Nr. 571 43.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Straßenbahn durch die Heerstraße.
Zu den 1200 Kilometern Straßenbahngleise, die Berlin durch| queren, werden im nächsten Frühjahr weitere fünf Rilo. meter kommen. Im Verhältnis betrachtet, erscheint das recht wenig, aber die Kürze der neuen Strecke wird durch ihre Bedeutung| mehr als aufgeboten. Seit einigen Monaten wird an der Durchführung der Straßenbahn vom Bahnhof Heerstraße nach Spandau Pichelsdorf gearbeitet. Damit wird ein Projekt zur Durchführung gebracht, das bei der Anlage der erkaiserlichen Soldatenstraße nicht geplant war, weil man ein Zivilisten- Massen beförderungsmittel nicht auf der militärischen Ausfallstraße nach dem Soldatenspielplag Döberig haben wollte. Was der damalige allerhöchste Kriegs- und Bauherr absichtlich versäumte, muß die Stadt Berlin jetzt nachholen. Eine Straßenbahn nach den für den sommerlichen Ausflugsverkehr außerordentlich bedeutungsvollen
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Die Weltfrauenloge".
Restlos verlorene Interessenteneinlagen". Unter dem Titel„ Der Frauen wille" erschien seit Juni d. J. in der Markgrafenstr. 5 eine Zeitschrift. Ihr folgte bald darauf die Gründung der Weltfrauenloge", Liga zum Schutze der Frau e. V., als deren Organ sich seitdem das Blatt bezeichnete. Der Unternehmer war ein Kaufmann Fr. Ernst Woop, Röpenider Straße 35.
Die Weltfrauenloge und ihr Organ dienten angeblich sehr guten Zwecken: der Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Intereffen der Frau, der Errichtung von Heimen für Kinder und Mütter, der Erziehung zur Ehemoral, der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit usw. Auch ein vierzehntägiger fostenloser Sommeraufenthalt,
Die Wunder der Klara van Haag.
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Aus dem Dänischen übersezt von Erwin Magnus . ,, Herrgott, Kindchen, wann begann er denn so schlimm gegen Sie zu sein? Gleich?“
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Sonnabend, 4. Dezember 1926
nicht erkannt. Woop wurde nun überwacht und jetzt wurde zunächst festgestellt, daß die Gründung beider Unternehmungen auf eine sehr eigentümliche Art zustande gekommen war. Wie die ver= nommenen Zeugen befundeten, lud Woop eines Tages 10 Frauen nach einem Weinrestaurant ein und bewirtete sie dort. Im Laufe der Unterhaltung ließ er eine Anwesenheitsliste herumgehen und unterzeichnen, dann noch eine zweite Liste. Am nächsten Tage erzählte er, er habe jetzt die ,, Frauenloge" gegründet und sein Frauenmille" sei auf 15 Jahre zum Organ dieser Loge erklärt worden. Das habe nach der Behauptung der Zeugen die zweite Liste enthalten, die sich die Frauen wohl nicht genauer angesehen hätten. Ueber 100 Agentinnen entwickelten nun bald eine rührige Tätigkeit, besonders in den weniger gut gestellten und ärmeren Volksschichten. Nach längeren Beobachtungen und Ermittlungen nahm die Kriminalpolizei den Gründer fest und führte ihn dem Untersuchungsrichter vor. Dieser behielt ihn in a ft. Woop besaß nicht einen Pfennig mehr. Er muß aber ganz beträchtliche Einnahmen gehabt haben. Die Zahl der Abonnenten seines Blattes, das den Monat 1,50 Mark tostete, wird auf 4000 geschätzt. Das ergibt schon eine Monatseinnahme von 6000 Marf. Dazu kommen noch die Mitgliederbeiträge, die der Gründer rigoros einzog. Schon am 1. November verbot die Kriminalpolizei den 6-7 Kaffierern und Kassiererinnen, die sie in den beiden Geschäftsräumen im 3. Stock des Hauses Markgrafenstr. 5 antraf, weitere Gelder einzuziehen. Sie taten es aber dennoch, um zu ihrem Gehalt und zu ihren Intereffeneinlagen zu kommen. Auch gegen sie ist jetzt das Verfahren eingeleitet.
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Alle diejenigen, die seit dem 1. November an Rassierer oder Werber der Weltfrauenloge" und des Frauenwillens" Woops nod Geld gezahlt haben, werden ersucht, sich bei Kriminalkommissar Bossehl, Dienststelle F 8, im 3immer 3 und 6 im Polizeidienstgebäude in der Georgenkirchstraße 30a zu melden und die Quitfungen mitzubringen.
Der Monarchistenkranz am Kriegerdenkmal. Polizeischutz für Schwarzweißrot!
Gegenden an der Unterhavel war schon immer notwendig. Diese Notwendigkeit bewies die gute Rentabilität der einzigen Omnibus linie, die, allerdings zu teuren Preisen, das einzige Berkehrsmittel dorthin war. Der Bau der neuen Straßenbahnstrecke wird etwa 1,2 millionen Mark fosten. Die Inbetriebnahme ist planmäßig für den April des nächsten Jahres vorgesehen, doch werden bei einen weiteren Anhalten der güftigen Witterung die Bauarbeiten so gefördert werden können, daß schon eine frühere Aufnahme des Verkehrs möglich sein kann. Die neue Strede wird wahrscheinlich zunächst eine Verlängerung der Linie 75( und vielleicht auch der 53) bringen, die dann ihren jezigen Endhalteplatz vom Bahnhof Heerstraße nach Pichelsdorf verlegen wird. Sie trifft dort mit der 55, die jetzt den Riesenumweg vom Knie in Charlottenbürgermeisters Berndt beseitigt, weil man ihn, durch den das auf burg über Siemensstadt und Spandau nach Pichelsdorf macht, zusammen.
Sonderrabatte bei Einfäufen in Geschäften und anderes mehr mur den versprochen. Es waren im ganzen 16 Punkte, die sehr verlockend aussahen. Aber, so hieß es in den Sagungen, einen Rechts anspruch auf alle die schönen Dinge hatte niemand. Die Welt frauenloge oder vielmehr Herr Woop entwickelte bald eine sehr rege der die Loge und ihr Blatt leitete und die gesamte Verwaltung in Tätigkeit. Der persönlich gewandte und geschäftstüchtige Mann, Händen hatte, suchte Kassierer mit 300-500 Mark und zahlreiche Agentinnen. Bald aber kamen diese zur Kriminalpolizei und flagten, daß sie grundlos entlassen worden seien und ihre Kaution nicht wiederbekommen könnten. Sie fühlten sich geschädigt und beschuldigten Woop des Kautionsschwindels. Baüfung der Verträge zeigte jedoch, daß die kaufmännisch ungewandten Leute nicht eine Sicherheit gestellt, sondern eine Interef fen einlage" gemacht hatten. Den Unterschied hatten fie gar
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und Hoffnung fönnen auch noch zur Not angehen. Die können dies und das bedeuten. Wenn du aber die Lebewohlhände in einem Bogen über die Tür nagelst das war nämlich seine Absicht dann nennen die Leute unser Haus sofort die Sargvilla. Die Leute! sagte er. Ich spucke auf die Leute!( Ich dachte: Ja, außer wenn du Verbeugungen und Krapfüße vor deinen Kunden machst.) Im übrigen aber, sagte erbist du schief gewickelt, wenn du glaubst, daß die Hände Lebewohlhände sind. Es sind Gutentag hände, und du weißt doch sehr gut, daß Frau van Haag heute tommt."
,, Liebe, liebe Kinder," sagte Frau Klara lächelnd.
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Vor einigen Tagen teilten wir mit, daß in Teupizz auf den Friedhof der dortigen Landesanstalt der Anstaltsdirektor einen mit schwarzrotgoldener Schleife geschmückten Reichsbannerkranz von einem Kriegergrab hatte be= seitigen lassen, daß aber nach einer Beschwerde der Teupitzer Reichsbanner- Ortsgruppe der dem Landesanstaltsdirektor vorgesezte preußische Innenminister diese Maßregel als unzufäffis gerügt hat. Der Anstaltsdirektor wollte in dem Schreiben, mit bem er selber den Vorsitzenden der Reichsbanner- Ortsgruppe von diesem Ergebnis der Beschwerde in Kenntnis sezen mußte, die Kranzbeseitigung nachträglich damit erklären und entschuldigen, daß er, den man nicht um Zustimmung zu der Kranzniederlegung gebeten habe, sozusagen Herr auf seinem Hofe sei. Ein Gegenstück zu jenem Teupizer Vorkommnis wird uns jetzt aus BerlinSchöneberg bekannt, wo am Totensonntag eine rechts= gerichtete Organisation am Kriegerdenkmal auf dem Maybach- Platz einen Kranz mit schwarzweißroter Schleife niedergelegt hat. Wurde vielleicht nach Teupiter Muster der Kranz samt Schleife auf Befehl des schwarzweißroten Bezirksöffentlichen Play errichtete Denkmal in die Obhut des Bezirksamtes genommen worden ist, nicht um Erlaubnis zur Kranzniederlegung gebeten hatte? Oder schritt gar die Polizei ein und befeitigte selber den Kranz mit schwarzweißroter Schleife, weil sie darin ein öffentliches ergernis und eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sah? Nein, feines von beiden geschah! Aber das tat die Polizei, daß sie vor dem Kranz mit schwarzweißroter Schleife zu seinem Schut einen Bosten aufstellte. Damit der Kranz nicht entst Beamter das Denkmal zu bewachen habe. würde, ordnete der Vorsteher des 177. Polizeireviers an, daß ein Der Inspektionstommandeur von Schöneberg , Polizeimajor Bruckmann, der ara Abend des Totensonntags das 177. Revier kontrollierte, soll diese Anordnung, als er von ihr Kenntnis erhielt, so weit gebilligt haben, daß die Bewachung wenigstens bis in die Nachtzeit erforderlich sei. Man beachte den Unterschied! In Teupit ließ ein Beamter den Kranz beseitigen, in Schöneberg muß ein Beamter den Kranz bewachen. In Teupih war's ein Kranz mit schwarzrotgoldener Schleife, den die republikanische Reichsbannerorganisation
fie glaubte, sein Zimmer sei in der Nähe, und sagte: ,, Man braucht sich ja nicht zu schämen, daß man spielt! Meine Musik tann sich schon hören lassen. Ich liebe es nur nicht, daß man belauert wird, aber.. ,, Gewiß tann Ihre Musik sich hören lassen, aber der Schluß von der Rapsodie war doch ganz verkehrt."
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,, Da sind Frau van Haag aber bös hereingefallen." ,, Der war direkt falsch und abscheulich!" ,, Wenn es der war, den ich meine, so habe ich ihn nämlich dann... ha ha. Ich von der gnädigen Frau selbst gelernt, dann dekoriere nämlich die Kirche, wie in der Zeitung gestanden hat, und da hörte ich Sie es spielen. Ich habe nicht gehorcht - durchaus nicht. Ich dekoriere, wie gesagt, die Kirche, und tom eines Tages hinien hcrum, und ihre Fenster standen offen.... Aber wenn meiner verkehrt ist dann war Ihrer es auch, denn ich habe ihn nicht anderswo gehört." Wollen Sie mich beschuldigen, falsch zu spielen?" ,, Das muß gleich sein für den einen wie für den anderen, denn die Stücke waren genau gleich. Ja, das heißt, der Schluß gefiel mir nicht, und da machte ich einen anderen. Ich habe nicht wenig Stüde gemacht. Sogar ganz von einem Ende bis zum andern."
..Ja, das besänftigte mich natürlich auch. Der Ge= dante ist es ja, vor dem man sich beugen muß, und der Gedanke war schon gut für sein verrücktes Denten wenigstens. offen.... ich danke war schon gut für sein verrücktes Denken wenigstens. - Die Gnädige wird mächtig böse, sagte ich, wenn du mit Meinst du? sagte er und solchen Kunststücken anfängst!
,, Es war am Hochzeitstage, als wir in aller Einfachheit gegessen hatten und die Familie gegangen war. Meine Mutter drückte mir im Gang draußen so fest die Hand und fah mich so bestimmt an. Da mußte ich meinen, und darüber wurde er natürlich wütend. Ich hätte es ja auch lassen können.- Aber ich konnte es nicht, und da schalt er mich. Aber er hat, wie gesagt, seitdem viele Male aufgehört. Ach Gott ja ich sollte nicht undankbar sein, wo ich den bekommen habe, den ich am liebsten haben wollte! Aber ich beilage mich ja auch nicht. Nicht wahr? Ich erwähne nur seine Unbesonnenheit, weil ich so fun muß, wenn man meine Freude und mein großes Erstaunen über die Veränderung, die mit ihm geschehen ist, verstehen soll. Ich kann ihn buchstäblich um den Finger wickeln und einen Knoten in ihn schlagen, wenn ich will. Ich kann übrigens gern ein Beispiel nennen, sogar von heute morgen. Er hat ja eine Freude an aller Art alten Gerümpels, und da tommt er heimgeschleppt mit einem ganzen Sad von diesen Bappmachéfiguren, wie man sie an Särge nagelt- ja, jetzt find sie ja nicht mehr modern- Engelstöpfe, Glaube, Liebe und Hoffnung, rauchende Fackeln und an fünfzig Lebewohl hände die Sie wohl fennen, sehr hübsche Hände, die sich schön und traurig drücken... aber doch... nichts Anständiges für ein Haus, in dem lebendige Menschen wohnen sollen. Denn Eaholm wollte sie absolut hier annageln. Er hat ja seine Einfälle, die durchgeführt werden müssen, und wenn die Erde madelt Aber ich wollte so schredlich ungern, daß er die Leute wieder reizen sollte, jetzt, da sie sich gerade beruhigt hatten nach der Turbine und dem Hause, das ihnen ja nicht gefällt, weil es den anderen Häusern nicht gleicht. Ach, wir haben ein Teil durchgemacht, worüber wir jetzt nicht reden wollen, zum Beispiel, wenn Egholm auf bloßen Füßen im frisch ge= fallenen Schnee ein Buch holen ging, und fie glaubten, er fei
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legte den Hammer dort aufs Stativ. Aber ich war, wie gesagt, weich geworden, und erlaubte ihm, ein paar Hände an einer Stelle anzunageln, wo der wilde Wein sie ein bißchen verdeckt. Man soll seine Macht ja auch nicht mißbrauchen. nicht wahr?"
,, Nein," sagte Frau van Haag und strich ihr über die
Wange.
Auf dem Heimwege hatte Frau van Haag endlich das Glück, Johan Fors allein und dazu in einer der fleinen Quer gassen zu treffen, wo sie ungestört miteinander reden konnten. Sie stellte sich ihm in den Weg und sagte:„ Sie sind es, der Geige spielt, nicht wahr?" Johan runzelte die Stirn und sah sie von oben bis unten an. Da sie aber eine gebieterische, elegante Dame war, hielt er diese Anstrengung nicht lange aus, sondern sagte, oben drein mit einem halben Lächeln: ,, Ein klein wenig- aber nur für mich."
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„ Sie spielen eine Rhapsodie von Liszt mit einem übermäßig langen chromatischen Lauf." Aber jetzt wurde Johan böse. Auch weil er nicht recht verstand, was sie sagte.
Ich habe niemand gebeten, mein Spiel anzuhören, daß ,, Sie müssen entschuldigen, ich verstehe wirklich nicht die
ich wüßte.
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,, Und Sie verändern so ohne weiteres Liszt!"
,, Das ist mir einerlei, wenn das Stück zusammenhanglos und häßlich ist."
Frau van Haag sah einen Augenblick untersuchend auf Johan Fors. Das war ja ein furchtbar ungebildeter Bandit. Aber es lag etwas Ehrliches über feinen wohlgeformten, wenn auch roten, fleckigen Händen. Es ist ein ungewöhnlicher auch roten, fleckigen Händen. Wille in seinen blauen unerschütterlichen Augen. Nein, fie wollte Hedwigs Geliebten nicht um eines Formfehlers willen fallen lassen.
,, Ich habe Sie eigentlich wegen einer bestimmten Sache angehalten. In furzer Zeit tommt ein Mann, Professor Sans Juhl, hierher. Hätten Sie Luft, so könnte er Sie gleich auf das Konservatorium in Kopenhagen bringen, wenn Sie ihm bei mir vorspielten. Hans Juhl Sie kennen den Namen vielleicht nicht?" ,, Doch, ich kenne ihn gut aus der Zeitung."
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toll. Nein, aber ich wollte nicht gern, wegen der Kinder, Runft. die Ohren zu schließen. Ich lag eines Abends wach. nichts versprechen. Es wäre hübsch für Sie, wenn Sie etwas
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namentlich wegen Emanuel, der in die Realschule geht. Was versteht ein unwissender Mensch wie du davon? jagte er. Ich weiß schon, worüber die Leute lachen, fagte ich. So dumm bin ich nicht. Rosengirlanden und Fackeln kannst du gern aufhängen, die bedeuten nichts. Engelköpfe und Glaube
Bielleicht haben Sie Ihr Zimmer in der Nähe. Ich konnte es ganz deutlich durch meine Fenster hören."
Johan dachte nicht darüber nach, wie sie wissen fonnte, daß er es war, der gespielt hatte. Er war erleichtert, daß
,, Nun ja, wenn Sie also meinen ja, ich fann natürlich lernen könnten. Nicht wahr?"
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,, Nein daraus mache ich mir nichts; aber ich will doch gern mit dem Professor sprechen."
( Fortsetzung folgt.)