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Verlängerung üer Kurzarbeiterfürsorge. Die Borlage vor dem Rcichsrat. Wie das Wolff-Bureau mitteilt, bereitet das Reichsarbetts- Ministerium die Verlängerung der Kurzarbeiterfürsorge über den 27. November hinaus vor. Der Verroallungsrat des Reichsomts für Arbeitsvermittlung hat der Verlängerung bereits z u- g e st i m m t. Die Zustimmung des Reichsrats ist am Donnerstag zu erwarten. Die rumänische tzölle. Bortrag Hermann Mendels iiber den weißen Schrecken Avarcscus. Am Dienstag abend sprach Genosse chermaim Wendel. Frankfurt a M in einer Berliner Versammlung über den weihen Terror in Averescu -Rumänien . Seine lebendige Schilderung des rumänischen Elends gewährte Einblick in den vormittelalterlichen Barborismus eines Regimes krassester Rechtlosigkeit und Korruption, dessenParlamentarismus" zum jämmerlichen Komödienspicl der herrschenden Tartüffes geworden ist. Wer Verantwortungsgefühl in sich trägt, führte Genosse Wendel aus, sollte eigentlich nur dann gegen Greuel in fremden Land Protest erheben, wenn sein eigenes mit fleckenlos weißer Weste dasteht. Nach Küstrin , Landsberg und der Folterkammer Gorgast fühlt man als Deutscher bei solcher Verwahrung gegen das rumä- Nische Terrorsystem einige chcmmungen. Aber nicht gegen das rumänische Märtyreroolk richtet sich ja unsere Anklage, sondern gegen die gewissenlose Sippe seiner Machchober, die das' an Jntelli- ganzen reiche Land so unmenschlich peinigt und knebelt. Wendel gab zuerst einen historischen Rückblick aus die Entwicklung des Bauernlandes, schilderte den schamlosen Egoismus der Handvoll Landlords der älteren Vorkriegszeit, die riesigen Latifundienbesitz ihr eigen nannten, indes die kleinbäuerlichen Habenichtse in Rot verkamen. Die Verfassung wurde gröblich oersälscht, ein absurdes Klaff enwahlrecht, ähnlich dem preußischen, sorgte für die notwendige Regierungsmajorität. Immer herrschte in Rumänien der Terror, gemildert aller- dings durch grenzenlose Korruption. Der Krieg hat«ine gewaltige Umschichtung in Rumänien hervorgerufen und die sozialen Gegensätze scharf herausgearbeitet. Als die Masten er- wachten, als in Ruhland die Privilegien des Zarismus in Nichts zer- fielen, wurden dem herrschenden Spstem das allgemeine Wahl- rech t und die gründliche Agrarresorni(Gesetze vom Juni 1917 und November 1918) nur durch äußerste Not abgepreßt. Wenn auch die Gegenwirkung der Reaktion bald darauf einsetzte, der politische Umsturz war gewaltig. 1924 waren 89 Pro?, des Bodenbesitzes in kleinbäuerlichen Händen. Der augenblickliche Terror, der Rumänien verwüstet, ist der �ähe Widerstand des Alten gegen das Neue, die Sabotage des Werdenden durch den alten-Ausbeutungsapparat. U n- menschlich ist der Terror Averescus und seiner Spieß- gesellen. Jeder Kommunist ist vozelfrci, Beteiligung an lommuni- stischen Bestrebungen wird bis zu lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Kaum besser geht es dem Sozialdemokraten. Die ganze Meute der Bluthunde ist auf ihn losgelassen. Kein Tag ver- geht ohne Zcitungsbeschlagnahme, auch die Minderheitsrechte stehen nur auf dem Papier. Der rumänische Antisemitismus ist jetzt völkisch akzentuiert, die Klosettwände tragen wie bei uns Hakenkreuzschmuck. Bei den Wahlen Averescus hat man die Kandidaten der Opposition verhaftet, Versammlungen gesprengt und mit unglaublicher WMkür dem Gewaltregime dieParlamentsmehrheit" verschafft. Das Parlament ist eine Kulisse zügellosester Gewalt- Herrschaft. Die berüchtigteSiguranza", die rumänische Ochrana. schreckt vor keiner Gewalttat, nicht vor Meuchelmord zurück. Wer Bücher von Marx oder Bebel in seiner Wohnung hat, kommt auf Monat.e hinaus ins Ge-fängnis. Furcht- barst«.Mißhandlungen und Folterungen politischer Gefangener sind an der Tagesordnung, die rumänischen Gefängnisse sind Höllen der Barbarei. Di« Justiz ist der würdige Spieß- geselle der Mordpolizei. Aber dem Blutregiment zum Trotz regt sich der Widerstand des rumänischen Volkes. S.O.S- wie der Fünkruf eines Schiffes in hoher See. schallen uns die Stimmen der geknechteten Rumänen entgegen. Alle freien Seelen begleiten ihren Freiheitskampf mit heißem Verstehen, ihren Henkern und Schindern jedoch gilt der Fluch aller freien Menschen. Die neue faschistische Tstheka. Aus Mailand wird uns berichtet: Im Zeichen der jetzt betonter gewordenen Polizei- und Schreckenspolitik in ItaNen hat sich der Generalsekretär der faschisti - schen Partei. Augusto Turati. vorgenommen, sämtliche faschistischen Provinzlalsekretäre durch neue und zuverlässigere Elemente zu ersetzen. Es entspricht der Absicht Mussolinis, daß die Sekretäre der Partei von nun an in engster Zusammenarbeit mit den Kommandos der Miliz wirken sollen, denen die dreifache Auf- gäbe obliegt, die Interessen der Partei wahrzunehmen, die Gegner zu überwachen und die Repressalien auszuführen. Die offizielle Agentur S t e f a n i berichtet über eine in Palazzo D i m i n a l e, im Zimmer Mussolinis selbst abgehaltene Zusammenkunft, an der die Generäle der faschistischen Miliz teilgenommen haben. Mussolini nahm in seinen Ausführungen Bezug auf die vor kurzem bei den Kommandos der Miliz eingerichteten geheimen politischen Ueberwachungsbureaus(UTP.), deren Bedeutung für die Verteidigung des Regimes er besonders hervorhob. Er hat dabei angekündigt, daß die bereits begonnene Verteilung von Flinten demnächst in regelmäßigerem Tempo vorgenommen werde, angefangen mit 6009 Stück im Monat bis zu dem Zeitpunkt, an dem jeder Legionär die vorgeschriebene Bewaffnung besitze. Die Kommandanten haben den Befehl erhallen, vorläufig in Rom zu bleiben, um Mussolini einzeln über die Loge in ihren Provinzen zu berichten und neue Geheimbefehle für die politischen Verfolgungen entgegenzunehmen, denen man künftighin einen methodischen Verlaus geben will. Man hat errechnet, daß in Italien seit dem vergeblichen Attentat von Bologna mindestens 100000 Menschen aus poli- tisch en Gründen ver ha stet worden sind. Niemand weih, auf welches Ziel derDucs " hinsteuert: die Polizeichefs in der Provinz beginnen in der Hochflut sich widersprechender Befehle den Kopf zu verlieren. Nach den Massenoerhaftungen dieser letzten Tage werden überall dunkle Andeutungen über noch verschärfter« Maß- nahmen laut, die Mussolini gegen alle bekannten Gegner zu ergreifen willens ist. Währenddem verbrellet sich die Mißstimmung in der unzähligen Masse der Faschistenfreunde aus Herkommen oder Zwang immer spürbarer. In industriellen Kreisen machen sich die schwersten Befürchtungen für die politische Zukunft fühlbar. Diese Gefühle der Müdigkeit und des Mißtrauens, verschärft noch durch die wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, machen sich in zu- nehmendem Maße auch in den Kreisen der kleinen Erzeuger und Gewerbetreibenden bemerklich. In der großen Arbeitermasse haben die Mißhandlungen, Plünderungen und Verprügelungen der letzten Tage, nachdem sie bisher völlig passiv geblieben war, ein osfcnsicht- liches Gefühl der Wut, wenn nicht sogar der Rebellion, hervor- gerufen. Im großen und ganzen kann man feststellen, daß das tyrannische Vorgehen der Regierung und der faschistische Terror in der überwiegenden Mehrheit der italienischen Bevölkerung onti- jaschisüjche Gefühle herausbeschworen haben.

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Hestler und öle �Tarnung� Sein Briefwechsel mit Mahrann.

Die Tatsache, daß der Reichswehrminister im Reichstag gestern wieder die Erklärung abgegeben hat, die Angaben in der Denkschrift Mahrauns bezögen sich nur auf den Streit der sogenannten Vaterländischen Verbände unterein- ander, wird seltsam beleuchtet durch denIungdeutschen", der den gesamten Briefwechsel zwischen Mahraun und Keßler zum Abdruck bringt. An erster Stelle steht dabei der Brief Mahrauns vom 18. März 1926, der der söge- nanntenDenkschrift" vorausgeht. In dem Abdruck sind ver- schiedene Stellen punktiert(...). In den Originalen ist an diesen Stellen, wie wir zu wissen glauben, vongetarnten R«ichswehrorganlsationen"die Rede. Herr Geßler konnte also über den Inhalt und die Wichtigkeit der chm mit- geteilten Tatsachen nicht im Zweifel sein. Er antwortete des- halb unter dem 29. März dem Hochmeister des Iungdeutschen Ordens das Folgende: Sehr geehrter Herr Mahraun! Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom 18. März 1926. Das übersandte Material war mir in seinen Grnndzügen bereits bekannt, da es in letzter Zeit den Gegenstand wlederholter Besprechungen von Vertretern der Iungdoleitung mit meinen Be- arbeitern gebildet hat. Bei dieser Gelegenheil ist Ihnen und Ihren Herren eine Prüfung zugesagt worden. Ihre jetzige Anzeige ist mir ein neuer Beweis, daß Ich jedes Zusammenarbeiten der Reichswehr mit verbänden aller Art auf das schärfste bekämpfen muh. da sonst ganz abgesehen von etwaigen außenpolitischen Schmie- r i g k e i t e n die Gefahr besteht, daß die Reichswehr in den Kampf der Rivalitäten und Elferfüchleleien dieser verbände hinein­gezogen wird. Ich werde Ihre Anzeige daher den betreffenden Außenstellen zur warnenden Kenntnis bringen. Hochachtungsvoll, ergebenst gez. Geßler." Unter dem 30. April drückt Mahraun in elnem Schreiben an Geßler sein Erstaunen darüber aus, daß die Tatsache der Einreichung der Denkschrift, wahrscheinlich sogar deren Inhalt selbst, weiteren Kreisen bekannt geworden ist, trotzdem die Ordensleitung die strengste Ver- traulichkeit gewahrt und nicht einmal demOrdenskapitel" davon Mitteilung gemacht habe. Trotzdem wurden den einzelnen Ordenscingehörigen im Lande von Gegnern aus dem Inhalt der Denkschrift mehr mitgeteilt als die Führer des Ordens selbst wissen konnten. Man versuchte, die Mitglieder des Ordens aus ihrem Verband zu lösen unter dem Hinweis, daß mit der Ordensleitung nicht mehrauf der Grundlage d e r T r e u e, der E h r e, der Pflichten und der M o r a l" zusammengearbeitet werden könne! Auf dieses Schreiben, in dem Mahraun bat, ihm mit- zuteilen, welche Schritte er zur Wahrung seiner Ehre unter- nehmen könne, ohne die Interessen der Reichs- weh? zu verletzen, ließ Geßler folgende, schon nicht mehr höfliche Antwort erteilen: Major v. Bredow. Berlin , den 15. Mai 1926. ...., Herrn Artu r Mahraun, Berlin W. 9. Potsdamer Str. 20. Sehr geehrter Herr Mahraun! Der Herr Reichswehrminister hat mich nach Rückkehr von seinem in der Presse bekanntgegebenen Erholungsurlaub am 13. d. M. be- auftragt, Ihnen mitzuteilen, daß er sich nicht veranlaßt sieht, den wiederholten Rücksprachen der Sachbearbeiter mit den Herren der Iungdo-Leitung und seinem Schreiben vom 27. März 1926(gemeint ist Schreiben vom 29. März 1926. Die Red.) weiteres hinzuzufüge«. Hochachtungsvoll, ergebenst gez. von Bredow. Sofort nach Empfang dieses Schreibens hat Mahraun in einem sehr ausführlichen Brief auf die Behauptung der Deutschen Zeitung" hingewiesen, daß er mit seiner Denk- schrift das Preußische Innenministerium zu dem Vorgehen gegen Claß und Genossen oeranlaßt habe. Er unterstrich dabei, daß er seine schriftliche Eingabe er st auf Wunsch Geßlers selbst gemacht habe, da dieser ihm das Ver-

langen nach einer mündlichen Aussprache mit der Bitte beantwortete, er möge seine Angaben schriftlich zu- sammenstellen. Vor allem wünschte Mahraun Aufklärung, wie die Denkschrift in die Hände Soden st erns kom- m e n konnte. 2luf dieses neue Schreiben ließ Geßler durch den gleichen Major von Bredow kurz mitteUen, daß er seinem Brief vom 15. Maisachlich nichts hinzuzufügen" habe. Schließlich kam die Vorladung Mahrauns und Bornemanns vor den Reichsanwalt zu einer Zeugenvernehmung in der bekannten Angelegenheit Claß-Hugenbera. Mahraun bat beim Wehrministerium um Ratschläge für sein Verhalten. da der Oberreichsanwalt ihn aufgefordert hatte, die Ab- schrift det Denkschrift mitzubringen. Prompt er- hielt er wiederum von Major Bredow im Auftrag, dies- mal des stellvertretenden Rcichswehrministers, die Mit- teilung,daß sich das Reichswehrministerium darauf be- schränken muß, Sie auf die Bestimmungen der Straf- Prozeßordnung zu verweisen". Diese schroffe Abweisung eines Mannes, dessen vaterländische" Haltung man beiin besten Willen nicht be- zweifeln kann, deutet darauf hin, daß im Reichswehrministe- rium die Angaben seiner Denkschrift als eine üble B e< l ä st i g u n g empfunden worden sind. Das ist begreiflich für den Fall, daß tatsächlich die behaupteten Ver- bindungen von Reichswehrstellen mit den Vaterländi- schen Verbänden bestanden und bestehen. Wenn darin z. B. angegeben ist, daß in einer Sitzung im Landbundhaus in der Dessauer Straße unter dem Vorsitz eines ehemaligen Majors von Hinüber ein Hauptmann Fromm vomStabe des Wehrkreis- kommandos III eine Rede gehalten hat, in der be� hauptet wird:Recht ist nichts, Macht ist alles, aber heute stinkt alles nach Masse, Gasse, Gosse. Den rich- tigen Mann an die richtige Stelle zu bringen, das ist die politische Aufgabe, die das Heer zu erfüllen hat" oderdas Heer hat die Bezirkskommandos wiedereingerichtet. Jeder Kreis hat seinen Kreis- kommandeur und seinen Kreisoffizier.... Die R e g i e-< rong weiß und duldet e s," so hätte der Reichswehr - minister zwar allen Anlaß, den Herrn Fromm schleunigst aus der Reichswehr zu entfernen. Statt dessen aber lehnt er jede Erörterung über den Fall ab und trägt so dazu bei, dieTarnung" zu oertiefen, die seine Bearbeiter aufs redlichste vorbereitet haben. Geßler und öas Innenministerium. In seiner gestrigen Reichstagsrede nahm Reichswehr « minister Dr. Geßler Stellung zu der bekannten Denkschrift des Herrn Mahraun. Dabei erklärte er, er habeden Herrn p r e u ß i s che n I n n e n m i n i ste r, der ja die Aufsicht über diese Verbände hat, von dem Inhalt der Denkschrift oerstän- digen lassen". Durch Mitteilungen des Polizeipräsidiums Berlin , das in der Regel feine Anweisungen vom Preußischen Innen- Ministerium sehr rasch erhält, ist festgestellt, daß die Polizei erst vor wenigen Tagen die Denkschrift zur Einsicht bekam. Nach unserer Erinnerung hat auch das Preußische Innenministerium im April und Mai auf Anfragen immer die Auskunft erteilt, daß ihm die Denkschrift nicht bekannt sei. Zwischen diesen Tatsachen und der Erklärung Dr. Geßlers im Reichstag klafft ein unüberbrückbarer Widerspruch. Man weiß wohl, daß der Weg von republikanischen Worten des Reichswehrministers zu Taten ein ungewöhnlich langer ist. Iminerhin ist bemerkenswert, daß ganz ohne Zweifel die Berliner Polizei von der Mahraunschen Denkschrift viel später Kenntnis er- halten hat als Sodenstern und dieDeutsche Zeitung". Es wäre also dringend zu wünschen, daß das Preußische Innenministerium einmal deutlich erklärt, wann eigentlich die Denkschrift ihm vom Rcichswehrministerium zugegangen ist!

prager Regierungsnöte. Lösung in Sicht. Prag . 23. November.(Eigener Drahtbericht.) Die Debatte über den Staatsvoranschlog für 1927 soll noch in dieser Woche im Abge- ordnetenhaus beendet werden, ohne daß die tschechisch-deutsche Bür- gerregierung bisher eine Mehrheit für den Boranschlog gesunden hat. Die langwierigen Verhandlungen mit den Slowaken haben noch nicht zu einem Ergebnis gesührt, und offiziösen Blätterstimmen zufolge denkt die Regierung bereits daran, die Hoffnung auf den Eintritt der Slowaken in die Regierung aufzugeben und die Koalition nach links zu erweitern. Die tschechischen National- sozialen scheinen tatsächlich nicht abgeneigt zu sein, in letzter Stunde gegen gewisse Zugeständnisse einzuspringen und so die Re- gierung vor dem Sturze zu retten. Prag . 23. November.(Eigener Drahtbericht.) In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurde die Generaldebatte über den Staatshaushalt beendet. Als die Frage des Uebergangee zur Einzel- beratnng entschieden werden sollte, stimmten überraschenderweise s ü r die Regierung nicht nur die Slowaken, mit denen die Verhandlungen auf einem toten Punkt angelangt sind, sondern auch die tschechischen Nationalsozialen. Diese Tatsach« bestärkt die Meinung, daß die Nationalsozialen, die bisher in Opposition zu der deutschtschechischen Rechtsregierung standen, ernsthaft über den Eintritt in das Kabinett verhandeln. pilsuöski gegen Parlament. Untergrabung der Berfafsung. Warschau . 23. November.(Eigener Drahtbericht.) Aus den ver- schiedensten Borgängen der letzten Zeit läßt sich erkennen, daß die gegenwärtige Regierung systematisch versucht, die Bedeutung des Sejm und seiner Arbeiten zu verkleinern und ihn nach Mög- lichkcit überhaupt auszuschalten. So hat der Ministerrat vor einigen Tagen beschlossen, zu den Sitzungen der einzelnen Sejm- kommissioncn, mit Ausnahme der Budgetkommission, Regie- rungsocrtreter nicht mehr zu«ntjenden, da die gegenwärtige Sejmsessio« lediglich zur Besprechung de» Budget»

bestimmt sei und sich daher mit anderen Fragen nicht zu beschäftigen habe! Im Parlament wird daraus hingewiesen, daß ein derartiger Beschluß der Regierung die selbständige gesetzgeberische Initiative des Sejm , die ihm auf Grund des Artikels 10 der Verfassung zu- steht, erheblich beschränkt. Daneben hat die Regierung an die Mar- schälle(Vorsitzenden) des Sejms und des Senats ein Schreiben ge- richtet, in dem sie verlangt, daß sämtliche Anträge der Abgeordneten, die in früheren Sitzungen eingebracht worden sind, ihrer Gültig- teil verlustig erklärt und ältere Anfragen nicht beantwortet werden sollen. All dies hat unter den Abgeordneten große Er- r e g u n g hervorgerufen. Ermordung Oppositioneller. Warschau , 23. November. (EP.) Die politischen Mordfälle nehmen in der letzten Zeit stark zu. Nach der Ermordung von niehreren Ukrainern und Weißrussen in Ostgalizien und im Wilnaer Gebiet wurde mitten am Tage auf einer belebten Straße in Warschau der Führer einer kommunistischen Bauernge- werkschast, A n y s z e w s k i, von vier unbekannten Männer» n i e d e r g e s ch o s s,e n, die entkommen konnten, ohne daß die Polizei eingriff. Monsterprozeß gegen Ukrainer . Warschau , 23. November. (EP.) In Wladimir-Wolynsk be- gönn ein Prozeß gegen 150 Ukrainer, die angeklagt sind, im Jahre 1924 einen bewaffneten Aufstand zur Losveißung Wolhyniens von Polen geplant zu haben. Unter den Angeklagten sind zahlreiche Intelligenzler. Der Prozeß findet in einer Schul« statt, da dos Gcrichtsgebäude zu klein ist. Starte Militär- und Polizei- abteUungen sind aufgeboten. Verteidiger sind bekannte ukrainische Advokaten und linksstehende polnische Abgeordnete. Der Prozeß dürfte zwei Monate dauern. Der srauzösische Senator Deranger hat die Erneuerung seiner Beauftragung als französischer Schuldentilgungskommissar abge« lehnt. Sehr begreiflich, da doch Poincare das Bcranger-Abkommen verwirft. Entwasfnungssorderungen an Bulgarien erhebt eine neue Ententenote, da das Heer weit stärker ist, als die Friedens- beftümnungen erlauben....