 40 sind teils unbekannt wohin verzogen, sowie einige inzwischen mit Tod abgegangen." sidimo Das ist das Verhältnis in einer großen Industriestadt. Wie mag es erst auf dem Lande aussehen.
Die Fürsorge für die Ausgesteuerten muß fich also auf alle arbeitsfähigen und arbeitswilligen Arbeitslosen erstrecken, gleichgültig, ob und wie lange sie in der Wohlfahrtspflege sind; sie muß automatisch einsehen, sobald die allgemeine Erwerbslosenfürsorge aufhört. Will man den Ausgesteuerten eine solche wirkliche Fürsorge angedeihen lassen, dann ist nach wie vor der einfachste Weg die Ver längerung der Bezugsdauer. Auch England mußte diesen Weg gehen. Es wäre mehr wie eine Illusion, mußte diesen Weg gehen. Es wäre mehr wie eine Illusion, anzunehmen, daß eine Krisenfürsorge in wenigen Monaten anzunehmen, daß eine Krisenfürsorge in wenigen Monaten wieder beseitigt oder abgebaut werden könnte. Für eine folche baldige Gesundung des Arbeitsmarktes sprechen leider feinerlei Anzeichen.
Der 9. November.
Brauns Funkrede, die Deutschnationalen und das Verhältniswahlrecht.
Gegen die Anfündigung, daß der preußische Minister präsident, Genosse Otto Braun , morgen abend im Rundfung eine Rede über die Bedeutung des 9. November halten wird, läuft die gesamte deutschnationale Presse Sturm. Sie kann damit aber nichts an der geschichtlichen Tatsache ändern, daß auf den Ereignissen des 9. November 1918 der ganze Aufbau unseres staatlichen Lebens basiert. An diesem Tag ist nun einmal so schmerzlich das auch den Herrschaften sein mag die Republik proklamiert worden, die zu ihrem Leibwesen auch heute noch besteht. Da ist es denn durchaus in der Ordnung, daß ein Mann in hervorragender Stellung, der nicht nur mit seinem Titel, sondern mit seiner ganzen Persönlichkeit die Republik präsentiert, in seiner Funkrede der Bedeutung jenes Tages gerecht wird.
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Am 9. November, den die Reaktion mit ihrem Haß beehrt, Am 9. November, den die Reaktion mit ihrem Hah beehrt, werden die Republikaner , vor allem unsere Parteigenossen, des historischen Tages gedenken, der im Jahre 1918 das Gerümpel aus einer verflossenen Geschichtsperiode hinwegfegte. Zum äußeren Zeichen dieses Geschehens zeigen sie am Dienstag die Flagge der Partei und der Republit. Also:
Fahnen heraus zum 9. November!
natürlich gewünscht, daß ironische Schlußbemerkungen über einen hätte mit besonderem Bergnügen mein Einverständnis gegeben, aber befreundeten Diplomaten als nicht zur Sache gehörig in Fortfall
fommen."
Der Erziehungsversuch Lichnowskis an Tirpiz wird ohne Erfolg bleiben. Die Indiskretion, die widerrechtliche Berwendung amtlicher Atten gehört zum System Tirpiz.
Beitritt der Schweizer Partei zur SAI. mit seinen Einzelwahlkreisen. Das mag vielleicht für die Parteien viel enger und reger ist, als unter dem früheren System Dreiviertelmehrheit für Beitritt.- Zweidrittelmehrheit sposo für revolutionäre Dentung". is& sider nicht gleichmäßig gelten; aber daß die Abgeordneten mit wenigen Bern , 8. November. ( WTB.) Den Hauptgegenstand der BeAusnahmen heutzutage viel öfter mit ihren Wählern in unmittel. ratungen des Parteitages der Sozialdemokratischen bare Beziehung treten, viel häufiger öffentlich oder in kleineren Partei der Schweiz , über dessen Beginn bereits berichtet Kreisen zu ihnen sprechen müssen, trifft wohl für alle Parteien zu. wurde, bildete die Frage des Beitritts zur Sezialisti. nur ist eben der rein lokale horizont des früheren Ver- schen Arbeiter Internationale. Dieser Beitritt wird hältnisses zwischen dem Abgeordneten und seinen Wählern gleich von der Mehrheit des Parteivorstandes empfohlen, von einer Mindersam zum landsmannschaftlichen erweitert. Ob das ein Schade ist, heit unter Führung des Nationalrats Schneider Basel abgelehnt; fann gerade bei der politischen Mentalität der deutschen Wähler auch hinsichtlich der Motivierung des Beitritts sind zwei Aufmindestens zweifelhaft sein; gar nicht zweifelhaft aber ist, daß die fassungen zu unterscheiden: während die Mehrheit des Parteivorleßigen demokratischen Schlagworte dieser Richtung dem Grund- standes mit Nationalrat Grimm an der Spize dem Beitritt eine gedanken der Weimarer wie überhaupt jeder modernen Berfaffung revolutionäre Deutung gibt, will die Minderheit, National widersprechen: daß nämlich der Abgeordnete nicht Bertreter einer rat Naine und Genossen, in dem Beitritt nur einen Schuß gegen lokalen Wählergruppe, sondern Vertreter des ganzen Boltes die Bedrohung der Errungenschaften der Arbeiterklasse erblicken. ist und sein soll. Die Rüdständigkeit einer anderen Auffaffung liegt Der Parteitag beschloß nun heute mit 249 gegen 71 Stimmen ja auch klar auf der Hand. Aber das Vertrauen" der Wähler? grundfählich den Eintritt der Schweizer Sozialdemokratischen Partei Nun, wenn die Wählerschaft einer bestimmten Wahlprovinz vor in die Sozialistische Arbeiter- Infernationale und ftimmte gleichzeitig einer Liste steht, die die besten Männer dieser Provinz umfaßt, so mit 190 gegen 101 Sfimmen der oben erwähnten Motivierung der wird sie ganz gewiß zu der Gesamtheit dieser Männer, zugleich aber mehrheit des Parteivorstandes zu. Bei den anschließenden Wahlen auch zu den einzelnen, mindestens nicht weniger Vertrauen haben, der Vertreter der Partei im Bollzugsausschuß der Internationale als zu dem Einzelvertreter eines kleinen Wahlkreises; davon noch wurde Nationalrat Grimm zum Delegierten und Graber zum abgesehen, daß nach der ganzen Entwicklung der Bevölkerungs- Stellvertreter bestimmt. mamma otc ead verhältnisse in Deutschland die Bertreter von fleinen Wahlkreisen nur zu häufig gar nicht aus dem Wahlkreise selber stammen würden. Herr Baeder ereifert sich schließlich gegen jede Antastung des bestehenden Wahlrechts so, daß er die Wahlreform des Herrn Külz ganz einfach einen Humbug" nennt. Der eigentliche Grund dieses Eifers ist leicht zu erkennen: der Landbund will seinen führenden Männern auch weiter Mandate auf der Reichsliste sichern. Aber daß er das heute tann, ist eben auch eine Errungenschaft der Revolution, eine der Auswirkungen des 9. November.
Die Rechtspreffe follte also lieber abwarten, was Braun morgen sogen wird. Vielleicht macht er sich das Vergnügen,
Weitere Befchlüffe des Parteitages.
Bern , 8. November. ( WTB.) Der Schweizer sozialdemo fratische Parteitag stimmte in der Militärfrage mit 205 gegen 90 Stimmen dem Antrag der Mehrheit des Vorstandes zu, wonach der Militarismus, soweit er als Instrument des bürgerlichen Staates in Erscheinung tritt, zu befämpfen sei. Ein 3u. fammengehen mit den bürgerlichen Bazifisten wurde abgelehnt.se
Neue Landbundaffäre. hendro?
Auch die Deutsche Tageszeitung", das Organ des Land. den Artikel des Herrn Baeder vorzulesen! Was sagt sie Bommern wurde der Landbundsetretär Rosbab wegen
bundes, macht das Proteststürmchen mit. Sie nennt Brauns Rede im voraus eine ,, geschmacklose Provokation" und liefert selbst ein Beispiel ihres guten Geschmacks, indem sie unperschämterweise den preußischen Ministerpräsidenten als einen Revolutionsgewinnler" bezeichnet. Dabei passiert ihr je
( Erstaufführung in der Städtischen Oper.) Drei Atte, drei Stationen, drei Symbole. Im Anfang die dem Oratorium genäherte Choroper, russisch, tlangrauschend, üppig, breit und tief gesteigert bis zu letzter dramatischer Wucht. Solch ein erster Aft ist in der Opernliteratur dreier Jahrzehnte zu suchen, aber nicht zu finden. Mit Tönen, die Ernst und Tragit in den ersten Takten verkünden, arbeitet ein ökonomischer Künstler. Kaum, daß ihr Motive trennen, wägen, perbinden könntet, kaum daß Charakter den einzelnen Phasen besondere Prägung leiht. Aber die Stimmung ist außerordentlich getroffen, Schicksal geht um, Grausamfeit schmettert burch Trompeten, Leid flingt im Chor des Volks, Hoffnung, Liebe und Erwartung fingen fich in den drei Menschen dieses Attes frei. Ein Liebeslied wie das der Sklavin Lin mag zierlich und klein sein, die Warnrufe des alten Truma mögen in ihren Noten bedeutungslos bleiben: der Eindruck ist der einer menschlichen Rührung, einer menschlichen Vereinsamung, wie sie selbst Buccini mur selten zeichnete. Das Bolt herrscht musikalisch, im Schrei des Entfeßzens, in den Türmungen der Stimmen, im fannibalischen Tanz, im Berjuch des Tropes. Heraus löst sich strahlend Wesen und Leidenschaft des jungen Prinzen, abseits klingt der Buffoton venetianischer Gaufler. Grund ton: nicht Komödie, sondern allmenschliche Tragit, vergeblicher Troh gegen Urgraujamfeit. Ein faum glaublicher, niemals wahrer Theateraft ist am Pathos Schillers, an der Parodie Gozzis vorber gegangen. Die Musit, von byzantinischer Krafigeladenheit und reichster einheitlicher Sangesstimmung, hat Ernstes und Unwahres, Heiteres und Brotestes, Scheinwirklichkeit und Märchen gesammelt, umhüllt, verdeckt und gerettet zu einem fesselnden, wunderbaren Theatererleben,
Ift hier die Choroper, episch beginnend, mit Feueratem zur letzten Turandot - Katastrophe treibend, groß gefchaffen, so beginnt im zweiten Att eine Komödie, lange, wißige, leicht- banale Unterhaltung. Es beginnt zugleich ein Riß im Grundgebäude des Werkes deutlich zu werden, das Drama biegt ins Burleste ab, die graufige Idee wird durch drei Einfälitigkeiten, durch Bing, Bang und Pong auf Alltäg. lichkeit gestellt. Das Milieu ist leicht und gut charakterisiert. Wo aber der Butterfly- Komponist 10 Tafte fomponierender Arbeit braucht, da dehnt er ein Intermezzo, hier zu einem halben Art. Die große Rätselrateszene hebt an, malerisches Bild, große Ensemble. ftimmung, rezitatorisches Fragen der Turandot , banges Schweigen und pfeilhaft aufsteigendes Antworten eines neuen Jung- Siegfried. Hier lebt Puccini vom Wort, von der Kraft früherer Opern. Bon Tosca tommt er einen ganzen Abend nicht mehr los, nicht von der Schmetterlingsfrau. Im dritten Aft schließlich wird die Lyrik Mimis noch einmal lebendig: die Lin- Szene, ihr Bekenntnis zur Liebe und ihr selbstgewählter Tod bezeichnen noch einmal einen Aufstieg zu legter Berklärung und Schönheit. So fingt, fo lebt, fo stirbt ein Mensch. Dieses stärfft ergreifende Erlebnis tötet den Meister. Er schrieb feinen Taft mehr. Was folgt, ist Abweg. Salaf gibt der stolzen Turandot bas Geheimnis feines Namens preis. Der Stolz des männerhafsenden Weibes ist gebrochen, die Lieblose, Grausame ist durch Liebe zur Entlarvung ihrer selbst gekommen. Tegt und
dann?
Primo verzeiht der Artillerie. Der spanische Ministerrat hat beschlossen, den wegen ihrer Revolte verurteilten und verabschiedeten Offizieren ohne Bedingungen und Demütigungen ihre alte Stellung wiederzugeben. leptun anidisilo? and
Musik ähneln sich hier in der Wiederholung von blutarmen, das Wort und den Ton nicht mehr über sich selbst hebenden Bendungen.
Das Werk bleibt dennoch das eines Meisters, der sich im Eingangsatt zu einer ganz großen fünstlerischen Offenbarung steigerte. Sie ist so zwingend, daß auch die Ueblichkeit des ganzen letzten Aftes die Erinnerung nicht auslöscht. Bon äußerer Bewegung und innerem Trieb voll entfaliet sich das Spiel( in der Dichtung Adamis und Simonis) auch für die Schausüchtigen bunt und reizvoll. Heinz Tietjen brachte in die wichtigen, glänzend gesungenen Chöre eine Ausdrucksstärke von vorbildlicher Haltung. Das Geschlossene lößte fich, das Lockere ballte sich im Schnitt mit der Musit. Das Bolt lebte in seinen Gesten, jubelte, verzweifelte. Gleiches schien in feinem Augenblick zur Formel geworden, Bindungen schienen in Freiheit geraten. Das Licht und die Beschattung gingen mit dem Affeft der Menge mit, auf und ab. Auch die Buffo- Szenen( von Bechner, Steier, Gombert hurtig, wißig gespielt) fielen durch das Tempo gesunder Lebendigkeit auf. Bruno Walter mar der Partitur ein glühender, überlegener, einfühlender Deuter. Theaterblut ganz anderer Färbung, als sonst bei diesem Dirigenten, wallte auf, straffte und durchglühte die Instrumente. Bon Deh mans sieghafter, höchst gekonnter Leistung war schon im Vorbericht gesprochen. Er sang und spielte, als hätte er die Rolle zum hundertsten Mal gegeben; ebenso von der unvergleichlich rührenden Stimme, der reichen Herzlichkeit im Wesen der Lin( Lotte Schöne). Das große Problem aber hieß: Turandot , Frau Salvatini muß ihr Zemperament tünstlich abstellen, muß Hige und Natur in Eisestälte und Künstlichkeit wandeln. Ein Weib, durch Stimme und Aussehen, Art und Rollenfach zum Lieben bestimmt, foll plöblich zum Marmor der Empfindungslosigkeit erstarren, soll alle Weichheit und Weibheit vertuschen. Das gelingt nicht. Zu weich der Sopran, zu zart der Ausdruck des Gesanges, zu porsichtig der Tonansatz, zu unstarr die Gestalt, die alles zu wissen scheint, bevor es noch ausgespielt ist. Am 3wiespalt dieser unheimlichen Partie wird noch manche Künst lerin scheitern. Ehrenvoll für Frau Salvatini, daß man ihre wahre Natur erkannte, als die Dichtung anfing, aus einem Ungeheuer einen Menschen zu machen. Zu dem großen Erfolg des Abends trug ihre artistische Größe, die edle, warmherzige Figur Tumas( Baumann), trug auch das üppige, echte, fehenswürdige Bühnenbild Pajettis bei. Täuscht nicht alles, so wird Puccinis Turandot" sich seinen anderen Repertoireopern glücklich und erfolgreich anreihen. Gerade das unvermittelte Nebeneinander von Lyril, Drama, oratorischem Epos, das zu bekämpfen ist, wird die Menschen zum Wert hin Kurt Singer. wingen.
Bernunft über Bord. Beinahe wäre, an einem Fädchen hat es gehangen, gestern im Neuen Theater am 300 Ernst Glaefers Tragödie Seele über Bord" im Gelächter der erstaunten Zuhörerschar untergegangen. Herr Glaeser behandelt( in blumiger und metaphernreicher Sprache, die, gerechterweiſe fei es anerkannt, manchmal bichterische Begabung ahnen läßt), die Tragödie des Alterns. Er exemplifiziert das nicht wie üblich an der Frau im gefährlichen Alter, sondern an einem Mann. In der Vorgeschichte, fo wunderliche Wege geht die Natur, erschlägt er, damit die Zeitspinne steht, feinen jungen Schüler. Im Drama selbst hat der sonderbare Schwärmer, abgesehen davon, daß er es nicht länger erträgt, Mensch
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Steffin, 8. November. ( Eigener Drahtbericht.) In Stolp in großer Unterschlagungen es handelt sich um viele tausend Mark- verhaftet und dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Rosbab war sogenannter Bauernfekretär und hat unbefugt große Geldsummen von Befizern eingezogen, die er dann für sich verbrauchte. Die Untersuchung ist noch im Gange.
zu sein, unter Gewissensbiffen und der Verfolgung durch zwei Geheimpolizisten zu leiden. Das sind sehr eigentümliche Detektive. Sie fönnten ihn schon in der zweiten Szene verhaften, laffen ihn aber noch sechs bis acht Auftritte zappeln. Aus guten Gründen. Sonst hätte der Dichter nämlich weiter feine Gelegenheit, seinen Geist zu versprühen und in buntem Spielfalat von entfeelter Sachlichkeit zu reden. Herr Dr. Sherman, der das Stück für eine Matinee der Junge Generation" in Szene gesetzt hatte, sicherte sich als Regisseur eine eigene Note, indem er die im übrigen unroutinierten Darsteller zu haftigem Geflüster oder überhaftelter Schreierei peranlaßte. Infolge dieses Kunstgriffes verstand man vom Stück nur einen Teil, aber man hatte schon von diesem Teil genug. So wenig diskutabel Glaefers Tragödie in literarischer Hinsicht ist, so dankenswert ist die Aufführung heute, wo das Gefeß zur Bewahrung der Jugend vor Schund und Schmuß droht. Seele über Bord" hat bei feiner Uraufführung in Raffel einen Theatersfandal und wegen Unfittlichkeit und Gotteslästerung eine Staatsanwaltsaktion entfesselt. Erstens fann fein vernünftiger Mensch selbst bei Lupenbetrachtung etwas Anstößiges an dem belanglofen Stück entdecken; zweitens fieht man mit Grauen, daß die geistige Freiheit schon ohne das Schmuggefeß schlimm genug gefährdet ist. Es dürfte interessant sein, daß heute, im achten Jahr der Republit, noch folgender Paragraph des Strafgesetzbuches in Kraft ist: Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Aeußerungen Gott lästert, ein egernis gibt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft." Dgr.
Theater am Bülowplak. Die Erstaufführung von Gorlis„ Nachtashl in der neuen Snszenierung der Boltsbühne( Regie: Erwin Piscator ), am Mittwoch, den 10. November beginnt um 7%, Uhr.
Bolkstümlicher Bach- Abend. Am 10., abends 8 Uhr, findet in der Philharmonie ein populärer Bach Abend des Berliner erste Chors mit dem Philharmonischen Orchester unter Leitung von Dr. Kurt Singer statt. Starten zu 1,50 m. und 1 M. an der Abendkasse.
3m Hörsaal der Staatlichen Kunstbibliothet, Brinz- Albrecht- Str. 7 a. findet am 11., abends 8 Uhr, ein Vortrag von Artur Ranft, 1. Vorsitzender des Phot. Vereins zu Berlin 1868" über das Thema statt: Wie deutiche Berufsphotographen faffen". Der Vortrag ist mit Licht. bildern illustriert. Der Eintritt ist frei.
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Wandgemälde Holbeins des Aelteren entbedt? In den Bereinigten Staatsschulen für freie und angewandte unit, Char lottenburg, Hardenbergstraße 33, wird am 10. eine Ausstellung von Stopien eröffnet, die von dem Maler Nobert Richter nach Wandgemälden in der Lindauer Petersfirche hergestellt sind. Namhafte Forscher glauben die Originale Hans Holbein d. Uelt. zuschreiben zu sollen.
Im Meifferfaal, Röthener Str. 38, liest am 11., abends 8 Uhr, Delar Maria Graf aus eigenen Werten.
Karl Clewing wird am 14., 8 Uhr im Beethoven Saal nach einer historischen Einleitung Gefenschaftslieder aus dem 17, und 18. Jahr hundert mit Begleitung eines Streichfegtetts vortragen. Der Ertrag des Abends wird von dem Künstler dem Schutverband deutscher Schriftsteller zu Wohlfahrtszweden gewidmet.
Im Leffingmuseum spricht am 11., 8 Uhr, Prof. Dr. Zumbers über„ Die drei großen Berliner Historiker des vorigen Jahrhunderts: Niebuhr, Ranke und Treitschte". Kammermusit von Beethoven spielen Elly Brandenberg ( tlavier) und Armin Liebermann( Cello).