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Donnerstag

9. Dezember 1926

Unterhaltung und Wissen

Wiſſen

Laufen. Grief ließ eine Bahre anfertigen, und dann wurde die Leiche

Die Wizzbolde von Neu- Gibbon. nach dem Hauptgebäude gebracht.

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Bon Jack London  .

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Denby zeigte sich sehr entgegenkommend. Er forschte nach den Krankheitssymptomen des alten Häuptlings. Er bot ihm abführende Tabletten, Billen und vielerlei verschiedene Kapseln aus dem Medizinschrank an, aber Koho dankte immer wieder er erinnerte fich gut, wie es ihm ergangen war, als er beim Ueberfall auf die Dorset   in eine Chininkapsel gebissen hatte dazu waren ein paar von seinen Kriegern, die ein weißes Pulver unter sich geteilt hatten, sofort unter heftigen Schmerzen gestorben. Nein, Medizin war nichts für ihn was er brauchte, war der Inhalt der Flaschen, der fühle, flammende Jugenderneuerer. Es war fein Wunder, daß die weißen Männer sich nicht davon trennen wollten.

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..Rum er gut fella," wiederholte er immer wieder in seinem Jammernden Ton mit ser ermüdenden Ausdauer des alten Mannes.

Und da beging Denby seinen verhängnisvollen Fehltritt und spielte ihm einen Streich.

Er trat hinter Roho, öffnete den Raum mit den Medikamenten und nahm eine Flasche heraus, deren Etikette zeigte, daß sie Senf­effenz enthielt. Er tat, als zöge er den Pfropfen heraus und tränke von dem Inhalt, und konnte unterdessen im Spiegel sehen, wie Roho fich halb umgedreht hatte und ihn beobachtete. Denby schmatzte zufrieden, räusperte sich und stellte die Flasche wieder an ihren alten Plazz. Er vergaß den Medikamentenraum abzuschließen, setzte sich wieder hin, erhob sich aber nach einer angemessenen Weile und ging an Deck. An der Kajütstreppe blieb er stehen und lauschte. Nach einigen Augenblicken wurde die Stille unten von furchtbarem Bruften und heftigem, erstidendem Husten unterbrochen. Er lächelte vergnügt, und furz darauf ging er wieder nach unten. Die Flasche stand wieder auf ihrem Platz, und der alte Mann saß in derselben Stellung da, wie er ihn verlassen hatte. Denby mußte unwillkürlich die eiserne Selbstbeherrschung des alten Häuptlings bewundern. Lippen, Zunge und Schlund, alle Schleimhäute der Mundhöhle mußten ihm wie Feuer brennen. Er feuchte und hustete hin und wieder ein wenig, und unaufhörlich rannen ihm Tränen über die Wangen. Ein gewöhnlicher Mensch hätte mindestens eine halbe Stunde lang noch die furchtbarsten Husten- und Erstickungsanfälle gehabt. Aber der alte Koho saß grimmig beherrscht da. Es ging ihm immer mehr auf, daß er das Opfer eines Streichs geworden war, und feine Augen leuchteten vor Haß, so böse, so abgrundtief, daß Denby zurückschauderte. Roho erhob sich würdevoll.

Mich gehen," sagte er. Du rufen ein fella Boot bringen mich."

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Wallenstein   gab sich ganz seinem Kummer und seiner Reue hin. Die Tränen strömten ihm über die Wangen, und als er eine Zeit­But, die sich durch diese Flüche Luft machte, und als er schließlich lang gejammert hatte, begann er zu fluchen. Es war echte deutsche so raste, daß ihm der Schaum vor dem Munde stand, ergriff er Worths Gewehr.

sammen, Wallenstein. Seien Sie kein Narr." ,, Keinen Unsinn!" befahl Grief strenge. Nehmen Sie sich zu­ Aber wollen Sie ihn denn entwischen lassen?" rief der andere verzweifelt.

Ein wahres Wort.

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Auf die Festigung der Freundschaftsbande mit Deutschland  kann ich mich völlig verlassen."( Tichischerin zur Berliner   Presse.)

Er ist schon entwischt. Der Busch beginnt gleich hier am Fluſſe. Sie können ja sehen, wo er hindurchgewatet ist; jetzt ist er auf den Wildschweinswechseln schon tief ins Didicht gelangt. Man fann eben jogut eine Stecknadel im Heuschober suchen. Außerdem würden seine Krieger uns überfallen, wenn wir seinen Spuren zu folgen ver­fuchten. Nebenbei sind alle Wege voll von Menschenfallen, Sie wissen Fallgruben mit Speeren, vergifteten Dornen und der gleichen. Mac Tavish und seine Buschleute sind die einzigen, die in den Urwald eindringen können, und selbst er hat bei seiner letzten Expedition drei Mann verloren. Kommen Sie zurück nach dem

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Beilage des Vorwärts

und stellte den Zusazantrag, daß dieser junge Rechtsanwalt beauf­tragt werde, die Bomben in die Briefkasten zu werfen. Der Eifer des jungen Rechtsanwalts war dadurch so abgekühlt, daß von dem Antrag nicht mehr geredet wurde.

Von Brieftaschen.

In den Anfängen der Bewegung war manch ein Vertrauens­mann nicht dagegen gewappnet, bei einem Hungerlohn die Gelder der Organisation ehrlich zu verwalten. Der Hunger und die Ber­suchung waren oft zu groß. Ueber einen solchen faß man zu Gericht. Da meldete sich Adler: Genossen, jeder ist nicht schlecht, und unser Freund ist auch nicht schlecht. Er hat nur das erstemal eine Brief­tasche in der Hand gehabt."

Definitionen.

Wenst sich Studenten zu Führern becafen glaubten und statt zu studieren in der Partei eine Rolle spielen wollten, sagte Adler oft: Student tommt vom Studieren.

Zur Zeit, da die Anarchisten die Arbeiter zu törichten Experi­menten zu verleiten suchten, wobei sie auf manchen braven Genossen mit radikalem Gerede Eindruck machten, gab er folgende Definition von den Anarchisten: Anarchist ist einer, der sich freut, wenn andere Bomben werfen.

Aehnlich sagte er während des Wahlrechtstampfes, als die wohl­meinenden Freunde die Arbeiter jeden Tag zum Generalstreik zu verleiten suchten: Dem Kiebiz ist fein Spiel teuer genug.

Mehr scherzhafter Art sind zwei Aeußerungen, mit denen er feinem Aerger Ausdruck gab, als die tschechischen Sozialdemokraten die Gewerkschaften spalteten und sich damals immer als diejenigen hinstellten, denen in den Gewerkschaften das gleiche Recht verweigert

werde.

Damals fagte er: Die Tschechen sind wie die Juden. Man kann ihnen noch so entgegenkommen, sie bleiben dabei, daß man sie ver­folgt. Alles ist ein Pogrom.

Ein andermal: Eigentlich ist jeder von uns ein bissel ein Böhm. Aber solche Böhm' wie die Böhm sind halt doch nur die Böhm'.

Wichtig für Parteimänner.

Adler kam einmal gerade dazu, wie ein Genosse verärgert meg­ging, nachdem ihm der andere überzeugend dargelegt hatte, daß er früher eine andere Meinung gehabt habe, aber durch ihn erst sich habe befehren laffen. Da sagte er: Wenn ich den Leuten, wenn fie etwas Gescheites gemacht haben, immer nachgewiesen hätte, daß die Idee von mir war, hätten wir uns immer nur so gezantt, während wir so einig und groß geworden sind Das wichtigste bei einem Barteimann ist, daß er die Idee hat und sie den Leuten so beibringt, daß sie glauben, sie haben sie gehabt.

Die kurze Geschichte eines Regenpfeifers.

Von Paul Robien  , Naturwarte Mönne.

Wallenstein  , der gesehen hatte, daß Grief und Worth auf die Blantage hinausgeritten waren, fegte sich in das große Wohnzimmer und begann seine automatische Pistole mit Del und alten Lappen zu reinigen. Neben ihm standen wie gewöhnlich eine Whiskyflasche und mehrere Flaschen Sodawasser. Auf dem Tisch stand ferner noch eine Flasche, ebenfalls mit einem Whiskyetikett, die aber Salbe enthielt, welche Worth für die Pferde gemacht und fortzustellen vergessen hate. Während Wallenstein arbeitete, sah er durch das Fenster Koho tommen. Er humpelte eilig, als er aber die Beranda erreichte und Hause. Heut wird die ganze Hölle los fein; wir werden fie hören, Goldregenpfeifer, geboren wahrscheinlich in Lapplands oder Nord­

in die Stube trat, waren seine Bewegungen langsam und würdevoll. Er setzte sich und beobachtete die Reinigung der Waffe. Schlund, Zunge und Lippen brannten ihm, aber er ließ sich nichts merken. Als fünf Minuten vergangen waren, sagte er:" Rum er gut fella. Mich mögen Rum."

Wallenstein schüttelte lächelnd den Kopf, und dann kam ihm ein Einfall: Er spielte Roho einen Streich, den letzten, den er je Ge­legenheit hatte, einem Eingeborenen zu spielen. Die Aehnlichkeit der beiden Flaschen war es, die ihn auf den Einfall brachte. Er legte die Waffe auf den Tisch und goß sich ein großes Glas ein. Er stand so zwischen dem Tisch und Koho, daß es ihm ein leichtes war, die beiden Flaschen zu vertauschen. Dann leerte er das Glas und

verließ das Zimmer, als ob er etwas suchte. Draußen hörte er, wie der alte Häuptling spulte und hustete; als er aber wieder eintrat, faß Koho da, als wäre nichts geschehen. Die Flasche mit der Salbe war bedeutend leerer geworden.

Koho stand auf, flaschte in die Hände und gab dem ein­tretenden Hausbon zu verstehen, daß er seine Büchse wünschte. Der Junge brachte ihm die Waffe und begleitete ihn ein Stück auf dem Bege, wie es Schick und Brauch ist. Erst an der Gatterpforte gab er dem Gast die Waffe zurück. Wallenstein   amüsierte sich föftlich, während er dem Häuptling nachsah, der den Strand entlang humpelte.

Als Wallenstein   einige Minuten später seine Pistole wieder zu fammensetzte, hörte er einen Schuß. Einen Augenblick dachte er an Koho, dann fiel ihm ein, daß Grief und Worth ihre Gewehre mit. Koho, dann fiel ihm ein, daß Grief und Worth ihre Gewehre mit genommen und wahrscheinlich eine Taube geschossen hatten. Er lehnte sich in dem Stuhl zurück, lachte, strich sich seinen blonden Schnurrbart und nickte ein. Plöglich erwachte er. Er hörte die er­regte Stimme von Worth: Läutet die große fella Glocke! Läutet Menge zu fehr! Läutet wie Hölle!"

wie sie auf Muscheln blasen und ihre Kriegstrommeln bearbeiten. Ich glaube zwar nicht, daß sie versuchen werden, die Plantage zu stürmen, aber lassen Sie doch alle Leute beim Hause bleiben, Herr Worth. Kommen Sie."

Unterwegs stießen sie auf einen Schwarzen, der ihnen schreiend und freischend entgegenfam.

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Mach' Mund zu, gehören dir!" rief Worth. Was Name du machen Lärm?"

wortete der Schwarze, indem er den Zeigefinger an der Kehle " Ihn fella Koho machen tot zwei fella Bullamacow," ant­vorbeizog.

Er hat die Kühe geschlachtet," sagte Grief. Das bedeutet eine Beitlang feine Milch für Sie, Worth. Ich werde Ihnen ein paar neue von Ugi herüberschicken." ( Schluß folgt.)

Viktor- Adler  - Anekdoten.

In dem ausgezeichneten österreichischen Arbeiterkalender Das Jahr 1927", ben Josef. Luitpold im Auftrage der österreichischen Arbeiterpartei, der Gewerkschaftskommission und des Vorstandes der Konsumvereine im Verlag der Wiener   Bolfsbuchhandlung herausgibt, werden Anekdoten von Viktor Adler   aufgetischt. Sie charakterisieren feine Art aufs beste. Einige davon mögen auch unfere Lefer erfreuen.

Was sind Sie?

Adler war oft Zeuge. Einmal wurde er auch vor das Brünner Bezirtsgericht als Beuge in einem Ehrenbeleidigungsprozeß geladen. Diese Vorladung ging ihm so wider den Strich, daß er bei Abnahme der Generalien- feiner Lebensdaten auf die Frage des Richters nach dem Beruf: Was sind Sie? lafonisch antwortete: Zeuge. Die Krawatte.

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In der Zeit der Wahlrechtsdemonstrationen war es öfter als fonft nötig geworden, auf die Straße zu gehen. Dadurch wurde Wallenstein   eilte auf die Veranda und sah den Verwalter zu dieses Mittel, fich Geltung zu verschaffen, aber in Gefahr gebracht, Pferde über den Zaun sezen, um Grief einzuholen, der wie ein sich selbst zu verbrauchen. Adler achtete darum ängstlich darauf, daß Verrückter den Strand entlang ritt. Ein lauter Krach und dicker nur aus wirklich bedeutsamen Anlässen die Arbeiter auf die Straße Rauch, der zwischen den Kokospalmen aufstieg, sagte ihm, was ge- gerufen wurden. In einer Parteivertretungssigung hatte ein Genosse, schehen war: Bootsschuppen und Baracken standen in Flammen. Der eine große, lange, fliegende Krawatte trug, aus der man leicht Die große Glocke der Plantage läutete heftig, während der deutsche brei deutsche Turnertrawatten hätte machen fönnen, aus irgend Regierungskommissar an den Strand lief, wo er die Walboote vom eineni Anlaß das Begehren gestellt, daß die Arbeiter Wiens wieder zu einer Straßendemonstration aufzurufen seien. Die etwas zweifle Schoner auf die Insel zurudern sah. Baraden, Bootsschuppen, Heuschober und alles andere Entzünd.rische Miene Adlers fachte das Feuer des Redners so an, daß er sich immer tiefer in seine Idee verbohrte. Er verfiel in leidenschaftliches bare war in Flammen eingehüllt. Grief kam aus der Küche bei Boltsversammlungspathos. Da duschte ihn Adler mit den Worten: den Baracken, er trug ein nacktes, schwarzes Kind an einem Bein; Cravatte oblige. Allgemeines Gelächter. Die Demonstration war dem Kind fehlte der Kopf. abgetan.

Die Köchin ist noch drinnen," sagte er zu Worth. Ihr ist auch der Kopf abgeschnitten. Sie war zu schwer, und ich mußte machen, daß ich heraus fam." Es ist meine Schuld," sagte Wallen­ stein  . Der alte Roho hat es getan. Ich ließ ihn von Worths Pferdemedizin trinken."

Ich vermute, daß er schon in den Busch geflohen ist," sagte Worth und sprang aufs Pferd.

Oliver ist am Fluß. Hoffentlich hat Koho ihn nicht erwischt, rief der Verwalter. Dann galoppierte er fort und verschwand zwischen den Bäumen. Einige Minuten später, als gerade die ver fohlten Balken der Baracken zusammengestürzt waren, hörten sie ihn rufen und folgten ihm. Im Walde, am Flußufer trafen sie ihn. Er faß zu Pferde, freideweiß, und starrte auf einen am Boden liegenden Gegenstand. Es war die Leiche Olivers, des jungen Assistenten; aber er war schmer zu erkennen, denn der Kopf fehlte. Jezt kamen die schwarzen Arbeiter atemlos von den Feldern ge­

Hut und Hirn.

Während der Anarchistenzeiten hatte Viktor Adler   oft und oft Berworrenheit einzelner, manchmal aber auch die Versuche einzelner abzumehren, die diese Berworrenheit ihren eigennügigen Zwecken dienstbar machen wollten. Einmal bemerkte Abler in einer solchen geheimen Bersammlung während seiner Rede in einer Ede einige Arbeiter mit besonders breiten Schlapphüten. An diese wendete er sich: Mir fommt es auf den Hut nicht an. Mir ist es lieber, wenn einer ein ganz fleines Hütel auf hat, aber wenn im Hirn was drinnen ist, als wenn einer einen großen Hut hat, so daß ihn jeder Polizist schon von weitem fennt.

In einer anderen solchen Bersammlung hatte Bittor Adler den Versuch eines ehrgeizigen jungen Rechtsanwalts abzuwehren, die Arbeiter in anarchistische Abenteuer hineinzuheben. Der junge Mohn hatte den Antrag eines Naiven, Bomben in Briefform herzustellen und fic in Briefkasten zu legen, wärmstens befürwortet. Bielleicht fpielte im Unterbewußtsein der Gedanke mit was fann das für ein Prozeß werden... Adler durchschaute das gefährliche Spiel

Worten beginnen wie Bengt Berg  , dieser unübertreffliche schwedische Wie ich es auch wenden und drehen mag, ich muß mit denselben Experimentieren dahin gelangt, daß ein Mornellregenpfeifer in Naturforscher und photograph, der durch wochenlanges, geduldiges Lapplands Halden alle Scheu verliert und schließlich auf der vorsichtig untergeschobenen Hand weiterbrütet. Bengt Bergs wissenschaftliches Abenteuer ist lang, das meine ist furz, aber es löft eine Flut von Gedanken, verlockend zum Weiterspinnen. Ich muß meinen Bericht nun beginnen: Dieses ist die schier unglaubliche Geschichte eines rußlands öden Mooren und Tundren, den ich durch seinen Pfiff lagerten umgeben von unseren Habseligkeiten, Rudfäden und aus einer Entfernung von Kilometern zu mir herabholte. Wir grellen Bekleidungsstücken, auf menschenleerer Strandhutung, hier und da redten mißhandelte Wacholderbüsche ihre duftenden Pyra­miden in die Höhe. Wir hatten geschwelgt in Forschergenüffen, wie man fie eben nur an solchen Punkten der deutschen Ostsee kosten tann und waren jetzt dabei, unser Mahl zu verzehren, hergerichtet an qualmendem Machangelstrauch.

Aus alter Gewohnheit erwidere ich seinen Gruß, der so schön, so Da flog. fern am Bodden ein einsamer Goldregenpfeifer vorüber. flangvoll und rein ist, daß alles menschliches Geplärre dagegen per­stummen müßte. Mein gefiederter Freund ist, das weiß ich, abgeirrt vom Fluge seiner Genossen. Sein reines Flöten heißt nur: wo seid ihr, die ich suche, zu denen ich gehöre? Er hört seinen Ruf und schießt wie ein Pfeil auf den vermeintlichen Genoffen zu. Kaum zwei Meter faust er an uns vorüber, so daß wir erkennen fönnen, daß es ein Jungvogel ist. Diese Begegnung erfreut uns sehr. Bis hier ist die Geschichte zwar schön, aber wir denten: der hat aber einen Schreck gefriegt, als er so bei uns vorbeisauste, der reagiert nicht wieder auf unseren Pfiff. Als mein Regenpfeifer wieder weit fort ist, pfeife ich nochmals nochmals und dann geschieht das schier Unglaubliche, er fommt zurüd, wieder wie ein Pfeil auf uns zu und setzt sich eineinhalb Meter vor uns nieder, nickt und blickt mit seinen flugen Weltaugen fragend: Wo bist du denn? Wir sind sprachlos. Wir erleben in diefer Minute fooiel, daß wir eine lange, lange Geschichte darüber schreiben fönnten. Auf eineinhalb Meter einem schönen Bogel ins Auge zu schauen, das ist ein Erleben, das lange, lange nachschwingt. Als er fort ist, finden wir Worte, Worte, die nur blaß das Erleben gegenseitig mitteilen.

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In Wirklichkeit hat dieser kurze Besuch des Charadrius aber ein paar Saiten der Seele zum Schwingen gebracht, das bis ans Ende nicht aufhören wird. Jetzt, so sagen wir uns, hat er seinen Irrtum erst richtig erfannt, jetzt kommt er nicht wieder. Aber er kommt doch. Er kommt auf einen neuen Pfiff nochmals aus dem Luftmeer herab, stellt sich einige Meter entfernt ins Heidekraut und wartet, bis wir endlich fortgehen. Nochmals schaue ich mich um, er steht noch da, mein Freund aus Nordland. Ich habe ihn betrogen, das weiß ich. Ich spreche seine Sprache das ist es. Und nicht nur seine Sprache fpreche ich, ich bin sein Anwalt in dieser brutalen Menschenwelt, wo unabläffig fleinfalibrige Mordwaffen auf die herrlichsten Gebilde der Natur gerichtet sind. Ich weiß, ein wohlhabender Badehotelier ist hier Herrscher über Tod und Leben. Wehe dir, Charadrius, wenn du jo ahnungslos dem Mörder vor die Füße geflogen wärst. Das Heidekraut hätte dein rofiges Blut getrunken, ein paar deiner goldigen Rückenfedern, losgeriffen vom mordenden Blei, hätte der Wind ent­führt. Dann hätte dich eine gierige Mörderhand, vielleicht der Fang eines vom Menschen gezähmten Raubtiers, feines Helferhelfers beim Naturmord, gepadt. Dann wärft du zu anderen Schicksalsgenoffen, schönen, flötenden, arglofen Nordländern, in die Schlinge gekommen. Weidmannshell! Keiner hätte deinen Namen gewußt. Man hätte nur, deine fleischige Bruff befühlt, und in der Pfanne der Hotelküche hätte sich dein Leib noch einmal aufgebäumt vor Wut und Abscheu vor soviel Niedrigkeit.

Wer weiß, mein Freund, ob dich nicht doch noch das Schicksal ereilt. Dann wirst du deine nordische Heimat, wo die Zweibeine nur felten hinkommen, nicht wiedersehen. Dann wirst du den Schmuc deines Alterskleides, das Moorschwarz der Brust, die Goldtropfen auf dem Rücken nicht mehr erleben. Namenlos wirst du sterben. Solltest du aber diesem Schicksal entrinnen, dann eile zu deinen Genoffen und berichte, was du erlebt hast. Denn auch du haft ein Abenteuer erlebt. Du hast neben Menschen gesessen, die deine Sprache fannten und sprachen, neben Menschen, die nicht nach dem Mordgerät griffen. Glück dir und deinen Genossen, wenn diese Menschen einst siegen über ein Geschlecht, das nur Tod und Ver­nichtung fennt.