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Der tööliche Schuß. ~] von D. Luschnat. In dem Swlzgesühl, dies alles klüglich zcrdacht zu haben, spuckte er in> Bogen nach rechts wie ein Schiffsjunge, der zum erstenmal einen Priem in der Backe Hot und den kleinen Mädchen zeigen will, wie weit er spucken kann. Was bedeuten die Strebungen, Ideen und Süchte der Menschen? Wie bedeutungslos, was ich in meinem Dasein gedacht, gefühlt, gewollt, genommen und gegeben! Sonnen- reflere auf einem Tautropfen, schimmerndes Farbenspiel, oergäng- liehe Träume des Lichtes. Wie müde ich bin! Müde bis an mein Herz! Kaum Hab« ich Lust, zu atmen, so schwer ist meine Seele vom traumhaften Rund- tanz der Gedanken. Schlafen, schlafen, nichts als schlafen, Kein Erwachen, keinen Traum! Jener Wünsche, die mich trafen, Leisestes Erinnern kaum. Wer sagte das? Ja, jener Sisyphus, jener Gedonkenachlet, dessen Felsblöcke, wenn er sie fast zum Gipfel emporgerollt, wieder abglitten. Der durfte klagen über seine furchtbare Lebensarbeit, der durfte müde werden. Aber ich selbst, am Anfang meiner Bahn? Der junge Mann erschrak tief. Kann ich nur in Stadtluft bei Büchern und Bequemlichkeit ge> deichen, daß mich hier, wo ich in Schnee, Tod und donnernder Welt- geschichte einsam bin, sogleich Ioinmer und Schlafsucht bewältigen? Das darf nicht fein! Ich bin doch sozusagen auch Soldat; Ritter vom Geist. Die wilde Welt soll ich zähmen, wie ein Dompteur das Raubtier. Das kann nur gelingen, wenn ich keinen Augenblick die Spannkraft des Herzens verliere. Die Haltung darf nicht verloren gehen. Man muß alles unterkriegen, sogar sich selbst. Diese inner« Haltung wird errungen und befestigt durch beständige Siege über eigene Zweifclsucht, Weichheit und Schnsüchtelei. Das Weib in sich soll man bezwingen, zähmen, immer wieder, immer andersartig, so daß man auf der Lebenshöhe schließlich feststellen darf: Ich bin ein Mann, nichts Weibliches ist mir fremd. Vom«Weiblichen'' spann er seinen Faden in anderer Richtung: Er sah ein billiges Kunstblatt, fleckig-verstoubt, mit Reißzwecken an einer Bretterwand festgemacht. Im Kompagnieführerunterstand war es von einem Leutnant angebracht worden. Das Lächeln der Gioconda! Unzählbare waren daran zer- brachen. Ob auch er sich damit auseinandersetzen mußte? Ob auch für ihn Bedrohung und Tod aus diesem Lächeln floß? Im Grunde fehlle ihm jedes Verständnis für die Todesqualen der am Weibe Leidenden. Seine Beziehung zum anderen Geschlecht war rührend theo. retisch. Von einer Kusine hatte er einmal unversehens einen Kuß bekommen. Das hatte ihn erschreckt. Es kam allzu plötzlich. Später hatte er einem beweglichen Geschöpf, das im Begriff stand, eine Jungfrau zu werden, vier Wochen hindurch aufgelauert, um einen Blick oder ein Lächeln zu erhaschen. Damals war er noch Schüler. Aus jüngerer Zeit datierte ein Besuch bei einer Priesterin der ; Liebe, die er indes, als sie entkleidet vor Ihm stand und den Neuling mit den Geheimnissen ihres Leibes bekanntmachen wollte, nicht zu berühren wagte, aus Furcht, von einer bösen Krankheit angesteckt zu werden. Um seine Furcht zu verbergen, erläutert« er die Trost- losigkeit seines liebearmen Daseins durch einen Vortrag, der das Mädchen zu Tränen rührte. Dann hatte er in scherzhafter Anwond- lunz je ein Fünfmarkstück auf die ragenden Brüste gelegt und sich mit einer Verbeugung empfohlen. Er lächelte wehmütig. Dies« Dinge waren so fern, als hätte sie ein anderer erlebt. Ueber die Gier nach greifbarem Weibcrfleisch war er hinaus. Seine Geliebte war körperlosen Ursprungs, war nicht von dieser Welt. Oder nein, sie lag vielmehr in allem Sichtboren und Denkbaren wie der Dust in der Blume: Atem der Wirklichkeit. Ihr Hauch durchdrang alles und war doch nirgends faßbor. Sie entglitt, so oft man nach ihr haschte, und war doch immer wieder da. Wie sollte man sie nennen: Leben? Schönheit? Seele? Nein, für diese Geliebte gab es keinen Namen. Das waren mager«, abgebrauchte, oft beschmutzte Wort«. Nichts als Worte. Voll Abscheu entsann er sich der fettschweren Gliedermassen des Mädchens, das auf dem Sofa sitzend mit halboffenem Munde dem Geplätscher seiner Rede gelauscht hatte.—„Weib, apage!" deklamierte er vernehmlich, wie ein von wollüstigen Visionen geplagter Mönch.— •„Wat blubberschte do all wedder?" fragte der Ostpreuß«, der vor chm ging.—„Nichts besonderes," sagte der Jüngling. „Nufcht?" „Ja, ich dachte bloß—" „Motst oppasse, wi senn jliek doa." Nein, es gab keine Bezeichnung dafür. Man müßte es um- schreiben. Und im Grübeln strömten Worte zu, ach, so herrliche Worte, die gleich einem Glutstrom durch die Windungen seines Gehirns schäumten. Er hörte direkt, als läse ihm jemand vor: So verbrennt der Körper in den Jahren des Lebens zu Asche. Was zurückbleibt, sind Gefühl«, Gedanken, Sehnsüchte, Träume. Sie leben weiter. Sie schwingen im Aether, unhörbar für menschliche Ohren, wie Töne einer Melodie, die gespielt wurde... So verbrennt der Körper zu Asche. An der eigenen Glut verbrennt er. Nichts bleibt übrig, als Stoff, der Bäumen und Gräsern zur Nahrung dient, nichts als Asche.— Das weiß der Mensch, seine Augen sehen es. Aber er glaubt seinen Augen nicht, unsterblich will er sein. Und derselbe glühende Wille, der den Körper verbrannt hat, macht ihn unsterblich. Wi««in Ofen weiterhin Wärme sendet, wenn auch kein« Flamm« mehr in ihm ist, so schlägt«in Menschenleben sein« Wellen über die Grenzen von Rairm und Zeit hinaus. Innner neues taucht auf. Gedanken übersprangen,, überstürzten, überkugelten sich, allzu zahlreich, als daß er sie mit Worten hätte bi irden können. Schließlich flatterte alles davon. Mutlos stopft« er hinter feinen Kriegsgefährten, beseelt von der schwermütigen Sehnsucht, Bleistift und Papier,«in« Kerze und einen Tische zu haben. Sein Schicksal erschien ihm bejammernswert. Nachdem sie«inen Birkenbestand durchschritten hatten, öffnet« sich wieder die Ebene. Am Rande des Gehölzes wurde Halt gemacht. Der Unteroffizier nahm die Einteilung vor:„Sie dort und Sie links an den Busch.— Der da rechts und Sie auch. Sehen Sie, wo der schwarze Fleck ist an dem großen Baum. Ganz rechts. Gehen Sie an den Bäumen entlang.— Die beiden letzten." sprach der zu dem jungen Mann und dem Ostpreußen ,„geradeaus!" Mit ausgestrecktem Zeigefinger wies er die Richtung.—„Wo denn? Wo? Herr Unter- offizier," fragt« der junge Mann.—„Da, Mensch!" war die Antwort. — Er entdeckte immer noch nicht, was gemeint war, aber der Ost- preuße sagte:„Loat man, eck weet all," und setzt« sich in Bewegung. Der junge Man» folgte,
Es war ein Grabenstück von sechs Metern Läng«. Zwei Ge- stallen kletterten heraus, die Angekommenen sprangen hinein, wobei Frage und Antwort gewechselt wurden. Der Mond blieb verborgen. Lautlos verschwanden die Abgelösten im Schneegebüsch. Da staken sie in einem Erdloch, nur der Kopf überragt« die weiß« Landschaft. Dieser Kopf äugte und lauschte dorthin, wo dreihundert Meter entfernt Russenköpf« mit dem Gesicht nach hier gewandt das- selb« taten. Nach Stunden kamen andere an die Stell«, hier wie drüben, nach Stunden wieder andere, so ging es fort durch Wochen, Monate, Jahr«.(Schluß folgt.)
Das Schmutz- unö Schunögefetz.
Leibe gerissen, daß ich nach meinen eigenen Grundsätzen schleunigst verschwinden mühte."
der Reiter von Köln . Don Hermann Schützinger. Dieses Köln wirkt auf mich immer wieder wie ein großes feines Glockenspiel, das die hundert Kirchen und Kapellen mit einer sehnsüchtigen Melodie durchschauert und die ganze Stadt in ein leichtes Schwingen oersetzt, als wäre sie aus klingendem Glas. Merkwürdig, wie diese großen katholischen Städte mit aller Kultur, wie Breslau , Regensburg , Prag , Köln und das liebe Wien , ganz anders auf das Gemüt des Beschauers zu wirken vermögen, wie die kunstvollsten„protestantischen" Residenzen mit ihren korrekten«Gar- nisontirchen" und„Gedächtniskasernen"! Es ist, wie wenn dieser auf italienischen Boden beheimatete Ritus sein behäbiges„Kommt zu mir! Ich allein mache euch selig— aber zerreißt euch kein Bein dabei!" wie eine Wolke von Lebenslust und Lebenlassen, vermischt mit etwas Weihrauch, Meßwein und Ketzerrichterei auf die ganze Stadt ausstrahlt und das Laienvolk so gründlich erfaßt, daß der letzte Brunnen, der letzte Dachspeier, das letzte Straßengitter und der letzte„Dom-Schweizer" diese gottselige Behäbigkeit widerstrahlt. Schon die Namen dieser hundert Kirchen und Kapellen wirken, zu einem Kranz zusammengereiht, wie ein Glockenspiel: St. Ge- reon— St. Cunibert—©t. Maria im Kapital— St. Severin St. Andeas— St. Eäcilia— St. Pantaleon— St. Columba— St. Alban— St. Johann Baptist— St. Mauritius— St. Ursula! Nicht wahr? Ucbrigens, diese St. Ursula schaut sogar mit allem Vorbedacht in die Redaktionsstuben der„Rheinischen Zeitung" hinein und ihre Turmkuppel, die eine regelrechte vergoldete Krone trägt, spiegelt sich in den Fenstern des Genossen Sollmann wider! Hoffentlich ist sie zu Ehren der«Himmelskönigin" oder eines der „Drei heiligen Könige aus dein Morgcnlande" der Urstilakirche aufs Dach gesetzt! Zill diese Kirchen haben etwas Weiches, Rundes, Romanisches on sich und vereinigen in ihren Basiliken und Chören römische und mittelalterlich-beutsche Kultur, so die«St. Maria im Kapital", ein romanischer Rundbau, der auf den Quadern eines römischen Bau- werks errichtet ist. Bor der Kirchentür wäscht sich«in dralles Brunnenbuberl seine runden Glieder, als Symbol dieser lebensfrohen. römisch-katholischen Beschaulichkeit! Es ist, wie wenn einem fortgesetzt Heinrich Heines „Wallsahrt nach Kcvelaar" in den Ohren klänge, wenn man durch das„Dreikönigtörchen" und das St. Lau- renz-Gittergäßchen" von einer Kirche zur anderen geht. Zwischen die hundert Kapellen sind dann die„Profanbauten", das herrliche Rathaus, der Gürzenich und das«Stapelhaus" und einige Dutzend uralter Brunnen eingestreut, ohne daß die Gesamt- tönung des Kölschen Glockenspiels irgendeinen Mißton erfährt: überall Stil und Kultur und allerfeinste Ueberlieferung: der „Löwenkampf des Bürgermeisters Grye", der Hermann-Iosef- Brunnen mit der Gottesmutter und den spielenden Kindern, der Heinzelmännchen-Brunnen und der„Kölnische Lausbrunnen" mit den musizierenden Putton, den wasserspeienden Heringen und den «hilligen Knechten und Mägden". In dieses zartgetönte römisch-katholische „Glockenspiel" altköl- nischer Kultur mit seiner reinen Mischung zwischen dem nieder- sächsischen Frohsinn Lamm Goedzacks und Till lllenspiegele und der Herbe des„Pfeifers von der Haardt" schlägt nun wie ein Kanonen- schuß dos„Tatütaa!"—„Er selbst", ,,S. M.", haut mit gepanzerter Faust hinein! Man könnte sich ja vorstellen, daß die Hohenzollern , die nach den Befreiungskriegen, zum größten Verdruß der Kölner , von ihrer Stadt Besitz ergriffen haben, der okkupierten Gemeinde irgendein
Seilage Ses vorwärts
architektonisches Geschenk verehren wollten, ein Kapellchen, im Stil des Iosef-Farina-Hauses am Gülichsplatz aufgemacht, mit etwas Potsdamer Rokoko, mit Schnupftabakmotiven und Fridericus-Flöten- tönen, so als Ucbergang zwischen Neukölln, Gardelegen , Illlich-Berg und dem alten Köln . Weit gefehlt! Eine mächtige Brücke, die«Hohenzollern- brücke ", mit vier riesigen Reiterstandbildern an allen vier Ecken a!a Imperator rex mußte es fein, und der schönste Platz vis-ä-vis der Stadt Köln wurde«Ihm" reserviert.! Genau so, wie sich Anno dazumal, in der herrlichen Zeit, der Portokasienjüngling für seine künftige Braut als«Einjähriger" in „Extra-Uniform" photographierte und der Poftassistent mit seiner jungen Frau als„Leutnant der Reserve " und nicht als Postler in den Hafen der Ehe fuhr, konterfeite„Er" sich für«feine" Stadt Köln als„Imoerator", in den preußischen Kommiß übersetzt. Während die drei alten Herren wie verabschiedete„Charakter- majore" ziemlich kümmerlich auf ihren Mähren hocken, sitzt„Er", wi« ein Gott, den Kürassierhelm auf dem Kopf, den Bart empor- gesträubt, auf einem knalligen Hengst! Man sieht, wie der Bild- Hauer die Muskeln herausgetrieben hat, um dem Tier ein martia- lisches, geradezu höllisches Aussehen zu oeben— denkt an Zedlitz- Trütschlers Iammerlaute über die Feigheit des Allerhöchsten Herr». der sich nur auf den frömmsten Zelter zu stülpen getraute, und lacht über diese Verewigung wilhelminischer Theaterregie. So sitzt er da oben an seiner Brücke, jenem Monstrum, das eher an seine Saalburg oder sein« Hochkönigsburg als an ein modernes Verkehrsinstrument erinnert, wie ein in Pommern oder Ostpreußen entspningener Kavalleriewachtmeister, der vor dem Kölner Dom die Sprache verliert. Als dann im November 1918 die letzten Flicken von seinem Theatermantel flogen, da lauste wie eine Rakete die Revolution am 8. November von Kiel über Ham- bürg, Hannover , bis an diese Brücke heran und warf mit dem Widerstandswillen des AOK. 3(Rheinschutz) den„Reiter von Köln" vom Gaul. Soll man ihn nun abtragen von seinem Postament?— O. nein! Laßt ihn den Kölnern, samt seiner Narrenkappe aus dem Kopf, für den— Karneval! phpfik des Lebens. Bon Otto D e i x n e r. Eigentlich nichts Neues. Denn wer kennt nicht die winzig kleine Amöbe(das aus einer einzigen Zelle, einem„Schleimklumpchen" bestehenden mikroskopisch kleine Lebewesen), wer nicht die einfachen Funktionen ihres nackten Plasmaleibes? Sie ist nur zu oft der Gegenstand naturwissenslbaftlicher Plaudereien gewesen. Nicht, ihre Lebensskizze soll hier geliefert werden, die an sich ja nicht uninter- essant ist. Die Bekanntschaft soll von einer anderen Seite gemacht werden, von der Amöbe seelischem Verhalten. Seele? Jetzt hätte das einzellige Wesen gar eine Seele? Hätte vielleicht gar Verstand und Willen, könne seine Handlungen be- stimmen nach eigener Willkür? Man hat es ihr zugeschrieben, das willenbedingte Handeln. Und es ihr wieder abgesprochen, hat sie von ihrer geistigen Höhe wieder heruntergeholt. Der das tat. war Jacques L o e b, der die so sinnreich scheinenden Handlungen der Amöbe nur als folgerichtige Erscheinungen der auf sie einwirkenden Umwelt erkannte. Nimmt vielleicht die Amöbe ihren Weg gewollt hin zur Alge, die ihr köstliche Nahrung ist? Nein, sondern sie m u ß fo, kann nichts anders. Muß dort hin, wo sich die Alge im sonnen- durchtränkten Tümpelwasser findet. 5)ier hält sich die einzellige Pflanze auf, mitten im Sonnenlicht, das notwendig für ihr Leben ist. Und auch die Amöbe strebt zum Licht, zur Wärme unter dem Druck unwiderstehlichen Zwanges. Der wärmende Sonnenstrahl versagt der Amöbe nicht seine Wirkung, wie er sie der unbelebten Materie nicht versagt. Indem er ihr Volumen vergrößert, sie ausdehnt, auch die Amöbe dehnl und streckt, gerade an jener Stelle, die der Wärme- quelle am nächsten ist. Ein Scheinfüßchen um das andere schiebt der Plasmaklumpen vor, zieht sich selbst nach, langt endlich am erstrebten Platz an der Sonne an. Findet hier sein Mahl. Nicht Will« brachte das Urtierchen zur Nahrung, sondern eine physische Kraft, die Wärme. Die Amöbe wird damit zum Spielball der auf sie von außen einwirkenden Energie degradiert. Diese unmittelbar durch physikalische Kräfte bewirkte Bewegung nannte Loeb «T r o p i s m u s". Der primitive Einzeller ist ihm unterworfen, ihm gehorcht geradeso die Motte, die lichttrunken in die Flamme fliegt, oder der Lachs, der der Strömung zum Trotz flußaufwärts wandert. Es gibt eine gewisse Gattung Amöben, die ihren Plasmaleib in kunstvoll verfcrtigten Schalen bergen. Man hat behauptet, diei» lückenlos gefügten Gehäuse, seltene Meisterwerke, seien durch Intelli- genzsaktoren"zustandegekommen. Die physikalische Analyse— R h u m b l c r führte sie durch— raubte auch diesen Tiereit den Nimbus geistiger Fähigkeiten. Die Schale umschließt die Amöbe dicht an allen Stellen des Körpers, nur eine Oeffnung bleibt ausgespart, aus der die Schein- fühchen hervortreten können. Längere Zeit nun vor der Neubildung hat die Amöbe in ihrer Schale Aufbausteinchen aufgespeichert. Jetzt quillt aus der Schalenöftnung ein Teil des Protoplasmas des Tieres. Zugleich treten die gesammelten Steinchcn aus dem Gehäuse, fügen sich zur enggeschlofsenen Wandung zusammen, gekittet durch ein gleichzeitig austretendes Bindemittel. Die neue Schale ist fertig. Sie entstand nicht durch systematisches Aufbauen van Stein an Stein, sondern ein einziger Schöpfungsprozeß gestaltete sie. Rhumbler, der den Bau beobachtete und die physikalische Entstehnngsursache er- kannte, vermochte den gattzen Vorgang sogar t ü n st l i ch nachzu- ahmen. Er machte sich die Sache leicht. Er mengte Oel, Eiweiß und als Bausteine Ouarzkörnchen zusammen. Vorsichtig einen Tropfen in Alkohol gebracht, und das Wunder ist geschehen. Der gleiche Vor- gang zeigt sich. Die Ouarzkörnchen fügen sickt zusammen, so kunstvoll wie bei der Amöbe. Kein Willensakt, keine fein ausspekulierte archi- tektonische Leistung des Einzellers. Ein physikalischer Prozeh, mit Leichtigkeit nachahmbar. Noch mancher Versuch ließe sich nennen, der die tatsächliche Nr- fache scheinbar geistiger Leistungen ausdeckte. Etwa der Chlorofornt- tropfen, der die nahrungaufnehmende Amöbe imitterte. Und der gierig als Pseudo-Alge einen Schellackfadcn verschlang, besser gesagt, umfloß. Die erwähnten Fälle genügen. Man ersieht aus ihnen, daß der physikalische Chäratttr und die physikalischen Bedingungen des Lebens nicht geleugnet werden können.
Der größte weinstock der Well. Dieser Weinstockriesc, der im Jahre 1768 gepflanzt wurde, steht in den königlichen Gärtnereien zu Hampton-Court bei London . Seine Reben, von denen einzelne bis zu vierzehn Meter lang sind, füllen ein 13 Meter langes Gewächs- haus, in dem er unterhalb des Daches auf Latten ausgebreitet wächst, vollständig aus. In guten Iahren liefert der Stock noch heute bis zu 3090 Trauben, ja er wächst sogar— freilich unter der sorgfältigsten gärtnerischen Pflege— auch noch immer weiter. Stiere und rotes Tuch. Die vielfach im Volke verbreitete An- nähme, daß rote Farbe aufreizend auf Stiere wirke, scheint noch neueren Untersuchungen nicht hattbar zu sein. Nach Hempelmanns „Tierpsychologie" wurden dreißig Simmentaler Stieren rote Tücher vorgehalten, vor ihren Äugen geschwenkt, ja ihnen sogar leicht UM den' Kopf geschlagen: ,Lein einziger von ihnen wurde bei dies-'» Versuchen irgendwie in einen Reiz- oder Erregungszustand verfetzt." — Danach scheint das vierbeinige Rindvieh immerhin intelligenter zu sein als manches zweibeinige.