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Nr. 55943. Jahrg. Ausgabe A nr. 285

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

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Sonnabend, den 27. November 1926

Krupp will Reichsunterstützung.

Zinsverbilligung für eine 20- Millionen- Anleihe.

Die Friedrich Krupp A.-G. in Effen verlangt in einer Eingabe an die Reichsregierung einen Kredit von 20 Millionen Mart zu einem Zinsjah, der nicht über 4 Proz. liegen soll. Da heute langfristige Anleihen zu 6% bis 7 Proz. auf dem freien Kapitalmarkt aufgenommen werden können, würde das bedeuten, daß die Reichsregierung der Krupp­gesellschaft jährlich 500 000 bis 600 000 Mart zuwendet, damit diese die Rationalisierung ihrer Betriebe vornehmen fann. Begründet wird die Eingabe damit, daß die Kruppsche Gußstahl fabrit in Effen heute unrentabel sei und die Firma nicht in der Lage wäre, aus ihren anderen rentablen Zweigen ihres Unternehmens die notwendigen Zu schüsse für die Erhaltung des Betriebes zur Verfügung zu stellen. Wird das Darlehn verweigert, so glaubt die Firma Krupp von ihren 20 000 noch beschäftigten Arbeitern nicht weniger als 15 000 entlassen zu müssen.

legschaft. Man muß sich jedoch fragen, ob mit einem derartigen Reichsdarlehen der beabsichtigte 3wed überhaupt erreicht werden kann. Es handelt sich dabei auch um den Aufbau von zwei Hochöfen. Da aber die Rohstahlproduf­tion nicht von der Firma Krupp , auch nicht vom Deutschen Reiche, sondern vom internationalen Rohstahl­fyndit at bestimmt wird, ist es durchaus denkbar, daß hier Anlagen errichtet werden, deren rentable Ausnußung auf absehbare Zeit infolge der internationalen Kartellab reden un möglich ist. Eine solche Verwendung von Reichs mitteln würde die Arbeitslosigkeit nicht verhindern, sondern allenfalls hinausschieben.

Unter diesen Umständen muß man verlangen, daß das Reichskabinett, das bisher einen Beschluß noch nicht gefaßt hat, feinesfalls ohne die parlamentarischen Instanzen feine Entscheidung trifft. Diese werden dann für eine gründliche Nachprüfung der Gründe Sorge tragen müssen.

Bedenken im Ruhrgebiet .

Gegen die Forderung der Firma Krupp müssen sowohl aus grundsäglichen wie aus praktischen Erwägungen heraus schwere Bedenten erhoben werden. Ohnedies ist es schon auffallend, daß dieses Unternehmen jezt mit Forderungen an das Reich herantritt, wie sie von den führenden Wirt­schaftsverbänden und in Dresden auch vom Reichsfinanz­minister Reinhold grundsäglich abgelehnt werden. Die Privatwirtschaft verwahrt sich dagegen, daß ihnen mit öffent­lichen Mitteln eine Konkurrenz erhalten wird, die sonst viel­leicht nicht mehr bestehen könnte. Außerdem muß es einiger maßen überraschen, daß gerade jetzt dieses Gesuch zur Reichs­regierung fommt, nachdem erst fürzlich die Spizenvernisation des Kruppschen Geschäftsbetriebes hingewiesen, Um­bände der Wirtschaft unter Führung des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen Interessen Rheinlands und West falens( Langnamverein) gegen jede Betätigung der öffent­lichen Hand im Wirtschaftsleben Einspruch erhoben haben und auch sonst alles daran setzen, sich ihren Pflichten gegen den Staat zu entziehen. Uebrigens geschuh das, ohne daß die Firma Krupp derartigen Auffassungen öffentlich wider sprochen hätte.

Effen, 26. November.( Eigener Drahtbericht.) In weiten Streifen des Ruhrgebietes stößt die geplante Anleihehilfe für die Firma Krupp auf großen Widerspruch. Man weist darauf hin, daß die F. R. Krupp A.-G. durch eigenes Verschulden in die jetzige Notlage gekommen fei. Wiederholt wurde in der Deffentlichkeit auf die vollkommen unzulängliche Betriebsleitung sowie auf die rückständige, durchaus bureaukratische Orga nisation des Kruppschen Geschäftsbetriebes hingewiesen, um stände, die zu dem Mißerfolg der Durchführung des Umstellungs programms geführt haben. Die Kruppsche Berwaltung lebt noch durchaus in dem durch ihre Sonderstellung in der Kaiserzeit ge. nährten Wahn, daß sie durch die Tradition des Unternehmens An­spruch auf besondere Vergünstigungen erheben könne. Daraus erklärt sich das Verlangen nach einer 20 Millionen- Anleihe beihilfe zur Reorganisation des durch Unfähigkeit der Betriebs. leitung zerrütteten Unternehmens. Das Zustandekommen der An­leihe würde im übrigen einen Bräzedenzfall schaffen, der bedenk­

Auf der anderen Seite steht das Interesse der Stadt Essen und der außerordentlich stark reduzierten Beliche Folgen nach sich ziehen fönnte.

Preußen gegen das Schundgesetz!

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Die Ueberraschung der gestrigen Reichstagssitzung. Külz verteidigt, die Sozialdemokratie bekämpft das Gesetz.

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Der Reichstag hat gestern die Beratung des Schund­und Schmutzgesetzes in zweiter Lesung begonnen. Heute wird die Beratung fortgesetzt. Es besteht die Gefahr, daß dies Gesez, das tief in die geistige Freiheit des deutschen Boltes eingreift und gegen alle bedeutenden Führer literarischen Schaffens durchgesezt werden soll, von einer Mehrheit von den Demokraten bis zu den Deutschnationalen angenom men wird. Die Sozialdemokratie wird den Kampf gegen dies Gesetz mit aller Entschiedenheit fort­fegen. Der Minifter des Innern, Dr. Külz, der dem Reichs­tag dies Gesetz vorgelegt hat, hat nur schwache Worte zu feiner Begründung gefunden. Er hat dies Gesez von Herrn Schiele übernommen. Er hat aus dem stürmischen Wider spruch, den sein Entwurf bei allen Führern des geistigen Deutschland und nicht zuletzt in den Reihen seiner Partei gefunden hat, nicht die Folgerung gezogen, daß dieser Ge­fegentwurf zurüdgezogen werden müsse. Auf ihm als einem verantwortlichen Führer seiner Partei und als Mit glied des Reichskabinetts lastet die schwere Verantwortung, wenn dieser Entwurf Gesetz werden sollte. Denn wenn seine Fraktion gegen den stürmischen Widerspruch in den eigenen Reihen sich für das Gesetz erklärt, so nur, weil er es verlangt. Es ist beschämend für den Reichsinnenminister, daß der Vertreter der preußischen Regierung im Plenum des Reichstags ihn auf die ungeheuerlichen Kon­sequenzen und die gesezestechnischen Unmöglichkeiten des Ent­murfs hinweisen mußte. Die preußische Regierung hat Ein spruch erhoben gegen die Gesegesbestimmungen, die selbst dem fleinsten deutschen Staat das Recht geben, Verbote für das ganze Reich auszusprechen.

Die sozialdemokratische Reichstagsfrat fion hat gefordert, daß dies Gesetz an den Ausschuß zurüd verwiesen werde, damit den Bedenken des größten Bundes­Staates Gerechtigkeit widerfahren könne. Dieser Antrag murde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Rommunisten abgelehnt. Es besteht die Gefahr, daß die Mehrheit, die sich gegen den sozialdemokratischen Antrag aus Sprach, in der Schlußabstimmung das Gesez annehmen wird.

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Der Redner der sozialdemokratischen Fraktion, Genoffe Schred, hat in wirkungsvollen Ausführungen unter der Aufmerksamkeit des ganzen Hauses noch einmal die Un­geheuerlichkeit dieses Gesetzes aufgerollt, das die Geistes freiheit in Deutschland bedroht. Er, der die Jugend kennt, hat darauf verwiesen, daß die stärksten Abmehr fräfte gegen den Schmuz und den Schund aus der Jugend selbst tommen. Die Jugend, die Schmutz­und Schundschriften auf den Scheiterhaufen getragen und verbrannt hat, braucht fein Polizeigesetz zur Abwehr des Schunds und Schmuges in der Literatur. Die Förderung ihrer freien Bewegung ist der beste Kampf gegen den ihrer freien Bewegung ist der beste Kampf gegen den Schund. Der Geist der Metternichschen Polizeizenfur feiert in diesem Gesetz Auferstehung. Ein Mahnruf in letzter Stunde zum Schutze der bedrohten Freiheit des künstlerischen Schaffens und des Geisteslebens!

Dies Gesetz ist ein Polizeigesez schlimmster Art! Es ist tragisch, daß sich für dies Gesetz Männer und Frauen einsehen, die das Beste für die Jugend wollen und weit entfernt sind, zu den Muckern zu gehören. Wenn Frau Weber( 3.) dies Gesetz verteidigt, so spricht aus ihr die Empörung über Schmuß und Schund in der Literartur, die Erbitterung über die Verantwortungslosigkeit der Fabritan­ten dieser Machwerke gegenüber der kommenden Generation. Sie verkennt aber, daß ein Polizeigefeh niemals Verant wortungsbewußtsein schaffen kann, daß der, der an das Gebiet des künstlerischen Schaffens mit polizeilichen Vor­schriften herangeht, nur Bestes zerstört, während er Schlech­tes hemmen will.

Der Sprecher der Deutschen Volkspartei verhielt sich refer­viert, obgleich seine Fraktion dem Gesetze zustimmen wird. Seine Fraktion hat ein Reihe von Abänderungsanträgen gestellt.

Der Kampf gegen das Schmuß- und Schundgesetz wird heute fortgeführt. Noch einmal muß der Mahnruf den bürger­lichen Parteien des Reichstags in den Ohren flingen: Das Gesez ist ein Polizeigesetz! Es bedroht die deutsche Geistes­freiheit! Seine Annahme wäre eine Schande für Deutschland !

Vorwärts- Verlag G.m.b. H. , Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedtonts: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angeftelten und Beamten, Ballftr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Devofitenkaffe Lindenstr. 3.

Habsburg vor den Toren!

Wie und wozu Bethlen die ungarischen Wahlen macht.

Mit der ungarischen Räteregierung vom Mai 1919 zu­gleich, die ein Produkt der Verzweiflung über die Friedens­bedingungen der Entente war, hat die königlich rumänische lern auch die Republik erwürgt. 3weimal hat der Habs­Armee mit ihrem Landesverrätertroß von Horthy- Freischär­burger Karl versucht, wenigstens Ungarn wieder für das Erzhaus" zu gewinnen; überraschend erschien er aus der Schweiz auf ungarischem Boden; beide Male wurde er ge­Schweiz auf ungarischem Boden; beide Male wurde er ge­nötigt, beim zweiten Versuch sogar durch Waffengewalt, das Abenteuer aufzugeben und Horthy- Ungarn mußte sich gegen­über der Entente verpflichten, die Königswünsche Karls nicht in Erfüllung gehen zu laffen.

monarchistisch. Horthy nennt sich Reichsverweser, alle Staats­Nichtsdestoweniger tut das herrschende Ungarn ganz behörden heißen Königlich, die Habsburger werden König­liche Hoheit" und durchlauchtigst" genannt, Frau Zita und ihr ältester Sohn, der Knabe Otto im fernen Spanien Maje­ftäten. Otto wird ganz madjarisch erzogen und die Legi­timisten mit ihren Andrassy und Appony find unablässig tätig, diesem Knaben den gottgewollten" Weg zu ebnen. Horthy felbst und feine Clique wagen taum noch, sich diesem Treiben zu widersetzen, zumal ja teine andere Familie so alte Herrscherrechte" wie die Habsburger geltend machen kann. Bethlen aber präpariert jetzt ein Parlament, das als Ausdruck des monarchistisch- habsburgstreuen Volkswillens erscheinen foll.

So hat man am letzten Samstag den vierzehnten Geburtstag des Erbtönigs" Otto gefeiert. Die Häupter der Legitimisten, hoher Adel, auch Universitätsprofef= foren, ehemalige Minister und Bertreter der Bourgeoisie wohnten einem feierlichen Hochamt bei, das der Erzbischof von Kalocsa , ein Graf Zichy, zelebrierte. Ein Franziskaner­pater sagte in der Predigt:

Auf Grund des Rechtes und der Rechtskontinuität gebe es ein Erbrecht auf Krone und Thron, und dieses Erbrecht stehe Rönig Otto zu. Wo man bei Umgehung der thronberechtigten Berfon eine andere auf den Thron erhoben habe, habe sich das Re­gierungssystem schließlich vom Königtum zur Republik gewandelt. ,, Wir werden fiegen und einen König frönen."

Gleichzeitig mit diesem Hochamt im Stephansdom war in der Pfarrkirche der Ofener Burg ein Danfgottesdienst, dem u. a. der lächerliche Weltkriegs- ,, Feldmarschall" Erzherzog Friedrich beiwohnte, obwohl sein Sohn Albrecht als einer der schärfsten Ronkurrenten des Otto gilt. Es wird erzählt, daß er vor einiger Zeit mit Ruprecht von Bayern mon­archistische Pläne geschmiedet und ein fünftiges System mon­archistischer Staaten aufgerichtet" habe. Schließlich gibt es auch noch eine dritte Linie der Habsburger , die gern wieder herrschen möchte, nämlich die seit mehr als hundert Jahren in Ungarn angesessene Palatinallinie, deren Begründer einst als Stellvertreter des bei den Ungarn nicht sehr beliebten guten Kaisers Franz" Balatin von Ungarn gewesen ist und durch seine Vermittlerrolle gegenüber dem Wiener Hofe eine gewisse Beliebtheit erworben hat.

Im monarchistischen Interesse wird das vorrevolutionäre Magnatenhaus als Erste Kammer wiederhergestellt. Das neue Gefeß beſtimmt darüber, daß die aristokra­tischen Familien 35 Magnatenhausmitglieder aus ihren Reihen durch geheime Wahl bestimmen sollen. Während der Bauer offen abstimmen muß, wird den Magnaten die geheime Wahl zugebilligt: es könnte sonst in den Familien In das der Aristokraten der Burgfriede gestört werden. Magnatenhaus entfenden außerdem die Komitats aus schüsse, das sind nur zum Teil aus gewählten Mitgliedern bestehende Berwaltungsbehörden, 30 Mitglieder. Diese Komi­tatsausschüsse aber sind das letztemal im Jahre 1912 neu­gebildet worden!

F

Wie aber jetzt die Wahlen zum Abgeordneten haus gemacht werden, das wäre schon eine europäische Schande- wenn man nicht längst wieder, wie in früherer Beit, Ungarn zu Halbasien rechnen müßte. Diese Wahl­bewegung steht nämlich noch unter sämtlichen Kriegs­gefeßen, die 1912 beschlossen, bei Weltkriegsbeginn in Kraft gefeßt worden sind und es heute noch sind! Das Versamm­lungsrecht, das Koalitionsrecht, die Ausnahmebestimmungen für die Presse, die Suspendierung der Schwurgerichte und die Qualifizierung aller Pressevergehen als gemeine Verbrechen, die nicht mit Staatsgefängnis, fondern mit Zuchthaus bestraft werden, beruhen auf den Gefeßen, mit denen Graf Stephan Tisza in den Weltkrieg zog. Obwohl der Friedensvertrag schon seit sechs Jahren ungarisches Gefeß ist, führt die Regie­rung auf Grund von Kriegsgesetzen mit dem eigenen Volk Krieg und führt auch die Wahlen unter dem Schuße dieser Kriegsgesetze durch!

Von den Lügenmanövern der Regierung und ihrer Mameluden. wie z. B. einem erfundenen, aber desto massen­hafter verbreiteten Brief Bela Khuns an den in Wien lebenden ehemaligen Volkskommissar Genoffen Siegmund

unfi, wollen wir erst gar nicht reden. Damit wird ja nur