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Nr. 532 43. Jahrg. Ausgabe A nr. 271

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Donnerstag, den 11. November 1926

Der Graf hat es befohlen!"

Der deutschnationale Sturm auf die Ministersitze.

In der geffrigen Sigung des Sozialpolitischen Ausschuffes des Reichstags spielte sich, wie uns zu unserem Bericht im Abendblatt von gestern ergänzend gemeldet wird, ein überaus bezeichnender Borgang ab.

Wie erinnerlich, hatten die Kommunisten den sozialdemokratischen Borschlag auf verlängerte Gewährung der Erwerbslosenhilfe- ftalt der von den Regierungsparteien gewollten Krisenfürsorge" auf genommen und einen entsprechenden Antrag gestellt. Die deutsch­nationalen Mitglieder des Ausschusses, die ja nach ihrer ganzen

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arbeiterfeindlichen Einstellung innerlich gegen den Antrag fein

mußten, machten zunächst gar keine Anstalten. für ihn zu ffimmen. Im nächsten Augenblid jah man Bewegungen der Unschlüffigkelt, Zusammensteden der Köpfe und hörte dann die Stimme des Frat­flonsgeschäftsführers Cambach:

Der Graf hates befohlen!"

Auf dieses kommando hin erhoben jämtliche Deutschnationale die Hände, und der Vorsitzende konnte die Annahme des Antrags feffstellen. Nun ftellten fich die Regierungsparteien auf den Stand­punkt, daß bei einer derart unfachlichen Art der Abstimmung ein Weilerarbeiten des Ausschuffes unmöglich fei. Der Sozialpolitische Ausschuß war damit zunächst gefprengt.

Noch nie ist mit der Not des Bolles ein so infames Spiel gefpicit worden, wie es jetzt die Deutsch nationalen

Spielen

Als vor vielen Jahren Bebel im Reichstag er schütternde Bilder von dieser Not entwarf und dabei die Elendstragödie einer einzelnen Familie ausführlich schilderte, rief ein fonservativer Graf, ein Graf v. Arnim- Muskau,

dazwischen: Der Bater hat wohl alles versoffen!" Sein Bort war noch harmlos gegenüber den Taten, die der jetzt regie: rende Graf der Deutschnationalen Bolfspartei", Graf West arp, verübt.

Die Sozialdemokratie fämpft im Reichstag für eine bescheidene Befferung der verzweifelten Lage, in der sich heute Millionen deutscher Bolfsgenossen befinden. Sie darf für ihre Forderungen eine a chtungsvolle Behandlung verlangen, nicht um ihrer selbst willen, sondern um derer willen, für die fie gestellt sind. Die Sozialdemokratie ist dankbar für ehr­lich gemeinte Unterstügung, woher fie auch fommt, und sie ist bereit, sich mit ehrlichen Gegnern ihrer Forderungen fachlich auseinanderzusetzen.

In der Situation, wie sie sich jetzt herausgebildet hat, ist es die Pflicht der Regierung, den Reichstag auf den Weg fachlicher Arbeit zurückzuführen. Wenn sie sich da gegen wehren will daß Fragen der Menschlichkeit auf das Niveau sch mußiger Parteimanöver hinabgezerrt werden, so wird sie den ganzen Reichstag, ausschließlich der Deutschnationalen natürlich, hinter sich finden, und alle an­ständigen Menschen im Lande werden ihr zustimmen.

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Der Geßler- Hut.

Aufgerichtet vor Feme und Schwarzer Reichswehr . Im Reichstag hat gestern der Reichswehrminister Dr. Geßler goldene Worte gesprochen von der Notwendigkeit, die Reichswehr aus der Atmosphäre des Miß­trauens herauszubringen. Er hat die Entlassung Seedts, die von deutschnationaler Seite aufs schärfste kritisiert war, als notwendig bezeichnet, weil Seedt einen politischen Fehler" beging, als er den Thronprätendenten des Zollern­geschlechts, den Enkel des Erkaisers, als Zeitfreiwilligen in die Reichswehr einstellte. Das sei außenpolitisch wie innen­politisch ein völlig unmöglicher Zustand. Die Antwort darauf feinem Amte ſein. fonnte nur die Entfernung des dafür Verantwortlichen aus

Das alles ist logisch unanfechtbar und scheint auch politisch pon fester Entschloffenheit zu zeugen. Besonders, wenn man die weiteren Säge aus der Geßler- Rede hinzunimmt, daß der Nachfolger Seedts, der General eye, fich vor den fal­schen Freunden" hüten müsse, die sich an ihn heran­brängen und die kein Verständnis für die Verpflich tungen derjenigen haben, die in der Republik den id auf die Verfassung geleistet haben".

Wer würde den Reichswehrminister für solche Warnung schelten wollen?

digen Zustand ein Ende zu bereiten. Sie ist bereit zu fach Die Sozialdemokratische Partei ist bereit, diesem unwür­licher Arbeit im Interesse des Boltes, zumal feiner am schwersten leidenden Teile. Während die Deutschnationale Partei nie an die sachliche Arbeit, sondern immer nur an Ministerseffel denkt, ist es bei ihr gerade umgekehrt. Sie drängt sich nicht an die Futterkrippe, aber sie verlangt, daß der deutschnationalen Sabotage ein Ende gemacht und der Weg zur Lösung drängender Probleme wieder freigelegt wird. demokratie will, daß der Not des Boltes mit allen Die Deutschnationalen wollen Ministersessel. Die Sozial­zweckdienlichen Mitteln und mit Aufbietung aller Kräfte ge­Steuert wird. Es wäre wahrlich unbillig, von ihr zu verlangen, baß fie alles, was von der Regierung der Mitte tommt, preifen und ungefragt hinter den Regierungsparteien einher­trotten soll. Daran denkt sie nicht, dazu hat sie nicht die ge- jünglings in Reichswehruniform. Es gibt den der Schwar­Es gibt nicht nur den Fall Seeckt und den des Zollern­ringfte Beranlassung. Wo aber wirklichen Notwendigkeiten des Staats- und Boltslebens Rechnung getragen werden soll, haupt nicht existierte und, als sie trotzdem eines Tages ihren en eichswehr die nach amtlicher Darstellung über­war fie- ob in der Regierung, ob außerhalb stehend zu haupt nicht existierte und, als sie trotzdem eines Tages ihren fachlich- ehrlicher Verständigung und Mitarbeit stets bereit. Bätern gefährlich wurde, in nationalkommunistische Haufen" Auch Minderheitsregierungen fönnen regieren. Aber sie Fällen, der Reichstag und Landtag in Untersuchungsauss umge- bogen wurde. Es gibt den Rompler von tönnen nicht selbst herrlich regieren ohne Berücksichtischüssen beschäftigte und noch beschäftigt, der hinter verschlosse gung der Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Ein wenig nen Türen in Schwerin und Berlin abgehandelt wurde und Nachdenken über diese einfache Wahrheit tönnte den Parteien in diesen legten Wochen vor dem Schwurgericht der Kleinstadt der Mitte vielleicht manches Ropfzerbrechen über Koalitions Landsberg an der Barthe öffentlich aufgerollt ward. politik ersparen.

Und die wollen regieren!

Im Reichstag sprach gestern Genosse Löbe als Abgeordneter über den Mannschaftsersatz der Reichswehr . ,, Wir werden nicht eher ruhen," rief er aus, als bis die Reichswehr der Republit ergeben ist!" Da hörte man plöglich von rechts her den Zwischenruf:

,, Diefer Republik nicht!"

Was die Deutschnationalen tun, hat aber mit Ehrlichkeit in feiner Weise etwas zu tun. Es ist eine Infamie! Eine grau fame Berhöhnung der ärmsten der Armen, denen man die Bewilligung ihrer Forderungen vorspiegelt, ohne Alles sprang auf, um zu fehen, wer da die bewaffnete Macht jede Spur einer ernsten Absicht. für sie auch nur den Finger der Republit zum Widerstand gegen die Republik aufreizte. Es frumm zu machen. Ja, man gibt sogar mit zynischer Offenheit war der deutschnationale Abgeordnete Lohmann, Land zu. daß man gar nicht daran denkt, etwas Braktisches für die gerichtsdirettor in Altona ! Als Löbe dann diesen Zwischen Arbeitslosen zu tun, sondern daß man nur den Regierungs- ruf aufgriff, betam es der Tapfere mit der Angst und rief: Einer parteien Berlegenheiten bereiten will, um ihnen eine Bes befferen!" und als ihn dann Löbe auf das großmütige Buge teiligung an den Regierungsgeschäften abſtändnis festzunageln, versuchte, daß die Reichswehr einer befferen zupreffen. Republit ergeben sein sollte, befam er es nochmals diesmal wieder nach der anderen Seite mit der Angst und stammelte: lelleicht!"

Die Geduld, mit der Reichstag und Regieruna diefem Treiben gegenüberstehen, ist erstaunlich, ihre Hilflosigkeit ist beflagenswert. Man hat gestern im Reichstag fogar von einer Regierungsfärife gesprochen. Krise hin, Krife her eine Regierung, die vor dieser Deutschnationalen Partei davonlaufen würde. womöglich, um ihr Platz zu machen, würde sich mit ewiger Schande bedecken.

Verbrecherherrschaft in Italien .

Das Gesindel an der Arbeit. Aus Chiaffo wird uns geschrieben: In Legnano, Gallarate und Busto Arsizio , alles Orte in der Provinz Ober- Mailand, find eine ganze Anzahl Arbeiter mit ihren Familien gewaltfam aus ihren Häusern entfernt worden. Die Plünderungen, Berwüstungen und Brand­ftiftungen gehen weiter. Biele Arbeiter und Angestellte sind ver. prügelt worden. Alle Berichte über die faschistischen Ausfchrel­tungen enthüllen das Bild unglaublicher Bestialität

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Für welchen Posten dieser Herr Lohmann ausersehen ist, wenn die Deutschnationalen in die Regierung fommen, ob zum Reichs. justizminister oder zum Reichswehrminister, wissen wir nicht. Er eignet sich zu beiden gleich vortrefflich, wie sich seine Partei im Ganzen eignet, Regierungspartei in der Republit zu sein.

eignissen Verwundeten beträgt nach erster oberflächlicher Be­rechnung mehrere Tausend, man spricht von 5000 bis 6000, ebenso viele Berhaffungen find erfolgt, nicht zu reden von den übrigen Berfolgungen!

Aber die andere Frage ist: Welches Vertrauen kann die Haltung und Warnung des jeßigen Reichswehrministers in diefen Dingen in Anspruch nehmen?

Der Fall Landsberg , das heißt die dort unter Beleuchtung stehende Feme , ist in erster Linie ein Fall der Reichswehr und des Reichswehrministeriums, wenn er fich zuguterlegt auch noch zum Fall der Justiz aus­gewachsen hat.

Jeder, der nicht an der absichtlichen Verdunkelung sehr eindeutiger Tatbestände ein Interesse nimmt, hat es begrüßt, daß das Gericht der märkischen Kleinstadt resolut mit der Geheimnistuerei zu brechen erklärte. Man mußte, nach den ersten Eindrücken, dem Vorsitzenden den Willen zu voller Objektivität zuerkennen, und erwartete, daß einmal eine Generalsäuberung vorgenommen werde, um die Reichswehr endlich aus der Atmosphäre des Mißtrauens" herauszubringen. Das wäre selbstverständlich nur möglich gewesen, wenn gewisse Tatbestände unzweifelhaft festgestellt und die für fie Verantwortlichen ohne Rücksicht auf Rang oder Stellung haftbar gemacht würden.

Was aber geschah in Wirklichkeit? Aus zunächst nicht flar erkennbaren Gründen wurde der Gesamtkompleg von Straffällen, die als Femetaten innerhalb der Schwarzen Reichswehr allgemein angesprochen werden, in vier Ein Belverhandlungen zerrissen. Dadurch wurde er­zielt, was man erst später erkannte, daß die Bertreter des Nebenflägers, eines zufällig nicht ganz, sondern nur halb Ermordeten, von den übrigen Dingen ausgeschal­tet blieben. Dadurch wurde verhindert, daß die Zu­sammenhänge der Mordüberfälle und der Morde mit dem System der Arbeitskommandos" festgestellt werde, dadurch fommandos, der als Häuptling der Feme gilt, auch strafrecht­wurde verhindert, daß der Führer dieser Arbeits­lich gepackt werden könne.

Was zunächst als ein Zufall in der Geschäftsdisposition Jn Bergamo find viele katholische Boltspar- erscheinen mochte, hat sich in den letzten Stunden der Ver­teller Opfer der Gewaltorgien geworden. Während der handlung aber als ein gewollter ft flar herausgestellt: Nacht wurde das Haus des katholischen Abg. Cavazzoni zerstört, er die Behandlung der Rechtsanwälte, die den Ne­felbst schwer verprügelt. Hinterher wurde das Haus des Grafen benfläger vertraten, ist eine solche, wie sie bisher selbst Dino Secco- Suardo, eines der fünf Mitglieder des gegenwärtigen or deutschen Gerichten noch unerhört war! Secco- Suardo wurde halb totgeschlagen und dann mit vor- Berichts gewalt" einbringen sollte. Daß die Anwälte Zentralfomitees der katholischen Volkspartei, ausgeplündert. Graf Nichtbeachtung den Anwälten die Anwendung der Es wurde ein Geßler Hut aufgerichtet, dessen gehaltenem Revolver gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er bestätigt, von den Faschisten Prügel erhalten zu haben. Auch Prieffer werden Opfer der Bestien Muffolinis.

Aus Rom find nur unvollständige Nachrichten zu erhalten. Jest fleht jedoch, daß die Wohnungen des Journalisten Gian­nini, des Sefretärs des italienischen Transportarbeiterverbandes In Vicenza hat der Bischof während des feierlichen Tedeums Sardelli und des Bildhauers Ettore Ferrari zerstört und ver- in der Kathedrale den Einfall gehabt, einige schüchterne Tadelsworte wüstet worden find; der Lehtgenannte war früher Großmeister gegen das Lynchfyftem zu sprechen Anwesende kontrollfaschisten der Freimaureret. Die Zeltungen jedoch sprechen lediglich von B2- verließen darauf unter" Eja, Eja alala"-Gefchrei die Kathedrale, suchen und einigem Schaden". Der Direktor der Boce Re­publicana", Profeffor Schiavelfi, ift durch Stockschläge schwer verlegt worden.

In ganz Italien fann man mehrere Hundert von Ber­wüftungen und Brandstiftungen zählen; die Zahl der bei den Er­

während die Karabinieri vorstürzten, um den Bischof zu schüßen, auf den zuzufpringen einige Faschiffen Miene machten. Eine 2b­ordnung der Fafchiften ist nach Rom geeilt, um die Bestrafung des Bischofs wegen Berleumdung vaterländischer Einrich tungen zu fordern.

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des Nebenflägers gegen diese ihr Anwaltsamtherab= segende Behandlung durch Niederlegung ihres Mandats protestierten die einzige Form des Protestes, die ihnen im Augenblick zur Verfügung stand ist begreiflich. Sie be­leuchtet schärfer, als wohlgeformte Reden es vermöchten, den Tiefstand, auf den die" Gerichtsverhandlung" hinabgeglitten ob die Anwalttammer als ihre gefeßliche Vertre war. Ob die Anwaltschaft in ihrer Gesamtheit, tung, gegen die beschimpfende Behandlung ihrer Kollegen in Landsberg Schritte tun wird, müssen wir ihr überlassen. Aber nicht ihr überlassen dürfen wir die Pflicht, auf das System der Abdrosselung hinzuweisen, dem die Beweisführung auch in diesem Prozeß unterworfen wurde.