Einzelbild herunterladen
 

Nr. 55343. Jahrg. Ausgabe A nr. 282

Bezugspreis.

Böchentlich 70 Bfennig, monatlich 8, Reichsmart voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzia, Saar- und Memelaebiet. Desterreich. Bitauen, Luxemburg 4,50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat.

Der Borwärts" mit der illuftrier ten Sonntagsbeilage Bolt und Beit fowie den Beilagen Unterhaltung uno Bissen". Aus der Filmwelt", Frauenstimme". Der Rinder freund" Jugend- Borwärts" und Blid in die Bücherwelt" erscheint wochentäglich ameimal, Sonntags und Montags einmal.

Telegramm- Adresse:

Sozialdemofrat Berlin"

Morgenausgabe

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Anzeigenpreise:

Die einipaltige Nonpareille Beile 80 Pfennig. Reklamezeile B- Reichsmart. Kleine Anzeigen bas fettgebrudte Wort 25 Bfennig ( auläffa awei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengefuche das erfte Wort 15 Bfennig. jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buch. ftaben zählen für awei Borte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten

Reile 40 Bfennia.

Anzeigen für bie nächfte Summer müffen bis 4 Uhr nachmittags im Sauptgeschäft, Berlin GB 68, Sinden­ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 8% Uhr früh bis 5 Uhr nachm.

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Mittwoch, den 24. November 1926

Vorwärts- Verlag G.m.b.H. , Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Bostschecktonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Ballftr. 65: Diskonto- Gesellschaft. Depofitenkaffe Lindenfte. 3.

Stresemann verteidigt seine Politik.

Zahme nationale Opposition".- Militärkontrolle und Reichswehrsfandale.- West und Oft.

Der Reichstag , der vielgescholtene, hat gestern als wahres Musterparlament bei guter Beſegung und starter Aufmerksamkeit einige Reden zur Außenpolttit an gehört, die nur von mäßigem Interesse waren. Daß Herr Emminger von der Bayerischen Bolkspartei beim Ber­lesen einer Erklärung der Regierungsparteien nicht wie ein Rezitator ersten Ranges wirft, fann man verstehen. Daß der deutschnationale Herr Hoesch, auch wenn er die Belange der nationalen Opposition vertritt, ein Professor auf dem Ratheder bleibt, weiß man. Herr Stresemann gehört zu den Künstlern des Worts, aber Künstler haben nicht immer gute Tage, sondern sind manchmal törperlich oder seelisch indisponiert, und das war gestern Herrn Strefe­manns Fall. Erst als Geßler fam, gab es etwas wie ein bißchen dramatische Spannung, was allerdings mehr auf die üble Lage, in der sich der Reichswehrminister befindet, als auf den Inhalt seiner Erklärung zurückzuführen war. Das Haus blieb faft bis zum Schluß geduldig und im Zuhören höflich. Erst als der Kommunist Stoe der fam, gab es fein Halten mehr. Man wollte sich nicht noch weiter langweilen laffen.

Der fachliche Ertrag der Debatte war ebenso dürftig wie thre Form. Ein zwingender Anlaß, sie jetzt zu führen, lag nicht vor. Nur die Deutschnationalen hatten das Bedürfnis, ihrer Schadenfreude darüber Ausdruck zu geben, daß man seit Thoiry noch nicht recht meiter gekommen ist. Mit der Feststellung diefer Tatsache hatten sie recht. Aber ebenso recht hatte Stresemann mit seiner Gegenbemerkung, daß da mit noch gar nichts bewiesen sei. Er hätte ganz gut auch Bismard zitieren fönnen, der sich einmal über die Leute luftig machte, die immerzu die Radieschen aus der Erde ziehen, um zu sehen, ob sie gewachsen sind.

Im übrigen blieb Herr Hoeßsch in der Form recht freund lich, weil das erstens feinem äußeren Wesen entspricht und weil zweitens eine Partei, die gar so gern in die Regierung möchte, ihre guten Manieren zeigen muß. Auch über die Flaggenhiffung des deutschen Botschafters in Amerika am 11. November gab es statt des erwarteten Sturms nur ein fanftes Säufeln. Mehr hat diesmal der Graf eben nicht erlaubt.

Was die Frage der Militärtontrolle betrifft, so bleibt der Eindruck bestehen, daß man sich einigen wird. Ob dazu diese Debatte nötig war, ist eine andere Frage. Und noch eine andere Frage ist, ob der wie die Wasserpest muchernde, nicht auszurottende Unfug, der bei der Reichswehr getrieben wird, eine Führung der Ber­handlungen im Sinn der deutschen Wünsche begünstigt. Auch gestern hat man wieder gehört: dieser Unfug eriftiert nicht und wird außerdem von Herrn Geßler scharf bekämpft. Auch Herr Stresemann will ihn feineswegs dulden.

Die Erklärung des Herrn Stresemann soll offenbar für Die Erklärung des Herrn Stresemann soll offenbar für die Lösung der Kontrollfrage eine günstige Grundlage schaffen. Diefe Grundlage muß gesichert und befestigt werden durch den Reichstag und die Breffe. Eine fremde Militärkontrolle ist überflüssig, weil das deutsche Bolt selber das stärkste eigene Interesse hat, endlich Ruhe zu bekommen, endlich den Skandalen ein Ende zu bereiten. Das kann aber nur durch eine Reform der deutschen Reichswehr an Haupt und Gliedern geschehen.

Bon Polen war gestern ziemlich viel die Rede, eigent­lich war es die einzige Macht außer Frankreich , die in den Bereich der Unterhaltung gezogen wurde. Ist es aber wirf lich flug und geschickt, nach Westen hin mit verbindlichem Lächeln zu sprechen, gegen den Osten aber stets eine eisige Miene aufzufezen? Wenn die Politit der Berständigung ver­nünftig ist, so ift fie nach allen Seiten vernünftig und menn man in Bolen auch wenig sieht, was zu einer solchen Politit ermutigt, so hat man in Frankreich vor nicht langer Zeit doch auch nicht allzu viel davon gesehen!

-

Die Gemeindewahlen in Oftoberschlesien sind wir alle wir alle bedauern das, aber es ist nun einmal leider völkerrechtliche Tatsache eine innere Angelegenheit Polens . Wenn die Regierungsparteien des Deutschen Reichstags in einer offiziellen Erklärung zu dieser Angelegenheit Stellung nehmen und einem Teil der oftoberschlesischen Wähler den Dank für ihr Bekenntnis zum Deutschtum" aussprechen. fo fan ein solcher Borgang in Bolen teine Freude weden. Bermutlich werden die meisten Deutschen in Ostoberschlesien davon auch nicht gerade entzückt sein. Für die deutschen Listen hatten diesmal aus Aerger über die Mißwirtschaft der Regierung zahlreiche Bolen gestimmt; ficher taten fie das nicht in der Absicht, sich Dom Deutschen Reichstag ihre Treue zum Deutschtum be­fcheinigen au laffen.

|

Reale Intereffen Deutschlands Bolen und jedem anderen Lande gegenüber, mögen mit fachlichem Ernst vertreten werden. Dazu ist aber nicht unbedingt notwendig, daß man sich gegen­feitig die faulen Aepfel über den Baum wirft oder mit der Flaumfeder in der Nase fizzelt.

#

Wir geben den Bericht über die Verhandlungen in der Beilage. Die Rede des Reichsaußenministers lassen wir hier folgen: Reichsaußenminister Dr. Stresemann: An der Ehrlichkeit des

sei

französischen Außenministers

nicht zu zweifeln. Aber neuartige Ideen fegen sich in das Denten der Völker erst in längeren Seiträumen um. Dr. Hoeßsch habe leider nur von der fran­göfifchen Rechten gesprochen, bei der sich das Verständnis für die Bolitit des Außenministers durchzusetzen beginne.( Seiterfeit.) Die grundsägliche Einstellung der deutschen Regierung gegenüber den Oft grenzen habe sich in feiner Weise geändert. Wenn man sich den großen Kompler von Fragen vergegenwärtige, die in Thoiry behandelt wurden, so könne man doch nicht erwarten, daß schon acht Wochen danach die Ergebnisse gezeigt werden fönnten. Bor falschem Optimismus müsse gewarnt werden, auch hier können Rückschläge

tommen.

Es ist feine Unterstützung des außenpolitischen Fortschritts, wie es der deutschnationale Redner getan hat. Die Frage der Be­endigung der Militärkontrolle sei auch im Gespräch von Thoiry erwähnt worden, wenn es hierbei zum Stillstand gelemmen sei, fo müffe man vorläufig andere Probleme in Angriff nehmen, bei Standpunft, daß bie Militärfontrolle so schnell wie möglich ver denen es schneller gehe. Die Regierung stehe nach wie vor auf dem schwinden misse. In allen Handelsvertragsverhandlungen vertrete die Regierung den Standpunkt, daß das

wenn Thoiry als Phantasie bezeichnet wird,

freie Niederlaffungsrecht eine Selbstverständlichkeit fei. Der Botschafter in Washington habe in der Flaggenfrage noch freiem Ermessen gehandelt und ich danke ihm dafür. Die Dinge tragen ein anderes Geficht, je nachdem, in welchem Lande fie fich ereignen. Wo die Waffenstillstandsfeier nicht als Siegesfeier,

Paris , 23. November.

|

sondern als Trauerfeier für die Gefallenen abgehalten werde, gebe es teinen Anlaß, sich ihr zu entziehen.( Widerspruch rechts.) In Amerika bedeute der Tag des Waffenstillstands einen Frie Wenn wir mit Amerika , enstag und nicht einen Siegestag.

wie es auch die Deutschnationalen wollen, dauernd eng zusammen­arbeiten sollen, dann dürfen wir die Amerikaner nicht beleidigen und bloßstellen. Der Tag, an dem in Amerika die Losreißung den dem früheren Mutterland gefeiert wird, werde doch auch von Eng land nicht als feindseliger Aft bezeichnet.( Widerspruch rechts.) Die Entwaffnungsaffion

halte die deutsche Regierung für abgeschlossen, daher sei die inter­alliierte Militärfontrolle überflüssig. Sollten noch einige Punkte zu flären sein, so müsse durch Verhandlungen eine Ver ständigung erzielt werden. Bei dieser Gelegenheit müsse der Männer von der Reichswehr mit besonderem Dank gedacht werden, die die Abrüstung durchgeführt haben. Die Abrüftung wäre ein Werk des Friedens gewesen, wenn sie allgemein durchgeführt morden wäre. Heute aber sei sie ein Att der Demütigung für das deutsche Volk.

Reichswehr und Wehrverbände.

Ueber die Stellung der Regierung zu den putschistischen Behrverbänden führte Stresemann wörtlich folgendes aus:

Meine Herren, ich darf mich dann im Zusammenhang mit den Fragen, die bei der Abrüstung, bei der Militärtontrolle erörtert worden sind, auch mit der Frage der sogenannten nationalen Berbände beschäftigen. Auch in dieser Frage hat die deutsche Regierung alles getan, was zur loyalen Ausführung des Vertrags von Bersailles erforderlich war. In den Verhandlungen mit der Botschafterkonferenz im November v. 3. war der Erlaß einer Ber­ordnung zur Ergänzung eines Gesetzes über die Durchführung der Artikel 177 und 178 des Vertrages von Versailles vereinbart worden. Diefe Verordnung ist im Februar d. 3. erlaffen worden.

Damit haben wir unsere internationalen Verpflichtungen erfüllt. Selbstverständlich wird die Reichsregierung die Einhaltung des Gesetzes und der neuen Berordnung überwachen. Das ist aber

Briands Außenpolitik.

Rede im Kammerausschuß.

=

Die Mitteilungen

( Eigener Drahtbericht.) Bor der darauf hin, daß die Deutsche Allgemeine Zeitung" bereits seit Kammerfommiffion für Auswärtige Angelegenheiten hat Außen einigen Wochen, besonders durch die Unterstügung der in Elsaß Lothringen , minister Briand am Dienstag nachmittag die Probleme der aus Autonomistenbewegung wärtigen Politik besprochen. Von seiner Besprechung mit Strefe Anlaß zu Beunruhigung in Frankreich gegeben habe; mann in Thoiry ausgehend, schilderte er die Verhandlungen in den denn darin sehe man einen Versuch, auf Frankreich einen Druck aus­durch Abmachungen wirtschaftlicher, handelspolitischer und politischer führen. Bisher hätte der deutsche Außenminister immer behaupten legten Wochen. Beide Regierungen, so führte er aus, feien bemüht, zuüben, um eine beschleunigte Räumung der Rheinlande herbeizu­Art die Atmosphäre der Entspannung, die in den letzten Monaten können, daß die Regierung feinerlei Druck auf die nationalistischen glücklicherweise zwischen den beiden Ländern Platz gegriffen habe, Blätter ausüben könne, da sie Privateigentum feien, und daß sie zu erweitern. Dann ging Briand zu dem Verhältnis zwischen Frant felbst von diesen Blättern angegriffen werde. reich und Italien über. Er betonte, Frankreich habe stets in Stresemanns bewiesen jetzt jedoch, daß eines der natio= seiner Geschichte und ganz besonders bei den letzten durch den nalistisch sten deutschen Blätter fich in Händen der Reichs­Faschismus hervorgerufenen 3 wischenfällen einen regierung befinde. Die Angriffe gegen Frankreich müßten also von Geist des Entgegenkommens und der freundschaftlichen Sympathie der Regierung inspiriert fein oder mindestens von ihr ge­Italien gegenüber an den Tag gelegt. Die französische Regierung billigt werden. Der deutsche Außenminister lasse seine Politik von merde fich bemühen, in diesem Geiste die noch nicht geregelten Thoiry und Locarno verteidigen, gleichzeitig aber Artikel erscheinen, Zwischenfälle beizulegen. um auf Frankreich einen Drud auszuüben. Bereits in Genf im Monat September habe er dasselbe Spiel getrieben. Vor der Völker­bundsversammlung habe er eine forrekte und würdige Rede gehalten, um fie nachher durch die ,, brutalen Erklärungen" im Gambrinus" zu verleugnen.

Geßler, Stresemann und DAZ." Scharfe Pariser Kritik.

Paris , 23. November. ( Eigener Drahtbericht.) Die politische Entwicklung in Deutschland wird in Paris mit starkem Interesse verfolgt. Zur Förderung der Verständigungspolitit erhofft man die Große Roalition. Wenn die Große Koalition zustande tommt schreibt der Intransigeant" werden gewisse

-

e nderungen unvermeidlich sein. Vor allem müßte der in allen Standalen der Schwarzen Reichswehr kompromittierte Minister Geßler ausscheiden. Diese Persönlichkeit, die mit vollendeter unzulänglichkeit eine ausgesprochene Berschlagenheit verbindet, ist eine Gefahr für die Aufrechterhaltung des Friedens. Benn Stresemann wünscht, daß zwischen uns und ihm eine Ber­ständigunig zustandekommt, so muß er in ganz energischer Weise diesen Reichswehrminister wegbringen."

Die Blätter beschäftigen sich außerdem lebhaft mit der Er flärung, die Dr. Stresemann vor dem Auswärtigen Ausschuß über den Ankauf der Deutschen Allgemeinen Zeitung" abgegeben hat. Das Journal des Débats" fritisiert in außerordentlich scharfer Form bas Berhalten des deutschen Außenministers und meift

11

Briand steht Mussolini lieber nicht. Paris , 23. November. ( Eigener Drahtbericht.) An zuständiger Stelle äußert man sich über die Nachricht, daß eine Besprechung zwischen Briand und Mussolini nach der Genfer Tagung des Böller­bundsrates in Aussicht genommen sei. Die Blätter erklären eine solche Zusammenkunft als außerordentlich unwahr cheinlich. Das Journal des Débats " meint, eine folche Aus sprache im gegenwärtigen Augenblick würde keinerlei nüzliche Er­gebnisse zeitigen, da die jüngsten 3 wischenfälle noch nicht beigelegt seien. Andererseits führe Italien gegenwärtig eifrige Be | sprechungen mit Deutschland . Auf alle Fälle", schreibt das Blatt, liegt es auf der Hand, daß es nicht an der französischen Re­gierung ist, im gegenwärtigen Zeitpunkt irgendeine Initiative der italienischen Regierung gegenüber zu ergreifen."

Die Meldung von einer Zusammenkunft zwischen Briand und Mussolini darf also als ein von Rom lancierter Ber jusballon angesehen werden.