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Nr. 581 43. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts Freitag, 10. Desember 1928

Reichswehr , Rechtsverbände, Preußische Regierung.

Aussprache im Landtag.- Grzesinski über den Konflikt mit dem Oberreichsanwalt.

Der Landtag beschäftigte sich gestern nach der bereits bekannten| richten sich tatsächlich gegen die Republik . Es ist doch Erklärung des Genossen Heilmann mit den Durchsuchungen bei den Führern der vaterländischen Verbände und der Denkschrift des Innenministers über die Auflösung des Bundes Wiking und des

Sportvereins Olympia.

Die Kommunisten beantragten zur Geschäftsordnung, zunächst eine Reihe anderer Gegenstände zu verhandeln, die Zustände in den ostpreußischen Gefängnissen, die Stellungnahme zum Schund­und Schmutzgesez, Ueberschichten im Bergbau usw.

Abg. Kutiner( Soz.): Die Herren Kommunisten scheinen Angst zu haben, daß bei der heutigen Tagesordnung auch der Munitions­erfaz der Reichswehr zur Sprache kommt.( Große Heiterfeit bei den Soz.- Abg. Pied ruft: Berlogener Schurte! Ordnungsruf.)

Abg. Pied( Komm.) beantragt die sofortige Beratung eines Ur antrages, nach dem die preußische Regierung Auskunft geben soll über die angeblichen Munitionsschiffe in Stettin .

Abg. Heilmann( Soz.): Die Anfrage würde beffer an den Reichswehrminister gerichtet. Aber wir können sie ja gern mit dem heutigen Thema verbinden.( Heiterfeit.)

Die Berbindung wird beschlossen.

Abg. Bord( Dnat.): Das Berbot von Wifing und Olympia auf Grund des Versailler Friedensvertrages bedeutet, daß die Regierung dem Feindbund Material liefert.( Große Unruhe links.) Auch der Oberreichsanwalt hält das Vorgehen der preußi­fchen Polizei für gesetzwidrig.

Innenminister Grzesinski :

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Ich will keinen Zweifel darüber laffen, daß ich für die ge­samte Aktion, die von der Polizei unternommen worden ist, die volle Verantwortung übernehme( Beifall links. Hört; Hört! rechts). In dem Augenblick, wo unter Würdigung der ganzen Sachlage die Situation sich noch einmal so gestalten würde, würde ich auch genau wieder so handeln( erneuter Beifall links. -Unruhe rechts). Gegenüber verschiedenen Debatteäußerungen will ich hervorheben, daß die ganze Polizeiaftion, im Rahmen der zu ständigkeit der Polizei, auf meine eigene Initiative ge­leitet worden ist. Wenn tatsächlich damals bei der Polizeiverwaltung Berlin und dem Ministerium des Innern ein so ungeheures Material vorlag( Stürmisches Gelächter rechts, an dem fich auch Tribünenbesucher beteiligen. Ein Tribünenbesucher zeigt auf den Minister und hält seine Hand an die Stirn. Großer Lärm links. Durch Zurufe wird die Ausweisung des Tribünenbesuchers verlangt, der offenbar den Minister beleidigen wollte. Glocke des Präsidenten. Der Lärm hält längere Zeit an. Die Abgeordneten stehen zahlreich um die Redner­fribüne herum.) Als der Minister wieder verständlich wird, führt er aus: Soweit bei einzelnen Personen zu Unrecht Haussuchungen statt gefunden haben, habe ich in der letzten Sizung eine entsprechende Erklärung abgegeben, die sowohl vom Abg. v. Campe wie auch vom Abg. Windler als durchaus loyal bezeichnet worden ist. Eine weitere Erklärung habe ich nicht abzugeben. Dem Abg. Bord empfehle ich, sich das erst anzusehen, worüber er sprechen will, denn

nicht zutreffend, wie Abg. Bord sagt, daß es sich lediglich um Er ziehung der Jugend handle. Es besteht kein Zweifel, daß die Absicht bestand, gewaltsam gegen Republik und Verfassung vorzugehen, und daß nicht mit schönen Worten, nicht durch das Parlament, sondern nur mit militärischen Mitteln, mit Gewalt die Zwecke erreicht werden sollten.

Der aufgefundene Aufmarschplan ist doch keine Spielerei, sondern ein Plan, der den Zweck verfolgte, nach rein militärischen Ge­sichtspunkten die Republik des Reiches oder Preußens zu be­seitigen und sich an ihre Stelle zu sehen. Das ist Hochverrat! ( zurufe rechts.)

Zu dem Aufmarschplan tam das Rundschreiben der Berbände, tamen deren militärische Uebungen und noch anderes, so daß absolut feststand die Absicht des gewaltsamen Umsturzes. Der Oberreichsanwalt hat das Material nur insoweit als belanglas bezeichnet, als er die Zentralen dafür nicht verantwortlich gemacht hat. Das ist eben seine Einstellung zu dem Material. Gerade deshalb habe ich auch Berufung gegen die Aufhebung des Verbotes von Wiking und Olympia eingelegt. Mag die Entscheidung ausfallen, wie sie will; meiner Aufassung, bzw. der meines Herrn Amtsvorgängers, hat sich ja auch der Reichs. minister des Innern angeschlossen. Er hat auf Grund des Gesetzes über die Ausführung des Friedensvertrages das Verbot der Organisationen ausgesprochen.

Das Verbot bleibt auf alle Fälle bestehen.

Es haben ja Versuche stattgefunden, nach der erstinstanzlichen Ent­fcheidung des Staatsgerichtshofes Führersizungen für wifing und Olympia stattfinden zu lassen. Derartigen Versuchen werde ich mit allem Nachdruck entgegentreten. ( Beifall links.) Gegen diejenigen sogenannten Führer, die geglaubt haben, trotz des Verbotes durch den Reichsinnenminister zusammen­tommen zu fönnen, ist ein Strafverfahren eingeleitet, und es ist sehr nachdrücklich nahegelegt worden, solche Spielereien in ihrem Interesse zu unterlassen.( Rufe b. d. Bölf.: Spielereten, na also!- Rufe b. d. Soz.: Ein Spiel mit dem Feuer!)

Das Schreiben des Oberreichsanwalts.

In der Deutschen Zeitung" wird mir der Vorwurf gemacht, daß ich abfichtlich gegen gefeßliche Vorschriften gehandelt hätte. Es wird dabei zitiert ein Schreiben des Oberreichs anwalts an mich, wonach der Oberreichsanwalt allein berufen und imftande sei, die Untersuchung über hochverräterische Unter­nehmungen so zu führen, daß eine Beunruhigung im Innern vermieden und die Wahrheit festgestellt wird.( Sehr gut! b. d. Bölf.) Ich bedaure ganz außerordentlich, daß der Ober­reichsanwalt in die Debatte hineingezogen wurde. Ich bin aber nunmehr genötigt, auf den Ausgang seiner Beschwerde gegen den damaligen Berliner Polizeipräsidenten hinzuweisen. Vom Ober­reichsanwalt wurde mir, als damaligem Polizeipräsidenten von Berlin , Ermittlungen ungestellt, bzw. 3eugen ver­nommen hätte, ohne deren Ergebnis dem Oberreichsanwalt zuzu angelegenheit macht, daß ich in einer Fememord­leiten. Das ist der Anlaß zu dem erwähnten Brief des Oberreichs anwalts. Ich weiß nicht, wer die Deutsche Zeitung" in Kenntnis von diesem Schreiben gesetzt hat. Ich weiß auch nicht, ob die Deutsche Zeitung" den ganzen Schriffwechsel kennt; vielleicht hätte sie das Zitat dann nicht gebracht. Jedenfalls bin ich nunmehr ge­porzulesen, ohne Rücksicht auf Geheimhaltung, die veilleicht sonst geboten schien. Das Schreiben datiert vom 1. April. Der Minister verliest dann den Brief, morin der Oberreichs­anwalt mitteilt, die Landsberger Fememordatt en seien bei ihm eingegangen. Er habe dabei ein Vernehmungs­protokoll des Kriminalkommissars Dr. Stumm über Angaben des Zeugen Wilhelm von Albert gefunden und ersuche um Aeußerung darüber, wie dieses Bernehmungsprotokoll zustande kam. Es folgt dann in dem Schreiben das durch die Deutsche Beitung"

bauert, die zu Unrecht von den Durchsuchungen betroffen wurden. ich habe in meiner Erklärung das Vorgehen gegen alle Kreiſe be Herr Bord hat sich auch erlaubt( 3urufe recht: erlaubt?!), er hat sich erlaubt, zu sagen, gewisse Gegengründe seien bewußt aus der Dentschrift herausgelassen worden. Ich muß diese unerhörte Unterstellung auf das entschiedenste zurückweisen. Er hätte die Dent­schrift richtig lesen müssen, dann hätte er gesehen, daß nichts heraus­gelassen war. Ich habe schon in Beantwortung der Kleinen Anfragenötigt, den Brief des Oberreiosanwalts völlig der Deutschnationalen darauf hingewiesen, daß der Bund Wifing feine Beschwerde eingereicht hatte. Ich muß doch verlangen, daß zum mindesten Verwahrung eingelegt wird.

3m übrigen übt der Oberreichsanwalt eine Kritik, die ihm nicht zukommt. Ich wäre dankbar, wenn dortfeits dem Oberreichs anwalt die erforderlichen Eröffnungen gemacht werden.

Abschrift dieses Schreibens hat der Oberreichsanwalt unmittelbar erhalten. Gezeichnet ist dieses Schreiben Severings:" In Vertretung: Meister."( Hört! hört! links und große Heiterkeit.) Der Minister führt weiter aus: Ich bedaure diesen Schriftwechsel ganz außer­ordentlich und bedaure, daß ich ihn vorlesen mußte. Ich befand mich aber in einer Abwehrstellung, weil 3itate wiedergegeben wurden, die einen anderen als den richtigen Eindruc ermeden sollten. Ich will keinen Zweifel darüber lassen, daß ich in der Abwehr kräftig zuhaue. Der Reichsjustizminister hat auf das Schreiben des preußischen Innenministers am 24. August erwidert: Dem gefl. Schreiben glauben wir entnehmen zu dürfen, daß der Polizeipräsident in Berlin die ihm gewordenen vertraulichen Mitteilungen des v. Albert über hochverräterische Umtriebe dem Oberreichsanwalt nicht mitteilte, weil er diesen Dingen feine Be­deutung beimaß. Bei dieser Sachlage glaube ich, unter Aufrechter­haltung der grundsätzlichen Bestimmungen, auf eine weitere Er­örterung dieser Sache verzichten zu können"( Aha! und Gelächter rechts). Das heißt, daß der Reichsjustizminister dem Oberreichs anwalt auf seine Angriffe gegen die Polizei kein Recht gibt, sondern diese Angriffe durch das Schreiben des preußischen Innenministers als erledigt betrachtet. Die Angriffe gegen die Polizei sind also unberechtigt. Die Polizei hat getan, was sie nach Lage der Sache tun mußte. Es liegt fein Anlaß vor, irgendeinem Polizeibeamten wegen der Art seines Vorgehens irgendeinen Vorwurf zu machen. Das, was geschehen ist, mußte geschehen und wird auch immer wieder geschehen, selange ich auf diesem Plaze stehe.( Lebhafter Beifall links, Zischen rechts.)

Abg. Kuffner( Soz.):

Die Deutschnationalen fordern zweierlei Recht, eines für die hochangesehenen Persönlichkeiten", das andere für die übrige anonyme Masse. Natürlich wird das Sonderrecht nur dem zuge= billigt, der kräftig ins deutschnationale Horn stößt. Wenn Assessor Diez und Hochmeister Mahraun, die früheren Deutsch­nationalen, geturnt und gebarnt hätten, wenn sie mit General Watter die Verteidigungslinie an der Elbe gezogen und mit dem Bund für Freiheit und Recht in die Katastrophe hineinmarschiert wären, dann gehörten sie auch heute noch zu den Hochangesehenen", bei denen um so weniger gehaussucht werden darf, je verrückter und staats­gefährlicher die Pläne find. Aber weil sie gegen den Wahnsinn sich gewehrt haben, sind sie heute nur noch ein Mensch wie Dr. Diet". Die ganze Unsicherheit und Beunruhigung rührt von dem Geheim= Spiel der Reichswehr her, von der berüchtigten Tarnung. mahraun fagt in seiner Denkschrift mit Recht, daß der getarnte Organismus notwendig der Politisierung und Radikali= ferung anheimfallen mußte.

Zu dem getarnten Organismus der Reichswehr gehörten in erfter Činie Witing und Olympia . Olympia fonnte seinen Mitgliedern mitteilen, daß alle Mitglieder des Bundes ab 1. Januar 1924 in der Reichswehr ausgebildet würden. Bel den Friedhofsschändern in Erfurt fand die Polizei umfangreiche Waffenlager der Reichswehr . Die rechtsradikale Einstellung dieser

Leute war der Reichswehr bekannt. Sind die Friedhofsschänder megen ihrer guten Beziehungen zur Reichswehr jetzt begnadigt

morden?

Die Breslauer Polizei hat bei der Reichswehr angefragt, ob ein

Waffenlager in Ottmachau ihr gehöre. Die Antwort lautete verneinend; bei der Haussuchung wurden keine Waffen ge­funden, wohl aber ein Brief der Reichswehr an den Bor­fizenden des Ottmachauer Stahlhelms, die der Reichswehr gehörigen Waffen möchten anderweit versteckt werden, weil die preußische Polizei davon erfahren habe.( Lebhaftes Hört, hört!) In Baden sind die Führer der vom Innenminister verfolgten Organisation Don Damm vom Gericht freigesprochen worden, weil sie nach­gewiesen hatten, daß sie ihre verbotene Tätigkeit lediglich im Auf­

Das Verbot von Olympia beruht auf den Bestimmungen nicht nur des Republiffchukgefehes, sondern auch des Gesetzes über die Ausführung des Friedensvertrages. Herr Bord aber fagt, diefes Gefeh sei hier zum erstenmal angewandt worden. Er hätte sich in­formieren können und hätte dann auch erfahren können, daß auf Grund dieses Gesetzes in Duhenden von Fällen Verbote erlassen Herr Bord hat weiter unter Bezugnahme auf ein Zitat der veröffentlichte und bereits erwähnte Zitat. Unter dem 29. April habe alle diese Tatsachen dementiert; denn der deutsche Offizier lügt zwar Deutschen Beitung" erklärt, daß die Berliner Polizeibehörde

worden sind.

das gesamte Material erst nach drei Monaten dem Oberreichs­anwalt zugeleitet habe.( Abg. Bord( Dnatl.): Einen Teil des Materials!) Ich weiß nicht, woher Abg. Bord diese und andere Wissenschaft hat( Sehr gut! links). Ich will nur das eine feststellen, daß alles das, was damals die Polizei als abgeschlossen ansehen fonnte, bereits am 15. Mai 1926 durch besondere Boten dem Oberreichsanwalt zugestellt ist, drei Tage danach! Der Oberreichsanwall ist persönlich in Berlin gewesen und es haben die lonaliten Verhandlungen über die Durchführung ftattgefunden. Die Durchsuchungen haben sich durchaus im Rahmen des Zulässigen und in einwandfreien Formen bewegt. Auch Herr Bord hat anerkannt, daß an den juristischen Ausführungen im Ausschuß nichts zu er­innern sei, und hat lediglich gerügt, daß das Material nicht aus­reichend gewesen sei. Das aber zu beurteilen, ist Ermessens sache der Polizei

Die Denkschrift.

Ich komme zur Dentschrift über das Berbot von Bifing und Olympia . Es ist auch hier gesagt worden, das Mterial sei nicht vollständig. Ich wiederhole, daß das nicht zutrifft; alles, was vorlag, ist gegeben worden. Es ist weiter be­hauptet worden, die Veröffentlichung bedeute einen Eingriff in ein schwebendes Verfahren. Die Denkschrift ist aber von Ihnen( nach rechts) und von den Vertretern fast aller Parteien im Hause, auch von der Presse, immer wieder verlangt worden. Soweit Witing in Frage kommt, bedeutet die Veröffent lichung des Materials, auch wenn Berufung eingeleat ist, feinen Ein­griff, weil die Berufungsinstanz nur eine formelle Nachprüfung vor= zunehmen hat. Das wußten Sie; trotzdem haben Sie die Veröffent­lichung verlangt.

Die starken Worte gegen den Inhalt der Denkschrift scheinen doch nicht auf sehr fester Grundlage zu beruhen, sondern mehr feindlichen Gesinnungen zu entspringen. Bezeichnend ist auch die Stellung der Brosse. Die Deutsche Zeitung" schreibt über die Denkschrift, die sie selbst verlangt hat, daß etwas ungeheuerliches geschehen sei. Der Berliner Lokal- Anzeiger" schreibt am gleichen Tage, es sei festzustellen, daß sich die preußische Regierung eines Eingriffs in ein schwebendes Verfahren nicht schuldig gemacht habe. Die Tägliche Rundschau" erkennt die Berechtigung der Heraus gabe der Denkschrift an, spricht aber von einer tendenziösen Auf­machung und unterstellt, daß ich nicht gut gehandelt hätte damit, daß ich nicht alles veröffentlicht habe. Man kann es eben nicht allen recht machen und ich habe auch nicht die Absicht. Der Minister erklärt weiter, daß Wifing bereits einmal verboten sei, eben falls die Vorgänger von Olympia . Um ein Gesamtbild zu geben, müffe man also hiftorisch vorgehen.

Der Reicheminiffer des Innern hat dem preußischen Miniffer gegenüber die Genehmigung erteilt, die Auflösung auszusprechen. Es heißt ja, daß die Auflösung erfolgt durch die oberste Landes behörde mit Zustimmung der Reichsregierung. Die Organisationen

ich, so führt der Minister weiter aus, als Polizeipräsident von

Berlin dem Oberreichsanwalt geantwortet. Es heißt in diesem Briefe, den der Minister wörtlich verließt, u. a.: Ende Dezember 1925 teilte der Schriftleiter einer Zeitung der Polizei fernmündlich mit, daß ein früheres Mitglied der Schwarzen Reichswehr, v. Albert, wichtige Angaben über neue Feme­morde machen wolle. Albert sei durch Kriminalkommissar Dr. Stumm und später auch durch den Untersuchungsrichter in Landsberg eidlich vernommen worden.

Eine Uebersendung dieser Zeugenausfage an den Oberreichs­anwalt durch das Polizeipräsidium Berlin fei nicht in Frage gefommen, weil dies Sache der zuständigen Staatsanwaltschaft gewesen wäre.

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Als durch die Zeugenaussagen flar festgestellt worden sei, daß die Schwarze Reichswehr bereits Anfang 1923 hochverräterische Ab­fichten verfolgte und daß die Fememorde auf die Furcht vor Ent­deckung dieser Pläne zurückzuführen schienen, wäre das gesamte Material dem preußischen Justizministerium vor­gelegt worden. Die Aussagen der hierüber vernommenen Zeugen seien den einzelnen Staatsanwaltschaften übergeben, die dem Ober­Daraus ergibt sich, so führt der reichsanwalt berichten müßten. Minister aus, daß die Polizei einwandfrei gehandelt hat.( Sehr wahr! links.) Jh habe das Material damals dein Minister des Innern gegeben, der es dem Reichsjustizminister weiter­leitete. Das Schreiben des damaligen Innenministers Severing an den Reichsjustizminister, das ebenfalls verlesen wird, besagt u. a.: Die Tätigkeit der Polizei bei Aufklärung der Feme­morde erschöpft sich in der Ermittlungsarbeit und deren Bekanntgabe an die zuständige Staatsanwaltschaft.

Für die vom Oberreichsanwalt geforderte unmittelbare Ueber­fendung ist fein Raum. Jst mir das Schreiben des Oberreichs­anwalts schon hiernach unverständlich, so kann ich seine Auf­faffung, er allein sei über alles, was im Reiche auf Umsturzpläne hinzielt, unterrichtet und könne bei der Verfolgung dieser Dinge allein die Berhandlungen so leiten, daß der innere Friede gewahrt wird, feinesfalls unwidersprochen laffen.

Es pflegt ftets geraume Zeit zu dauern, bis eine auf Umsturz abzielende Bewegung feste Formen angenommen hat. Der Ober­reichsanwalt erhält erst dann Kenntnis von den Dingen, wenn die Die Polizei vorher die Ermittelungen durchgeführt hat. primäre Tätigteit liegt bei der Polizei.

Ich als Vorgesetzter sämtlicher preußischer Behörden, so hieß es in dem Schreiben Severings an den Reichsjustizminister weiter, bin für meinem Amtsbereich allein und viel genauer über sämtliche Um­ffurzpläne unterrichtet als der Oberreichsanwalt( Burufe rechts: Nichts habt Ihr gefunden!). Wenn der Oberreichsanwalt schließlich fich allein für fähig erachtet, die Untersuchung se zu führen, daß jede innere Unruhe vermieden wird, könnte darin die Feststellung gefehen werden, der Polizeipräsident von Berlin habe innere Unruhe ver­ursacht.( Sehr wahr! rechts.) Gegen eine derartige Behauptung müßte ich nachdrücklichst Berwahrung einlegen.

trag

der Reichswehr ausgeübt hatten. Natürlich werden nicht, aber er dementiert!( Heiterkeit.) Aber wenn die Reichswehr

ihren Heeresersatz nur von der äußersten Rechten nimmt, nimmt fie dafür ihren Granatenersatz von der äußersten Linken.( Heiterkeit. Große Unruhe bei den Kommunisten.)

Das Zusammenwirken von Sowjetrußland und Reichswehrstellen fann gar nicht bestritten werden.( Oho! bei den Kommunisten. Die Kommunisten haben von der Reichswehr das Dementieren gelernt.( Heiterfeit.)

Aber Herr Tschitscherin hat ja erst vor wenigen Tagen erflärt: Auf die Festigkeit der Bande zu Deutschland kann ich mich verlassen." Dicje Bande heißen Gefu und Wito, die Herren Kommunisten mögen Tschitscherin fragen, mas das bedeutet. Im übrigen fönnte ich über dieses Thema noch sehr viel sagen, wir möchten aber erst abwarten, was Herr Geßler überhaupt bestreitet. Jedenfalls müssen die staatlichen Organe bei den Wahnsinnsplänen der Rechten recht­zeitig dazwischenfahren und wir wollen es dem Ministe rium des Innern danten, wenn es weiter wie bisher die Augen offen hält.( Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Goebel( 3.) hält die vorgenommenen Haussuchungen juristisch für berechtigt.

Abg. Pied( Komm.): Die Sozialdemokraten führen einen Schein­Sie wollen nur ablenfen von dem ungeheuren Erfolg kampf vor. des Kongresses der Werftätigen. Die Mitteilungen über die Flug­zeugfabrit von Junkers jind richtig.

Abg. Grzesinski erklärt gegenüber dem Abg. Bord, das Ver­fahren gegen Ehrhardt wegen Verleitung zum Meineid sei deshalb eingestellt worden, weil Ehrhardt auch hier politische Gründe zu seiner Entlastung angegeben habe. Die Haussuch un­gen seien nicht deswegen vorgenommen worden, weil Dr. Dieg gewisse Personen verdächtigte. Die Durchsuchungen seien vielmehr aus anderen Gründen geschehen.

Abg. Göbel( 3.) betonte, daß man die Haussuchungen lediglich von dem Gesichtspunkt aus betrachten müsse, ob die Voraussetzungen für sie gegeben waren. Man könne aber bei der damaligen Sach­lage den Polizeibeamten feineswegs den Bor wurf der Pflichtverletzung machen, denn sie seien zu einem Vor­gehen verpflichtet gewesen, da der Bestand des Staates gefährdet schien.

Abg. Pied( Komm.) erklärt: Ueber die Enthüllungen des Funk­heinzelmannes Kuttner fönne man nur lächeln, ebenso wie über die Heze des Vorwärts", der den Arbeitern vergeblich weiß­machen wolle, daß Sowjet- Rußland sie in Streifs hetzen wolle und daß Sowjet- Rußland der deutschen Reichswehr Waffen liefere. Diese vom Borwärts" in verleumderischer Weise erfundenen Sowjet- Granaten sollten nur ein Ablenkungs­manöver sein angesichts der Tatsache, daß der Kongreß der erftätigen gezeigt habe, daß die profetarische Einheitsfront ständig wachse. Die Enthüllungen" der Sozialdemokraten seien lediglich Enthüllungen ihrer eigenen Schande.

Um 47 Uhr vertagt das Haus die Beiterberatung auf Freitas 12 Uhr.