Dke ßrage üer Verhanölungsfreiheit. Weder Exekutive noch Konferenz wollen entscheiden. London , 10. November. (Eigener Drahlbericht.) Die Dele- gierienversammluog der Bergarbeiter trat am Mittwoch nochmals zusammen, um Veschluh zu fassen, ob der Lergarbeiterexekutive völlig freie Hand bei den künftigen Verhandlungen mit der Regierung gewährt werden soll. Vor Beginn der Delegiertenkonferenz hielt die Exekutive der Bergarbeiter eine dreistündige Sitzung ad und kam zu dem für ihre Taktik charakteristischen Veschluh, der Delegierlenversammlung auch diesmal Vorschläge betr. Annahme oder Ablehnung dieser Forderung nach völliger verHandlungsfreiheit nicht zu machen. Die Delegiertenkonferenz selbst kam gleichfalls nicht zu einem Beschlutz und vertagte sich auf Donnerstag vor- »niltag. Man hält es für wahrscheinlich, datz die Delegiertenkonferenz es ebenfalls ablehnen wird, einen Entschluh zu fassen und die Entscheidung über die zur Debatte stehende Frage den einzelnen Dezirksorganisalionen überlassen wird. Die Regierung, die glaubt, datz sie ebenso wie der Generalral der Gewerkschaften von den Bergarbeitern anlätzlich der jüngsten Verhandlungen irregeführt worden sei, hat der Bergarbeikerexekutive mitgeteilt, datz sie die Wiederausnahme irgendwelcher Verhandlungen von einer schriftlichen Garantie der B ergarbeiter abhängig mache. Diese Garantie soll festlegen, datz die Bergarbeiter- exekutive in sämtlichen zur Verhandlung stehenden Fragen, einschlietz- lich der Arbeitszeit, völlig freie Hand habe.
�»usöehnung ües Garibalöi-Skanüals. Eine Pariser Zeitung im Solde Mussolinis. Franksur» a. M., 10. November.(Eigener Drahtbericht.) Der „Frankfurter Zeitung " wird aus Paris gemeldet: Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, ist die französische Polizei auf eine Spur gestoßen, welche den Fall Garibaldi auf ein völlig anderes Geleise bringt und zu seinem Mittelpunkt einen Teil der französischen Presse macht. Das Innenministerium wird sich nicht mehr lange in der Lage bcsinden. dem Publikum zu ver- heimlichen, datz Beweise für eine Pressebestechung vorliegen. Die Durchforschung der beschlagnahinten Papiere hat ergeben, datz zum mindesten ein französisches Blatt von der italienischen Re- gierung Geld erhalten hat, um eine bestimmte Politik zu ver- treten. Es sind Scheckabschnitte gefunden worden, welche der Polizei erlauben, zu ihren Feststellungen neue unwiderlegbare Beweise hinzuzufügen. Der Generalsekretär Ehiappe vom Innen» Ministerium, der die Untersuchung leitet, hos heute vormittag in dieser Angelegenheit den Direktor der Kriminalabteilung des Justiz» Ministeriums empfangen, worauf beide sich zum Justizminister Barthou begeben habe«. Berräters Lohn. Rom , 10. November. (EP.) Der Uebertritt des Abg. d i Gas« pari, Sekretärs der katholischen Bolkspartei und des Zentral- komitees der Oppositionsparteien zum Faschismus, findet im Fa- schistenlager keine günstige Aufnahme. Di Gaspari ist sein Mandat trotz seines Gesinnungswechsels entzogen worden. Der faschistische Abg. Starace sandte ihm folgendes Telegramm: �Ihre Bekehrung war so glaubwürdig, daß ich mir vornehme, Ihnen bei der ersten Gelegenheit eine Tracht Maulschellen zu ver» abfolgen!"_________ „Legale" Aktion: Nachahmung Moskaus ! � Rom , 10. November. (EP.) In Vollzug des neuen Sicherheiis» gesetzes sind in der vergangenen Nacht o,lle Sitze der anti» faschistischen Parteien und Vereinigungen besetzt und geschlossen worden. Die besetzten Lokale sollen demnächst zu Wohnzwecken freigegeben werden. Schweizer Eisenbahner verhaftet. Paris . 10. November. (WTB.)„Matin" berichtet aus Genf : Die italienische Polizei hat vier Schweizer Eisenbahner, die einen freien Tag in Como verbrachten, festgenommen. Zwei von ihnen sind wieder freigelassen, die beiden anderen jedoch noch in Hast be» halten worden, weil sie ihre M i l i t ä r m e s s e r bei sich trugen, was in Italien oerboten ist. Der Schweizer Bundesrat hat den Gesandten in Rom beaustragt, wegen dieser Angelegenheit vorstellig zu werden. Die Knechtung Südtirols . Innsbruck , 10. November. (WTB.) Im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Faschisten gegen die Landwirtschaftliche Z e n t r aX st e l l e in Bozen ist der Direktor des Instituts, v. P l a o e n n, unter Nichtanerkennung seiner italienischen Staats» ongehörigkeit aus Italien ausgewiesen worden, obgleich er Zeit seines Lebens in Italien gelebt hat. Innsbruck , 10. November. (TU.) Im Landtag wurde heute von allen Parteien ein Dringlichkeitsantrag eingebracht, der sich gegen die Behadlung der Deutschen in Südtirol wendet. Die Landes» regierung wird aufgefordert, sofort bei der österreichischen Bundes» regierung vorstellig zu werden, damit diese bei der italienischen Regierung Schritte unternimmt, um das schwere Los der Deut» scheu Südtirols zu e r l e i ch t« r n. Die Bundesregierung wird er» sucht, nichts unversucht zu lasten, um die Mitglieder des Völker» b u n d« s auf die in Südtirol herrschenden Zustände aufmerksam zu machen._ Ruffenspionage in Prag . Tschechische Kommunisten mitvcrhaftet. Prag . 10. November.(Eigener Drahtbericht.) Am Montag ver» haftete die Staatspolizei einen Kriegsinvaliden, der als Steindrucker in einer Anstalt der Armee beschäftigt war. Die Haussuchung ergab, daß er Kopien militärischer Schriftstücke an die r u s s i s ch e Handels- Vertretung oerkauft hat. Diese neue Spionagcafsäre ist aber nicht, xoi* man anfangs vermutete, ein reines Geschäft des Lithographen. sondern hat politische Hintergründe. Weitere Verhaftungen wurden vorgenommen. Unter den verdächtigen Personen befinden sich auch die Gattin eines Redakteurs des Prager kommumstifchen Zentralorgans sowie ein rustischer Student. Mehrere Blätter be» nutzen die Afsäre zu Angriffen auf die kommunistische Partei.
Schöne Worte. Im Haushaltsausschutz des Prager Abgeord» netenhauses kündigte Unterrichtsminister H o z d a nationale Schul» a u t o n o m i e an und erklärte jeden Zwang, der auf Eltern aus- geübt werde, ihre Kinder in andersnationale Schulen zu Micken, für st r a f b a r Mehrheit und Minderheit dürsten sich die Kinder nicht abspenstig machen. Wo es notwendig fei, würden Minder- heitsschulen gebaut werden. Die Bürgermeislerwahlen in Großbritannien . Don den neu- gewählten Lordmayors und Mayors sind 169 Konservative, 96 Liberale, 18 Arbeiterparteiler. 24 Unabhängige. 2 Sozialdemokraten, 29 gehören kleineren Gruppen an oder sind parteilos,
Reichstag gegen Der Nachtragsetat.— Das Der Reichstag lehnte gestern zunächst die beiden von den Kommunisten und den völkischen eingebrachten Rlitzlrauens- anträge gegen die Regierung gegen die Stimmen der Antragsteller ab. welchen geringen wert diese beiden Parteien ihrer eigenen Aktion beilegen, ergibt sich daraus, datz die zur Unterstützung ihres Antrags auf namentliche Abstimmung notwendigen 50 wann nicht zur Stelle waren, trotzdem die Kommunisten und Völkische zusammen 58 Abgeordnele zählen. Ein kommunistischer Antrag, die heutigen Vorgänge im Sozialpolitischen Ausschutz sofort zu verhandeln, wird abgelehnt, weil die Vorlage über die Krisenfürsorge für die Aus- gesteuerten dem Reichstag noch gar nicht zugegangen ist und auch der Ausschuß seinen Bericht noch nicht erstattet hat. Das Haus setzt dann die Beratung der ersten Lesung des zweiten Nachtragsetats fort. Das Wort nimmt dann Reichswehrminister Dr. Gehler. der sich gegen die deutschnationalen Vorwürfe wegen der Eni- lassung des Generals Seeckt wendet. Die Einstellung des Hohenzollernprinzen in die Reichswehr habe gegen die Erklärungen verstoßen, die er an den Reichstag abgegeben habe. Dieser Prinz, der doch als Kronprätendent angesehen werde, sei in ver- fassungswidriger und ungesetzlicher Weise in die Reichswehr eingestellt worden und' General Seeckt sei dafür ver- antwortlich gewesen. Eine solche Handlung erschwere die Politik, die eine Beseitigung der Militärkontrolle erstrebe. Die Entlassung Sceckts war kein Ausfluß der Starrsinnigkeit, sondern ein Akt der Staatsraison Beim Ausscheiden des Generals Seeckts sei anerkannt worden, daß er in der schwersten Zeit an der Festigung des Staats mitgearbeitet habe und es sei dem Minister schwer gefallen, sich von ihm zu trennen. Aber in der Frage der Staatsraison durste er nicht nachgeben. Der Uebergang habe sich ohne Schwierigkeiten vollzogen und das sei ein Beweis dafür, wie festgesügt die Reichs- wehr dastehe. Der neue Chef der Heeresleitung, General o. Heye, werde sich hüten müssen vor solschen Freunden, und dazu gehöre Herr Lindeiner.(Heiterkeit.) Der Minister spricht zum Schluß die Ueberzeugung aus, daß General v. Heye sich als Persönlichkeit durchsetzen werde, damit das Ziel, das gesteckt worden sei, auch erreicht werde.(Beifall in der Mitte.) Abg. Ersing(Z.) gibt zu, daß der Unwille der breiten Masten des Volkes über die ihnen auferlegte gewaltige Steuerlast berechtigt sei. Dieser Unwille dürfe aber nicht dazu benutzt werden, um die Bevölkerung gegen den heutigen Staat auszuhetzen. Unsere politische Lage sei immer noch außerordentlich schwierig. Alle Parteien mühten den Versuch machen, eine Außenpolitik zu treiben, durch die die Lasten, die auf uns ruhen, verringert und beseitigt werden. Die deutsche Wirtschaft sei zweifellos mjt der Weltwirtschaft eng ver- Kunden. Die Regierung mühte aber verhindern, datz von Kartellen und Syndikaten eine ungcrechtserligte Preispolitik getrieben werde. Zu dem sozialdemokratischen Antrag auf dauernde ver- Weisung des früheren Kaisers erklärt der Redner: Wir haben dem Kaiser keine Steine nachgeworfen, als er ins Ausland ging. Wir haben ritterlicher gehandelt als er. Er stößt bei uns auf kein Verständnis, wenn er in seinem Tagebuch dem Zentrum vorwirft, es fehle ihm ein konsequentes Programm für nationale Politik. Diese verletzenden Aeußerungen zeigen, wie wenig Emp- finden er für die wahrhaft staatspolitische Gesinnung weiter Kreise des Volkes hat. Leider sei der Hohenzollernvergleich in Preußen schlechter als das Reichstagskompromiß. Das F ü rstsnsp err- gesetz muß verlängert werden, damit in den anderen Ländern inzwischen eine Bereinigung erfolgen kann. Unberechtigte Forderungen der Fürstenhäuser müßten entschieden abgelehnt werden. Landsberg hat erschreckende Bilder geboten. Die not» wendige Klarheit ist aber nicht gebracht worden. Di« Jugend muß zum Dienst am Staat und Volk erzogen werden. Der Redner be- dauert die unklaren Mehrheitsverhältnisse im Reichstage. Die Weimarer Verfassung müsse ausgebaut werden. Durch eine Wahlreform müsse der Wähler in engere Fühlung zum Abgeord- ueten gebracht werden. Die Deutschnalionalen streben nach winistersesteln. Wenn Sie die Erwerbslosen aber parleipolilisch behandetn, so sei das ein Hohn aus die Rot des Volkes. Das gilt auch den Sozialdemokraten. Das Zentrum will den Voltsstaat im Herzen des Volkes errichten. Es lehnt den ein» seitigen Parteistandpunkt ab.(Beifall im Zentrum.) Abg. Dr. Cremer(D. Vp.i lehnt die sozialdemokratischen und kommunistischen Anträge zur Fürstensrage ab und erklärt: Wir wollen die ehemaligen Fürsten nicht bester, aber auch nicht schlechter stellen als jeden anderen Staatsbürger. Gegenüber der Behauptung der Deutschnationalen, dem General Seeckt sei Unrecht ge- schehen, weist der Redner darauf hin, er s e l b st habe anerkannt, daß die politische Folge des bedauerlichen Zwischenfalls nicht anders aussehen konnte. Es habe sich dabei doch auch um einen Willens. akt des Reichspräsidenten gehandelt. Die jetzt in Lands. berg erörterten Zustände seien nicht mehr aktuell. Die Reichswehr sei letzt konsolidiert und es sei gewiß nur ein Zufall, wenn bestimmte Ofsizierkorps sich hauptsächlich aus Adligen zusammensetzen. Aus allen Gebieten könne man eine gewisse Konsolidation beobachten, die sicher auch auf die Erfolge einer weitausschauenden Außen- Politik zurückzuführen sei. wenn große Parteien die Beteiligung an den Regiecungsgeschäften erstreben, so müßten sie zuvor die Hemmungen überwinden, die bei ihnen selbst Politik europäischer Zusammenarbeit und innerpolitischer Konsolidation entgegenwirken. Die Reform der Weimarer Verfassung und des bestehenden Wahl- rechts sei zurzeit nicht dringlich. Der Redner beschäfttgt sich dann mit dem eigentlichen Nachtragsctat, dem er zustimmt. Der Redner wendet sich gegen den geplanten Ankauf des Hotels „K a is e r h o s" und gegen die Art, in der die Umgestaltung der Verwaltung im Reichsfinanzministerium vorge- nommen worden ist. Bei aller Anerkennung der günstigen Ergeb- nisse der Finanzverwaltung müsse doch vorsichtig abgewartet werben, ob sich die deutsch « Wirtschaft nach Beendigung des englischen Kohlenstreiks weiter so günstig entwickeln iverde, wie in der letzten Zeit. Die direkten Steuern mühten in erträglichen Grenzen ge- hallen werden, man dürfe die Ermäßigung nicht auf die indirekten Steuern beschränken. Di« Länder und Gemeinden müßten dem Beispiel des Reiches in der Steuerermäßigung folgen, besonders bei den letzt überspannten Realsteuern. Die beste Lösung wäre freilich, wenn Me Sonderverwallung der Länder einmal aushörte und an deren Stelle der Einheits- , staat trete. v Mit einem Hinweis auf die Abstimmungen der letzten Tage er- klärt der Redner schließlich: Wenn die Parteien rechts und links von uns glauben, zusammen eine Regierung bilden j>u können, dann räumen wir ihnen gern die Ministersessel. Wenn sie das aber nicht können, dann sollen sie nicht versuchen, uns mit Gewaltmaß- nahmen an der Arbeit zu hindern oder uns gar in widernatürliche Koalitionen hineinzuzwingen.(Beifall bei der D. Vp.) Abg. Dr. Haas(Dem.) wünscht, daß die Anforderung neuer Beamtenstellen dem ordentlichen Haushalt vorbehalten bleibe. Die Entlastung des Generalobersten v. Seeckt war eine Notwendigkeit. Die Reichswehr solle nicht ein Fremdkörper in der Republik sein, sondern sie müsse der Republik dienen. Die Un- abhängigkeit der Rechtspfleg«, die doch gegen die Konser- vativen durchgesetzt worden sei, dürfe nicht zur Ungerechtig»
Deutfthnationale. Mißtrauensvotum abgelehnt. k e i t ausarten. Die kommunistischen Fürstenanträge lehnt der Redner ob, der von der Sozialdemokratie eingebrachte Ge- setzentwurf müsse im Rechtsausschnß sorgfältig geprüft werden. MU der Fridericus-Marke sei neue Erregung in die Be- völkerung getragen worden. Einer der ersolgreichsten Kämpfer gegen die Zentralgewalt des Reichs und gegen die deutsche Einheit war dieser Hohenzollernkönig. Der Redner erklärte schließlich, daß wir nicht so weit gekommen wären, wenn sich nicht Sozial- demokraten zur Verfügung gestellt hätten. Während des Krieges habe man keinen Unterschied zwischen Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrumsleuten gemacht, man solle doch jetzt endlich damit aushören, diesen Volksschichten die Vaterlandsliebe abzn- sprechen.(Beifall.) Abg. Dr. Leicht(Bayer. Vp.) hält die Finanzlage nicht für so günstig, daß man darüber Purzelbäume schlagen könne. Beim Finanzausgleich werde es sich zeigen, daß sehr große Schwierigkeiten zu überwinden seien. Den Deutschnationalen riet der Redner, den anderen nicht zu sehr auf die Hacken zu treten, denn dadurch würden ihre Bestrebungen, an die Regierung zu ge. langen, nicht gerade gefördert werden.' �bg. Löbe(Soz.), der unter allgemeiner Aufmerksamkeit, nicht als.Präsident, sondern als Abgeordneter, das Wort nimmt, erklärt, datz er dazu durch einen völkischen Antrag, der sich zum Zwecke der Aufhebung des Rede- verbot? gegen Adolf Hitler auf eine Breslauer Rede Löbes berufen hat, und durch die Erwähnung seines Namens in der Rede des deutschnationalen Abg. Lindeiner veranlaßt worden sei. Er(Löbe) habe in seiner Breslauer Rede die Ausfassung vertreten, datz man einem Deutschen aus Oe st erreich, der vier Jahre lang im Weltkrieg sein Leben riskiert habe, den Zutritt zum deutschen Staatsverband nicht verweigern könne. Alle Parteien dieses Hauses seien damit einverstanden gewesen, daß man den Krieasge- fangenen, die sowohl von französischen wie von deutschen Kriegs- gerichten abgeurteilt worden sind, den Zutritt zu Deutschland nicht verweigern könne. Aus der gleichen Anschauung heraus habe sich der Redner auch für den kommunistischen Abg. H ö l l e i n eingesetzt. als er infolge der Ausübung seiner politischen Anschauungen in französische Gefangenschast genommen worden sei, und der deutsche Gesandte in Paris habe sich ja damals um die Freilassung Hdlleins bemüht. Ich habe mich, so fuhr Löbe fort, auch gegen das Redeverbot für Hitler verwandt. Fordert er zu Gewalt- tätigkeiten aus, so muß man so gegen ihn vorgehen, wie man es gegen mich getan hat, obschon ich nicht zu Gewalttätigkeiten auf- gefordert habe. Herr Lindeiner hat in bezug aus meinen Vorschlag zur Abänderung der Anwerbung für die Reichswehr gefragt, wo ich denn meine militärischen Kenntnisse hernehme, lkiese Kenntnisse habe ich dem österreichischen Bundesheer entnommen, das ja auch ein deutsches Heer ist und seine nationale Zuverlässig- keit wiederholl bewiesen hat. Aber auch militärische Sach- verständige haben sich für meinen Vorschlag ausgesprochen. Technisch ist er sehr wohl durchführbar, wie wiederum das Beispiel Deutschösterreichs beweist. Der deutschnationale Redner glaubt, daß bei Berwirklichung meines Vorschlages eine Politisierung des Heeres eintreten könnte. Meine Anregungen sollen gerade dazu dienen, die einseitige politische Auswahl des Heeresersatzes in einem der gegenwärtigen Staatssorm feindlichen Sinne zu verhindern, wie sie jetzt erfolgt. Ich kenne Berichte, nach denen wie in Hanau und Fulda aktive Reichswehr - offiziere Bureaus unterhalten, die aus rechtsradik-alen Vereinen Ersatz für die Reichswehr besorgen.(Lebhaftes hört! hört!) Bisher ist die Reichswehr im monarchistischen Sinne politisicrl worden. Die Teilnehmer an dem letzten Manöver der Reichs wehr konnten sich davon überzeugen, denn dort wurde von den Reichswehrangehörigen das Ehrhardt-Lied gesungen. Wenn gesagt wird, es werde nicht gelingen, die Reichswehr auf den Boden der Republik zu bringen, so sage ich: Wir werden nicht ruhen, bis das Heer, das die Republik erhält, auch der Republik ergeben ist.(Es folgt dann der an anderer Stelle ausführlich ge- schilderte Zwischenfall mit dem Deutschnationalen L o h m a n n.) Löbe tritt dann mit besonderer Wärme sür die Berücksichtigung der Interessen Niederschlcsiens, die in den nächsten Tagen bei der Vorlage des Ostetats behandelt werden sollen, ein. Der Redner erklärt zum Schluß, er habe mit seinem Beispiel die Uebung einführen wollen, daß neben den von der Fraktion bestimmten Rednern auch Redner aus den Fraktionen ihre persönlichen und lokalen Wünsche vor- tragen.(Lebhafter Beifall.) Ein kommunistischer Antrag, die Vorgänge in der heutigen Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses aus die nächste Tagcsord- nung zu setzen, wird abgelehnt. Abg. Müller-Franken(Soz.) erklärt dazu, es sei selbstverständ- lich, daß die Vorlage über die besondere Fürsorge sür die Aus- gesteuerten so schnell wie möglich erledigt werde. Aber man dien« den Erwerbslosen weit besser, wenn man den sozialpoli- tischen Ausschuß wieder flott mache, als wenn man sich über einen negativen Bericht unterhalte. Gegen 7 Uhr oertagt sich das Haus auf Donnerstag nach- mittags 2 Uhr.
Neviüiertes Urteil. Sechs Monate Gefängnis für einen völkischen Verleumder. Hamburg . 10. November.(Eigener Drahtbericht.) In dem Beletdigungsprozeß des Kardinals v. Faulhaber gegen den Schriftleiter und Schriftsteller Rainer Hupp er tz fand am Mittwoch vor einer Hamburger Strafkammer die Be- rusungsverhandlung statt. Hupperts, der den Kardinal Faulhaber in seiner Wochenschrift„Vaterland" den„größten und ver- schlagensten Jesuiten " genannt hatte, der die Entwicklung, die zum Novcmberputsch 1923 geführt habe, gefördert I)abe und �Oann umgefallen sei und damit letzten Endes für das Blutbad vor der Feld- herrnhalle in München am 9. November 1923 verantwortlich sei, war in er st er Instanz mit einer unglaublichen Urteils- begründung, die man mit Recht in den katholischen Kreisen als un- gcheuerlich empfand, freigesprochen worden. Er hatte im ersten Termin vor der Berusungsinstanz, Ende 1925, den Wahr- heitsbeweis angeboten und als Zeugen u. a. Ludendorff , Hitler, Escherich, Strasser, Ehrhardt, den Grafen Bothmer, A u e r- München, o. G e rla ch- Berlin angegeben. Ihre Aussagen sollten die Richtigkeit der Angaben des Huppertz beweisen. Die Zeugen sind sämtlich kommissarisch vernommen worden. Ihre Aussagen gaben aber keinerlei Anhalts- punkte für die Behauptungen des Angeklagten. Nach dem Plädoyer des Staatsanwalts, der fünf Monate Gefängnis für Huppertz beantragte, und längeren Verteidigungsreden kam das Ge- richt zu folgendem Urteil: Der Angeklagte wird wegen öffentlicher Beleidigung zu 6 Monaten Gefängnis und Veröffentlichung des Urteils in den„Hamburger Nachrichten",„Hamburger Frem- donblatt",„Hamburger Echo",„Bayerischer Courier" und„Mün- chener Neuesten Nachrichten" verurteilt. Nicht ein Schatten des Be- weises sei für die ganz leichtsinnig aufgestellten Behauptungen erbracht worden. Deshalb muß auf eine ganz empfindliche Strafe erkannt werden.